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I? L8-. 8 Beilage zu» Messer Tageblatt. Dienstag IS. Oktober IttZS, abends. 78 Jahrg. Ae MMtm I« SestlAii Schiiwesm Ii Ser AMillmM Der Kampf, den die Tschechen gegen da- deutsche Volks tum in der Tschechoslowakei führen, wirb nicht nur auf voltttschem und wirtschaftlichem Gebiet auSgefochten. Auch gegen da- deutsche Schulwesen richten sich heftige Angriffe. Die Tschechen wissen sehr wohl, daß im Schulwesen die Grundlage eine- Volke- liegt. Wenn sie den Einfluß der Deutschen in ihrem Staate, die immerhin 31L Millionen stark sind, schwächen und schließlich auSschalten wollen, so müssen sie vor allem bedacht sein, da- vor der Gründung de» tschechischen Staate» zu hoher Blüte gelangte deutsche Schulwesen soweit einzuschränkeu, baß e» den Anforderungen eine» kulturell hochstehenden Volke- nicht mehr genügt. Gerade da», wa» der junge Mensch vom S. bis 13. Lebens jahr an Eindrücken empfängt und an Wissen übermittelt bekommt, ist oft bestimmen- für sein ganzes Leben. Und wenn ber Heranwachsenden deutschen Jugend nicht mehr genügend Schulen zur Verfügung stehen, dann wird in vielen Fällen eine Entfremdung vom deutschen BolkStum eintreten. So kommt alle« darauf an, dem Deutschtum im tschechoslowakischen Staate zu erhalten, war ihm jetzt an deutschen Schulen gehört, darüber hinaus zu fordern, was ihm zukommt. Bei der Gründung de» jungen Staates hat man in den Sprach- und Schulgesetzberatungen ausdrücklich festgestellt, daß jeder anderssprachigen Minderheit aus geschichtlichen und kulturellen Gründen die im Rahmen des Staates be rechtigten Ansprüche in Schul- und BerwaltungSbetrieb zu bewilligen seien. Die Praxis hat bewiesen, daß man nur schöne Worte gesprochen hat, die nie erfüllt worden sind. Zudem hat man die Schul- und Sprachgesetze nach Wunsch angewandt und gebeugt. Die Deutschen gelten den Tschechen immer noch als daS gefährliche Element in ihrem Staate. Go sucht man sie zu schwächen, wo eK nur immer geht. Und gerade aus dem Gebiete des deutschen Schulwesens einen Rechtsbruch nach dem anderen vorzunehmcn, ist den Tschechen um so leichter, als die Entscheidungen von einer einzigen Stelle gefällt worden, die noch dazu dein Parla ment nicht verantwortlich ist. Und daß man keinen Deut schen in diese Regierungsstelle setzen wird, braucht nicht be sonders betont zu werden. Die Politik, die man im allgemeinen cinschlägt, läßt sich kurz wie folgt skizzieren: Man sucht vielfach ein deutsches Sprachgebiet, das einem einzigen Schulbezirk angehört und dort eine vierklassige Schule besitzt, dadurch zu beeinträchtigen, das; es auf mehrere Schulbezirke, die überwiegend tschechisch sind, ver teilt wird. Daun sind die Schulkinder des deutschen Ge bietes in den neuen Bezirken Minderheit, so daß für sie oft nicht einmal eine Minderheilsschulklassc gefordert wer den i nu. Tie deutschen Kiltdcr sind dann gezwungen, in di. tschechischen Schulen zu gehen. Der Verlust, den die Deutschen allein durch solche Bezirköcinteilungen erleiden, ist schon groß. Darüber hinaus aber sind noch all die Fälle zu betonen, in denen man Klassen- und Schulsperrnngcn völlig widerrechtlich vornimmt. Mir ist ein Fall bekannt, der die Gewaltpolitik der Tschechen klar beleuchtet. Eine zweiklassigc deutsche Schule in Möhren wurde in eine ein klassige umgewandelt, weil die Schülcrzahl nicht V0 erreichte. Die Möglichkeit, die Wiedcreinrichtung der zweiten Klasse zu verlangen, besteht erst daun, wenn die Schülcrzohl 73 beträgt. Andererseits wird für 4 oder 3 f!j tschechische Kin der eine Schule eingerichtet. Es werden meist sogar keime Kosten gescheut, um für die geringe Schülerzahl ein neues Gebäude zu errichten. Diele deutsche Gemeinden haben sich bei einer drohenden Schul- oder Klasscnschlicßung der Schul behörde gegenüber bereit erklärt, die Betriebskosten und Gehälter aus eigenen Mitteln zu zahlen. Diese Vorschläge sind regelmäßig abgclehnt worden. Die Wirkungen der tschechischen Schulpolitik kann man vor allem in ländlichen Gegenden beobachten. Nicht jeder deutschen Familie ist es finanziell möglich, nach einer Schul schließung ihre Kinder 2 bis 3 Stunden weit in die nächste deutsche Schule zu schicken. Zwar hat der deutsche Kultur verband an vielen Stellen aus eigenen Mitteln bezahlte Lehrer eingesetzt, um dem Vordringen der Tschechen auf diese Weise Halt zu gebieten. Daß die Tschechen aber nichts unversucht gelassen haben, um den vom Kulturverband er teilten Privatunterricht — nur in dieser Form kann der Kulturverband wirken — zu stören und zu vereiteln, ist ja selbstverständlich. Trotz aller Versuche ist aber in manchem gefährdeten Punkt das Deutschtum gerettet worden. Aber auch der Kulturverband kann nicht überall helfe«. Da liegt an der Beschränktheit der Geldmittel und der Größe ber Not, die sich hier auftut. Die Staatsbeamten deutscher Nationalität werben natürlich immer gezwungen, ihre Kin der in die tschechischen Schulen zu schicken, andernfalls droht man ihnen mit sofortiger Dienstentlassung. Bis zum heu tigen Tage sind von den Tschechen an deutschen Schulen SS Realschulen und Gnmnasien, 38 Bürgerschule» und Slv Volksschulen mit SÜSS Klassen aufgelöst worden. Besonders hart ist man im Hultschiner Ländchen — lvl» von Deutsch land abgetreten — vorgegangen. Bon den dort bestehenden 170 Schulklassen sind bis jetzt 173 s!) geschlossen morden. Welche Gefahr daS für die Erhaltung der deutschen Sprache, deS Deutschtums überhaupt, bedeutet, liegt ja auf der Hand. Die Tschechen missen sehr wohl, daß sic wenig erreichen werden, so lange cs nach genug deutsche Lehrer gibt, die Unterricht — und sei cs auch nur privat — crtcilcn. Des halb haben sic vielfach teilweise oder völlige Schließung der deutschen Lehrerbildungsanstalten verfügt. Auf dem Gebiet deS Hochschulwesens ist folgende» zu sagen: Es gibt an deutschen Hochschule» die Prager Uni versität und die beiden technischen Hochschulen Prag und Brünn. Da man den Deutschen die Bergakademie Pribram genommen hat, ist natürlich in Prag an ber technischen Hochschule alles überfüllt. Sämtliche Bitten um weiteren Ausbau der Institute und höhere Staatszuschüsse werden regelmäßig mit der Begründung abgclehnt, der Staats haushalt vertrüge keine weitere Belastung. Dabei muß man aber feststellen, daß die tschechischen Hochschulen wesent lich höhere Unterstützungen bekommen, daß andererseits der diplomatische Außendienst dem tschechischen Staate derartige Kosten verursacht, so daß diese Begründung des Lparcu- müssens nur zu durchsichtig ist, um die Absichten der tschechischen Machthaber nicht erkennen zu lassen. Sie be streben eine gänzliche Vernichtung der deutschen Kultur in ihrem Staate. Ter ältesten deutschen Universität — Prag — hat man sogar ihren historischen Namen, das Archiv, die Insignien und anderen wertvollen Besitze geraubt, um damit die. tschechische Universität auszuputzen. Man bemüht sich also vor allem, dem Ausland gegenüber die bewußte Täuschung hcrbciznsührcn, als wäre die Prager Universitär schon immer tschechisch gewesen. Fast alle Proteste der Deutschen gegen das rechtswidrige Verhalten Les Staates verhallen ungehört. Trotzdem ist cs notwendig, immer wieder die schreiende Ungerechtigkeit zu betonen, damit auch das Ausland in dieser Beziehung klar sieht. Vielleicht kann sich dann unter dem Truck der aus ländischen Meinung eine Aenbcrung der tschechischen Politik vollziehen. Ul W Mm« IM NM StMn. Etwas vom Newyorker Verkehr. Bon Tr. H- A r u p. (Nachdruck verboten.i Newyork ist die mit Einwohnern am reichsten gesegnete Stadt der Erde, wenn man eine Bevölkerungszahl von nahezu zehn Millionen einen Segen nennen kann. Schon vor mehr als hundert Jahren war infolge der Lage der Stadt auf der schmalen, langgestreckten Insel Manhattan die Bebauung eine schachbrettartige. Wie wir es auch von einigen unserer Städte, besonders von Mannheim, kennen, sind die Häuser ausschließlich zu quadratischen Blocks zu sammcngcfaßt, und die Straßen schneiden sich nur in einem rechten Winkel. Tas erleichtert natürlich die Regelung des Verkehrs weit mehr, als bei einem wirr durcheinander lau fenden Straßensystem, ja, man kann sogar sagen, daß Ncw- qork bei einer weniger strengen und schablonenhaften Be bauung heute seines Verkehrs nicht Herr werden kannte. Bon diesem Verkehr kann man sich ein Bild machen, wenn man bedenkt, daß morgens, bei Bürobcginn, und ebenso am Nachmittag, bei Büroschluß, mehr als zwei Mil lionen Menschen in die City, die Gegend der 5. Avenue, und von dort wieder nach Hause befördert werden müssen. Den größten Teil dieser Milltonenbeförderung bewältigt di« Untergrundbahn. Sie verkehrt in gewissen Stunden in Abständen von nur 43 Sekunden, waS durch eine sichere und automatische BlocksichcrungSanlage ermöglicht wird. Außer dem ist, anders als in unseren Großstädten, die Untergrund bahn viergleisig gebaut,' auf zwei Geleisen fahren die Schnellzüge, die nur etwa auf jedem sechsten Bahnhöfe halten. Die Schnelligkeit wird dadurch außerordentlich ge fördert, daß es — wie neuerdings auch in Hamburg — nur eine Wagenklasse gibt. Außerdem aber kennt man in New york kein Billett, sondern man geht auf den Bahnsteig durch eine Sperre, die sich nur beim Einwurf eines 3-Centstückcs öffnet. Denn der Fahrpreis ist, obwohl sehr niedrig, für alle Strecken, auch für die grüßte Entfernung, der gleiche. Das bedeutet auch eine große Ersparnis im Beamtcnoppa rat der Bahnen. Bahnsperrc und Billcttschaltcr sind fortge fallen, und vor dem Bahnhof befindet sich lediglich ein Kiosk zum Einwcchscln kleiner Münzen. Eine neue Einrichtung erleichtert sehr dem Reisenden das rechtzeitige AuSsteigcn: denn während der Fahrt wird den Fahrgästen die nächste Haltestation durch einen Lautsprecher mitgcteill. Eine nächtliche Unterbrechung des Untergrund- und Hochbahn verkehrs gibt es schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Schwieriger als unter der Erde gestalten sich die Ver hältnisse auf den Straßen. Tie Straßenbahnen sind zwar aus den Hauptverkehrsadern immer mehr verschwunden und leisten nur noch Zubringerdienste für die Untergrund bahn und für die Fähren über den Hudson und East River, dafür aber hat sich der Automobilverkchr in einem Maße gesteigert, daß an ein schnelles Fortkommen mit dem Auto gar nicht mehr zu denken ist. An jeder Straßenkreuzung entsteht, wie auch zu bestimmten Stunden schon in Berlin, ei» oft minutenlanger Aufenthalt. Dabei sind die Straßen so breit, daß nie weniger als vier, auf den großen Avenuen sogar sechs Autos nebeneinander fahren. Tie Verkehrs türme, die in gewissen Abständen auf den langen Straßen zügen errichtet worden sind, haben zwar die Sicherheit, nicht aber die Schnelligkeit des Verkehrs gefördert. Und io ist es heute so, daß, wer Eile hat, nicht Auto, sondern Unter grundbahn fährt. (stanz Newyork beschäftigt sich deshalb heute mit dem Problem, wie man dem Auto die Schnelligkeit von früher wicdcrgcbcn kann. Zu diesem Zweck ist ein Projekt ausgc- arbeitct morden, dessen Verwirklichung man in nächster Zeit zu erwarten scheint. Unter allen Vcrtchrssrraßen sollen Untcrgrundstraßcn angelegt werden, auf denen, sich zuküni tig der Autoverkehr abwickcln soll. Ter Bau dicker Straßen wird voraussichtlich nach den amtlichen Erhebungen nicht weniger als 19lt Millionen Dollar kosten. In Anbe tracht dieser selbst für amerikanische Begriffe immensen Ziffer hat man lange gezögert, diesem Plan nähcrzutrctcn. Jetzt ist aber ausgerechnet worden, daß der Schaden, den die Autobesitzer durch das langsame Fahren und das Warten an den Straßenkreuzungen erleiden, da der Motor doch weiter läuft und der Benzinverbrauch kein geringerer als bei schnellem Fahren ist, jährlich mehr ausmacht als 1S6 Millionen Dollar. Weil dieser Schaden nicht anders als durch den Bau der unterirdischen Autostraßen abzustcllcn ist wird man nun wohl in Kürze die Ausführung in Angriff nehmen. Es werden sich dann auf den Avenuen in Abstän den von 1 bis 2 Kilometern Rampen nach unten senken, und der weitaus größte Teil der Autos wird in der Ver senkung verschwinden. Interessant ist auch ein neuer Plan, der den Fußgänger zwangsweise mehr als bisher vor Un'ällcn schützen soll. Alle Bürgersteige sollen nämlich erhöht werden, so daß sie etwa einen Meter über dem Fahrdamm zu liegen kommen. Nach den Straßenkreuzungen hin tritt dann ein Gefälle ein, der Bürgersteig senkt sich, und nur hier soll cs dem Fuß gängcr möglich sein, die Straße zu überkreuzen. Dazu dürften aber wiederum kostspielige Kanalanlagen notwen dig werden, um zu verhindern, daß das aui der schiefen Ebene des Bürgersteigs obiließende Regenwancr an den Kreuzungen kleine Seen entstehen läßt. Hitggj 8upjien Seit 40 Jahren bewährt find Vollendete Qualität. Grolle Sorteuanswahl. Ern Würfel zu IS Pfennig reicht für 2 Teller. Am historische» Tisch. Der Tisch, die Satze uud die Wirtin vou Ascona als histo rische Requisite». — Der äußere Rahme« der Konferenz. EC. Locarno, 11. Oktober 1S2S. fdtJ Weder der Tischler, ber den Tisch gezimmert hat, noch die Wirtin in Ascona, die ihn benutzt, haben cs sich einst träumen lassen, daß er historisch werden würde. Er sieht auch garnicht danach aus, es ist ein ganz gewöhnlicher, einfacher und ungestrichener Holzttsch, wie man ihn zu Hun derte« in jeder Ofteria finden kann. Im Augenblick, da ich dara« sitze, ist er rein gescheuert, ober ich habe ihn in dem dringenden Verdacht, daß, als vor einigen Tagen sich zwei Herren an ihn setzten, die gar nicht viel anders aussahcn, als sonstige Sommerfrischler, die sich in die beschauliche Stille der Ofteria verirren, noch eine recht ordentliche Schmutz schicht auf chm zu finden war, wie sich bas für einen richtig gehenden WirtShauStisch in jeder italienischen Gegend ge ziemt. Aber jetzt sinb schon so viele Leute, Neugierige, Jour nalist««, Photographen und Politiker und solche, die es u»«rhen wollen, gekommen, um beu historischen Tisch in Augenschein zu nehmen, daß sich die Frau Wirtin immerhin bemühtest gesehen hat, ihn einer gewissen Reinigung zu un terziehen. Sogar die gleichfalls historische Katze, die Tr. Sucher gestreichelt hat, schaut frisch gewaschen aus und träge eine demeutfprechend betrübte Miene zur Schau. Um so fröhlicher sieht die Wirtin drein, an ber Wasser uud Seife auch nicht unbedingt spurlos vorbeigegangen sind. St« hat Zett ihres Lebens nie so ein glänzendes Geschäft gemacht al« in diesen Tagen. Luther und Brland häbcib zwar mit ihrem Kaffee und dem Selterwasser den materi elle» Besitzstand der Wirtin nicht unbedingt vermehrt aber Kagege« die unbedeutenderen Nachfolger um so mehr ES gibt in Locarno viele, die es für ihre heiligste Pflicht und Schuldigkeit halten, am historischen Tisch in Ascona eins, zwei, drei oder noch mehr Gläschen feurigen südlichen Wei nes zu leeren. Selbst die zarten Domen, die in Gefolgschaft ber verschiedenen Delegationen angerückt sind, müssen un bedingt einmal am historischen Tisch gesehen haben. DaS Glück der Nachkommenschaft der Frau Wirtin ist schon ge macht. Gewiß wird sich in einigen zwanzig Jahren ein amerikanischer Tollarkünig finden, der den Tisch in Gold aufwiegt, und wenn er dann über den groben Teich gewan dert ist, dann werden sich noch immer kundige Tischler fin den, die einen neuen machen können. Wie das von berühm ten Vorgängern, Napoleons Totenbett u. a. her schon satt sam bekannt ist. Sonst spannt sich noch immer der tiefblaue, fleckenlose Htmmel über dieses entzückende Stückchen Erbe. Und wenn eS auch ab und zu einem Wölklein gelingt, von kälteren Gegenden her die Alpen zu übersteigen, dann fängt es sich gewiß an der letzten Felswand, die sich im Norden des Städtchens auftürmt, oder eS schlägt einen großen Bogen, damit eS in Zukunst um HimmelSwtllen nicht für das Schick sal deS hier begründeten Weltfriedens verantwortlich ge macht werde. So herrscht also eitel Sonne überall, auch in den Herzen der Delegierten. ES trägt jeder eine rosige Sonnenbrille vor den Augen, und eS steht alles ganz wun derschön aus. Die Landschaft wirkt aus die Herze» und selbst auf die hochwichtigen Mienen der Großen dieser Welt, die durchwegs nur mit verklärten Gesichtern hcrumlaufen. Man sehe sich nur die Aufnahmen der Preffephotographe» an! Nie hat Stresemann so gelächelt wie auf allen diesen Bildern. ES ist erstaunlich, welchen Ricsenapparat die Gastgeber der Schweizer Regierung in Bewegung gebracht haben, um dem ungeheuren Heer von Politikern und Berichterstattern eine würdige Unterkunft zu bieten. Für die Presse hat man z. B. Räume des Elcktrieitätswcrkcs beracrichtet, und die hochwichtige Konferenz selbst findet bekanntlich im Saal des GcrichtSgebäudes statt. Tos weltversunkcnc Städtchen ver fügt nun über direkte Telephonlcitungcn zu allen Haupt städten Europas und eine ganze Armee von Stenotypistin - nen aus allen Tälern der schönen Schweiz ist angerückr und stellt ihre Kunst dem unversiegbaren Strom zur Verfügung, der aus den Diktaten der Sekretäre und Journalisten von hier aus in alle Welt fließt. In dem groben Prcssesaal liegen jederzeit die größten Zeitungen der Erde aus, niemand weiß, wer sic alle bestellt uud hcrgeschickt hat — sie sind einfach da. Und es ist über Haupt alles zur Stelle in dem winzigen Städtchen von 8lßX> Einwohnern, was das Herz des verwöhnten Großstadtmcn- schen begehren mag. Und eigentlich noch viel mehr! Tenn die üppige Vegetation Locarnos, die vom Herbst noch nichts zu ahnen scheint, macht ihm der geübteste Kunstgärtner der Großstädte nicht nach. In den Wintergärten der Botschof ten in aller Herren Länder hat man die schönsten Exemplare an Tropenpflanzen versammelt, damit die Politiker, die sich darinnen ergehen, von den berauschenden Farben und dem hoffnungsvollen Grün angeregt würden. Aber was ist dos alle- gegen die Ueberfülle an den herrlichsten Formen der Natur, die auf Locarnos Boden sprießt! Kunstvoll sind am Strande des Lago Maggiore einige Promenadenwcgc avgc legt, die Hotel mit Hotel verbinden. Aber sie sind noch die öden Flecke in der üppigen Pracht ringS umher. Was an derswo eine starre, graue Felswand ist. das ist hier eine unerschöpfliche Palette voll der zartesten Farbtöne. Am ein fachsten Objekt ihres Schaffens feiert die Natur Orgien an grenzenloser Herrlichkeit. Fürwahr, ber deutsche Außen minister Hot reckst gehabt, olS er bei seiner Begrüßung i« Locarno durch die Vertreter der deutschen Presse antwortetet „Wenn die Prachtsonne, die heute über Locarno strehtt auch über der Konferenz leuchtet, dann wird ihr Ers> -z sicherlich nickt onSbleiben!