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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.10.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192510134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19251013
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19251013
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-10
- Tag 1925-10-13
-
Monat
1925-10
-
Jahr
1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.10.1925
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Die frauzöstsche Streikbeweg««-. VParis. von kommunistischer Seite ans«- kündiate S4 ftündiae Generalstreik in ganz Frankreich als Protest gegen den Krieg in Marokko «nd in Syrien und gegen die neue Teuerung stellt sich nach Hava« wie folgt dar: Die Pariser Untergrundbahnen, die Autobusse und die Straßenbahnen verkehren, die Zahl der Streikende» ist gegen Sonnabend zurückgegangen. Bei de» VerkebrSunter» nrbmungen streiken jetzt nur noch 10 Pro,. Im Straßen- bild ist aber das Fehlen vieler Autodroschken zu bemerken. Zu irgendwelchen ernsten Zwischenfällen ist es nicht ge- kommen, wenn man davon absiebt, datz in Pariser Vor- orten arbeitswilligen Fuhrleuten die Pferde auSaesvannt wurden. In Marseille fehlten gesten rund 5000 Arbeiter, eine Ziffer, die jedoch nicht die Zahl der an anderen Montagen gewShnlich nicht zur Arbeit erscheinenden Ange stellten übersteigt. Die öffentlichen Dienste funktionieren. In Bordeaux feiern von 27 000 Arbeitern 1000. In der Bergwerks,eutrale von Carmaux wird normal gearbeitet, und von einem Streik ist nichts zu merken. In Lyon ist der Streik ebenfalls gescheitert. ES fehlen kaum 5 Prozent -er Arbeiter. Schwere «ommnnistenausschreitungen i« Paris. * Paris. Im Zusammenhänge mit der von den Kommunisten au-gegebenen Parole des Generalstreiks kam rrsukkliMktnii lv Lr. -uv rmch. Berlin. tFunksprnch.) Im Preußischen Landtag« fand heute vormittag die Trauerkuudgedung für b«» Reichs «riiii- srer a. D. Professor Dr. Hugo Preuß statt. Bor dem Portal de» LandtagSgebäudrS bildete bas Reichsbanner Spalier. Treppenhaus und Wandelhalle waren durch Blattgrün und Trauerflor weihevoll geschmückt. Den in der Wandelhalle aufgebabrten Sarg umgab eine Ehrenwache des Reichs banner» und der studentischen Korporation, der der Ber- storbrne nahe gestanden batte. Eine Fülle von Kränze«, meist mit schwarz-rot-goldenen Schleifen, verdeckte den Sarg. In Anwesenheit der Witwe und Angehörigen de» Entschla fene«, zahlreicher Vertreter der RetchSregterung, der GtaatSregierung, sonstiger Behörden und vieler Abgeord neter eröfsnete Reichsminister Dr. Bra«n die Feier, in dem er da» Beileid brr Reichsrcgierung auSdrückte und da» Werk de» Dahingeschtedenen würdigte. Der Borsitzende ber Demokratischen Partei Reichsminister a. D. Koch feiert« de« Verstorbenen gleichfalls al» Schöpfer der ReichSverfafsung und entwarf ei» Bild seine» Leben». Landtag-Präsident Barthel» hob hervor, daß der Verstorbene bi» zuletzt uner müdlich im Parlament und sonstigen Au»schüffen mttgear- beitet und besonder» für die neue Städte- u. Landgemeinde ordnung Wertvolles geleistet habe. Jnftizrat Falk-Kvl», der Vorsitzende der demokratischen Landtagsfraktion, feierte Preutz als Freund, Weggenossen und Führer der demokra tischen Fraktion. Major Hanfs spxach für da» Reichsbanner und SenatSpräfident Großmann für den republikanischen RetchSbund. Dann wurde der Sarg unter den Klängen de» Harmoniums aus dem Landtagsgebäubc geleitet. An der Trauerfcier für den verstorbenen Reichsminister a. D. Dr. Preutz haben, wie nachgetragen sei, teilgenommen al» Vertreter des Reichskanzlers «nd der ReichSregternng der ReichSarbeltSminister Dr. BrannS, der Reichsminister Le» Innern Schiele, die Staatssekretäre Zmeigert (Reichs- ministertnm de» Innern! und Joel (ReichSjusttzministerium), die Ministerialdirektoren Pünber und Wachsman« von ber Reichskanzlei und Ministerialdirektor Brecht vom ReichS- «wi de» Innern. Die Grafen von Freydeck. Roman von A. Ost land. 39. Sortse'vung. Nachdruck verboten. Doktor Hans Aufenbach sah sich dieser Gestaltung der Dinge kaum gewachsen. Er war ein Lebemann und batte sich schon in allerlei seltsamen Situationen befunden. Aber diesem schluchzenden, noch halb kindlichen Mädchen gegen- über, welches sich unter der Last einer so schweren An klage befand, und das doch den Eindruck rührendster Un schuld machte, wußte er nur schwer den rechten Ton zu treffen. Er goß ein Glas voll des goldenen Weines und pellte es neben sie. .Da, Kind, trinken Siel Sie sind überreizt, krank, wie konnten Sie überhaupt so lange in diesem Wetter auf der Straße bleiben?"' Hilda hob das Köpfchen und sah ihn flehend an. »Wenn Sie nichts Schlechtes von mir denken wollen, werde ich Ihnen alles genau sagen", stieß sie hervor. Er nahm nun selbst da» Glas und setzte es ihr an den Mund. »Erst trinken!" Sie trank folgsam in kleinen Schlückchen den schweren Wein, und sie fühlte es, daß ihr wärmer und besser wurde. In da» blaffe Gesicht stieg ein« leise Röte, welche sie noch lieblicher erscheinen ließ. Und während sie nun, seinem Drängen folgend, noch «in paar Bissen aß, erzählte sie ihm alle», was der ver gangene Abend ihr gebracht hatte. Er saß ihr gegenüber und sah immer aufmerksam nach ihr hin. Als sie geendet hatte, stand er unruhig auf. .Hm," sagte er, „Sie haben da» sehr hübsch gemacht. Don viel Lebenserfahrung scheinen Sie also, trotz Ihr«? sehr merkwürdigen Erlebnisse, keine Spur zu haben. Was, um Himmels willen, sagen wir nun den Leuten, wo Eie diese Nacht zubrachten?" Hilda sah ihn erstaunt an „Kann man nicht die Wahrheit sagen?" fragte sie, unsicher gemacht. «Ich habe doch nichts Schlechtes ge tan, höchstens übereilt gehandelt! Und St« — Ei« waren wirklich sehr gut zu mir!" , Er pfiff leise durch di« Zähne. „Ihre heimlichen, nächtlichen Zusammenkünfte tm Forst haus« mit jenem Unbekannten werfen gerade kein allzu schöne» Licht auf Sie," sagt« er dann; „wa, werden erst dl« Leute sagen, wenn sie erfahren, daß Sie mit dem tollen Aufenbach, den ganz Wien kennt, de» Nacht» t» einem Hotel waren und — und mit ihm soupierten? Leider bin ich nicht gerade im Rufe eine» Tugendbolde»" — er lächelte flüchtig —, „ich hatte schon allerlei heiter« Abenteuer, welche meine lieben Mitmenschen auch erfuhren. Also: ich pass« zu allem eher, al» zur Beschlltzerrolle für ein junge» Mädchen l" Hilda Wenthelm hatte sich schnell erhoben. Eine tiefe Glut überflammte jetzt ihre feinen Züge. Wortlos griff sie nach ihrem Hütchen. Er hatte rasch ein Glas Wein herabgestürzt, dann «in zweites; nun siimmert« es ihm plötzlich vor den Augen. Wie durch einen Schleier sah er die graziös«, biegsame Ge statt de» jungen Mädchen» vor sich. Heiß stieg ihm da» Blut zu Kopf. E» «ar doch zu reizend, diese» jung« Kindl Und wenn st« wirklich diel« Unschuld»komödi« nur so brillant spielte — und wenn sie eine Schuldige «ar — ltedllch und anmutig «ar üe dach. e» aesten» an verschiedenen Stellen »er Gtaßt »n »ektiaen SukawmenKßste« Butsche» Streikende» »»d Arbeit». Willi»«». An einem Pariser Vorort wurde »in Trambahn- wagen umaestükzt. An dem kommunistischen Vorort St. Denis versuchten die Streikenden verschiedene Fabriken zu stürmen. S« kam zu bettiaen Handaemena»« mit der Polizei, wobei »« ans beiden Selten zahlreiche Verwundet« gab. Gin Demonstrant wurde ««tötet. Gin Streikender verletzt« ein«» Polizeikommiffar durch «inen Tritt in den Bauch. Der kommunistisch« Bsiraermeistrr des Vororte« nahm den Angreifer vor den Polizisten , in Schutz und er möglicht« ihm, zu entfliehen. GS wurden über 30 Verhaf tungen voraenommen. Die «r«e Amnudsev--SrpedMou. )l Oslo. Der Vorsitzende des Lustfahrtvereln« teilte der Preise über di« Vorbereitnnaen Amiindsens kür seine Dolexpedition mit, datz SllSwortb für TxpeditionSzwrcke 100 000 Dollar gestiftet habe unter der VoranSsetzuna. datz da» Unternehmen den Namen „Amnndsen-EllSworth Expe- dttion" erhält. GllSwortb bat weiter die Bedinauna aestellt, datz der Flug unter norwegischer Flagg« vor sich aeht und datz kein anderer Amerikaner al« er daran teilnehmen dürfe. EllSwortb wird sich al» Navigator betätige» nnd des weiteten zusammen mit einem Meteorologen die wissen schaftlichen Arbeiten leiten. Es sollen zwei Warben »Inge- richtet werden mit Nieser Larsen «nd Hebila al« Führer. Das Unternehmen wird im ganzen ea. 1'/, Millionen Kronen kosten. 25 Arbeiter verlaffen am Mittwoch Oslo, nm nach Spitzbergen zu reisen, wo sie zusammen mit den dortigen Arbeitern die Errichtung einer Luftschiffbau, vor- bereiten werden. Man hofft, da» Fundament vor Eintritt de» Winter» gießen zu können, um im Laufe de« Winter» das Skelett zu errichten. Di« Halle w'-^ *>-""» tväter mit Segeltuch bedeckt werden. Soziale Kämpfe i« Amerika. Newyork. In den Vereinigten Staaten sind zurzeit in olle« «rosten Industrien heftig« Lohnkämpf« im Gange. Der Streik der Grubenarbeiter, der im ersten Augenblick wieder -abzuflanen drohte, hat plötzlich außerordentlich an Ausdehnung gewonnen. Die Zeitungen beschäftigen sich eingehend mit der wachsenden Unzufriedenheit der Arbeiter. Die „North American Review" schreibt: Der „amerikanische Arbeiter bat keinen Bedarf an ZwangSgesetzen, die seine politische Reife anzweifeln, und die sein moralisches Heil bezwecken. Er wünscht, daß seine wirtschaftliche Lage ver- beffert wird, und datz man endlich darauf verzichtet, ihn zu zwingen, ein „sittliches Leben" zu führen. Er wird ver- bittert durch die «rzväterlichen Bemühungen derer, die ibn durch die TrockenleaungSgesetze mit aller Gewalt zn einem „mar»"^-," Menschen machen wollen". Juterüatioualer Kongretz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Die Beratungen der Internationalen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten fanden dieser Tage in Paris statt. Bon den 83 Ländern, die ber Gesellschaft an gehören, waren 18 vertreten: für Dentschland war der Vor sitzende ber deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge schlechtskrankheiten, Geh. Rat Pros. Dr. Jadassohu-BreSlau u. a. anwesend. Fast aus allen Ländern wurde über eine erhebliche Abnahme der Syphilis berichtet. Dieser Erfolg wird zum Teil auf die energische Aufklärungsarbeit zurtick- aestzhrt, vor allem auf die neuere« Behandlungsmethoden. I» «le« Säubern »er Welt, mit A«»««h«e v»« Deutschlaud uud ,»«i klein«« K««to«e« der Schwriz, ist die veha«bl«», »er SÄchlechtSkranke« »nrch Leie«,gesetzlich ft,««, verbot««. Ohne dieses Berbot sei, so wurde betont, kein« wirksame Eindämmung ber Geschlechtskrankheiten zu erreichen. Eine solche Regelung werbe deswegen auch sür Deutschlänb in dem dem Reichstage vorliegenden Gesetzentwurf zur Be kämpfung ber Geschlechtskrankheiten verlangt. Allgemetu wurde anerkannt, baß die logen. Reglementier«»» der Pro- ftit«tio« eS zu keiner Zett und in keinem Lande vermocht hat, die Geschlechtskrankheiten etnzubämmen; deswegen wurde ohne Widerspruch beschloffen, all«, Länder« deren völlig« ««sh»««» ,» empfehle«. Als Ersatz wurden Maß nahme« gegen die sozialen, wirtschaftlichen und sittlichen Ur sache« ber Prostitution unter Schonung ber individuellen Freiheit vorgeschlagen. Zwangsmaßnahmen sollten nur an gewendet werden, wenn aus Leichtsinn oder Unverstand eine Gefahr sür andere entsteht. Äon den Vertretern Englands und ber nordischen Länder wurde aus die groben Erfolge der ««entgeltliche« Behandlung der Geschlechtskrankheiten htngewtesen. Wieviel Deutsche gibt eS in Jugoslawien k sbt) Das jugoslawische statistische Amt hat die Ergebnisse ber am 81. Januar b. I. vorgenommenen BolkSzähl««» verüfsentltcht. Danach gibt eS in Jugoslawien 51S 472 Deut sche, das sind 4F Prozent der Bevölkerung. DaS bedeutet einen ungeheuren Rückgang gegen früher. Wie bet der Zählung vorgcgangen wurde, laßt sich natürlich schwer. sagen, jedenfalls haben die Behörden gewußt, wie man Minderheiten am besten „vermindern" kann. Bezeichnend ist, datz auf dem flachen Lande die Zähl der Deutschen über all gleich geblieben ist. Den Bauern kann man nicht durch Versprechungen, durch Schwierigkeiten im Amte und im kaufmännischen Verkehr dazu zwingen, sich ein fremdsprach- igeS Mäntelchen umzuhängen. Ungeheuer ist daher der. Rückgang in den Städten. Laibach hatte im Jahre 1010 6000 Deutfche, heute nur 1700. Cilli hatte 4800, heute 880, Mar- churg a. D. batte früher als rein deutsche Stabt 22 880 deut sche Einwohner, heute sind davon nur noch 6500. Nach Pro vinzen gerechnet gibt es in Slowenien 30 600 Deutsche, daß: find 3,8 Prozent, In Kroatien und Slawonien leben 122 800 deutsche Einwohner gegen 188 200 im Jahre 1010. Die deutsche Sprachinsel Gotischer zählt 0800 Deutsche gegen - 13 600 im Jahre 1910. Der Krieg in Marokko. "Paris. Primooe Rivera hat, vor seiner Ab reise aus Tetuan dem Sonderberichterstatter des „Dailh Expreß" erklärt, die Lage in Marokko lasse sich dahm zusammenfassen, datz der während 14 Jahren ununter- krochen geführte Krieg endgültig beendet sei. Abb el Krim habe sich in die Berge geflüchtet und den Einfluß, auf die Stämme verloren. Die Riflente seren demoralisiert und wünschten nichts mehr, als im Frieden ihrer Feld- , arbeit nachgehen zu können. Man müsse zugcben, datz der Rifmann einer der tapfersten Gegner sei. Für Abo el Krim sei alle Hoffnung geschwunden, je sein altes Ansehen zurückzugewinnen. Primo de Rivera gab zum Schlüsse der Ueberzeugung Ausdruck, daß der Rifführer finanziell von der Moskauer Internationale unterstützt werde. Das sei der Hauptgrund, weshalb Abd el Krim zermalmt werden müsse. > . und den Hauch de» Unberührten hatte . H "4 bewahrt. Er trat ganz leis« hinter Hilda und legt« den Arm um sie. Mit einer raschen Bewegung schob ft« ihn zurück und setzte den Hut auf. „Ich will fort!" stieß sie mühsam hervor. „Und wohin?" fragte er dagegen. Ihr offener Widerstand reizte Ihn nur. Er griff nach ihr«« schmalen Händen und hielt sie fest. „Wohin wollen Sie? Wieder hinaus auf die Straße? E, ist zwölf Uhr vorüber; draußen lauern alle möglichen Gefahren auf Sie — hier sind Sie bei mir, unter meinem Schutz. Und ich verlange ja nichts von Ihnen! Nichts — al» höchsten» einen Kuß!" Ihr weiße« Gesicht schimmert« so verlockend durch den Nebel, der vor seinen Augen wogte. Er beugte sich lächelnd za ihr nieder. Nur einen Kuß! Sie war zuerst wie erstarrt gewesen. Jetzt aber stieß sie einen lauten Schrei aus und riß sich los von ihm. Im nächsten Augenblick stand sie schon an der Tür und riß sie auf. Aber entsetzt prallt« sie zurück. Im Rahmen der Tür stand Freiherr Bodo von Ull- mingen. Er war in tadellosem Gesellschaftsanzug und schien eben nur Len außen vorbeiführenden Gang passiert zu haben, al» Hilda die Tür aufriß. Aber jetzt stand er dort und starrte von ihr zu dem jungen Mann mit einem Ausdruck solchen ehrlichen Ent setzen» in seinem frühgealterten, gelblichen Gesicht, wie «» bei ihm, dem Welterfahrenen und Lebensgewandten, gewiß nicht häufig oorkam. „Hilda l Sie hier? Um diese Stunde? Und mit dir, Hans?" Doktor Hans Aufenbach trat ein wenig zögernd vor. „Onkel Ullmingen," sagte er, immer noch bemüht, der Sache eine scherzhafte Wendung zu geben, „ich — ich bin eigentlich ganz unschuldig an dieser Sach«, und Fräulein Wentheim ist auch ganz unschuldig —" „So?" t Der aste Herr hatte di« Tür hinter sich -ugezogen. p „Wollen Sie mir die Sach« erklären, Hilda?" Da» Mädchen stand noch immer reglos, ihr« Kähne schlugen aufeinander wie im Fieber, die ganze Gestatt erbebte. Plötzlich aber flog sie wieder zur Tür; doch derFret- Herr versperrte ihr den Weg. „Wohin wollen Sie?" fragte er schneidend. E» war dieselbe Frage, welch« ihr vor kurzem Han» Susen- bach entgegengerusen. Früher hatten die Worts sie zurück- gedattea. Jetzt waren sie ihr gleichgültig. „Ich will fort — sort l" stieß sie zwischen den Zähnen hervor. „Sie glauben mir ja doch alle nicht l Ich hab« niemand auf der Welt^ der zu mir hält! So ww ich fort au» dieser Welti" In ihren Augen flackerte «in irre» Feuer, ihre Wangen glühten. Der alternde Mann sah in diese» verzerrte, verängstigt« Gesichtchen, und wieder überkam ihn mit Macht da» Gtsühl, welche» diese« Mädchen in seinem schon halb erstarrten Herzen noch einmal geweckt hatte. „Hilda," sagte er weich, „kommen Sie zu mtrl Und trotz allem, wa« gegen Sie vorliegt — Sie sollen det mir ein« Heimat finden!" Sie sah ihn . an, al» verstünde sie ihn gar nicht. Plötz lich griff sie nach ihrem Kopf. „Eine Heimat", jagte sie kaum verständlich. „Ich habe keine! Ich bin vogelfrei!" Hilda kam nicht weiter. Mit einem Wehlaut brach sie zusammen; eine tiefe Ohnmacht umfing sie. Eine Biertel» stunde später rollte das elegante Coups des Freiherrn von Ullmingen langsam Lurch die nächtlichen Straßen dem Palais des Freiherrn entgegen. Im Fond hatten Ullmingen und Dr. Aufenbach da» noch immer fast besinnungslose junge Mädchen gebettet. Die beiden Herren saßen eifrig flüsternd ihr gegenüber. Jetzt, da die beiden Köpfe sich so nahe zueinander neigten, konnte Man auch die fast verblüffende Aehnlich« keit des alten und des jungen Kopfes konstatieren. Die Mutter Hans Aufenbächs war eine Schwester de» Freiherrn von Ullmingen gewesen. Sie batte e» nicht verschmäht, ihren alten Adel gegen den Namen „Aufen bach" umzuwandeln, und ihre Familie hatte ihr da» auch ' nicht übelgenommen; denn die Aufenbach» waren ein uraltes Patriziergeschlecht. Seit aber die Mutter Han» Aufenbach» vor Jahren gestorben war, hatten Onkel und Neffe sich nur fetten und flüchtig gesehen, meist in den Zirkeln der Lebe wett, wo beide vielfach verkehrten. E» war gewiß kein Wunder, daß der Freiherr nun der Erzählung seines Neffen mit großer Zurückhaltung lauschte. Auch Dr. Aufenbach mußte ost nach den rechten Worten suchen. Die ganze Geschichte war so ganz anders, als solche kleine Abenteuer sonst zu sein pflegen! Und die Wahrheit war für ihn wirklich fast ein wenig be schämend. Trotzdem sagte er sie ehrlich und rückhaltlos. Und da bei sah er immer wieder einmal hinüber nach dem süßen, reinen Mädchenantlitz, welches sich in gespenstischem Weiß abhob von der dunkelgepolsterten Rückwand des Wagens. E» war etwa» in diesen Zügen, da« ihn unwider stehlich anlockte, ein neuer, mächtiger Reiz, den er bisher noch nicht gekannt batte. Der Freiherr schüttelte jetzt, da der Neff« geendet hatte, den Kopf. „Es war mehr al» unpassend, die Kleine in ein Hotel zu führen", sagte er unzufrieden. „Hast du denn gar nichts bedacht ?" „Lieber Onkel, sie war eiskalt und allein zur Nacht zeit auf der Straße. Was hätte ich tun sollen?" „Nun gut; aber wa» sagt man den Leuten? Die Wahrheit kann man den Leuten nicht sagen, das stellst du wohl selbst ein l Gottlob kannte im Hotel kein Mensch da« Mädchen. Und du wirst reinen Mund halten! Aber wa» sagen wir?" „Wir sagen, wir hatten Hilda halb erstarrt auf deö Straße gesundem Sie hatte den Namen des Hotels ver gessen, wo ihre Tante wohnt, und irrte nun schutzlos um her. Dies entspricht doch sogar den Tatsachen. Das Souper lassen wir einfach aus." In diesem Augenblick hielt der Wagen mit einein scharfen Ruck. Diener eilten herbei. Der Freiherr sprach einige erklärende Worte, und gleich darauf wurde Hilda Wentheim vorsichtig emporgehoben und in da» Hau» ge» tragen. Al» da» schwere Tor mit einem dumpfen Laut hinter ihr-«fiel, hob sie «inen Augenblick den Kopf. Ihr war es, al» schlösse sich hinter ihr die Pforte «ine» Gefängniffe», Aber. Licht» kam Ibr klar zum Bewuütlein.
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