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I«. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Arthur Hähne! in Rie>a. " Donnerstag, SS. Januar 1912. abends. «S. Jahrg. Sächsischer Landtag. Original-Bericht. )( Dresden, 24. Januar 1912. ZweiteKammer. Auf der TageSordnuna steht zunächst die Schluß beratung über das Etatkapitcl bctr. die Erweiternna derElbkäianlagen in Dresden-Neu st ad t. Tas HauS beschließt, gemäß der Vorlaqe 313000 M. zu be willigen. Ferner werden für den Umbau des Haltc- punkteSCunnersdorf bei Kamenz in einen Bahn hof 169000 M. zur Verfügung gestellt. ES folgt die Schlußberatung über das Etatkapitel bctr. Einrich tungen zur Erfüllung der reichs gesetzlichen Sicherungsvorschriften, wofür als 10. Rate 425000 M. verlangt werden. Aus eine Anfrage des 2lbg. Bär (Fortschritt!. Vp.) erwidert Staatsminister v. Seydc- witz, die Behauptung, dag die auf Grund der reichsgcsetz- lichen Vorschriften eingerichteten Sicherheitsvorrichtungen nicht allenthalben sich so bewährten, wie die früheren Einrichtungen in Sachsen, sei unzutreffend. Wenn die Beamten glaubten, Anlag zur Klage zu haben, so liege das daran, daß sie sich mit den neuen Einrichtungen noch nicht genügend vertraut gemacht hätte». Tas Ka pitel wird hierauf bewilligt. Im Titel 35 des außer ordentlichen Etats für 1912/13 betr. Gewährung von Aaudarlchcn au gemeinnützige Bauvercine nnd Baugenossenschaften zur Verbesserung der W o h u u u g s v e r l ä lt u i s s e von Eisenbahn- bediensteten werden 1 Million Mark angcfordert. Abg. Jllge (Soz.s erstattet den Bericht der Finanzdepu tation B und beantragt, die geforderte Summe zu be- willigen. Im Laufe der Tcbatte sagt Staatsministcr von Schdewitz zu, die Unterstützung nur dorthin zu geben, wo ein Bedürfnis dazu vorliege. TaS Haus tritt sodann einstimmig dem Anträge der Deputation bei. ES folgt die Schlußbcratung über Kapitel 10 Titel 33 des ordeni- lichcu Etats, Vergrößerung der Güterschuppen und Bau eines Gü ter a b fe r t i g u ng s g eb n ud e S auf dem Oberen Bahnhof Plauen i. B. betr. Nach dein Bericht des Abg. Schnabel (Natl.') beschließt das HauS ohne Tebatte, die angesorderte Summe von 110 000 M. zu bewilligen. Im Titel 12 des außerordentlichen Etats betr. llm g e st a l t u n g der Verkehrsstellen Ten- b en und H aillsberg sowie viergleisigcn Aus bau zwischen Potschappel und Station 110 TW wer den als 8. und letzte Rate 40000 M. augefordert, die nach kurzem Bericht des Abg. Heymann (Kons.) ebenfalls bewilligt werden. Endlich steht znr Beratung die Peti tion des Gcmciuderats zu Waschleithe mit Heide und Gen. um Erbauung einer Eisenbahn voll Grüustädtel über Elterlein nach Geher. Abg. Nitzschke (Leutzsch) beantragt als Berichterstatter der Finauzdeputation B, die Petition der Regierung zur Kenntnisnahme zu überweisen. Im Laufe der Tebatte betont Staatsminister v. Schdewitz, das; das Erzgebirge im Bahnball keineswegs vernach lässigt werde. Tic erwähnte Bahn habe abep wenig Aus sicht, in nächster Zeit gebaut zu werden. Tas HauS be schließt sodann antragsgemäß. Nächste Sitzung TonnerStag mittag 12 Nhr. Am 1. Februar soll die Denkschrift über die Orga nisation der Königs, säcbs. StaatScisenbahnen und am 6. Februar das neue Volksschulgesetz zur Beratung kommen. Schluß 12-sch Uhr. Erste Kammer. Auf der heutigen Tagesordnung standen außer dem Vortrag aus der Registrande re. die von dein Kgl. Äe- samtministerium vorgclcaten Verordnungen des Königl. Ministeriums des Innern, die Ergänzung und Mände- rung des GebührenverzeichnisscS zu dem Kostcngesetze vom 30. April 1900 bctr., vom 12. und 22. März sowie 7. Juni 1910, ferner Kapitel 46 des ordentlichen Staatshaus haltsetat für 1912/13, Beurkundung des Personenstandes nnd der Eheschließung bctr.; Kapitel 47, Gendarmeric- anstalt betr., Kapitel 58 a, Landesgrenze betr., Kapitel 62, Botanischer Garten und pflanzenphysiologische Versuchs station zu TrcSdeu bctr., und Kapitel 09, Statistisches LandeSamt bctr., soivie zwei für unzulässig erklärte Petitionen. Sämtliche Gegenstände wurden in Ueberein- stimmung mit der Zweiten Kammer, ohne daß eine Tc batte stattfand, nach der Vorlage erledigt^ Nächste Sitzung Donnerstag vormittag h/>l2 Uhr. Mehrere Etatkapitel. Das neue Volksschulgesetz. IV. Schularteu nnd Schülerzahl. In bezug auf die nähere Einrichtung der verschiede nen Schularten sind wesentlichere Abweichungen vom be stehenden nur für die einfache Volksschule hinsichtlich der zulässigen Schülerzahl einer Klasse nnd für die höhere Volksschule hinsichtlich des Aufbaues iu Klassenstufen un geordnet. Um die Erfüllung der gesteigerten Anforde rungen an die Leistungen der Schule zu fördern, ist die zulässige Höchstzahl der Schüler einer Klasse bei ein fachen Volksschulen von 60 auf 50 herabgesetzt nnd weiter bestimmt, daß in den einfachen Volksschulen, die an die Leistungsfähigkeit des einzelnen Lehrers die höchsten Anforderungen stellen — das sind diejenigen mit nur zwei Klassenstufcn — einem Lehrer nicht mehr als 80 Kinder, also durchschnittlich nicht mehr als 40 Kinder in einer Klasse, die vier Jahrgänge vereinigt, zum Unterrichte zugewiesen werden dürfen. Ter Entwurf sieht für die Durchführung der Vorschrift über die Klassenstärke einen Zeitraum von fünf Jähren, für die letztgenannte Vor schrift einen solchen von zehn Jahren vor, mit Rück sicht auf die Beschaffung der dadurch erforderlich werden- 'den Lehrkräfte und Klassenräume und die Steigerung der finanziellen Belastung der betroffenen Schulgemein den. Mit Rücksicht auf die Höhe der zu ertvarteuden Mehraufwendungen ist beabsichtigt, ärmeren Gemein den angemessene StaatSzuschüssc über das bisherige Maß hinaus zn gewähren. ' Für die hökvre Volksschule ist bei tvenigsteuS acht jährigem, in der Regel neunjährigem Lehrgänge, eine Gliederung in wenigstens acht Klassenstnsen vorgeschric- ben, während das geltende Volksschulgesetz nur die Bil dung von wenigstens fünf Klassenstnsen forderte. Ter Entwurf legt bei Aufstellung der Merkmale, durch die sich die höhere Volksschule von den anderen Schularten unterscheidet, das Hauptgewicht auf den'verbindlichen Unterricht in wenigstens einer lebenden Fremdsprache, Englisch oder F ranzösisch . Im übrigen ist den- betreffen den Schulgemeinden, wenn cS die örtlichen Verhältnisse erheischen, unbenommen, ihre höheren Volksschulen zehn stufig cinzurichten. An der Einrichtung der mittleren Volksschule ist, wie schon angedentet, nichts Wesentliches geändert. In gemischtsptachigen einfachen Volksschulen soll den wendischen Kindern in den ersten Schuljahren in einigen Stunden besondcrcr Unterricht in der wendischen Sprache erteilt werde». Fachmüuuische Schulaufsicht. Tie Ausübung der OrtSschulanfsicht durch den Geist lichen über Schulen, denen ein Direktor nicht Vorsicht, ist im Entwürfe aufgegeben und die fachmännische Schul aufsicht vollständig durchgcsührt. Maßgebend für diese wichtige Aendcrnng ist neben einen: Vergleiche mit an deren Staaten der Umstand gewesen, daß 20 Bezirks schulinspektoren, in deren Jnspcktionsbezirken Schulen mit OrtSschulanfsicht durch den Geistlichen bestehen, auf Anfrage der obersten Schulbehörde sich für die Beseiti gung der geistlichen -Ortsschulanfsicht, sieben dagegen aus gesprochen haben, während sich in sieben Bczirksschul- inspektionen der Bezirksschulinspektor, der Amtshaupt mann, gegen die Beseitigung ausgesprochen hat. Ferner war mitÜestimlnend, das; aus der Reihe der Geistlichen selbst der Wunsch nach Befreiung von der Ortsschulauf sicht geäußert worden ist und daß die Landessynode wiederholt, ebenso wie auch die Zweite Ständekammer iu ihrer Tagung von 1907/08 in einein mit großer Stim menmehrheit gefaßten Beschlüsse zugunsten der fachmänni schen Schulaufsicht Stellung genommen haben. Es wird somit der Grundsatz der fachmännischen Schulaufsicht, den das Volksschulgesetz von 1873 in der Mttelinstanz durch Beseitigung des bisherigen geistlichen DistriktSschulinspek- torates ausgenommen hatte, mnnneh-r auch in der Unter instanz völlig durchgeführt. Tie Staatsrcgierung gedenkt ans diesem Anlaß mit dankbarer Anerkennung des viel fachen Segens, der von der geistlichen Schulaufsicht nach Ansicht der Schulaufsichtsbehörden nnd weiter Kreise des Elternhauses aus unser vaterländisches VolkSschulwescn ausgegangen ist. Durch Aushebung der geistlichen Ortsschulaufsicht soll die bisherige Aufsicht der kirchlichen Behörden über den Religionsunterricht nicht berührt werden. Jin übrigen zielen die Bestimmungen des Entwurfs hinsichtlich der Zm Kampfe ums Dasein. Roman von Arthur Eugen Simson. 86 „Nein, nein," fiel Paulsen ein. „Der Doktor hat viel an mir getan, allein ich weiß, daß ich ohne Dich nie das La ger wieder verlassen hätte. Dir allein verdanke ich mein Leben, und ich werde es nie .. nie vergessen!" „Denk nicht daran, freue Dich fetzt des warmen Sonnen scheins," unterbrach ihn Rosa. „Sieh, es ist, als ob selbst der Himmel sich über Deine Genesung freute, so rein und blau ist er heute, keine Wolke trübt ihn, soweit das Auge reicht." „Rosa, soll ich nicht daran denken, daß Du mich gerettet hast," sprach Paulsen, indem er die Hand der jungenFrau erfaßte. „Kann ich dies denn nur eine Stunde lang vergessen? Setze Dich her zu mir und höre mir nur wenige Minuten lang zu. Sieh, während ich drinnen auf dem Lager lag und Du mich so liebevoll pflegtest, da habe ich still eine Hoff nung in mir gehegt, und diese Hoffnung hat dazu beigetragen, daß ich wieder gesund geworden bin, denn lle hat mich oft vergessen lasten, wie schwer ich litt. Ich hatte nicht den Mut, sie Dir zu sagen, denn ich wußte ja noch nicht, ob ich genesen würde, heute weiß ich es und heute möchte ich auch die Ge wißheit haben, ob diese Hoffnung erfüllt werden wird." Rosas Wangen hatten sich gerötet, ihre Brust atmete schneller, ihre Hand zitterte leise in der seinen. „Und Du sagst nicht einmal, welches diese Hoffnung war?" fuhr Paulsen fort, indem sein Auge fragend auf ihrem Ge sichte ruhtd. Rosa schwieg. „Rosa, sollte ich mich dennoch getäuscht haben?" rief der Genesende mit schmerzlichem Ausdrucke. „Sich, ich hoffte, daß die Hand, welche mich so treu gepflegt hatte, einst die meinige werde, daß es mir vergönnt sein werde, Dir all das Gute, welches Du mir erwiesen, zu vergelten. Mein Herz gehörte Dir ja schon, ehe mich das Unglück traf, ich liebte Dich so ehrlich und innig, wie nur ein Mensch lieben kann, und deshalb nährte ich die Hoffnung in mir, und sie verklärte mein ganzes Leben. Rosa, haft Du denn noch keine Antwort für mich?" Die junge Frau schien mit sich zu ringen, sie raffle alle Kräfte zusammen. „Paulsen, ist Dein Leben nicht ein anderes geworden, seitdem Du erfahren, daß der reiche Mann Dein Bruder ist ? Kannst Du nicht auch reich werden?" entgegnete sie. „Nein," unterbrach sie Paulsen. „Er will mich nicht ken nen, er hat meine Mutter herzlos von sich gestoßen." „Und wenn die ganze große Besitzung dort oben mein Eigen tum würde, mein Herz würde dasselbe bleiben, ich würde alles, alles freudig hingeben, wenn ich Dich dadurch erringen könnte." „Gustav," rief Rosa. JhrHerz drohte vor Glück zu zerspringen. „Willst Du nun mein sein?" fragte siejetzt der Kranke. Da sank sie vor ihm nieder, umschlang ihn mit beiden Armen und rief: „Ich bin es ja langst, seit der Stunde, in der Du zum ersten Male mit Heinrich zu mir kamst." Glücklich zog Paulsen sie an sich und ihr Kopf ruhte an seiner Brust. Rosa weinte heftig, aber es waren Tränender Freude. Sie hatte so viel und so schweres erlebt, sie hatte so wenige Freuden kennen gelernt und nun sollte alles sich zum Glücke wenden." „Du sollst es nie bereuen," sprach Paulsen leise. „Ich will nur für Dich arbeiten und leben, und wenn ich dies je ver gessen sollte, dann erinnere mich an diese Stunde. Erna trat in diesem Augenblicke hinter dem Hause her vor. Rosa sah sie und stand errötend und verlegen auf. Die junge Gutsherrin lächelte, sie konnte über das, was soeben vorgefallen war, ja nicht im Zweifel sein. „Paulsen, es freut mich, daß Sie soweit wieder genesen sind," sprach sie. „Ja, mir ist das Leben wiedergeschenkt und noch mehr," rief Paulsen. „Meine treue Pflegerin hat mir soeben versprochen, daß sie die Meinige werden will!" Erna reichte ihnen die Hände. „Dann wünsche ich Euch beiden Glück," sprach sie. „Rosa, ich bin noch immer in Ihrer Schuld und heute dürfen Sie es nicht ablehnen, wenn ich dieselbe abzutragen suche nnd eine Bitte an Sie richte. Feiern Sie Ihre Hochzeit auf meinem Gute und lassen Sie mich für die Gründung und Ein richtung desneuen Herdes sorgen. Wollen Sie dies annehmen?" „Es ist zu viel," entgegnete Rosa sehr schüchtern. „Nein, nein," fuhr Erna fort. „Paulsen, Ihre Zukunft werde ich sicherstellen, wenn ich Ihnen heute auch noch nicht zu sagen vermag, in welcher Weise." „Ich werde wieder völlig genesen und dann arbeite ich gern," rief Paulsen, der sich erhoben hatte. „Zwei kräftige Arme und ein redlicher Wille kommen immer durch die Welt." „Ich werde eSJHnen leichter machen," sprach Erna lächelnd. „Nun schonen Sie sich nur, damit Sie dieses Hans bald ver lassen können, Sie wissen ja, welches Glück Sie dann erwartet." „Das größte," rief Paulsen. „Wenn mir dieses bleibt, mehr verlange ich vom Geschicke nicht. Sie misten nicht, wie Iren und liebevoll mich Rosa gepflegt hat, ihr allein verdanke ich mein Leben, ihr und dem Doktor Zerding. Hoffentlich wird er auch bald genesen." „Ja, er wird genesen," gab Erna zur Antwort. „Erst seit gestern ist sichere Hoffnung, daß er gerettet wird, trotzdem sind seine Gedanken bereits hierher geeilt Zu denen, für die er nicht weiter hat sorgen können, fuhr Paulsen fort, „ich möchte ihm ins Auge blicken, um zn sehen, ob er auch Mir zürnt, weil der Mann, der mein Bruder ist, ihm das Leid zugcfügt hat." „Er zürnt Ihnen nicht, sein Herz ist zu edel dazu," be merkte Erna. „Hoffentlich werden Sic ihn bald Wiedersehen." Teilnehmend erkundigte sie sich nach allem, welche in dein Hause weilten, und bat Rosa alles zur Pflege der Männer zu tun. „Sie sollen nichts entbehren," fügte sie hinzu. „Sorgen Sie dafür, Sie wissen, daß ich es gern gebe." Rosa versprach es. „Nun zürnen Sie auch mir nicht mehr," sprach Erna, in dem sie der jungenFrau zum Abschied die Hand reichte. „Wer glücklich ist, ist auch versöhnlich. Mit Absicht habe ich nie mand ein Unrecht zugefügt, die Menschen verstehen sich nur deshalb so wenig, weil sie sich zu wenig kennen." Zerdinas Genesung schritt von Tag zu Tag fort, schneller, als Thünefcld erwartet hatte. Und Erna trug nur meisten dazu bei. Tag für Tag kam sie, um nach Zerdings Befinden zu fragen, nnd nicht ein einziges Mal kam sie ohne ein Zei chen der Aufmerksamkeit. Die schönsten Blumen dufteten inr Zimmer des Kranken, die freundlichsten Grüße überbrachte ihm täglich seine Mutter. Wenn er früher gezweifelt hatte, ob Ernas Herz für ihn schlage, so Hutt- er jetzt die volle Gewißheit, daß er ihr nicht gleich gültig war. - 1S2,M