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Vellage zum „Riesaer Tageblatt". NaiaisMldNti» md Berta, La»,«r » Wtnteettch 1« «tesa. — Pitt Ü» »ttda«« Ma>N»wtachr Aeth», Hätznek », Ntasa. 84V DeanerStag, A4, Oktober ISIS, adead«. gahr,. At Sackm fit Wie Winckii. VD. I« modernen Leben tritt an Stell« der plan los« »lmos«nßnrm-«rzt,keit, di, zu so mancherlei Miß bräuchen führet» «uß. mehr und mehr dl« wohlorgaaifierte sozial« Arbeit. Der Lrieb, den «otbedrängten Mitmenschen P» Helf«, ist glücklicherweise auch heut« noch so lebendig wie je. Aber er ist insofern berechnender geworden, al» auch er auf »in» möglichst wirksame «usnntzung seiner Kräfte Gedacht nimmt. Diese soziale LtebeStätigkett stellt zugleich erhöht« An forderungen an da» Wissen und Können. Denken wir an di« Tätigkeit der Helferin bei der Armenpflege oder im Krankendirnst oder am Jugendgericht, und wo sonst e» immer sein mag. so wird sie vor einen Pflichtenkrei» ge stellt, der «ine Fülle von praktischen Geschicklichkeiten er fordert und der andererseit» durch seinen Zusammenhang mit der übrigen sozialen Gesanttstruktur der Gesellschaft auch verständni» und Ueberblick für die letztere vorau»setzt. Da« hat seit etwa über einem Jahrzehnt zu sozialen Veruf»bildung«anstalten für da» weibliche Geschlecht Anlaß gegeben, in denen wir aller Borau»sicht nach die Keime einer neuen Schulart zu sehen haben. S» werden in diesen Anstalten, di« man sehr wohl al» Seminare oder auch al« MädchenfortbildungSschulen bezeichnen kann, so wohl die freiwilligen unbezahlten, al« auch die bezahlten sozialen BerufSarbeitSkräfte ausgebildet. LS handelt sich um Mädchen der verschiedensten Stände. Besonders stark sind auch die au« de» besseren Kreisen vertreten, veamten- und Offizierstöchter, meisten» reifere, die durch eine zweck volle Tätigkeit ihrem Leben einen ernsten Inhalt sichern wollen. Nun ist vorgeschlagen worden, die Ausbildung der besoldeten und unbesoldeten sozialen Arbeiterinnen zu trennen, die Ausbildungszeit einheitlich festzulegen und eine Abschlußprüfung vorzusehen. Mit den beiden letztgenannten Forderungen könnte man sich wohl befreunden, wenn auch sreilich nicht ganz ohne Einschränkung. Wir haben in Deutschland schon ein ziemlich weit ausgebildetes Prüfungk- system, in dem de« Guten sicherlich oft zu viel getan wird. Und für di« soziale Arbeit kommt gewiß da« durch die Prüfung festzustellende Wissen viel weniger in Betracht, als Scsin «uriger! und Charaktereigenschaften, die mehr in der Persönlichkeit der Schülerin liegen. Der moralische Zwang, auch seine Kenntnisse einmal systematisch zusammen- zufaffen, soll in seinem Werte nicht verkannt werden. Das Zeugnis der Lehrer und Lehrerinnen aber über die Gesamt haltung der Schülerin während ihrer Lehrzeit müßte schließ lich doch noch schwerer in die.Wagschale fallen. Die Vereinheitlichung der Lehrzeit ist auch nicht ganz ohne Haken. Haben doch die sozialen AuSbildungSanstalten mit Schülerinnen sehr verschiedenen Alters zu rechnen, denn da gibt es keine Bestimmungen über da» Eintritts- jahr wie etwa in Volks- und anderen Schulen. Oft würde e» da denn doch eine Ungerechtigkeit bedeuten, die reifere Schülerin, die schon ein Teil Menschenkenntnis und Lebenserfahrung, Sicherheit im Auftreten und Beherrschung ihrer Kräfte mttbringt, rein mechanisch zu dem gleich« langsamen Tempo de» Semen» nötigen zu «ollen wie di« jugendlich« noch unerfahren«. Die Trennung der Besoldeten von de« Unbesoldet« wird auf alle Fälle den meisten Widerspruch herauöfordern. Sie würde ja unzweifelhaft zu einer Geringschätzung der nnbesoldet« Kräfte führen, während deren Tätigkeit in Wirklichkeit auch nur mit guter Sachkenuini» gut geleistet werden kann. Und wie manche Mädchen wissen beim Eintritt in die Anstalt noch garntcht, ob sie besoldet oder unbesoldet tätig sein werden. S» kann manch« nachträg lich noch in die Lag« geraten, sür Besoldung tun zu müssen, wa» sie anfänglich umsonst hatte leisten wollen. Im übrigen find aber die Erfahrungen, die man mit den Schülerinnen der sozialen Seminare gemacht hat, durchaus günstig. Mit wenigen Ausnahmen halten sie an dem erwählten Berufe fest und finden auch die An erkennung der Behörden oder Vereine, in deren Dienst sie wirken. Die große Trommel. VD. Lord Roberts ist ein Typus, den ckir in Deutsch, land ganz genau kennen. SS ist der pensionierte, ver dienstvolle Offizier, der, da ihm sein Regiment oder sein Armeekorps genommen ist, jetzt auf dem Papier gleich die ganze Heermacht de» Volke» kommandieren möchte. Seit ihm die Sorge abgrnommen wurde, di« Lücken eine» kleinen militärischen Körper» auSzufüllen, bemüht er sich, gleich die Lücken im ganzen BerteidigungSapparat zu entdecken, und Lord Roberts hat e» sich zur Spezialität gemacht, an der Grundlage de» englischen Heerwesens, der Miliz, zu rütteln und für die allgemeine Wehrpflicht nach kontinentalem Muster die große Trommel zu rühren. Man muß ihm glauben, daß seine Befürchtungen für England» Verteidigung ernst sind, denn er lobt Deutschland» Kriegsbereitschaft über den Schellenkönig, eine Aufmerksamkeit, für die wir ihm nicht sehr dankbar sind, weil er mit ihr dem deutschen Reich Absichten unterschiebt, die wir nicht haben. Wenn man von einem Menschen sagt: „Er ist ein Herkules," so wird er geschmeichelt lächeln, bis man htnzusetzt: „der jeden Schwächeren zusammenschlägt." Da» aber ist da« Schema der Robertt'schen Reden über Deutschland. Wa» für eine Armee wir haben, wissen wir selber. Wa« unsere Marine wert ist, ist un« ebenso genau be- kannt. Daß mau uns aber (dazu mit schiefen historischen Beispielen) unterstellt, seit ungefähr 70 Jahren wäre unsere Taktik immer dieselbe, wir rüsteten immer solange, bi» wir wieder etwa» stärker seien, al» ein andere« Volk, und schlügen dieses dann einfach, weil wir die Stärkeren sind, nieder, das verbitten wir un». Wer die historischen Nötigungen, denen kein Volk widerstehen kann, nicht be greift, die zu den blutigen Auseinandersetzungen von 1866 und 1870 geführt haben, ist ein ungeeigneter Prophet für den vielberedeten ZukunftSkrieg, und wer immer mit dem Zwelwächte-Siandard und ähnlichen nationalen Anmaßungen operiert, «st kein kompetenter Beurteiler für di, Fratz«, ob Deutschland friedlich« oder' kriegerisch« Absichten hat. Robert» mag di« allgemein« Wehrpflicht so stark propa gier«, al« er mag, wenn sie ihm für sein Vaterland nölig erscheint, «in« allgemein, Lehrpfltcht an di« deutsch« Ration könne« wir ihm nicht ««billigen. Der Balkaakriez. «eher tzte Kämpfe »ar Aörtanopel liegen heute sich sehr widersprechende Meldungen vor. Je nach dem, ob sie aus bulgarischer oder türkischer Quelle stammen, verkünden sie den Sieg der Bulgaren oder der Türken. Tas eine steht anscheinend fest, daß bei Adrianopel und bei ttirkkilisse größere Kämpfe im Gange sind. Tie Rachrichten beziehen sich, da die Kämpfe offen bar noch nicht beendet sind, jedenfalls auf teilweise Siege bezw. Rückzüge. Cs müssen also noch weitere Meldungen abgewartet tverden. Tie vorliegenden Depeschen besagen: Tie türkischen Blätter veröffentlichen ein Telegramm aus Adrianopel mit Einzelheiten über den gestern nacht amtlich gemeldeten Kampf zwischen den Flüssen Tundja und Maritza. Ter Kampf soll bei Marasch, 6 Kilometer westlich von Adrianopel, stattgefundcn und 9 Stunden gedauert haben. Tie bulgarischen Streitkräfte beliefen sich aus 90 000 Mann. Tic Bulgaren sollen in der Rich tung auf Karaaga unter Zurücklassung von Lausenden von Toten geflüchtet sein. Tie Blätter melden weiter einen Sieg der Türken bei Kadinkioj, 25 Kilometer nord westlich von Mrianopel. Tie Türken erbeuteten 11 Ka nonen und machten einen bulgarischen Major und meh rere Soldaten zu Gefangenen. Weitere Kämpfe haben bei Kiretschdschi, Haskoj, Jspinli, Tschali und Kanal statt gefunden. Ucberall sollen die Bulgare» geschlagen wor den sein. Weitere Meldungen aus Konstantinopel besagen: Nach einer in Stambul beim Kriegsministerium eingc- tvoffenen amtlichen Nachricht kam cs am Dienstag zu einem großen andauernden Gefecht zwischen Bulgaren und Türken an der Linie Kirkkilisse—Adrianopel. Tie Bulgaren wurden zurückgeschlagcn. Sie ziehen sich über die Grenze zurück. Tie Türken folgen langsam nach. Auch östlich der Tündsc, eines linke»: Nebenstusses der Maritza, nördlich Adrianopel, stießen die Türken auf eine große bulgarische Heeressäule, mit der sich eine reguläre Schlacht entwickelte. Uebcrall wurden die Feinde unter starken Verlusten zurückgedrängt. Tie Schlacht geht auf der gan zen Linie vor sich. , Tagegen verbreitet die ;,Agence Bulgare" folgende Meldungen über bulgarische Siege: Auf allen Gebieten sind erbitterte Kämpfe imgange. Ucberall wurden die Türken aus ihren Positionen vertrieben. Im Gebiete von Razlog marschieren die Truppen in südlicher Rich tung. TaS Gebiet von Tarnrasch ist endgültig abgc- schnitten. Bor Adrianopel hat die bulgarische Armee bester Qlütiköi per ist NU! ectu In OrißiNcilpücklu^ dd . . «ui ° > ^uei-gsrellrcULft U Liebe und Kunst. Roman von Friedrich Frhr. von Dincklagt. 30 Ganz Berlin bewegte sich im Spätherbst« des JahreS 1842 in Wohltätigkeitsveranstaltnngen zum Besten jener Bevölke rung der Provinz Posen, die durch eine totale Mißernte und durch verheerende Ueberschwemniungen betroffen war. An der Spitze eines Danien-Konntees, welches sich zur Aufgabe machte, durch Arrangement von Liebhaberkonzerten im Kreise der ersten, das heißt der Hofgesellschaft, zur Lin derung der Not beizutragen, stand eine Daine, deren Sa lon wohl keiner» Musikfreunde der Aristokratie fremd war. Frau von Roth pflegte allwöchentlich an einem Abende ihre Räume dein Kunstsinne und vor allem den Talente»! aus dem Reiche der Töne zu öffnen. Auch die Falconi gehörte zu dm regelmäßigen Gästen, al» eine von den wenigen Fachkünst lerinnen, welche dort Zutritt unter der Elite der Gesellschaft gefunden hatten. Heute war ein besonders zahlreicher Kreis um Frau von Roth versammelt; denn eS handelte sich um die Probe zu einem Dilettanten-Konzert, das in den Räumen der neuerbauten Singakademie am Kastaniemväldchen abge haltenwerden sollte. Eben unterhielt sich die Wirtin mit dem Professor Sie- bera, dein berühmten Gesangslehrer jener Zeit, der die tech nische Leitung übernommen hatte. „So wird e» gehen, gnädige Frau," sagte er, mit der tinke»r Hand den taugen, grauen Bart zusammenfassend, während die Augen auf einem Programm« hafteten, welches er irr der Rechte» hielt. „ES ist nur schade, daß die „Rücksichts nummern" nicht auSfallen können. Ich meine diejenigen, in welche» der Name des Künstler-Dilettanten und nicht seine Leistung in Bettacht kommt!" „Unvermeidlich, Professor! Gerade diese „Künstler" ma chen un» Kasse, und darum handelt es sich doch. Und »vir brin gen doch auch Gute», sehr Gute» sogar! Wie haben Sie denn die beiden Geigenvorträge gelegt?" »Möglichst weit von einander; denn di« Prinzessin Ali; Ist eben «och Anfängerin, — wa» wollen Sie? — wäh rend der Graf «in vollkommener Künstler ist. — Aber wie «ifch e» mit der Falconi? Wird st, kommen, will sie neben der großen Arie aus den „Hugenotten" auch noch das Duett auS „Templer »nd Jüdin" mit dem Rittmeister Graf Man- lich singen, wie wir es in das Programm schrieben?" „Sie will alles, was wir wünschen Professor, sie ist über haupt ein Engel, und — da kounnt sie selbst. Auf Wieder sehen, sogleich!" Eben betrat Marie Falconi den Saal, von der Frau von Roth n»it innigem Händedruck begrüßt. Ganz unwillkürlich richtete sich die allgemein« Aufmerk samkeit auf die berühmte und vergötterte Sängerin, und es öffnete sich ganz spontan jener Kreis, den man wohl ent stehen steht, wenn Damen hoher Gebürt, Prinzessinnen, iir einen dicht gefüllten Gesellschaftsranm treten. „Ich bin Ihrer Aufforderung gern nachgekommen, liebe, gnädige Frau," erwiderte die Sängerin, die höfliche, freund- schaftlrche Begrüßung der Wirtin. „Mit Freuden werde ich Ihre Wünsche erfüllen und bin glücklich, auch Ihnen einmal meine» Dank ausdrücken zu könne»! für all die Güte, die Sie mir so oft bewiesen. Nun aber muß ich vorläufig bitten, mich über die Mitwirkenden orientieren und mich, wo es ge eignet ist, vorstellenzurvollen." „Gern, meine Liebe, ich werde Sie selbst umherführen." Noch war die lange Reihe der Vorstellungen nicht be endet, als Professor Sieberg zum Beginn der Probe mahnte. Während die ersten — gestehe» wir — unbedeutenden Nummern des Programms durchgenommen wurden, ließen sich die Herre»! Marie vorstellen, unter ihnen Rittmeister Graf Manlich, der Besitzer des HeldentenorS für die Partie des „Guilbert" in „Templer und Jüdin". In liebenswürdiger Form sprach er von seinen: Glücke über die ihm zugeteilte Rolle und bat um gnädige Nachsicht der „Rebekka." Abseits voi» Gedränge der Gesellschaft lehnte in einer Tür, von der Portiere halb verdeckt, «in junger Mann. Unverwandt waren seine Auge»: auf die Sängerin gerichtet. „Schon damals," so'ging eS durch seine Erinnerung, „konnte ich meine Blick« nicht von der wunderbaren Erscheinung wen- den, al» sie mit nackten Füßen dastand und „Die Himmel rühmen" sang. Wir waren damals beide Kinder." — Professor Sieberg führte Marie -um Flügel. Eine Totenstille entstand im Saale. Wer noch keine»! Platz hatte, schlich auf den Fußspitzen. Der Professor begann das Vorspiel zur Arie der „Isabella" auS dein zweiten Akt des „Robert der Teufel" und die Falconi sang mit wunderbar weichen und doch so machtvollen Tönen; voll Begeisterung frei von fallen! theatralischen Bei werke. Als sie schloß, »nachte sich in einem wahren Beifallssturm die Stimmung Platz — selbst hier, im Privatkreise. Nur der junge Herr an der Tür beteiligte sich nicht an de»» Beglückwünschungen. „Ob sie mich kennen wird — kennen will?" fragte er sich. »Ich werde abwarten?" „Wenn es Ihne»! recht ist, Herr Graf, so bringen Sie jetzt Ihr Geigensolo," wandte sich jetzt der Professor ihm zu. „Gern," antwortete er und trat an das Pult. Mit »vahrer Meisterschaft führte er den Bogen. Maries Auge»! aber haftete» mit freudigem Glanze auf den edlen, durch die Kunst begeisterten Zügen. AIS er geendet, trat sie auf ihn z»r und sagte rückhaltlos: „Graf Egolsteiu, kennen Sie mich denn nicht «»ehr? Erinnern Sie sich nicht der Schülerin Ihrer Tante in Marienrode? Ich bin die Marie »»nd bin froh, so einem alte» Bekannten zu begegnen!" „Sie machen mich glücklich durch Ihr Erinnern, Fräulein Marie,", sagte er, erfreut ihre Hand hinnehmend, „und waS ich einst voraussetzte, er ist in vollem Maße eingettossen, -- Sie sind eine große Künstlerin geworden." „Nun, da kann ich nur das Kompliment zurückgeben. Aber ' Sie müsse»! mir erzählen, was Sie erlebten." „Gern, und nun ich weiß, daß Sie von mir gekannt sein wollen, mm bitte ich, Ihne» schon morgen meine Aufwar tung machen zu dürfen." „Herzlich willkommen solle» Sie mir sein! Mit Ihnen mach« ich natürlich eine Ausnahme, wenn ich auch saust kei nen Herrenbesuch bei mir annehme." — Di« Probe war beendet, und auch da« Duett -wischen Guilbert und Rebekka glänzend verlaufen. Mit herzliche»» Danke hatte Frau von Roth auch Marie verlassen und da» Geftrräch der Fortaehenden wandte sich selbstverständlich der eben be- endeten Prob« -n. SOI,AI