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1. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und vertag von Langer L Winterlich in Pieia. — Für dl» Redaktion verantwortlich! Arthur Hühnel in Riesa. 57. Dienste«, 11. Mitrz 1V1S, abends^ ' " ««. Jahr«. Preußens ErhevnngSfeier. BD. Der Charwoche dankt es der gestrige Montag, daß schon er die Weihen eines Höhepunktes der vater ländischen Feiern Preußens erhalten hat. So war denn gestern BeÄin an den wichtigsten Stätten historischer Erinnerung der Schauplatz von mancher Ehrung der Toten, mit der das Geschlecht von heute sich selbst er hob, und am Denkmal König Friedrich Wilhelm IH. stand um die Mittagsstunde König Wilhelm II. vor den Äarderegimentern und verlas euren Tagesbefehl. „An mein Heer!", dessen Inhalt auch dein Volk in Waffen überhaupt nicht gleichgültig sein kann. Er hat mehr in sich als nur Gedanken eines oberste,! Kriegsherrn; wir dürfen für unsere Ahnen, die den Unterdrücker Preußens geschlagen, stolz sein auf die freimütige An erkennung ihres Opfersinncs, die der Kaiser ihnen gezollt. i Und dennoch liegt die Bedeutung von Kaiser Wil helms Tagesbefehl „An mein Heer!" nicht in der freu digen Würdigung der Verdienste der Lebenden jener großen Zeit. Gewichtigeren Klang noch haben in ihm die Worte, die den Lebenden der Gegenwart leise, um nicht den Schein der Drohung zu gewinnen, den Ernst ihrer esigenen Zeit andeuten. Sie sind nicht schlechthin neu in dem Munde des Kaisers, klangen in früheren Jahren sogar lauter und trotziger in die Welt, aber- gerade die Dämpfung ihres Dones verleiht ihnen den Ernst- der beachtet sein ivill. Man hat wohl mit gewisser Berechtigung davor gcivarnt, daß wir uns ini Ucber- schwang der Erinnerung in den Rausch verlören, unsere Zeit mit ihren Sorgen und Nöten der 'Erhebungszeit von 1813 völlig gleich zu setzen, und das tun, hieße wahrlich- jene Zeit eitel und undankbar verkleinern. Aehnlichkeit mit der 13 des 19. Jahrhunderts ist indessen derjenigen des 20. auch nicht abzusprechcn. Wir haben das Glück, nicht die Last peinvoller Nnglücksjahre tra gen zu müssen. Die Opfer, die zu bringen wir uns rüsten- fallen dem Geschlecht von heute nicht entfernt so schwer, wie die kleineren, für die das Volk von 1813 sich des Teuersten entäußerte. Sollten jedoch Anstren gungen von uns gefordert werden, so dürften sie jenen von 1813 auch nicht um ein Kleines nachstchcn und noch Gewaltigeren! gelten als sie. Voraus habe» wir vor dem preußischen Volk von 1813 — «der dieses vor reicher anderer Truppenteile versammelt, an der Spitze uns — das eine: ihm stand klar vor Augen der Kamps, dem es galt, und der Feind. Wir sehen beides nur durch einen Schleier, sehen es vielmehr nicht, und schrei ten wie in drückender Gewitterluft schwer atmend ein her- nicht wissend, ob und woher das Unwetter aus bricht und doch fühlend, daß es schier unvermeidlich ist. Darin liegt der furchtbare Ernst der Zeit, und jene, die mit ihrem Blute uns ein köstliches Erbe erstellten, legten uns zugleich die heilige Pflicht auf, es zu er werben, um es zu erhalten. Der Kaiser hat das Wort mahnend ausgesprochen und in unmittelbarem Zusam menhangs damit für das preußische und deutsche Volk gelobt, cs werde mit freudigem zuversichtlichen Herzen in den Kampf gehen- „falls es einmal gelten sollte, das mit so teurem Mut Errungene zu wahren, Deutschlands Ehre zu schirmen gegen den, der sie anzutasten wagt". .Die Worte sind heute nicht ohne tiefen Sinn, und es wäre töricht, von ihn: nur zu raunen und zu tuscheln. Umsonst wird uns nicht eine Steigerung unserer militäri schen Rüstung um 136000 Mann zugemutet mit der offenen Erklärung, sie sei vor allem nötig zur Verstär kung unseres Grenzschutzes im Osten. Das bedeutet, daß die Politik des Zarenreichs — vielleich t gegen den Wunsch des Zaren und ihrer inneren Logik folgend — in Bah nen lenkt, mit denen sich die Wege der deutschen Poli tik naturnotwendig einmal feindlich kreuzen müssen; und damit stellt sich 1913 in schroffen Gegensatz zu 1813. Damals war das Zarenreich der Erhebung Preußens eine wertvolle Stütze: 1913 ist es im Begriff, sich nach allen Auswirkungen seiner Politik in einen Widerpart des Deutschen Reichs zu verwandeln. Ein Jahrhundert ändert eben die Lebcnsbedingungen von Völkern. Das Rußland des 20. hat andere Existenznotwendigkeiten als das des 19. Jahrhunderts, und das Deutsche Reich braucht unvergleichlich mehr Atemfreiheit als das schüchtern tastende Preußen nach den Befreiungskriegen. So schie ben sich selbst auf dem eng werdenden Raum der Erd oberfläche zwei Völker unentrinnbar gegeneinander wie Gletscher, denen die Sonne gebieterisch den Weg weist, nur daß sie freilich die Wahl haben, um LebenSraum entweder sich friedlich zu verständigen oder mit Ein setzung der äußersten Kraft und der Existenz um ihn zu ringen. In jedem Fall, dem friedlichen wie feind lichen Ringens, siegt der Stärkere und der Schwächere tritt zurück aus der ersten Reihe der Völker, die Welt geschichte schafseu. So haben wir es 1806 erlebt, weil wir vergessen hatten, daß Friedrichs des Großen Werk nicht nur durch weichlichen Besitz erworben werden konnte. Die Vorsehung schenkte uns dann die Gunst, den Verlust 1813 zürück- crobern zu dürfen. Ein zivcites Mal ist sie uns so verschwenderisch hold vielleicht nicht: wir dürfen kein Jena »vagen in der Hoffnung, daß ihm Belle Alliance doch folgt. Das Wort aus Kaiser Wilhelms gestrigen! Tagesbefehl: „Nicht „Siegen oder Sterben", sondern -.Stegen" schlechtweg hieß die Losung," muß deutsche "Losung heut' und immer sein. Sie sollen wir für wieder 100 Jahve aus Preußens Erhebungsfeier von 1913 mit in neues Schaffen nehmen. O Tie Hundertjahrfeier der Erhebung Preußens und der Befreiungskriege wurde gestern in Berlin durch einen Festgottesdieust im Dom eingeleitet. Das Gotteshaus war in allen Teilen von einer festlich geschmückten Gemeinde dicht gefüllt. ES überwog naturgemäß das militärische Element, ebenso hatten sich in den Mittel- und Seitenschiffen Deputa tionen sämtlicher Garderegimenter und sonstiger zahl- der preußische Äriegsminister von Heeringen mit den Höchstkommandierenden der preußische Armee. Ju einer Scitenempore nebeu der Kaiserloge hatte das gesamte preußische Staatsministerium Platz genommen. Auf eine Ausschmückung des DomeS selbst hatte mau verzichtet. Am .Altar waren die Feldzeichen, Fahnen und Stand- darten sämtlicher Garderegimenter und auch solche von einigen Truppenteilen aus der Provinz ausgestellt, so z. B. des Leibgrenadierregiments Nr. 8 aus Frankfurt a. O - des Grenadierregiments Nr. 11 aus Breslau und des Nr. 10 aus Schweidnitz. Die Offiziere des 1. Garde regiments in ihren historischen Grenadiermützcn hielten hier die Ehrenwacht. Kurz vor 11 Nhr erschien der Kaiser mit der Kaiserin, der Kronprinzessin und der Prinzessin Viktoria Luise. Sie traten an die Brüstung der Kaiser loge und verweilten einige Minuten in stillem Gebet. Dann setzte mit mächtigen Mkorden die Orgel ein und die Feier, der auch sämtliche in Berlin Eilenden Prinzen beiwohnten- begann. Der Domchor sang den 43. Psalm: „Rüste mich Gott und führe meine Sache wider das un heilige Volk und errette mich von den falschen und Lösen Leuten." Wieder setzt die Orgel ein und mächtig durchbrauste den Raum der Choral: >,Lobe den Herren." Dann trat Hofprcdiger Ohlh vor deu Altar und sprach während die Gemeinde sich erhob, das Gebet, das in die Bitte auSklang, daß auch Gott uns helfen möge, wie er dem Vaterlande vor 100 Jahren geholfen habe. Wieder setzte der Domchvr ein und sang: ;,Erhaben, o Herr, über alles . . ." Die Gemeinde antwortete: „Der Herr ist noch und immer nicht von seinem Volke ge schieden. Gebt unserm Gott die Ehre." Inzwischen harte der Oberhofpredigcr Generalsuperintendent Dr. Dryander die Kanzel bestiegen. Seiner Festpredigt hätte er den Text des Psalm 77 zu Grunde gelegt: -„Ich denke an die Tage des Herrn." In der Einleitung erinnerte er an die großen Gedenktage- die wir jetzt feiern: gestern den 25 jährigen Todestag Kaiser Wilhelms des Größen heute den Geburtstag der Königin Luise, den hundertsten Stiftungstag des eisernen Kreuzes. Daun gedachte er weiter der eisernen Zeit. Ec erinnerte in herzlichen Wor ten an die Königin Luise als deu Schutzgeist Preußens. Nach der Predigt sang die Gemeinde abermals einen Choral. ES folgte eine Schriftverlesung. Das Nieder ländische Dankgebet- gesungen von der ganzen Gemeinde, beendete die Feier. Ter Geistliche sprach den Segen. Dann verließen die Majestäten den Dom und begaben sich zum Lustgarten. Vor dem Denkmal Friedrich Wilhelms III. im Lust garten waren zahlreiche Kränze uiedergelegt, darunter ein Lorbeerkranz des Kaisers mit folgender Inschrift: -,Gott ist es, der Großes an Preußen hat getan. Ihm allein gebührt die Ehre." Ferner fiel ein Kranz auf mit der Inschrift: -/Seinem hochseligen Paten Friedrich Wilhelm III. von einem 85jährigen Garde-Dragoner. F. W. Adam." Auf den oberen Denkmalsstufen hatte sich eine erlesene Gesellschaft versammelt. Tie Genera lität und die Admiralität formierte» sich zu einem Karree. Tann verlas der Käiser mit weithin hallender, aber vor Sturm und Regen nur schwer verständlicher Stimme einen Tagesbefehl, der an die Wiederkehr des Tages erinnerte, da sich Preußen anschickte, fremdes Joch abzuschütteln. Der Kaiser gedachte ferner des Auf rufs -,An mein Volk", an die feste unerschütterliche Sie geszuversicht und der Helden jener Tage. Ihr Gedächt nis werde nicht erlöschen, so lange Preußen bestehe. Am Schlüsse heißt es dann: „Der Geist der Krieger des Befreiungskampfes lebte fort in Euren Vätern- als sie unter Meinem erhabenen Großvater den Siegespreis erstellten, der jenen versagt geblieben war: die Wie dergeburt von Kaiser und Reich. Uns aber, dem jetzt lebenden Geschlecht, rufen die Heldentaten ruhmreicher Vorfahren eindringlich die ernste Mahnung zu, das Dichterwort zu beherzigen und wahr zu machen: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb cS, um es zu besitzen!" Tann werden auch wir mit freudigem, zuversichtliche»! Herzen in den Kampf gehen, falls cs einmal gelten sollte, das mit so teurem Blut Errungene zu wahren, Deutschlands Ehre zu schirmen gegen den, der sie anzutastcn wagt!" Darauf brachte Frhr. von Plettenberg ein stürmisch aufgenommcnes Hurra auf den Kaiser aus, während die Leibbattcrie des ersten Gardc-Feldart.-Regts. den Salut feuerte. Unter dem Donner der Geschütze ritt der Kaiser die Front der im Lustgarten und Unter den Linden auf gestellten Truppenteile ab. Nach dem .Schluß der Parade ritt der Kaiser ins Schloß zurück. Die Jahrhundertfeier Gourde in zahlreiche» Orte» Preußens und anderer Bundesstaaten festlich be gangen. Rach den eingelaufenen Meldungen nahmen die Festlichkeiten überall eine» würdigen und erhebenden Verlauf. In der Befreiungshalle bei Kelheim (Bayern) tvird am 25. August am bayrischen LudwigStag, ei»e Jahr hundertfeier stattfindcu, die einen imposanten Ver- lauf nehmen dürste. Der Kaiser hat bei der Anwesenheit des Prinzrcgenten in Berlin auf dessen Einladung seine Teilnahme zugesagt. Sämtliche deutsche BundeSsürsten und die Vertreter der freien Städte werden an der Feier teilnehmen. Der Inhalt der Militürvorlagr. SS ist in den letzten Tagen über den Inhalt der neuen MilitSrvorlage viel hin- und hergeraten worden. Nun lassen Informationen, die aus sicherer Quelle stammen, einen Einblick in die Vorlage gewinnen, und da ergibt sich folgendes: Die jährliche Vermehrung de» Mannschaft»- bestände» soll 68 000 Köpfe betragen, in den zwei Jahren der Durchführung also 4000 Offiziere, 15000 Unteroffiziere und 117 000 Mann. Bon diesen Mannschaften werden zu nächst, wo sie noch fehlen, die dritten Bataillone formiert. Außerdem sollen die Kompagnien eine allgemeine Verstär kung erfahren und die GrenzkorpS auf einen höheren Etat gebracht werden. Eine Vermehrung der Infanterie durch neue Regimenter ist nicht beabsichtigt, dagegen sollen die übrigen Waffengattungen durch neue Kontingente erweitert werden, z. v. die Kavallerie durch sechs neue Regimenter und die Fußartlllerie durch sechs neue Bataillone. Für Artillerie werden 30000 Pferde verlangt, sodaß jede Batterie schon zu FriedenSzeiten mit 6 Geschützen auSrücken kann. Zusammenfaffend kann man noch die Vermehrung der Ma schinengewehrabteilungen, der Scheinwerferkompagnien, de» TrainS, der Pioniere, der technischen Truppen und der Telegraphenbatatllone erwähnen. Insbesondere bezweckt di» Vorlage einen starken Grenzschutz im Osten. — Am Mon tag nachmittag fand, wie man uns aus Berlin hieran an schließend mitteilt, unter dem Vorsitz des Reichskanzler» im NeichSamt des Innern eine Konferenz der Finanzminister und der bundesstaatlichen Vertreter statt, die sich im wesent lichen mit der Ausbringung der für die HerreSoermehrung erforderlichen Mittel befaßte. Die Londoner Westminster Gazette schreibt: Wir zweifeln nicht daran, daß Deutschland seine neuen mili tärischen Pläne ganz ehrlich mit der Lage im Orient be gründet. Deutschland hat zwei lange Grenzen zu schützen. Die Gesamtstärke de» Zweibundes hat in den letzten Jahren nicht ab-, sondern zugenommen. DaS Emporkoninwn de» Balkanbundes ist «in Punkt zu seinen Gunsten. Daher ist der Gedanke, daß Frankreich und Rußland am Ende ihrer Kräfte wären und gezwungen würden, mit Deutschland eine Koalition gegen uns zu bilden, wenn wir ihnen nicht militärische Hilfe leisteten, der Ausdruck grundloser Panik. Unsere Aufgabe ist eS, unsere Flotte stark zu erhalten. Wir verzichten darauf, zum militärischen Wettbewerb beizutragen. Mit einer überlegenen Flotte werden wir stet» als Freund gesucht und al» Feind gefürchtet sein. Ernste Besorgnisse. In Wien verfolgt man die serbischen Trnppeuoer» schiebungen mit steigender Besorgnis. In Durazzo sollen Über 30000 Mann serbischer Truppen angesammelt sein und das HilfSkorp», da« die montenegrinischen Unter nehmungen vor Skutari unterstützen soll, soll eine weitere Verstärkung erfahren und dürfte offenbar dazu dienen, den serbischen Ansprüchen in Nord-Albanien eine neue Stütze zu geben. Oesterreich bewacht schärfer als je die Südwest- Srenze und beobachtet mit erhöhter Aufmerksamkeit die Bewegungen de« serbischen Nachbars. Rumänische Ungeduld. In Petersburg wird sich in diesen Tagen eine Bot schafterkonferenz mit dem rumänisch-bulgarischen Streitfall befassen. Rumänien hat ein sehr lebhafte« Jntereffe daran, daß seine Ansprüche sobald al« möglich befriedigt werden. In diesem Sinne hat sich nun auch der rumänische Unter händler MajoreScu in verschiedenen Gesprächen in Peters burg geäußert und mit starker Betonung darauf hinge wiesen, daß Rumänien mit der Erledigung seiner Ange legenheit nicht warten wolle, bi« der Friedeu»schluß mit der Türkei Bulgarien eine neue Aktion«möglichk«it schaffe. Rumänien sei imstande, sofort zu mobilisieren und nur die Friedensliebe sei der Grund, daß e« noch immer auf die Befriedigung seiner gerechten Ansprüche warte. In Bukarest ist die Stimmung sehr erregt und in verschiedene« Kreisen bereitet man sich bereit» auf die äußersten Konsequenzen vor. Tagesgeschichte. Deutsche» «eich. Kaiserspende für die schlesische Jugend wehr. Der »Reichlanzeiger- veröffentlicht den folgenden kaiserlichen Erlaß: »Der begeisterten Teilnahme der schlrst- schen Jugend an dem vor nunmehr 100 Jahren begonnenen Werke der Befreiung Preußen» dankbar gedenkend, will ich gern genehmigen, baß die zu der ehemaligen Aestuug Ttlberberg gehörenden Werke de» Fort Spitzberg sowie der Großen und der Kleinen Strohaude den Bestrebungen der