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— 101 Der Freiherr liebte in Ursula so besonders das äußere Ebenbild seiner schönen Frau, die einzelnen Seelenzüge der Verstorbenen, die er in der Tochter Wiedersand. UM so empfindlicher aber war es ihm, daß er nie imstande gewesen war, ihre Wünsche und ihren Willen nach dem seinen zu formen. Er vergaß dabei, daß gerade ihre Willensstärke Energie ein Erbteil ihres Vaters war. > - j Leine drei anderen Kinder waren ihm' bequemer, sie wußten sich besser in seine Eigentümlichkeiten hineinzu sägen, stimmten auch in ihren Ansichten Und Neigungen niit ihm überein, während Ursula sehr ausgeprägt andere Ziele verfolgte. j Freiherr von Hagenotö war bei seiner Heimkehr in vortrefflicher Stimmung. Seine älteste Dochter hatte ihm den ersten Enkel geschenkt, und die Hochzeit des SvhneS niit einer Tochter aus einer der ersten Familien, eine .hin sehr erwünschte Partie, stand vor der Tür. Tiefe erfreulichen Ereignisse waren für Ursula günstig gewesen. Ter Freiherr beschloß, über diese Gefühlsver- irrung seiner Dochter, Hajso Martens betreffend» milde sortzugehen. Man konnte den Punkt ja uM fo leichter unberührt lassen, als das Weltmeer dazwischen lag, und -er Krieg seine Opfer forderte. Er hatte Ursula freie Hand gelassen, ihren Johan- niterknrsus unbegrenzt aüszudehnen, nach welcher Rich tung hin sie wünschte, nun hoffte er, sie auch allmählich für seine Pläne zu gewinnen. In diesem Sinne wollte er einige Tage nach seiner Rückkehr mit ihr sprechen. Ter Freiherr liebte es nicht, Redensarten zu machen, und so ging er auch heute, als sie beim Morgenfrühstück sagen, gerade auf sein Ziel los. „Tein Vetter Alex hat mich ausgesucht, als ich durch Src^lau kam," hob er an. „Er ist ein schneidiger Offizier uid ein braver Junge. Er gefällt mir außerordentlich." Ursula machte sich an der Spiritusflamme zu schassen, die unter dem summenden Teekessel brannte. Sie antwortete nicht. „Na, Ursel, Du bist ja so stumm," fuhr Hagenow so.t. Leichte Ungeduld klang aus seiner Stimme. „Eure Freundschaft datiert doch schon aus der Kinderstube!" Mit einem freundlichen Lächeln reichte Ursula dem Vater die gefüllte Deetasse, schob ihm Zucker und Sahne hi» und meinte dabei leichthin: „Jawohl! Es ist auch noch gerade so geblieben wie damals, unsere Freund schaft steht richtig auf dem Kriegsfüße, manchmal ist B eine lustige Plänkelei, manchmal aber können »vir auch ganz scharf aneinander geraten." Ter Freiherr lachte. „Was sich neckt, das liebt sich, und daß er Dich liebt, itzuß Dir natürlich längst klar sein. Kurz und bündig denn, er hat bei mir um Deine ceand ungehalten und hofft, auch Tein Jawort zu er ringen Meine Einwilligung habe ich ihm natürlich mit Freuden gegeben." Er sah gespannt zu seiner Tochter hinüber, die ihm gegenüber saß. Jetzt hob sie den gesenkten KVpf, sic war blaß geworden, sah aber den Vater ruhig und fest an. „Ich kann nie des Vetters Frau >verden." „Und warum nicht, wenn ich fragen darf?" „Weil ich einen anderen liebe." „Kindereien," brauste der Vater auf. Zornige Röte hatte seine Stirn gefärbt. Ursula wußte, daß jetzt der Augenblick gekommen »ar, für ihre Liebe einzutrcten. Wie schwer der Kampf sein würde, darüber täuschte sie sich keinen Augenblick, aber ebensowenig schrak sie davor zurück. Die BraunaUgen zeigten die dunkle Färbung, die ihnen in Augenblicken hoher Erregrmg eigen war, und mit fester Stimme sagte sie: „Mnne es, wie Du willst, für mich ist und bleibt die Liebe zu 'Hasso Martens der Inhalt meines Lebens."« Hagenow stand auf. Eine so runde Erklärung hatte er nicht erwartet. Tas Mädchen verstand es, ihm den Kopf warm zu machen. Wer er wollte nicht gleich mit den schroffsten Worten sie zurückweisen, das trieb den Trotzkops nur tiefer in seinen Eigensinn hinein. Er durchmaß mit; langen Schritten das Zimmer. „Das ist solche phantastische Idee — eine Mädchen- schwärmerei — eine romantische Grille —i das wachst sich aus. Mu' bist ja sonst ein verständiges Ting, Ursel. Afrika und der Krieg haben ja selbst ein Punktum da hinter gemacht, und nun ist die Sache aus" Ursula hatte sich in ihren Stuhl zurückgelehnt, ihr« Hände lagen gefaltet im Schoße. „Du weißt genau, wie es steht, Vater, ich habe Tie in meinen Briefen nichts verheimlicht. Ohne Deinen Legen kann und will ich nicht Hasso Martens' FraU werden, aber ihn zu lieben bis an mein Lebensende, das kann niemand mir wehren, und ihm in Brunos Briefen einen Gruß einzulegen, dieses einzige fülle Glück wirst auch Tu mir nicht nehmen wollen." (Fortsetzung folger Der Friedhof zur Rosenzeit. Auf de« Friedhof ift's so »underschönl . Rose« kann «an dort in Fülle seh«, Heberntl in bunter Herrttchrett, Srnenwirti, i» der Rosemett! Rose« eigennrtig und apart, — Roke« jeder Farbe, jeder Art, Blühe« «PPt« über Grab ««d «ruft. Rings verbreitend köstlich süße« Duft. Rose«, rot, wie heiße Liebe flammt, Düster d««Ue, Shnlich schmarze« Samt, Weiße, zart, al» feie« sie a«S Wachs, Selten schöne «uch in selb «nd kachs. Kletterrose« über Rpheugrün Schatten spendend manches Grab umzieh'». Drinnen «ach »es LebesS Leid und Schmer» Eio'«e Ruhe fand ei« müdes Her». — Traumhaft schön ist », daß man wünschen könnt, Daß dereinst man auch solch Pliitzchen find. Wo an» glänzend dunkle« Blätter,rü« Wundervolle Rose« üppig blüh«! Den« »er Friedhof ist so wunderschön. Wen« die Rosen in der Blüte stehn. Und der blaue Himmel strahlend lacht, Uever all der köstlich duft',e» Pracht! Martha Grundmann. Deuks und Liuusprüche. Meß' Herze nie in Lieb« glühte, Weß' Auge nie in Zorn entbrannt. Dem ist gestorben im Gemüte Das Gute, das von oben stammt. * Zu guter Nachbarschaft Gehört nicht das allein, Mcht weh zu tun, auch dem, Der weh tat, zu verzeih'». -o Erst halte Rat, Tann greife zur Dar. Druck und Verlag von Lanqrr L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. Erzähler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". «r. 2«. «es«, »e« 2«. Juni 1S09. 82. AichrU. Der Pflicht getreu. Von A. v. Liliencron. Fortsetzung. Glücklich hinübergelangt, ging es durch dichten Busch weiter, an der Werft Osona vorbei, von wo aus Samuel Maherero den Krieg eröffnet hatte, bis hin zum' Okahandja Rlver. i Ohne Schuß war es bisher vorwärts gegangen. Hier ließ der Hauptmann absitzen und eine lange Schützenlinie bilden, die in der Richtung auf Okahandja vsrging. Laut lose Stille herrschte. Schweigend wurde weitergerückt. Ter Nebel wich, und die Glutenfanne Afrikas stand wieder an dem wolkenlosen Himmel. ' Tie ersten Häuser von Okahandja tauchten auf, doch waren es nur noch Ruinen. Gleich darauf, hart vor dem Orte, stießen die Reiter auf die Leichen von fünf deutschen Soldaten. Es waren die Gefallenen vom zweiten Entsatzversuche, den Windhuk ausgefandt hatte. Doch jetzt war keine Zeit, Tote zu begraben. Tas Leben mit seinen unabweisbaren Pflichten forderte sein Recht. Tie Schützenlinie, die über die ersten Häuser vor gedrungen war, erhielt plötzlich Feuer von den sie rechts flankierenden Höhen. Artillerie und Infanterie gaben blitzende Antwort. , Roch wußte Man nicht, wie es um di« Feste stand, ob sie den feindlichen Angriffen erlegen war, oder ob sie sich gehalten hatte. Ta entdeckte Wolfs scharfes Auge das schwürz-weiß- role Banner, das ihnen winkend von einem fernen TUrm entgegenflatterte. „Hurra! Auf der Feste weht die deutsche Flagge," rief er, und jubelnd wurde diese Ver kündigung ausgenommen. Tie Reiter saßen auf, und in Zugkolonne ging es in langem Galopp gegen di« Feste vor. IN vollster Ordnung, aber in blitzartiger Geschwindigkeit, jagten sie durch den Ort, von einem heftigen Flankenfeuer der Schwarzen beschossen. . , Alle Zinnen der Feste waren von Menschen besetzt, begeistertes Hurra brauste ihnen entgegen, und gleich da raus hatte die Koinpagdie hinter der Feste die schützende Deckung erreicht. Ter Kvmmandant trat ihnen entgegen. Es war der Leutnant von Zülow, um den sich in Swakopmund Kriegsfreiwillige geschart hatten, und dessen kleiner Zag unter schweren Kämpfen bis hierher vorgedrungen war. Tas war ein freudiges Begrüßen in dem Hofe der Feste. Kameraden, die der eine oder andere schon beinahe aufgegeben hatte, sahen sich wieder, Kriegs freiwillige aus den verschiedensten Ständen sanden sich hier zusmnmcn, alte erprobte Afrikaner und Offiziere der Reserve, alle von demselben Drange erfüllt, den deutschen Brüdern zu Hilfe zu eilen und Deutschlands Ehre zu wahren. Tas gab ein Fragen und Hände schütteln ohne Ende. Eine Festtagsstimmung herrschte, feierte man doch auch zugleich den Geburtstag Seiner Majestät des Deutschen Kaisers. Die Festrede beim einfachen Mahle gab der Stim mung den gebührenden Ausdruck. 8. Kapitel. In der ersten Hälfte des Februar war Hasso in Swakopmund angelangt. Seine Ungeduld, vorwärts zu kommen, wurde rasch genug befriedigt, denn schon am nächsten Tage konnte er zu seinem Truppenteil auf brechen. Er Ivar als Unteroffizier in die ß. Kompagnie 1. Feldregiments eingestellt, gehörte also zur Abteilung Estorfs. Bruno hatte er vor seiner Abreise davon benach richtigt, so konnte er doch auf einen Gruß von der Ge liebten rechnen, den Talisman für ihn, wenn er in de« Kampf und in die Gefahren ging. In Swakopmund traf er den Farmer Werner, den Jugendfreund seines Vaters, der sich unter unsagbare« Schwierigketten bis Windhuk durchgearbeitet hatte und' nun mit einer schweren Wunde am Arme nach Swakop mund gekommen war. <Äc hatte die Absicht, nach Deutsch» land zurückzukehren und dort die Lage der unglückliche« Farmer zu schildern. Durch ihn erfuhr Hasso die Zerstörung der Faruk, den Tod feiner Mutter und die Nachricht, daß sei« Vater, der sich in Windhuk als Kriegsfreiwilliger ge stellt hatte, von dort aus mit der Kvmpagnie Franke ausgerückt sei. j Tief erschütternd waren diese Nachrichten, aber auch für ihn galt das: kein Rückwärtsblicken, kein Kiagen UM Verlorenes, nur vorwärts in Gefahr und Kampf, de« deutschen Brüdern zur Seite, der Pflicht getreu bis in den Tod. ; Es war ihm möglich gewesen, die Eisenbahn bis Okahandja zu benutzen, und so langte er über Erwarten schnell bei seiner Kompagnie an. , Roch hatte Hasso kein Gefecht erlebt, aber jrdet T<ag konnte ihm die Feuertaufe bringen, und feines merzens brennender Wunsch gipfelte in dem Verlangen, vorher noch einen Gruß von der Geliebten zu erhalte«. Es war in den ersten Tagen des März. Die Kompagnie hatte ein Lager gezogen, von einem Baume zum andern waren Zelvvände gespannt als schützendes Dach gegen die Sonuenglut. Tie Seitenwände, mit grünem Strauchwerk ausgeflochten, gingen hoch herauf, ein schatti« cec Ruhepunkt inmitten dieser lichtdurchstrahüen Erd< auf der alles verschwimmt in zitterndem, weihglühendem Aether. Hasso hatte seinem Zelt« noch einen' eigenartige« Schmuck beigesügt. In Ermangelung von etwas Besserem war er auf den Einfall gekommen, eine Feldpostkarte zu nehmen und darauf eins seiner Lieblingsworte, den alten brandenburgischen Fahnenspruch zu schreiben: „Vertrau auf Gott, dich tapfer wehr, Tarin besteh dein Ruhm und Ehr, Tenn wer's auf Gott herzhaftig wagt Wird nimmer aus dem Feld gejagt." Tie Karte hatte er vorn an das Zeltdach gehängt und dabei in seinem Sinne gedacht: das gefällt mir, das will ich immer so machen, iveun wir Hütten auf schlagen. i - Jetzt lag er lang auegestreckt im Schatten uirb sah mit blinzelnde» Auge» gedankenverloren in die Ferne. In eigenwilligen, wunderlichen Linie» zeichnen sich' am Horizonte die Berge ab. Scharfe Spitzen drängen sich zw:schen runde Kuppen, Grate sind nebeneinander gezwängt und Fclstrümnier übereinander gestürzt. Hart' und trotzig, jeder Regelmäßigkeit spottend, voll von un gebundenem, wildem Zauber, ganz das Gepräge dieser eigenartigen afrikanischen Natur, so zeigen sich auch hier die bizarren Berglinic». Grüne Streifen, Weide für das Vieh, schmiegen sich an den Fuß der braunrot abgetönte« Felsvlatten, auf denen cs fkimmcrt und blitzt. Funken sprühend, in Sonnenglut getaucht, erscheint rings die Natur, soweit der Blick reicht.