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Riesaer G Tageblatt Freitag, 6. Dezember 18W, Abends 48. Jahrg Wahlen anordnen. Die Kosten der Handwerkskammern sollen von den Gemeinden getragen werden, denen die Berechtigung beigelegt wird, die Beiträge auf die einzelnen Handwerksbe triebe nach einem von der höheren Verwaltungsbehörde zu bestimmenden Vertheilung-maßstab umzulegen; die Landes centralbehörde kann indessen beistimmen, daß die Kosten von weiteren Communalverbänden, statt von den Gemeinden auf gebracht werden. Die Handwerkskammern verwalten ihr Lassen- und Rechnungswesen selbständig, doch haben sie all jährlich einen Voranschlag über den erforderlichen Kostenauf wand aufzustellen, der ebenso wie jede Ueberschreitung des selben der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde bedarf. Materialien, Fleisch, Fleisch- und Fischwaaren, lebenden Blumen, Blumengewinden und Pflanzen: von Vormittags 7 bis 9 Uhr, von Vormittags 11 bis Abends 7 Uhr, jedoch mit Ausschluß der Zeit des etwaigen Nachmittagsgottesdienstes; 4. bei dem Handel mit anderen als den vorstehend bereits genannten Gegenständen: von Vormittags 11 bis Nachmittags 9 Uhr mit der Beschränkung wie oben unter 3 am Schluffe. Während der Zeit, in welcher Geholfen, Lehrlinge und Arbeiter im HandelSgetverbe beschäftigt werden dürfen, darf auch der Gewerbebetrieb in offenen Verkaufsläden stattfinden. Riesa, den 6. Dezember 1895. Der Stadtrath. Klötzer. S. Das Riesaer Tageblatt erscheint jeden Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestellen, sewie am Schalter der kaiserl. Postänstalten 1 Mark 25 Ps., durch die Träger frei ins Haus I Mark 50 Pf., durch den Briefträger frei inS Haus 1 Mark 65 Pf. Anzeigeu-Auaahm« für die Namm« deS Ausgabetages bis Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer t Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastantenstraße 59. — Für di« Redactton verantwortlich: Herman« Schmidt in Riesa. TageSgeschichte. Deutsche- Reich. Sämmtlichr Minister, außer Herrn von Köller, waren für vorgestern Nachmittag 4 Uhr zu einer vertraulichen Besprechung beim Reichskanz.er ein- geladen. Die Unterhaltung dauerte ungefähr zwei Stunden. Man nimmt an, daß es sich um Vorschläge für den vakanten Ministerposten gehandelt habe. Um 6 Uhr traf sodann der Kaiser im Reichskanzlerpalais ei», um sich von Fürst Hohen- lohe Vortrag halten zu lassen. Wie wie hören, ist neuer dings die Entscheidung über *ie Besetzung des Ministeriums des Innern hinausgeschoben worden. Das Entlassungsgesuch des Herrn v. Köller ist von Sr. Majestät formell noch nicht genehmigt worden. Der „National-Ztg." zufolge heben die Berichte der Generale über die vierten Bataillone hervor, die Einzelaus bildung der Mannschaften in der Exerzierdienstfertigkeit sei sehr gut infolge außerordentlich günstigen Zahlenverhältnisses zwischen den Schülern und Len Lehrkräften. Aber schon vom Compagnirdienst auswärts finde die ausreichende militärische Ausbildung nicht mehr statt. Die Generale befürworten baldige Abänderung der Organisation dahin, daß die Zahl der militärisch Mindergeschulten nicht zu stark anwachse. Das militärische Jneinanderleben zwischen Mannschaften und Vorgesetzten sei bei den vierten Bataillonen im Gegensatz zu den Vollbataillonen ganz ausgeschlossen. Die etwaigen Aenderungen vor Ablauf des Quintennats würden sich nur vollziehen innerhalb der jetzigen Friedenspräsenzstärke, der grundsätzlichen Aufrechterhaltung der zweijährigen Dienstzeit und im Wesentlichen unter Innehaltung der im Etat aus- geworirnen Mittel. Der Börsengesetzentwurf und das Dcpotgesetz, die dem Reichstage bereits zugegangen sind, werden jetzt im „Reichs- anz." veröffentlicht. Ferner sind dem Reichstage, wie die „N. A. Z." hört, auch die Gesetzentwürfe über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes und wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschastsgenossen- schaften — Konsum vereine —, zugegangen. Damit sind bis aus die Zuckersteuervorlage und das Bürgerliche Gesetzbuch sämmtliche wichtigeren, in der Thronrede angekündizten Vor lagen an den Reichstag gelangt. Im Reichstage hat die deutsch-soziale Reformpartei folgende Anträge emgebracht: 1) Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach staatlichen Betrieben die Gründung von Konsumvereinen, bezw. Ver kaufsgenossenschaften verboten wird und die schon bestehenden bezüglichen Vereine und Genossenschaften so.cher Betriebe aufgehoben werden. 2) Linen Gesetzentwurf vorzulegen, w >- nach bei allen gerichtlichen Vereidigungen von Parteien, Zeugen und Sachverständigen die konfessionelle Eidesformel wieder eingesührt wird. 3) Einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach Bekanntmachung. Uuier Aufhebung der Bekanntmachung vom 29. November 1895 (Riesaer Tageblatt No. 278 von demselben Tage) will der unterzeichnete Siadtrath auf hierher ergangenes Ersuchen der Betheiligten auf Grund der Vorschrift in § 105 d der Novelle zur Gewerbe-Ordnung vom 1. Juni 1891 hiermit gestatten, daß im Stadtbezirk Riesa während der letzten drei Sonntage vor Weihnachten, am 8., 15. und 22. Dezember dieses Jahres die Beschäftigung von Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern im Hantzelsgewerbe zu folgenden Tageszeiten statlfinde: 1. bei dem Verkaufe von Brod und weißer Bäckerwaare (ausschließlich del Conditorei- waaren): ohne Zeitbeschränkung; 2. bei dem Handel mit Milch: mit Ausschluß der Gottesdienstzeit ohne Zeitbeschränkung; 3. bei dem Handel mit Butter, Sahne, Käse, Eier, Grünwaaren, Conditoreiwaaren, sonstigen Eß- und Materialwaaren, Tabak, Cigarren, Roheis, Heizungs- und Beleuchtungs Handwerkskammern. Der Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung von Handwerkskammern, wie er vom Bundesraih genehmigt ist, setzt die obligatorische Einführung der Handwerkskammern fest. Ausgabe der Handwerkskammern toll es sein. 1) bei der Organisation des Handwerks mitzuwirken, insbesondere über die örtliche Gliederung der Organisation sich gutachtlich zu äußern; 2) die Staats- und Gemeindebehörden in der Förderung des Handwerks durch thalsächliche Mittheilungen und Elstal'urg von Gutachten über Kragen, welche die Ver hältnisse des Handwerks berühren, zu unterstützen; 3) Jahres berichte über ihre Thätigkeit und über ihre die Verhältnisse des Handwerks betreffenden Wahrnehmungen zu erstatten; 4) Wünsche und Anträge, welche die Verhältnisse des Hand werks berüh-en, zu berarhen und den Behörden vorzulegen; auch sollen sie in allen wichtigen, die Gesammtinteressen des Handwe ks berührenden Fragen gehört werden. Die Be zirke der Handwerkskammern sollt n von der Lar.descentral- bchörde sestgestellt werden, die auch ein Statur aufzustellen har, auf Grund dessen die Errichtung der Kammer erfolgen soll. Bei der Errichtung sollen Vertreter der hauptsächlich im Bezirk betriebenen Handwerke, sowie der Innungen und sonstigen Bereinigungen gehört werden. Das Statut muß Bestimmungen enthalten über 1) den Sitz und Bezirk der Handwerkskammer; 2) die Bildung der Wählerschaften für dre Wahlen der Mitglieder, die Zahl der letzteren und ihre Vertheilung auf die Wählerschaften; 3) das Verfahren bei den Wahlen, soweit es nicht durch besondere Wahlvorschriften geregelt wird; 4) die Ergänzung der Handwerkskammer durch Zuwahl; 5) das Stimmrecht der Mitglieder und die Art der Beschlußfassung; 6) die Wahl, Befugnisse und Legitimation Les Vorstandes; 7) die Form und die Voraussetzungen für die Zusammenberu ung der Handwerkskammer und ihrer Ausschüsse; 8) die öffentlichen Blätter, durch welche die Be kanntmachungen der Handwerkskammer zu erfolgen haben; 9) die Äussteuung und Abnahme der Jahresrechnung. Wähl bar zu Mitgliedern der Kammer sollen sein im Bezirk seit mindestens drei Jahren ansässige, selbständige Handwerker im Alter von mindestens 30 Jahren, sofern sie nicht nach W 31 und 32 des GerichtSversaffungSgejctzes zum Amt eines Schöffen unfähig sind. Für jedes Mitglied sind zwei Er satzmänner zu wählen. Die Wahl erfolgt auf fünf Jahre, ihre Annahme kann nur aus Gründen verweigert werden, die zur Ablehnung eines unbesoldeten Gemeindeamts berechtigen. Die Handwerkskammer kann sich bis zu einem Fünftel durch .Zuwahl sachverständiger Personen ergänzen, auch kann sie Sachverständige mit beralhender Stimme zu ihren Verhand lungen zuziehen. Zur actioen Wahlberechtigung gehört der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, der selbständige Betrieb eines Handwerks im Bezirk seit mindestens einem Jahre und ein Alter von mindestens 25 Jahren. Auch darf die freie Verfügung über das Vermögen nicht durch richterliche Anordnung beschränkt sein. Innungen, deren Sitz sich im Bezirk der Handwerkskammer befindet, und sonstigen Ver einigungen von Handwerkern kann durch das Statut die Be rechtigung beigelegt werden, einen näher bestimmten Theil der Mitglieder der Handelskammer zu wählen. Die Kammer ist berechtigt, aus ihrer Mitte Ausschüsse zu bilden, die zu ihren Verhandlungen Sachverständige mit beralhender Stimme zuziehen dürfen. Die Handwerkskammern unter liegen der Aufsicht der höheren Verwaltungsbehörde, die für eine jede Kammer einen Eommissar zu ernennet- hat; dieser ist jeder zeit zu hören, hat aber kein Stimmrecht. Die Landescen tralbehörde kann die Handwerkskammer auflösen und Neu- und Anzeiger MMtt >»d Anjchn). Telegramm-Adreff« A I* 4 -s Fernsprech«,'?- ,r«g.blatt Riesa. Rr.Su der König!. Amtshauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. die Bestellung von Postsendungen aller Art, mit Ausnahme von Telegrammen und Eilsendungen, an Sonn- .nd Feier tagen nach 10 Uhr Morgens aufgehoben wird. 4) Einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach Lieferanten, Handwerkern und Arbeitern für ihre aus Lieferungen und Arbeiten an Neubauten erwachsenen rechtmäßigen Forderungen ein Vor recht vor sämmtlichen auf diese Bauten eingetragenen Hypo theken oder Kautionen gewährt n ird. 5) Baldigst einen Ge setzentwurf vorzulegen, wonach das allgemeine und gliche Reichstagswahlrecht zu einer Neichstagswablpflicht erweitert »ird. — Außerd m hat die deutsch-'oziale Reformpartei einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich gegen die Einwanderung von Juden, die nickt in Deutschland staatsangehöriz sind, Wender. — Schließlich ist auch wiederum der Antrag auf Erlaß eines Gesetzes, betr. das Betäuben der Schlachtthiere eingebracht worden. Rußland. Aus Petersburg erhält die „K. Z", die Mit theilung, daß Rußland auf der Rhede Sebastopols 4 Geschwader im Zustande armirter Reserve unterhält, bestehend aus Pan zerschiffen, zwei Minentransportschiffen, zwei Kanonenbooten und neun Torpedobooten. Wie man nunmehr erfährt, gab die russische Regierung vor Monatsfrist Befehl, wenn Eng land eigenmächtig in die Dardanellen einzulaufen versuchen sollte, mit den Schiffen, die mit voller kriegsmäßiger Besatzung, Ausrüstung und Munition bereit standen, sofort auszulaufen. Gleichzeitig wurden im Militärbezirk Odessa-Kiew Vorbe reitungen getroffen. Dieser Befehl wurde indeß zurückge- nommen, nachdem durch Deutschlands friedliche Vermittlungs versuche die Lage geklärt war. In Petersburg hält man nun die Gefahr ernster Verwicklungen ebenfalls für überstanden. Bulgarien. Lin düsteres Bild bulgarischer Ver« waltuogszustände entrollen die jetzt von der Untersuchungs kommission der bulgarischen Sobranje veröffentlichten Akten über StambulowS Regierungssystem. LS ist für den uneinge weihten Zuschauer in der Ferne schwer, hier Wahrheit und Dichtung zu trennen. Der Haß der Verfolgten, die Bruta lität eines in der kulturellen Entwicklung noch zurückgeblie benen Volkes mag sich manche Uebertreibung und Entstellung gegen den wehrlosen Gegner gestattet haben. Sei dem wie immer, als Sittenbild ist der Kommissionsbericht ohne Zweifel von bleibendem Wcrlhe und aus diesem Grunde geben wir ihm hier Raum. Der Bericht besagt: Vom Beginn seiner RegierungSthälizkeit an verletzte Stambulow die Freiheit durch Handlungen der Gewalubätigkeit, Verhaftung von Op- positioneUen u. s. w. Ver ammlungen wurden oft nur dann von rym gestartet, wenn ihre Tendenz eine der Regierung günstige war. Die Regierung verletzte systematisch den aus das Briefgeheimniß bezüglichen Artikel der Verfassung und in tausenden von Fällen die Unantastbarkeit der Person und des Domizils. Unter dem Vorwand der Verfolgung des BrigantenthumS figurirte im Haushalt ein Posten für die Organisation eines geheimen PolizeidienfteS, aus welchem Stambulow zahlreiche Spione, darunter auch Frauen, be zahlte. Die Kommission ist der Ansicht, daß die bezüglichen Summen als eigentliche Ausgaben de» früheren Regimes zu betrachten seien. Der Bericht rügt das ungesetzliche und verfassungswidrige Vorgehen gegenüber der Presse, ferner die gegen die Synode gerichtete Verfolgung und den von der Regierung gegen Clement ersonnenen Prozeß und spricht weiter von militärischen Aktionen aus Wahtgründen. Die Lieferung von 70 Millionen Mannlicher-Patronen durch die Firma Roth besprechend, erblickt der Bericht in dem Um- stände, daß Roth tie Lieferung erhielt, trotzdem die Konkur renten bessere Preise anbolen und eine große Zahl der ge-