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1. Beilage zn>n „Riesaer Tageblatt". MotattonSdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Mr die Redaktion verantwortlich; Arthur Hlkhnel in Riesa. SSL Dienstag, IS. Dezember l'.Nl. abends. «4 Jahrg. Reichshavshaltsetat für ISIS. Berlin, 18. Dezember. Die Nordd. Allgem. Ltg. schreibt; Schon das Wenige, was bisher über den Reichs haushaltsetat für 1912 bekannt geworden ist, hat genügt, um die Diskussion darüber anzufachen, ob die verbündeten Regierungen in ausreichendem Maße darauf bedacht sind, daß unser« militärischen Machtmittel der Sicherung des Landes und seiner stetigen Entwicklung für alle Fälle Rechnung tragen. Den in dieser Weise mit dem vorstehen, den Etat in Verbindung gebrachten Erörterungen muß mit aller Entschiedenheit ent^egengetreten werden. Die Nation weiß, daß die verbündeten Regierungen in der Erhaltung und Entwicklung unserer Wehrmacht eine ihrer ernstesten Aufgaben erblicken und nie zögern werden, danach zu handeln. Im Anschluß daran werden über den Ausbau des neuen Etat- allgemeine Mitteilungen gemacht. Darin heißt es: I. ReichShauShaltSetat. 1) Das Etat- gesetz enthält die Bestimmung, daß ein etwaiger Ueberschuß in den eigenen Einnahmen des ReichcS sowie ein das Toll überschreitender Betrag an Ueberweisungssteuern zur Ab- bürdung der bisher der Heeresverwaltung zur Beschaffung der Reserven an BerpflegungSmitlcln und Materialien sowie der Marineverwaltung zur Bereitstellung von Be triebsmitteln für die Bekleidungsämter gewährten Vorschüsse, sodann zur Deckung von außerordentlichen Ausgabe», die nach den Anleihegrundsätzen auf den ordentlichen Etat ge hören, endlich zur Tilgung der Anleihen zu verwenden ist, die zur Deckung der gestundeten Matrikularbeiträge der Jahre von 1906 bis 1908 und der Fehlbeträge der Jahre 1907 und 1908 begeben wurden. Eine gleiche Verwen dung wird für daS Ergebnis des Rechnungsjahres 1911 in Aussicht genommen. 2) DaS Etatgesetz stellt, wie im Vorjahre die Ermächtigung deS Reichskanzlers außer Zweifel, den zur Schuldentilgung bestimmten Betrag ent weder vom Goll der Anleihen abzuschreiben oder, wie di«s dem 8 5 der Reichsschuldenordnung zunächst entspricht, zum Rückkauf von Schuldverschreibungen zu verwenden 3) Der Schatzanweisungskredit wird von 375 auf 350 Milli- onen herabgesetzt. 4) Der Fehlbetrag des Rechnungsjahres 1909 hat am Schluffe des Rechnungsjahre» 1910 nur noch 5 233 227 M. betragen, die im Jahre 1911 getilgt werden. Die durch den Etat für 1911 darüber hinaus bereitgestellten 34 543 904 M. sollen nach dem Etatgesetz zur Abbürdung der für gestundete Matrikularbeiträge nud frühere Fehl beträge begebenen Anleihen verwandt werden. 5) Der ordentliche Etat schließt in Einnahme und Ausgabe mit 1684 890 367 M. ab, also 22 923 881 M. weniger als im Vorjahre. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß im Etat für 1911 die Ueberweilungen mit 163 492 700 M. als Ausgabe erscheinen, während sie jetzt gegen die Matrikular. beiträge aufgerechnet werden. ES ergibt sich daran«, daß der neue Etat tatsächlich ein Mehr von 140 568 819 M. bringt. 6. Die Mehrerträge au« den bestehenden Zöllen, Steuern und Gebühren sowie die Ausgleichungsbeträge dafür sind auf 78 073672 M. angenommen. 7) Die Ueberschtisse im ordentlichen Etat sind veranschlagt bet der Post auf 89 013 929 M. (mehr 17 488 714 M.), bet der Reichsdruckerei ans 3138 347 M. (weniger.549 844 M.), bei der Eisenbahnverwaltung auf 23 575149 M. (mehr 4 807 654 M). 8. Aus dem Bankwesen werden erwartet 15 938 000 M. (mehr 348 000 M.) 9) Der ReichSinoalt- denfondS ist aufgezehrt. 10) Die ungedeckten Matrikular- beitiäge sind nach dem Satz von 80 Pfg. für den Kopf der Bevölkerung für 1910 auf 51 940 794 M. zu,bemessen. 11) Die Kosten der HeereSoerstärkung aus Anlaß deS FriedenSpräsenzgesetzeS von 1911 sind setzt in den allge meinen Etat der Verwaltung deS Reichsheeres eingestellt. 12) Der Etat bringt zum erstenmal Ausgaben für die Hinterbliebenenversicherung, denen eine entsprechende Ein nahme aus dem HinterbliebenenversicherungSfond« gegen- übersteht. Der Bestand des Hlnterbltebrnenverstcherungs- fand» in Wertpapieren beläuft sich nach dem Stande vom 16. Oktober 1911 auf 51 817 600 M. Nennwert. 13) Zur Schuldentilgung werden bereitgestellt «. von der Post verwaltung 3 078469 M., b. von^ der Eisenbahnverwaltung 692 254 M. <r. von Togo 50 474 M., ä von Südwest afrika 243 733 M., o. aut allgemeinen RelchSmitteln 61 Millionen Mark, k. der Ueberschuß aus dem Mllnzwesen mit 20200 000 Mark. 14) Nach Ziffer 13 sollen zur Schuldentilgung insgesamt 85 264 929 M. .aufgewendet werden gegen 114 946 565 Mark im Vorjahre, soweit hier mit Schuldverschreibungen angekauft werden, wachsen die entsprechenden Beträge der für 1912 zu begebenden An- leihen. Abgesehen hiervon ist die Anleihe mit 43 758 372 M. gegen 97 500 006 M. im Vorjahre in Aussicht ge nommen.— D'e auf den außerordentlichen Etat übernommenen Ausgaben betreffen Post, Eisenbahn, Klein wohnungen, Bau und Ausrüstung von Befestigungen, sowie Zuschuß zu den Kosten der SchiffSbanten aus Anlaß des Flottengesetzes. Das Ziel, nur Ausgaben zu werbenden Zwecken von Nnleihemitteln zu bestreiten, hat sich noch nicht erreichen lassen. Wohl aber ist man ihm näher ge kommen. In der Anleihesunnne stecken noch Ausgaben zu nichtwerbenden Zwecken von 12 619 572 M. 15) Die Reichischuld betrug Ende 1910 4 934 201000 M. ES waren an offenen Krediten noch vorhanden 139 943 213 M. Für 1911 ist ein Anleihekredit bewilligt in Höhe von 97 735 488 M. Im Laufe deS Jahres 1911 sind hinzu getreten 122 249 766 M. Weiter traten durch den Etat von 1912 hinzu 43 758 372 M. Die Reichsschuld könnte also im Jahre 1912 einen Höchststand von rund 5396887801 M. erreichen. II. Im HauShaltSetat für die Schutzgebiete ist die Ermächtigung zur Gewährung von Reisebeihilfen für jsKl-SKvglÜvlLHUfÜNSvKuNg. Der Verein Asminwüi rum Krem w. 77 ru Kies» (gegründet im Jahre 1883) will, wie dies seil vielen Jahren von ihm allein bereits geschehen, auch in diesem Jahre durch einen Gesamtglückumnfch in -en hiesige« Blättern dahin wirken, daß die Vesck werden der schriftlichen Neuhjahrsbeglückwünschung vermindert werden. Der für Beteiligung zu entrichtende Betrag von mindestens 1 M. wird nach Abzug der Kosten gW- unvermindert lediglich für seine Wohlfahrtsveftrevimge« -« verwendet. Den Teilnehmern vom Vorjahre werden wir uns erlauben, die übliche gedruckte Aufforderung nach -em Weihnachtsseste zuzusenden, und bitten wir, uns das bisher geschenkte Wohlwollen zu bewahren. Neue Meldungen beliebe man bei Herrn Kaufmann Schlegel, Hauptstr. 32 (Telefon Nr. 76) zu bewirken. Der Gesamtvorstand. Zm Kampfe ums Dasein. Roman von Arthur Engen Simson. 81 „Das würde ich auch nicht tun," entgegnete Erna auf Wangeros Worte. „Ich glaube ohnehin, daß es eine ver kehrte Maßregel sein würde, denn durch Nachgeben würden die Unzufriedenen nur noch mehr Mut gewinnen. Vorläufig haben wir noch die Macht , in Händen, und rch meine, uns selbst trifft die Schuld, wenn wir uns dieselbe entwinden lassen. Es ist bereits eine Anzahl der Arbeiter, welche Sie entlassen haben, hier gewesen, um bei mir Arbeit zu suchen, ich habe sie jedoch zuruckweisen lassen, denn in diesem Kampse müssen die Parteien zusammenhalten. Mich soll wenigstens nie der Vorwurf treffen, daß ich durch Furcht mich habe einschiichtern lassen." Hoch aufgerichtet stand sie da, ihre Augen leuchteten. Wan- gero hatte sie nie so schön gesehen. Es fehlte ihr das Schild an dem linlenArme und das gezückte Schwert in der Rechten, damit sie einer Göttin glich, die im Kampfe steht um ihre Rechte und entschlossen ist, den letzten Blutstropfen für die selben zu opfern. Das Blut rann schneller und stürmischer durch WangeroS Adern, er suchte es zurückzudrängen. Welcher Unterschied zwi schen dem alten Fräulein und ihr. Dort der Haß und die Erbitterung der Ohnmacht, hier der Trotz und das Gefühl einer fast männlichen Kraft. Dort das Verlangen der Herrsch sucht, hier das Bewußtsein der Herrin. „Ich danke Ihnen für diesen Beweis der Teilnahme," sprach er wie bewegt, „und wenn Sie je die Hilfe und den Arm eines Mannes nötig haben, dann rechnen sie auf mich, gnädiges Fräuleiu. Es gibt in einem Kampfe noch ein mäch tigeres Bindemittel als die Gleichheit der Interessen, das ist die Gleichheit der Gesinnungen und Ueberzeugungen. Die Interessen können wechseln und zersplittert werden, die Ge sinnung bleibt und dieser Vorteil ist zunächst noch auf unserer Seite, denn unsere Gegner lassen sich nur durch ihre In teressen leiten. Ich bin glücklich, daß wir hierin überriustim- men." Auch sein Ange lenchtete, wenn der Glanz desselben auch nicht durch diese Idee hervorgcrnfeu war, denn er selbst hatte nie einen andern Beweggrund bei seinen Handlungen gehabt als sein Interesse. Erna hatte die flüchtige Wallung, zu der sie sich hatte hinreißen lassen, bereits wieder überwunden. „Ich glaube, Sie überschätzen die Gefahr dieses Kampfes, der ja doch schon sehr alt ist," bemerkte sie lächelnd,,,Sie sehen, wie sehr Sie meine Tante dadurch erschreckt haben, denn sie haßt das Volk und fürchtet es zugleich, ich schätze es nur ge ring." „Es würde mir lieb sein, wenn ich mich irrte, wenn ein friedlicher Ausgleich der Gegensätze stattfäude," sprach Wangero. „Die Arbeiter haben uns nötig, wie wir ohne sie »licht fertig werden können. Gnädiges Fräulein, gestatten Sie mir eine Bitte daran zu knüpfen. Der Schacht in den Berg ist in kurzer Zeit vollendet, zur Feier desselben und zur Einweihung des neuen Bergwerks beabsichtige ich ein Fest zu geben, darf ich schon heute die Bitte an Sie richten, dasselbe durch ihre Ge genwart zu verherrlichen?" Erna kam die Bitte so unerwartet, daß sie mit der Ant wort zögerte, sollte sie zusagen oder ablehnend Wangero entging dies Zögern nicht. „Ich will offen geste hen, daß ein Teil Egoismus mich zu dieser Bitte getrieben hat," fuhr er fort. „Ein solches Fest erscheint mir stets tot und kalt, wenn nicht Frauen zugegen sind, es fehlt ihm die Weihe. Mein ganzes Leben ist ohnehin ein vereinsamtes, ich möchte fast sagen verlassenes, daß ich von jedem Lichtpunkte in demselben lange Zeit zehre." Es klang aus seinen Worten ein wehmütiger Schmerz. Die ser Ton schlug in Ernas Herzen an. Sie möchte »licht fragen, weshalb er allein stand, weshalb er sich nicht das Glück einer Familie geschaffen hatte, aber rasch erwiderte sie: „Ich nehme Ihre Einladung gerne au." Neber WangeroS Gesicht glitt ein freudiger Zug. „Ich danke Ihnen," sprach er. „Fräulein von Wendhausen, ich habe doch hoffentlich auch Ihre Zusage?" fügte er hinzu. - DaS alte Fräuleiu verneigte sich geschmeichelt, obschon sie eS passender gesunden haben würde, wenn er sie zuerst ein geladen hätte." „Nun werde ich die Arbeiter doppelt antrciüen, das; sie den Schacht beenden," rief Wangero. „Ich gewinne durch den selben nicht allein starres Erz, sondern eine der schönsten Freuden." Er verabschiedete sich. Erna bot ihn» ein Pferd zur Heim kehr an, dankend lehnte er dasselbe ab. „Es ist »nir ein Bedürfnis zu gehen," sprach er. „Wenn der Geist in ungestümer Weise seine Ideen und Wünsche zu erreichen strebt, dann ist das Gehen das beste Mittel, ihn zu beruhigen, denn eS zeigt ihm, daß der Mensch doch nur langsam iveiter gelangt." Sinnend blieb Erna an dem Fenster stehen, als er sich entfernt hatta. Anna trat zu ihr. „Weshalb zögerst Du, WangeroS Wunsch zu erfüllen?" fragte sie. „Weil ich zweifelhaft war, ob ich eS tnn sollte, und ich weiß auch jetzt noch nicht, ob ich recht gehandelt habe." „Gewiß hast Du dies getan," fuhr das alte Fräulein fort. „Ein Abschlagen seiner Bitte wäre eine Beleidigung gewe sen." „Tante, Dl» nimmst so sehr warm WangeroS Partei," rief Erna lachend. Die alte Dame senkte ein wenig den Blick. „Weil ich weiß, daß er meine Teilnahme verdient," erwiderte sie. „Du vergißt ganz, daß auch er nur ein Bürgerlicher ist," fuhr Erna scherzend fort. „Oder hast Du mit einem Male Dein Vorurteil gegen die Bürgerlichen überwunden?" Das alte Fräulein befand sich in einer peinlichen Lage. Erna erinnerte sie an ein Vorurteil, welches unerschütterlich fest in ihr stand; und gleichwohl mußte sie sich gestehen, daß sic ungetreu geworden war. Nach kurzem Schweigen wußte sie sich jedoch zu helfen. „Ich bleibe meiner Ucberzeugung treu," entgegnete sie. „Es gibt eins strenge Schranke zwjschen Adel und den Bürgerli chen, welche nie völlig überwunden werden kann, und nur wer einen wirklichen Adel der Seele besitzt, kann sich uns zur Seite stellen." „lind Du glaubst, Wangero besitze diesen Adel der Seele?" „Ja," gab Anna mit Entschiedenheit zur Antwort. „Er hat in seinem Benehmen so viel Ritterliches, wie ich eS noch bei keinem Bürgerlichen getroffen habe. Er könnte sogar man» chcm adeligen Herrn zum Vorbilde dienen." 192,20