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s Beilage zum „Riesaer Tageblatt". RriaiimMnick uUb Brrlug —u Saug«, ck Wiuiarttck ,m Riei». — Für di» »«da««, Arthur H»hu«l «u «iri». ss«. SmmerStag, S8. September 1811, abends. «4. Jahrg. Zar TriPrliSfrrge. Lite Bvrb^pettungegt für die DripokiSexpedk« tion nehmen jin Turin einer» begeisterten Verlauf. Tie Regierung! tft eifrig bemüht, die für da» ExpeditionS- kiarp» bestimmten Soldaten durch da» Los zu mühten. L» meicheni sich jedoch so viele FreiwtMge, daß diese Bemühungen vollständig überflüssig sind. Die italie nische Regierung übt eine strenge Zensur au» über sämt liche eingehenden und nach dem Au Stande abzusendende Dreschen ryrd Telephonate. Tie italienischen Kriegsschiffe mit LandchtgWjreitkräften sollen in einer? Entfernung von SO Mellen vor Tripoli» liegen/ Jin! Tripolis selbst herrscht unter den Italienern «ine Panik, Weil majn befürchtet, daß eS im Augenblicke «ineSLandungSversuchte» Ku einem Massakre gegen die Europäer kommen werde. Ter größte Teil der italie nischen Kolonie wurde gestern nach' Syrakus befördert. Tie angÜo-mattesische Kolonie in Tripoli» sandte nach Matta «in! Telegramm/ in dem e» heißt: „Wir bitten unsere Brüder dringend- bei dem Gouverneur um Hilfe für un» vorstellig zu werdqn- da die italienischen Dam pfer sich weigern, Andere at» Angehörige der eigenen Nation aufzunehmen." ! Tie Türket soll mir 5000 Mann regulärer Trub- Pen sN Tripolis zur Verfügung! Haven- doch hat sie einen Vorrat von 50000 Mausergetvehren- die im Not fälle an freiwillige Korps verteilt werde!». Tie in Tri poli» lebenden Türken sollen außerdem allo Schieß waffe» aufgekauft habe», so daß e» selbst für hohe Preis- nicht möglich ist, einen Revolver oder ein Gewehr zu erhalten. Botst maßgebender Stelle werden die jung türkischen Zeitungsnachrichten für falsch erklärt, nach welchen der Mijuisterrat beschlossen haben sollte, daß im Falle einer Landung italienischer Truppen in Tripolis die dort liegende Division bi» auf den letzten Mann zu kämpfen hätte, daß die Italiener aus der Türkei vertrieben und die Beziehungen abgebro chen werden sollten. Nach sicheren Mitteilungen greift jetzt in Regierungskreisen eine hoffnungsvollere Auf fassung Platz, weil bereits Besprechungen über die For derungen Italiens angeknüpst worden sind. Ter Mini ster des Jnprern hat die Vertreter der Presse zu sich be rufe» u>nd ihnen empfohlen- angesichts der Lage die Veröffentlichung von Alarmnachrichten zu ver meiden- weil eine Erregung der Gemüter bedenkliche Folgen zeitigen könne. Der Kriegsminister! hat die Presse gebeten- über militärische Maßnahmen nichts zu ver- öffenthichen. Beim Großwesir finden täglich Ministerbe ratungeist statt- deren Beschlüsse geheim' gehalten Werden. Gerüchte! besagen- es herrsche die Meinung vor, daß Truppe» stni> Munition nicht nach Tripolis gesandt wer den sollest. Der italienische Geschäftsträger Hatto mit dem Grotzwesir auf dessen Wunsch «ine lange Unterredung, die für die Lage bedeutsam sei» soll. Ter Sultan hat vorgestern den deutschen Botschafter Freiherrn v. Mar schall in» Pelms berufest und hat ihn in aller Form um möglichst schnelle Vermittlung deS Deut schen Kaiser» in dem Trtpolls-Konflikte ersucht. Die BermittlungSaktion sollte, dem Wunsche deS Sultan gemäß- womöglich noch vor der Landung der italie nischen Truppen in Tripott» erfolgen. Im Gegensatz zu diesen Meldungen, die die Stim mung der Türkei als ziemlich resigniert erscheinen lassen, steht ein Brief, den die Münchner N. N. an» Konstanti nopel erhalten hstben. In dem Briefe heißt e»: „Nicht Tripoli» steht auf dem Spiele, sonderst die Verfassung. Da» Boll wird jeden Gebiet-Verlust aus das Schuld konto der Jstngtürken setzen- und «» ist um diese und um die Verfassung geschehest- sobald wieder vtto- manischeS Gebiet verlörest geht. ES wird viel, sehr viel Blut fließen, wenn Italien seine Dvohungen wahrmachen'' wird! Jeder Parteihader wird unstreitig schweigen, und wie ein Mäst» werden wir uns gegen den Raub wehren. Die ganze Armee ist von einem glühenden Patriotis mus beseelt und, dank der unsch^baren Dienste, die sich Generalfeldmarschall v. d. Goltz Pascha und sein Schüler Mahmud Schefket Pascha um die Reorganisierung deS Heeres erworben haben, ist es schlagfertig und be reit. Ter ottomanische Soldat ist asts Pulverriechen ge wöhnt. Tast? der Wühlarbeit gewisser zivilisierter Staaten ist die Türkei gezwungen, vom 1, Januar bis 31. Tezember fort und fort eins große Truppenzahl kriegsmäßig zu verwenden. Bald in Albanien, bald in Mesopotamien oder Arabien und, last not least, in Maze donien! Jetzt kommt noch Tripolis an die Reihe! Sehr gut! Wir werden auch dai unseren Mann stellen, und die brave» anatolischen Redifs werden ebenso opferwillig in dieser heißen Wüstengegend kämpfen, wie auf den Schnee koppen dex Malissta in Albanien!" Ter türkische Botschafter in Paris Risaat Pascha hatte in einem Jstterdiew schwere Anklagen gegen die italienische Regierung erhoben und zum Schlüsse ge- sagt- daß sich die Türkei mit aller Entschiedenheit einer Besetzung von Tripolis durch Italien «ntgegenstemmen würde. Darauf erwidert der italienische Botschafter Tit- tvni ist einer Unterredung mit einem Journalisten, daß das wirtschaftliche Vorgehen Italiens in Tripolis durch alle möglichen Gesetze Und Mittel von den türkischen Be amten verhindert worden sei. Tie Bexationen und Feind seligkeiten gegenüber Italienern, über die er während seines Ministeriums wiederholt zu klagen hatte, dauer ten fort. Jtaliiest sei genötigt- auS Achtung vor seiner Würde die Verteidigung seiner Interessen mit aller Energie geltend zu machen. Die Meldungen über begonnene Vermittlungs aktionen der Großmächte, insbesondere Deutschlands, sind- so schreibt der „Verl. L.-A", schjost aus diesem Grunde unglaubwürdig, weil wieder von italienischer noch von türkischer Seite dahingehende Anträge den Kabi netten! der in Betracht kommenden Mächte zugestellt worden sind. Zu einer Vermittlung muß zridem nach völkerrechtlichem Brauch der Wunsch beider streitenden Parteien vorliegcn. Das schließt aber nicht aus- daß die europäische Diplomatie, und mit ihr auch die deutsche, Nstter der Hand bestrebt ist- in Konstantinopel sowohl wie in Rom freundschaftliche Vorstellungen zu erheben, die geeignet sind, dem AuSbruch von Zwistigkeiten vor zubeugen u»rd Zeit zu gewinnen für die Einleitung von Verhandlungen. Unter diesen Umständen scheint cS nicht ausgeschlossen, daß der italienisch-türkische Konflikt noch zu einem friedlichen Ausgleich führt., Dis PMe ui US srnMt hm m »M« lliieil. CK. Einen interessanten vergleich zwischen der deut schen und der französischen Armee zieht ein englischer Fach- mann in einem umfassenden Aufsatz, der tq einem Londoner Blatte veröffentlicht wird. Sowohl an zahlenmäßiger Stärke rotte". Sie blieb ihnen aber keine Antwort schuldig. Zungen gewandter wie die Herren, drehte sie sehr bald den Spieß um. Doch basd schien sie der Neckereien überdrüssig zu wer den. Ein gelangweilter Ausdruck glitt über ihr Gesicht. Die dunklen Augen sahen müde und traurig aus. Sie antwor tete immer einsilbiger, bis die Schwäger eiu gemeinsames Gespräch über die. Jagd, gewützt durch Bertholds Studen tenwitze, in Gang brachten. Wim belachte die Kalauer des jüngsten Sohnes herzlich. Msnaod war in der Stimmung, sich mit tiefgehenden Problemen abzuqvAen. Nach beendetem Essen wurde im Galün der Kaffee ge nommen. Berthold, dieZigarette im Mulchwinkel, schlug den Deckel deS Flügels zurück. Er spielte alles auswendig nach d«m Gehör, Opern, Walzer, Märsche, wie eine Spieluhr. Bruno pfiff dazu. Manchmal fielen Hulda und Feodöre ein und san gen Zweistimmig mit. . ES war wieder viel Lärm, Lachen- Zigarettenrauch und Gemütlichkeit in dem großen Zimmer. Frau von Grünwald saß behaglich in ihrer Sofaecke. Also ihre Kinder waren um sie herum, mehr brauchte sie nicht, um Glücklich zu sein. Dina zog sich in den Erker zurück. Doktor Borchers folgte ihr. Sie fingen, unbeobachtet von den anderen, ein leises Gespräch an. DaS lebhafte Interesse, mit dem Dina nach seinem LebenSgang, seinen Studien und Arbeiten fragte, ent schädigte de» Doktor für manche kleine Demütigung des heu tigen Abends. „Mein Dater war Lehrer," sagte er auf DinaS Frage nach seinen Angehörigen. „Er lebt mit meiner Mutter in Bergen auf Rügen von seiner kleinen Pension: Er istschon alt und kränklich. Sollte er sterben, würde ich meine Mutter zu mir nehmen." „Natürlich, das wäre Ihre Pflicht,!' gab Dina zu. „Ha ben Sie nicht die Aussicht auf eine bessere Praxis? Inder kleinen Stadt und auf den paar Gütern, das ist gewiß nicht viel." „Genug zu tun gibt «8 schon. Ich möchte jetzt auch nicht fort, denn meine Arbeit hier ist mir lieb." „Ich sprach heute mit meinem Baier darüber, daß ich Kran kenpflege lernen will." „WaS sagte er dazu?" „Er wies eS natürlich ab. Darauf war ich gefaßt. Ich Roman von M. von Bünau. 0 Der Doktor stand unbeachtet und etwas verlegen zwi schen all diesen nahen Verwandten. Er empfand seine Anwe senheit hier selbst als lästig für die übrigen und wünschte sich weitfortiaseine Studierstube an den Schreibtisch oder zu seinen paar guten Bekannten am Biertisch in seinem Stamm lokal, wo er nach einem arbeitSoollen Tage gern saß, rauchte, auch wohl einen Skat svigtte. Erst bei DinaS Eintreten klärte fich sein Gesicht auf. «^^4 F. . Srünwa» begrüßte benjungen Arzt Wichtig und wandte fich dann sofort zu seine» Schwiegerföhnen, die er noch nicht ge- sehen hatte. Dina gab BorcherS mit besonderer Freundlichkeit die Hand. Sie bemerkte, wie di« Schwestern Blick« tauschten. Das reizte sie erst recht, herzlich zu ihm zu sein. Sie fragte nach dem Befinden de» KrnheS im Schulhause. BorcherS verlor seine Befangenheit und gab klaren Bescheid. Erst der Ein tritt des Dieners machte ihrer Unterredung «in Ende. Obgleich BorcherS schon einige Mal in Zandow gespeist hatte, fiel ihm heute die feudale Einrichtung deS Eßzimmers von neuem alS ordentlich bedrückend vornehm auf. DaS schöne, alte Silber auf der langen, nüt Blumen geschmack voll dekorierten Tafel, der Kammerdiener in schwarzem An zug, zwei Diener in reich« Livree, die vielen Hirschgeweihe, Reh krönen und alten Familienbilder an den Wänden, die stattliche Gestalt der Hausherrn, die eleganten Söhne, die kosthären Toiletten der Damen. Wie durch einen Deltenraum den übrigen entrückt, fühlte ^§ina saß ihm gegenüber. Auch sie kam ihm anders vor, In ihrem weißen, schimmernden Kleid mit den roten Blumen Im Gürtel. Heute morgen, als sie in ihrem schlichten, dunklen Kleid und großer, weißer Schürze vor ihm stand, glitt ein flüchtiger, himmlisch schöner Traum durch seine Seele, ein Skaum, der ihm jetzt, ihrer eleganten Erscheinung und reichen Umgebung gegemiver, wie Wcchnsinn vorkam. Die zwischen ihren Schwägern sitzende Dina diskutierte lebhaft mit ihyen. Beide neckten sie mit ihrer „Schwesterma habe aber schon manches durchgesetzt, was erst nicht sein sollte. Ich erreiche auch diesmal, was ich will." Sie richtete ihre schlanke Gestalt stolz auf. Er sah sie. bewundernd an. Ein heißer Strom von Liebe und Sehnsucht ging durch sein Herz. War es denn ganz un denkbar, sie zu gewinnen? Unwillkürlich blickte er sich iin Kreise der Ihren um. Das hochmütige, blasse Gesicht vonHuIda Riembeck sah ihm gerade, wie erstaunt fragend in die Augen. Berthold wandte ihm halb den Rücken. Der alte Herr von Grünwald, mit dem Kneifer auf seiner scharfgeschnittenen Nase, schien mißbilligend Dinas isolierten Platz zu bemerken. Ein lähmendes Gefühl der Mutlosigkeit drückte Borchers aufwal lende Hoffnungen wieder zu Boden. Er, der Lehrerssohn, der Lanhdoktor, träumte davon, ein Mitglied dieser stolzen Fami lie zu werden. Wie sie wohl lachen würden, wenn sie es wüßten. „Noch eine Taffe Kaffee, lieber Doktor?" rief Frau von Grünwald herüber. „Vor der weiten Rückfahrt wird Ihnen das gut tun." BorcherS überreizte Gefühle ließen ihn in diesen harmlosen Worten einen Wink sehen. Er stand schnell auf. „Danke sehr, gnädige Frau, ich muß mich nun wohl empfehlen. Herzlichen Dank für den schonen Tag." Berthold verbarg sein Lachen nur mühsam unter einem fingierten Hustenanfall. Herr von Grünwald stand auf. „Wollen Sie schon fort?" sagte er kühl. „ES ist Mondschein, da kann mau wohl ganz gut rädeln?" „Den weiten Weg .. mitten in der Nacht!" rief Dina er staunt. „Könnte nicht ein Wagen..." Grünwald schien aber keine Lust zu haben, seinen Pferden noch die Fahrt zuzunm- ten. Borchers merkte das sehr wohl. „Danke verbindlichst!" fiel er schnell ein. „Ich radle oft bei viel tieferer Dunkelheit. Die Azetyleulaternen leuchten vorzüglich." Dina drückte ihm die Hand. „Freitag verbinden Sie die Kirchhoff wieder, nicht wahr? DieSmal wird die Wunde besser aussehen." „Ich hoffe eS." Ein freundliche« Lächeln verschönte sein ernstes Gesicht. Er verbeugte sich rasch vor den übtigen und ging. . 180.20