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— so »u «Gcheü, von der ich glaube, daß sie Ahnen nicht gleichgültig ist." Sophie Dorothea horchte auf. Sie bemerkte die leuchtenden Augen der Tochter und fragte: „Betrifft die Mitteilung Dich, mein Kind?" ,Insofern mich, ÄS sie mich sehr glücklich macht. Sie entlastet mein Herz van einer schweren Sorge." Sie brach in Tränen auK, aber diese Tränen hatte ihr nicht der Schmerz, sondern die Freude erpreßt. Die Königin wartete, bis? sich die Erschütterte ein wenig gefaßt hatte, dann'bat sie: „Sprich Dich aus,' Mein Kind, ich weiß, daß Teine Gedanken nicht hier find. Sie weilen in der Ferne — sie umflattern die Mauern einer schlesischen Festung ,/Jn der er nicht Mehr weilt," rief Anna Amalie und warf sich der Mutter zu Füßen. „Es ist ihm gelungen, feinen Wächtern zu entgehen, jenseits' der böhmischen Grenze ist er in Sicherheit. Kurz vor Ende des Balles wurde mir von einem Unbekannten ein Billet in die Hand gesteckt, dessen wenige Zeilen die Mitteilung enthielten, daß Trenck entflohen und frei sei! Frei! Was jenes kleine Wort für eine Glückseligkeit in sich einschließt! Wenn Sie wüßten. Meine Mutter, wie froh ich bin! Was habe ich gelitten, bis mir diese Gewißheit wurde!" stieß sie fast schluchzend hervor. Die Königin fuhr mit der Hand leicht über den locki gen Scheitel der Tochter; sie war gerührt und wollte es nicht zeigen. „Wie erregt Du bist," meinte sie/ und dann nach einer langen Pause fragte sie: „Wie wird sich jetzt Trencks Schicksals gestalten? Haben! sich Deine Gedanken mit feiner Zukunft beschäftigt? Glaubst Du wirklich, ein Mann von seinem Charakter könne noch einmal glücklich werden?" Die Prinzeß blieb stumM, ihre Gedanken hatten sich nicht mit seiner Zukunft beschäftigt. Nichts chatte sie er wogen, nur mit Freude die Gewißheit hingenvmmen, daß der Freund frei sei. . „Glaubst Du wirklich,, daß Trenck glücklich werden kann?" wiederholte Sophie Dorothea. „Sein Ehrgeiz ist Maßlos, grenzenlos; die Schranken, die den Sterblichen gezogen sind, erkennt ec nicht an. Er gehört, wie Dein Bruder sagt, zu den schrankenlosen Naturen, und diese bleiben immer mit ihrer Umgebung und den Verhältnissen im Widerspruche." Anna Amalie war aufgestanden, ans Fenster getreten und schaute hinaus" in die schweigende Nacht. Sie über legte die Worte, die ihr die Königin zugerufen hatte. Würde er glücklich werden? Sie wußte es nicht; allein sie wußte, daß ihr Herz nie aufhören würde, für ihn zu sorgen und zu bangen. Alles Bangen aber wog für jetzt die Gewißheit auf, daß er frei war — ihr Sonnenfalter! Der rechte Wegweiser. Nooellette von Friedrich Sieck. Nachdruck verboten. Am Waldesrand lag ein tveißgetünchtes Häuschen. Dichtes Epheugerank bedeckte die Wände, aus dessen dunklem Grün noch einzelne gelbe und rote Ävsenknos- penj freundlich nickten. Vor den niedrigen Fenstern waren schneeweiße Gardinen, und Blumentöpfe mit blühenden Geranien standen so dicht nebeneinander wie auf einem Blumenbeet. Das Häuschen war wie in die Waldwand hineingelassen, so daß das dichte Buchengezjweige mit seinen purpurnen und goldenen Blättern sich schützend darüber ausbreitete. Um di« Waldwiesen vor dein Häuschen lvob ein bläulicher Tunst in der Abenddämmerung, und als darüber die Mondsichel? ihr sanftes Silberlicht ergoß, machte die Waldnische mit dem einsamen weißen Häus chen, einen märchenschönen Eindruck/ so daß man sich sagen mochte, hier wohnt das/Glück. Auf jeder Seite der Haustür stvind eine Lank aus knorrigen Eichenzweigen. Bor der einen dieser Bänke spielten kleine Kinder, auf der andern saß ihr Vater, ein Mann von reichlich dreißig Jähren, Mit schwar zem Bollbart. Leo Horst mgchte einen lebensmüden Eindruck, so wie er dvsaß mit gesenktem Haupt. In seinem Herzen wühlte die Sorge, und Verzweiflung entstellte sein männlich schönes Gesicht. So oft sein Blick auf die schweigend spielenden Kinder fiel, schien ein tiefes Weh sein Herz zu durchzucken und Mehr und mehr sank sein Haupt auf die Brust herab. Wie Plötzlich ausj, der Erde emporgestiegen, löste sich vor ihm aus der Waldcsdämmerung eine lange knöcherne Gestalt los, auf dessen aschgrauem Gesicht ein teuflisches Grinsen lag. „So kopfhängerisch? Magenknurren he?" die Stimme des Knöcheren klang düster und gedämpft. Leo Horst würdigte ihn kaumHnes Blickes; er drückte seinen grünen Försterhut nur noch tiefer in die Augen, als Zeichen der Abscheu und des Unwillens. „Wer vor dem vollen Brvtschrank sitzt, braucht nicht zu hungern und Leo Horst sitzt davor." ,/Laß Tein Spötteln, Hans Hucke, wir beide machen kein Geschäft wieder zusammen." „Na, na! In der Not frißt der Teufel Fliegen! Hans Hucke bezahlt gut und schweigt ebensogut. Gold ist ein Edelmettal, Leo, Gold im Haus deckt den Tisch und Gold in der Tasche hebt den Kopf! Ja, ja,' sv ist's, der Hans Hucke kennt das' Leben. Kopf hoch, Lev,' hier liegt ja Noch das Gold auf der Straße, ja/ vvr der Tür liegt es Tir. Tas Wild wechselt vor Deiner Tür über und der Graf hütet sein Wild schlecht. Was sagt's denn, lvenn da eines Morgens" ein paar Böcke fehlen! Tas Wild gehört dem Grafen nur, so lange es sich in seinem Gehege aufhält, hier hat er kein Eigentumsrecht mehr daran. Denke an Frau und Kinder, Leo Horst, und — na, was will die Kleinigkeit von ein paar Tagen „verreisen" sagen!" Horst schien das alles* gärnicht zu hören; er saß un beweglich, wie leblos. Hucke klopfte ihm auf die Schulter. „Kops hoch, Leo, Kopf hoch! Lev Horst ist und bleibt der beste Schütze, der noch nie ein Loch in die Luft geschossen hat " ,Hahaha!" Grausig klang das' Lachen der Ver zweiflung. „Nicht in die Luft, aber in seine Ehre — ein Loch so grvß — sv groß > Geh, Hans Hucke, geh, wie beide haben für immer abgerechnet" Damit sprang Horst auf und' trat in sein Häuschen, die Tür hinter sich verschließend. Frau Olga Horst drückte ihr kleinstes Kind, das sie auf dem Arme hielt, fest an ihre Brustj, und die beiden größeren Kinder flüchteten ängstlich hinter die Mutter. Tas blasse Gesicht der Frau drückte eine unsägliche Angst aus, die sie am ganzen Körper zittern machte. Horst schritt stUnrm im Zimmer auf und ab, nur seine GesichtMge redeten von einem furchtbaren inneren Kampf. „Er ist fort der Läse, Leo?" Ein Kopfnicken bejaht die Frage. „Gott sei Dank! Sie atmete erleichtert auf. Mit einem wehmütig-freudigen Blick hielt sie ihrem Manne das kleinste Kind entgegen- er nahm es in seinen — 81^— Arm und streichelte die weichen Locken liebevoll und eine Milde kam in seinem Gesichte zum Ausdruck, daß ein flüchtiger Schein von dieser Herzensregung wj^ ein Sonnenstrahl durch den Raum hinleuchtete und wärmte. Auch die beiden größeren Kinder umklammerten seine Knie. Frau Olga legte ihren Arm' sanft um seinen Hals. ggng retten, die Arbeit! dürste ich noch eine Bitte an die Gottheit richten, so sei sie: Arbeit gib mir, v Und auf das „weinende Glück'" der Familie schante friedlich der Mond herab ans Himilielshöhen." Wohl gesinnt hafte Frau Olga Horst um die Ecke in den Wald hineingeschaut, aber immer vergebens. End lich hörte sie im Häuschen dumpfe Schritte. Sie eilte wieder hinaus/ so lwffnungsfreudig. Wie zerschmettert blieb sie an der Schwelle stehen. Ein entstellender Zug des Grams' und der entschlos senen Verzweiflung im Gesicht ihres Mannes erschreckte sie auf's schlimmste. Lein Blick war stier. Sie wagte es nicht, ihn anzüreden. „Der letzte Gang, Olga ", klang eS tonlos, wie ein rauher Hauch aus seinem Munde. „Keine Arbeit? " „Keine/" „Dein Vetter hatte versucht, für mich in der Fabrik zu wirken. Vergebens, — — dem Wilderer — — dem Verbrecher verschloß sich auch hier — — die letzte Tür. — " Sie blickte wie erstarrt vor sich hin, mechanisch nur an der Schürze zupfend. Mächtig hob sich seine Brust und keuchend Meß er hervor: „Wilderer! — ein Verbrecher!" Tann sprang er auf, wie vom Wahnsinn gepackt, schleuderte den Stuhl von sich und griff zu seinem Ge wehr — Mit weicher Hand trocknete Frau Olga die Schweiß tropfeil von der kalten Stirn ihres Mannes. Die Macht der Tränen in ihren Augen ließ die Waffe seiner Hand entsinken. „Leo — mein Leo, mein Schatz, sei stark!" „Olga, — Dein Schatz! — Tein Schatz? Einst! — Einst, aber jetzt noch? Ter Wilderer — der be ¬ strafte Wilderer, dem jedermann den Rücken kehrt/ — der seine Familie hungern läßt, der — der - ist noch — ist trotzdem nioch „Mein teurer — teurer Schatz'" Wie die vom Blitz zerschmetterte Eiche brach er zu- sanrmeu im wuchtigen Sturz zu ihren Füßen. „Der Herr Gttrf schickt zu Tir, mein Leo." „Ter Graf — zu Mir?"" Sein! Mick irrte unstät um her wie nach einem schweren Traum. Ter Graf schickte zu mir? der Graf?"" „Vielleicht — — Ter Graf ist als ein Edelmann be kannt. "" „Wie jeder Graf — Titel, was' anders!" „Seine Humanität — seine Menschenfreundlichkeit, mein Leo, die Welt redet davon, hie "Zeitungen rühmen ihn als Freund der Hülflosen — "" „Ter Wilderer — wohl gär auch ? Nein, nein, die Menschen sind sich alle gleich und der Wil ¬ derer — der verdient, sie so, wie sie sind —: so hart herzig kält. Menschen suche ich nicht mehr, Olga, Men schen nicht, nur einen Wegweiser/ der mir den Weg zur Arbeit zeigt, Arbeit nur kann mich vor meinem Unter- Herr, mir die Arbeit und den meinigen den Segen und das Glück meiner Arbeit! Ter Glaube an die Mensch heit ist mir verschwunden. Aber, wäre der Weg ¬ weiser zur Arbeit ein Mensch —, bei Gott, ich könnte diesen Menschen um Verzeihung ditpen." Zum Grafen! Leo Horst stand auf dem Waldweg, der zum gräflichen Schlosse führte. Sein Mannesstolz bäumte sich mächtig auf bei dem Gedanken, vor dem Grafen, den er Hintergängen als Wilderer, zu erscheinen. Sollte er um Gnade betteln? Nein, nein! schrie cs in ihm. Nein! Er drehte sich rasch um /da begegnete ihm der Knöcherne. „Wohl zur Visite im Schloß he?"' höhnte Hans Hucke grinsend und brummte dann vorübergehend vor sich hin: „Feige Bettlerseelen?" Unwillkürlich fuhr Horn s Hand an den Dolch unter seinem Rock — aber im nächsten Augenblick zog er rar Hand entschlossen zurück. Tie Begegnung war entscheidend für ihn. Mit ener gischen Schritten wandte er sich deni^ Schlosse zu. Auf der Schloßterrasse trat ihm Graf Oland ent gegen im ReiseanzUg. „Ich hatte Sie schon früher erwartet, Horst. Sie sehen, ich bin zur Reise gerüstet. Doch treten Sie näher, der Wagen soll ein paar Minuten auf Mich' warten." Ter Graf schritt in seinem^ Bibliothekzimmer direkt an den Arbeitstisch und entnahm! diesem ein Schriftstück. „Hier, Horst, lesen Sie und unterschreiben Sie de» Kontrakt, wenn Sie einverstanden sind." Horst las das Schriftstück. Je weiter er las, desto mehr zitterte das Papier in seiner Hand. Sus' seinem Gesicht schien jeder Blutstropfen zju weichen. — Seine Brust hob und senkte sich als sollte der Kampf in seinem Innern sie sprengen. Ter Graf hielt ihm die Feder entgegen. „Ich — ich kann — nicht unterschreiben. —" ,,Nicht? Und warum'nicht, Horst?" Des Goafen Blick ruhte warm und 'sanft" auf d«n blaffen Antlitz Loo'-, ermutigend wie miLer Sonnenstrahl nach Wolkendünsten. Leo Horst richtete sich hoch auf im mannesstvhen Achtungsgefühl vor der Hoheit" menschlichen EdelunttU. „Herr Graf ich Leo Horst und trvtz dem?" „Trotzdem, Leo Hprst, trvtz dem und noch mehr: deshalb " „Herr Graf "" „Lassen Sie'S' gut sein, horst." Ter Goaf reichte Horst mit einem kräftigen Truck die Hand. ,Lchs sah Ae neben dem Hucke stehen/ da dachte ich mir: Hans Hucke ist ein Arm am Wegweiser/ sei Du der andere. Sie haben Ihren Weg jetzt gewählt,! horst. Geleit Sie Gott!" Ter Graf fuhr davon. Weit, weit ging der Ruf des gräflichen Jägers al- bester Schütze, der ebenso beliebt alSf.Forstmann war, wie er gefürchtet wurde von den Wilderern. Seit Loo Horst das Regiment in den gräflichen Forsten führte, herrschte eine musterhafte Wirtschaft im Revier, und im Jägerhause wohnte ein stilles, segnendes' FgMiltenglück.