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- — 102 — dem Mühlenhofe zu suchen? .... Ja, das war es gewesen, der Schrecken, die Angst hatte sie dies auf des Richters Ant litz lesen lassen. Er war ein guter Hauswirth und sah noch im Hause nach, ob alles in Ordnung war, und bei diesem Sturm »ar eS ja nur natürlich. Jetzt aber wollte sie versuchen, eine Stunde zu schlafen, um über diese bange, erregungsvolle Nacht Hinwegzukommen. . .. Sonst war sie ja morgen zu nichts taug lich; dran sie konnte sich noch nicht so viel zumuthen wie früher, da noch eine Schwäche von dem Fieber zurückgeblieben war. Und sie mußte arbeiten. Es bot sich ihr ja auch jetzt ein un- vermutheter Absatz. . . . Der Stefan wollte ihr ja Arbeiten zu seiner Hochzeit abkaufen! . . . Doch nein, nein, heute wollte sie nicht- mehr grübeln, nichts mehr denken, nur schlafen, schlafen! Angekleidet wie sie war, warf sie sich aufs Lager. Sie schlief auch bald ein, da sie sehr ermüdet war; es war aber kein ruhiger Schlaf, Träume quälten sie, bange, unruhige Träume! ... Im letzten erschien Stefan und eine rosige Wolke schwebte vor ihm her. Kommsagte er zu ihr, ich will dich in diese rosige Wolke hüllen, damit alle deine dunkeln Flecken verschwinden. . . . Und die Wolke kam immer näher; .je-Näher sie aber kam, desto röther und brennender wurde sie, bis dieselbe sie zu versengen drohte. Und ebenso wie die Wolke v«önderte sich Stefans Gesicht; immer drohender, immer schreck licher wurde es, bis es Gabors geworden war, wie sie es zu letzt gesehen. ... Mit einem Schrei fuhr sie auf. Die Wolke war im Zimmer, aber nicht rosig, sondern gluthroth, und wie Feuer ströme ergoß es sich durch die zwei kleinen Fenster. Ein zweiter Schrei folgte und sie war vom Lager unten und bei einem der Fenster. Nein, nicht ihre Hütte brannte, wie sie es im ersten Augenblick geglaubt, aber der ganze Mühlenberg war wie in ein Fruermeer getaucht. Wie riesige Säulen stiegen die Flammen auf, Hunderte zu gleicher Zeit, und rötheten mit furchtbarem Lichte die ganze Seite des Himmels, daß es aussah, als hätten sich alle Sterne entzündet und wollten verbrennen. Dabei pfiff der Wind, ertönte die Sturmglocke mit furchtbarem Ge heule» schienen Bäume und Sträucher lebendig zu werden; denn von allen Seiten tauchte es auf , bewegte es sich, strömte es dem Mühlenberge zu, lärmend, schreiend, als sei plötzlich die Lust draußen mit bösen Geistern erfüllt. Bozena stand einige Augenblicke regungslos, ohne Bewegnng, wie erstarrt. Sein HauS hatte er untersucht, vorsichtig, um es vor Unglück zu wahren . . . und — nach ihm war das Feuer ausgebrochen! .. . Und wieder sah sie das unheimliche Gesicht des alten Se- many und ihr war, als schriebe es Gott in ihre Seele: Er hat selbst Feuer an sein Haus gelegt.. . Doch beschäftigte sie dieser Gedanke nur einen Augenblick, «in mächtigerer, überwältigender traf sie jählings. Wenn noch alle- in der Mühle schlief und — Stefan sich nicht hatte retten können? I . .. Daß, wenn der Alte auch den Frevel begangen, er den Sohn nicht mit verbrennen lasten würde, fiel ihr in dem wahnsinnigen Schrecken, der sich ihrer bemächtigte, nicht ein. Rascher noch wie das erste Mal war sie aus der Hütte und auf dem Wege nach der Mühle. Aber sie wählte nicht den, auf dem die Ortsbewohner hinströmten; nein, mit den nackten Füßen durch den Bach, über die Gemeindewiese, quer durch die Felder und so weiterund immer weiter, zwischen Sträuchern, über Sand, Geröll und Baumstümpfe, als seien ihr Flügel gewachsen, oder als trüge sie der Sturm mit sich fort, daß sie nichts sah, merkte und fühlte. Tageshell war die Gegend er leuchtet und vor und auf dem Mühlenberge wimmelte es von Menschen, die sich stießen, drängten, lärmten und schrieen, so daß keiner den anderen verstand. Menschen waren reichlich zur Hilfe da, auch der Strom, der in Fülle Master gab, und ununterbrochen tauchten die Eimer unter und geschäftige Hände t trugen sie weiter; ununterbrochen ergoß sich der Wasserstrah der Ortsspritze, die auch zur Stelle war, bald da- bald dort hin ; aber was vermochten Strom, Spritze und die geschäftigen Menschenhände gegen den Wind, der sturmartig wüthete, der die Flammen zerriß, sie da und dorthin trug, sie unter dem Wasserstrahl heroorzuzerren, ja, das Master in Feuer zu ver wandeln schien? .... Das ganze Gewese brannte, war eine einzige Feuerlohe, die Scheunen und Stallungen, das Wohn gebäude, die neue Dampfmühle, und wäre der Sturm in ent gegengesetzter Richtung gegangen, so wäre auch der Hochwald jenseits des Stromes ergriffen worden. Es war ein schaurig großartiger Anblick. Das Korn in den Speichern fuhr in Millionen Sternenfunken knisternd und prasselnd zum Himmel auf, und wie ein Feuerregen zur Erde zurück. Das Heu und Stroh in den Scheunen flog als feurige Garben bis zum Himmel auf, von dem Winde dann hin und her geworfen, das Gebälk in der Tampfmühle krachte und die Maschinen schmolzen zischend im Innern; das Wohnhaus war von einem Feuermeer ver schlungen. Und dazwischen das furchtbare Gebrüll der Thiere, die nicht aus den Ställen zu bringen waren, und die auch nur mit Lebensgefahr gerettet werden konnten! .... Jeder sah ein, daß nichts zu retten war, nur Gabor nicht . . . . Wie ein Wahnsinniger war er bald da, bald dort, schleppte Eimer, löschte, leitete selber die Spritze, war auf den gefährlichsten Punkten, seines Lebens nicht achtend, als sei es gefeit, oder als sei es ihm nicht werth, daß jeder seinen Muth anstaunte und bewunderte. Stefan hatte ihn zuerst zurückzu halten versucht, ihn angefleht, seines Lebens zu schonen, da ja nichts zu retten war; als er aber auf ihn nicht hörte, da blieb er an seiner Seite und hinter seinen tollkühnen Leistungen nicht zurück. So wüthete das Feuer unaufhaltsam und fraß sich in das Innere der Gebäude, alles verzehrend, alles vernichtend, und die Menschen standen dabei, der kleinere Theil helfend, weil ja fast nichts zu retten war, die anderen klagend, bedauernd. Da tönte aus all' diesem Prasseln, Knattern, Krachen, aus all' diesem Zischen und Pfeifen, aus all' dem verworrenen Klang der Menschenstimmen ein laut hallender, fast gellender Ruf. Erst klang er verworren, dann immer schärfer, immer deutlicher: „Hier ist sie, die Feueranlegerin, die Brandstifterin, sie hat das Feuer angelegt und kein anderer . . . die Bozena Matu- schek!" .. . Und der Ruf schien sich zu verzehn-, zu verhundert fachen, denn von allen Seiten ertönte er plötzlich. Bozena war wie die anderen immer weiter nach der Brandstätte gekommen, aber da sie einen anderen Weg gegangen, war sie nach dem großen Hintergarten gelangt, der bis fast an den Fuß des Berges lief. Da konnte sie auch die ganze Feuers brunst übersehen, und so, immer näher kommend, bald unter diesem, bald unter jenem Baume niederkauernd, hatte ihr Auge nur Stefan gesucht. Und sie hatte ihn auch bald herausge funden, und mit angsterfüllten Blicken und lautpochendem Herzen war sie ihm gefolgt von einem bedrohten Punkte, von einer gefährlichen Stelle zur anderen .... Sie vergaß, wo sie stand, wo sie sich befand; ihr ganzes Leben mit allem Fühlen und Denken schien in ihr Auge gedrängt. Da gewahrte diese stille, regungslose Gestalt Jane! der Pferdeknecht, der sich dieser Stelle genähert. Sie erkennen, auf sie zustürzen und hinter dem Baum hervorzerren, war das Werk eines Augenblickes. Sein Ruf hatte noch andere herbeigezogen, und so von vielen rohen Armen gepackt, gezerrt, gestoßen, ward sie in die Mitte der Menge geschleift. Und das Geschrei: „Die Brandstifterin, die Brandstifterin, sie hat das Feuer angelegt!" klang immer lauter, immer gellender durch die Luft. Bozena war zuerst zu erschrocken, um zu wissen, was man 103 von ihr wollte. Der Ruf: „Brandlegerin!" brachte sie zuerst zu sich und zur Erkenntniß der Gefahr ihrer Lage. Sie wandte die Blicke rings im Kreise und sah nur funkelnde Augen, haßerfüllte Mienen, drohende Arme. Natür lich, sie glaubten es Alle. Keine Stimme erhob sich zu ihren Gunsten: Vielleicht hat sie dasselbe hierher getrieben, wie uns? ... Sie mußte es gethan haben, nur sie — sie war ja die Zuchthäuslerin .... die Bozena Matuschek! . . . . Da überkam sie die ganze trotzige Bitterkeit ihres Wesens, ihre ganze hohnvolle Geringschätzung, die sie für diese Menge hier sühlte, und ihre Blicke vergalten hundertfach den Haß und die feindliche Gesinnung, die ihr ans aller Augen entgegen sprühte. Das empörte aber die Leute noch mehr, brachte sie außer sich, und die Ruse: „Ins Feuer mit ihr! Werft sie ins Feuer! Sie soll wie ein Hund da krepiren!" folgten dem ersten Geschrei. Auch zu Stefan war der Lärm gedrungen, auch er unterschied deutlich die Worte: Brandstifterin, Bozena Matuschek! dann: Ins Feuer mit ihr! Die Worte trafen ihn so gewaltig, daß er fast das Gleichgewicht verlor und selber in die Lohe gestürzt wäre; ein Sprung auf die entgegengesetzte Seite rettete ihn. Und jetzt stürzte er wie ein Rasender unter die Leute, theilte rechts und links die eingekeilten Hausen und gelangte gerade hin, als sie, von hundert Armen ergriffen, in die Nähe des Feuers geschleppt wurde. „Laßt sie los, laßt sie los! Seid ihr wahnsinnig?" schrie er mit fast unkenntlicher Stimme, und mit übermenschlicher Kraft drang er bis vor sie hin und suchte sic zu befreien. Und Stefan war so furchtbar anzusehen mit seinem rußgeschwärzten Gesichte, versengten Haaren und Brauen, angebrannten Kleidern, funkelnden Augen, so schrecklich und drohend, wie er dastand, die Arme zum Schutz vor sie gestreckt, daß die Angreifer sekundenlang still hielten und dem wilden Toben ein lautloses Schweigen folgte. „Sie hat das Feuer an EuerHaus gelegt!" schrie dann Janek, der Pferdeknecht. „Ja, ja, sie hat's gethan!" wiederholten hundert andere Stimmen zu gleicher Zeit. „Wer hat sie gesehen, wer dabei betroffen ?" fragte Stefan, sich gewaltsam zur Ruhe zwingend, obwohl sein Athem ging, als wollte er ihm die Brust zersprengen. „Ich hab' sie verstesckt im Hintergarten gefunden, lauernd, wie ein Mensch, der Bö es begangen und nicht geseh'n werden will. Und sie hat's g ethan, die Frevlerin!" schrie Janek, sich an seinen eigenen Wox ten immer mehr entzündend, „sie hat's gethan, wie sie das a me Pferd behext hat, daß es hat d'rau gehen müssen, aus Dank dafür, daß Ihr Erbarmen mit ihr ge habt und sie auf den Wagen ausgenommen. Sie hat's gethan; denn sie kann nicht genug Unheil Eurem Haus aussinnen; drnm soll sie sterben!" Und wieder erhoben sich drohende Arme und wieder er tönten die wilden Stimmen: „JnS Feuer mit ihr!" „Ihr werdet sie nicht anrühren, so lang' ein Athemzug in mir ist," sagte Stefan, Janek bei Seite stoßend. „Hat sie es gethan, so holt die Heiducken. So lang' ich lebe, wird kein Mord auf unserem Grund und Boden gescheh'»!" „Der Herr Stefan hat recht, holt die Heiducken!" mischte sich jetzt eine Stimme ein und der Werkführer Jozi Barlas trat ans der Menge in den Kreis. „Diese Weibsperfon muß es gethan haben; denn — wenn sie es nicht gethan hat, so ... so ein anderer .. . Einer, von dem es gewiß Memand voraussetzen wird . . . Euer eigener Vater — Herr Stefan Semany l" Jozi Barkas sprach diese fürchterlichen Worte ruhig, bedächtig und jedes einzelne Wort scharf betonend, und ebenso ruhig beantwortete er, die Hände in den Taschen und in seiner gewohnten sicheren Haltung, die Blicke fast starre» Entsetzens die sich auf ihn richteten. „Ich erwachte einmal vom Schlaf," kuhr er dann fort, „und da kam mir der ZweifA, ob ich Laß große Ventil des Dampfkessels richtig geschloffen, das im ent» gegengesetzten Fall gefährlich werden kann, und ob der Dächtet m Heizerraum bei diesem Sturm auf dem Posten sei. Eß war alles in Ordnung, und als ich eben auS der Mühle Wick« trat, sah ich Jemand mit einer Laterne über den Hof kommen,; es war der Richter Semany, der nach den Stallungen ging. Ich begab mich wieder auf mein Zimmer und zu Bette «nd dachte: er macht's wie ich; der Sturm läßt ihn nicht schlafe» und er will seh'n, ob alle- in Ordnung ist. Mer nach ihm ist das Feuer ausgebrochen und — in den Ställen; dem, vlli ich nach kurzem Schlafe erwachte, standen diese und die Scheune» schon in vollen Flammen." Einen Augenblick herrschte Todesschwciae« unter ul' diesen Menschen, dann folgte ein allgemeiner AuSruf der Ent rüstung, der immer mehr anschwoll. Es war auch etwas solch Ungeheuerliches, was dieser Mann da vorbrachte, daß keine andere Antwort erfolgen konnte. - - „Versteht mich recht, Ihr Leute," sagte jetzt Jozi_BprkaS. „Ich sage nicht, daß er es mit Absicht gethan, da müßt' er ja wahnsinnig sein und der eigene Reichthum ihm im Wege stehe»; ich sage: dieses Frauenzimmer muß eS gethan haben; dem, wenn sie es nicht gethan, so ist eS durch irgend eine Unvor sichtigkeit deS Hausherrn geschehen, denn nach ihm ist daS Feuer ausgebrochen." Aller Augen wandten sich jetzt auf Gabor Semany, der auch näher gekommen war und hochaufgerichtet mitten in der Menge stand. Das Antlitz deS Richter- war rußgeschwärzt und so konnte Keiner sehen, ob es bei den Worten deS Werkführer- bleich ge worden war. Daß er sekundenlang wankte, war der über menschlichen Anstrengung zuzuschreibeu, mit der er bis jetzt de« Feuer Einhalt zu bieten versucht hatte. Und ruhig und leiden schaftslos klang seine Stimme, als fände er nicht- Auffällige- in den Worten des Werkführers. „Der Herr Barkas hat recht geseh'n," sprach er, „ich war in den Ställen und Scheunen, nachdem alles schon längst zu Bett gegangen war, um nachzuseh'n, wie ich'- häufig zu thun pflege. Und diesmal ängstigte mich »och der Sturm. Ich fand nichts Beunruhigendes, und doch muß ich etwa- über sehen haben; denn, wie der Herr BarkaS richtig bemerkt, ist das Feuer erst danach in den Stallungen auSgebrocheu. AuS, Unvorsichtigkeit meinerseits konnte eS jedoch nicht geschehe» sein denn ich hatte eine Blendlaterne, was er gewiß auch gesehe» hat, und dabei kann nichts passisrm. Anklagen kann ich auch Niemanden, denn ich hab'nicht Verdächtige- geseh'n, weder im Hof, noch in den Stallungen, obwohl ich de« Hof nicht untersucht hab' und — bei dem Heulen und Pfeifen deS Sturmes und dem ewigen Auf- und Zuwerfen der Hofthürr Schritte oder irgend ein andere- Geräusch nicht leicht zu unter scheiden gewesen wären. Ich hab'- auf die Knechte geschobe«, hab' gedacht, es muß doch einer mtt Licht auf dem Boden ge wesen sein und — vielleicht gar nach mir... . Wenn'- aber der Janek .... gesehen hat, daß .... daß .... daß «S diese da . . . ." Er sprach den Satz nicht a«S und sah auch nach der Stelle nicht hin, wo Bozena stand. „Durch unS ist das Feuer nicht auSgekommen," wider sprach Janek heftig. „Es war von unS Kel»er Nacht- »i Licht auf dem Boden. Ich und der Martin haben, so lange es noch hell war, so viel Heu Heruutrrgebracht, daß eS für die Nacht reichen sollt', und eS den Thieren in die Krippen gelegt, auch die Tränke reichlich mit Wasser gefüllt, well wir wisf«, daß der Hauswirth es nicht leidet, wenn wir Nacht- mit Ätzt