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eilage znm „Riesaer Tageblatt «2. Jahr». Freitag, SS. Oktober 1SSS, abeabS I- MS «t. Tt. Tt. Tt. St. 3V82 6496 4102 6862 3046 4696 4787 4961 7433 3724 6562 4963 St. 5867 , 5311 , 13355 «t. 7739 „ Tt. »s «otallonSdmck «nb »erlag bo« Lange» » »l«t«rttch in «iescu — Für dl« Redaktion verantwort»«: Hermann Schmidt in Mesa. Wo die 1200 Stimmen herkamen, läßt sich natürlich nicht feststellen. ES wäre auch gar nicht wünschenswert, dies festzuftellen, denn dann wär« da» Ergebnis vielleicht noch beschämender. Man kann kaum annehmen, daß di« Sozialdemokraten mit ihrer straffen Disziplin beim ersten Wahlgange 1200 Mann in Reserve ließen. Und wenn dem bürgerlichen Kandidaten nun 1000 Stimmen fehl««, so ist der Schluß tatsächlich naheliegend, daß sie, zum Teil wenigsten«, dem sozialdemokratischen Gegner zugeführt worden sind. Für den 2. November, an dem in mehr als vierzig Wahlkreisen noch Stichwahlen stattftnden, sollte allen na tionalen .Wählern dieser sozialdemokratische Wahlsieg ein Mahnruf sein, und «S sei dabei gleichzeitig der Ver wunderung Ausdruck gegeben, daß in unserm 8. Wahlkreise e» die Nationalliberalen an der ihnen zukommenden Agi tation für ihren Kandidaten bisher fehlen ließen. Die vom Vorsitzenden des LandeSoeretnS der Areifinnige« volks-artet, dem Abg. Günther (von un» mitgeteilte) ausgegebene Wahl parole zugungsten der nationalen Stichwahlkandidaten hat die „Zittauer Morgen - Zig." arg verschnupft. St« wird ziemlich spitz von folgenden Sätzen des genannten Blattes begleitet: Nach unserer Kenntnis der Stimmung innerhalb der Freisinnigen Volkspartei Sachsens wird diese Privat meinung überwiegend nicht geteilt. (?! R.T.) Sie ist auch, wie auS der Aeußerung des Herrn Günther selbst hervorgeht, daß er den selbständigen Entschließungen der Wahlkreise nicht vorgreifen wolle, ohne partei politische Bedeutung. Wie wir an anderer Stelle berichten, ist die Angelegenheit für den 1., 2. und 3. länd lichen Wahlkreis durch di- Beschlüsse der zuständigen Vertrauensmänneroersammlungen bereits erledigt. — An Die gestrigen ersten Stichwahlen tu Sachsen haben fünf nationale Sieg« und eine Nieder, lag« der bürgerlichen Parteien gebracht. G» wurden fünf Nattonalltberale und ein Sozialdemokrat gewählt und zwar in Leipzig im: I. Wahlkreis Hofrat Dr. Löbner (Natl.) 10350 St. 5697 , Hofratrat Dr. A. Löbner (Natl.) . . . Gewerkschaftsbeamter H. Schuchardt (Soz.) Bei der Hauptwahl erhielten vaurat Guk« (Mittelst.) Hofrat Dr. Löbner (Natl.) .... Gewerkschaftsbeamter Schuchardt (Soz.) II. Wahlkreis Kaufmann Wappler (Natl.) Kaufmann Georg Wappler (Natl.) . ^ . Redakteur Friedrich Seeger (Soz.) . . . Bet der Hauptwahl erhielten SanitätSrat Dr. Brückner (Freikonf.) . Kaufmann Wappler (Natl.) . .. . Lehrer Engler (Freis.) ....!. Redakteur Seeger (Soz.) .... III. Wahlkreis Redakteur Illg« (Soz.) 12507 12305 Redakteur Richard Jllge (Soz.) .... Fabrikant Otto Müller (Natl.) .... Bet der Hauptwahl erhielten: Architekt Höhne (Kons.) 5963 St. Fabrikant Müller (Natl.) .... 7231 „ Redakteur Jllge (Soz.) 11299 „ V. Wahlkreis Amtsrichter Dr. Rudolph (Natl.) Amtsrichter Dr. Ihr. Rudolph (Natl.) . . 15669 Lagerhalter A. BammeS (Soz.) 9413 Bei der Hauptwahl erhielten: VI. Wahlkreis Fabrikant Dr. Steche (Natl.) Fabrikant Dr. Albert Stech« (Natl.) . . . 15265 St. vuchdruckeretfaktor I. Th. Lehmann (Soz.) . 7371 „ Bei der Hauptwahl erhielten Stadtrat Seifert (Kons.) Fabrikant Dr. Steche (Natl.) .... Oberlehrer Dr. Barg« (Freis.) . . . vuchdruckrreifaktor Lehmann (Soz.) Ferner im S. städtischen Wahlkreis (Döbeln, LetSnig, Mügeln, Waldheim) gewählt: Fabrikbesitzer Dr. Niethammer (Natl.) Niethammer (Natl.) . . . 7079 Bieweg (Soz.) 5621 Bei der Hauptwahl erhielten: Slaserobermstr. Wetzlich (Mittelst., Kons.) Fabrikbesitzer Dr. Niethammer (Natl.) St.-B. Bieweg (Soz.) . Die gehegte Erwartung, daß die nationalen Parteien bei den Stichwahlen fest zusammenstehen würden, hat also im 3. Leipziger Kreise sich nicht erfüllt. Der Sozi siegte mit ungefähr 200 Stimmen Majorität. Bei der Haupt- wähl hatten die vereinigten bürgerlichen Parteien einen Borsprung von nahezu 2000 Stimmen vor dem sozial- demokratischen Gegner. War nun dieser Vorsprung auch nicht so groß wie der in anderen Leipziger Wahlkreisen, so hätte man um so mehr erwarten müssen, daß gerade hier die Agitation sämtlicher bürgerlichen Parteien mit aller Wucht einsetzte, daß sämtliche bürgerlichen Wähler ihrer Pflicht eingedenk sein und nicht grollend über die Nieder- läge des engeren Parteifreundes beiseite stehen, sondern Mann für Mann an der Wahlurne erscheinen würden, um dem gemeinsamen Gegner das Mandat streitig zu machen. Justizrat Schnauß (Res.) 5778 St. Amtsrichter Dr. Rudolph (Natl.) . . 9802 „ Lagerhalter BammeS (Soz.) .... 8826 „ ES ist jedoch ander» gekommen: die bürgerlichen Parteien haben nahezu 1000 Stimmen verloren und der Sozial demokrat hat nicht weniger als 1200 Stimmen gewonnen. dieser anderen Stelle der „Zittauer Morgen-Zig.« wird nämlich mitgeteilt, daß von freisinnigen Vertrauensmännern aus verschiedenen Wahkretsen der Lausitz beschlossen wor- jMAMKe --!«7° Ä virci !a nur anerkannt keinen unä be^äkrten Nisekuv^en stets krisek rnin Verkant Zebraekt unä allen Latkeekoosumenten anAtzleZentlielist ewptolüen. Ledrüüsr Asspsng Rai»»»» Pkilliwlin - plwitw. kvnnwpnwvken He». Ivv. Wegen Aufgabe^ meine» Schnitt- und Wollwaren - Geschäftes werden «Sinllivkv Zße-Kitcvl ww unG wnlve» ekvm koMstonpi-vi» verkauft Therese Leßentke. Dornenwege Roman von C. Tressel. Daß die anständige Bedenkzeit meine Qual nur verlängert, ist ihm nebensächlich, denn sein Herz hat in dieser traurigen Sache ja überhaupt nichts zu sagen." Mit einer müden Be wegung faltete sie das Papier zusammen. Bella, die sie schon eine Weile lauernd beobachtet hatte, fragte hier ein wenig spöttisch: „Jst's doch kein zärtlicher Liebesbrief?" „Ueberhaupt keiner. Geschäftssache," entgegnete Marion kurz. „Das ist heutzutage die Liebe fast immer," lachte die andere. „So klug wird Dein Bürgermeister auch sein." Marion schwieg. Hastig stürzte sie eine Taffe Kaffee hinunter, ohne die ihr von Bella jetzt gefällig dargercichten Schüsseln zu berühren, und dann ging sie geradeswegs zur Expedition der Kreuzzeitung, sie wählte diese lediglich, weil ihr Vater sie früher gehalten — um ein Stellungsgesuch zu er lassen. An irgend welche kostspielige und zeitraubende Fach ausbildung durfte sie einstweilen ja nicht denken. Vielleicht ließ sich die später mal ermöglichen. Für den Posten einer Gesellschafterin und Hausstütze glaubte sie sich mit gutem Ge wissen empfehlen zu können. Mit der vollkommenen Ungnade der Tante war ihr in zwischen auch völlige Freiheit des Tuns gesichert. Fräulein v. Mollentin kümmerte sich fortan so wenig um sie, daß sie selbst während der offiziellen Mahlzeiten kaum das Wort an die verstoßene Nichte richtete. So konnte Marion auch ungehindert der wenige Wochen später stattfindenden Hochzeit ihres Bruders beiwohnen, von der jene auch sonst keinerlei Notiz nahm. Es war eine den Umständen angemessene stille Feier im engsten Familienkreise. Das Brautpaar, so jung und lebensvoll es war, ließ sein Glück nicht laut werden, aber seine gefestigte Ruhe, welche eine tief innerliche Gehobenheit beseelte, durchleuchtete, schloß jeden Zweifel an ein Wagnis dieser Verbindung bei den Eltern aus. Wie gut die beiden dran sind, dachte auch Marion. „Hart ist's, Familie und Heimat zn verlassen, aber wen» man dann Seite an Seite im Kampfe stehen kann, um gemeinsam die Palme des Lebens zu erringen, so ist das wieder etwas Großes und Schönes. Gott gebe ihnen Sieg." In heimlicher Wehmut blickte sie auf ihren Verlobungs ring nieder. Das Symbol der Liebe ohne Ende. Aber das Ringlein sprang entzwei, — und da hatte cs ein Ende. Indes — sie hielt ihn krampfhaft fest am Fnmor unter tausend heimlichen Schmerzen während dieser Stunden, damit dem Bruder kein Wermutstropfen in den Freudenbecher falle. Einer jener empfindlichen Scherze, mit denen das Schick sal den Menschen Heimzusuchen liebt, hatte ihr just am heutigen Tage Westerots endgültigen Absagebrief beschert. Da man ihn nicht offiziell zu der kleinen, nur auf die Teilnahme der nächsten Angehörigen beschränkten Feier ge laden und Marion ihm ebensowenig seither wieder geschrieben, so ahnte er nicht, daß die Macht der Stunde seinem Verzicht auf die Braut uoch etwas besonders Erschwerendes gab, ob wohl sein Rücktritt aus Gründen geschah, gegen die schlechter- ' dings nichts einzuwenden war. Das Amt eines Stadtobcrhauptes verlange nun einmal zu seiner Repräsentation Mittel, der die Dotierung nicht ent spreche und schließe ebenso einen etwaigen Miterwerb der Frau aus, denn eine als Klavier- oder Sprachlehrerin tätige Frau Oberbürgermeister sei einfach undenkbar, abgesehen davon, daß ein derartiges Heraustreten der Frau seinem sub tilen Empfinden von echter Weiblichkeit und Franenanmnt überhaupt entgegen sei. Dagegen war kein Einspruch zu erheben. Bitter nur, daß ihr eigener Vater ihm zu dem anspruchsvollen Amte ver halfen, eine Guttat, die wie ein zweischneidig Schwert sie nun selber verwundete. Denn so vorbereitet sie längst auf den Bruch gewesen, er tat nicht minder weh, nun er geschah. Tie Neuvermählten gedachten sich noch am gleichen Tage nach Bremerhaven zu begeben, und die Eltern der Braut, welche sie an Bord des Lloyddampfers geleiten wollten, for derten Marion auf, sich ihnen anzuschlicßcn. Allein, cs wäre über ihre Kraft gegangen. Sie hätte eS nicht ertragen, das weite Meer zu sehen, dem sich der einzige ihr noch zugehörende Mensch anverlrauen wollte zu ferner Fahrt. Schon drohten ihre bis zum Reißen angespannten Nerven zu versagen. Schluchzend lag sie m Fridas Armen, um dann zitternd des Bruders Nacken zu umklammern. „Stu, nu," murmelte er, selber tief ergriffen, „mach'S mir nicht so hart, Marion. Warst ja doch sonst so'» cou ragiertes Madel. Will's Gott, kommen wir in ein paar Jahren mal herüber. Dann sollst Du hoffentlich mehr Freude an mir haben, notabene, wenn die Fran Oberbürgermeisterin dann noch was von dem Amerikaner wissen will. Der Tante bestell' immerhin einen Gruß. Möge sie ohne Rene an mich denken. Ich verzeihe ihr, da sie wenigstens gegen Dich gütig blieb. Gott fei gedankt, daß ich Dich so gut geborgen weiß, Schwesterchen." So hatte sie denn schließlich mit der liebevollen Umständ lichkeit eines ehrlichen Herzens, eine ganze Epistel zustande gebracht. . Ihre jugendliche Unerfahrenheit wußte nicht, daß solche mit dem Herzblut geschriebenen Auseinandersetzungen dem praktisch denkenden Weltmann völlig wertlos sind. Sie hätte sich den Kampf und die Tränen, das ängstliche Suchen nach der möglichst schonendsteu Mitteilung sparen und in sachgemäßer Knappheit einfach schreiben sollen: „Tante zieht ihr Versprechen zurück und so bringe ich Dir keinen Groschen Mitgift zu. Hast Tu nun den Mut, eine unver mögende Frau zu heiraten und würdest Du ihr im Falle der Not das willige Miterwerben gestatten? Entscheide, wie Du mußt. Ich liebe Dich, binde Dich aber unter keinen Um ständen an Dein Wort." Denn dies war der nackte Leitgedanke ihres Schreibens, dem die junge eifernde Liebe dann ihren warmen verbrämen den Mantel umgehängt. Aber nur der, warmherziger Be geisterung fähige Mann, sieht in ihm eine königliche Purpur standarte, das hochflatternde Banner seiner lebenslangen Treue, während der egoistische Weitling, der ehrsüchtige Streber, ihn als Bettlerfetzen mißachtet. Als Marion sich endlich, erschöpft wie eine Fieberkranke, niederlegte, dämmerte bereits das Frührot des neuen TageS heraus. Am zweitnächsten Morgen fand sie neben ihrer Früh stückstasse Westerots Antwortschreiben. Der geringe Umfang des Briefes bereitete sie schon auf seine Kürze vor. Zitternd überflog sie die wenigen Worte: „Laß meinem Beschluß noch Zeit, teure Marion. Sei überzeugt, daß ich lediglich Dein Bestes im Auge haben werde, denn nicht allein der Liebhaber, auch der ehrlich ratende Freund hat hier zu entscheiden. Doch erst die genauere Kenntms der hiesigen Verhältnisse kann mich beurteilen lassen, ob unsere Verbindung trotz der veränderten Bedingungen möglich sein wird. Unveränderlich Dein Günter." „Eine Henkersfrist," dachte Marion schmerzlich. Die brüske Trennung widerspräche seinem gesellschaftlichen Takt. Ter verlangt auch hier eine gewisse Form ves Handelns.