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4. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck «ad Brrlag von Langer L Winterlich «n Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Arthur tzllhnel in Riesa. 295 Soaaabend, SV. Dezember 1913, abends. ««. Aahrg. Besonnenheit. (Sonntagsgedanken.) La- sind die Widerstände beS LebenS: AuS der unentrinnbaren Verkettung von Ursachen ergeben sich unlösbare Verknotungen ost gerade an den Stellen, wo es unserem Wünschen und Wollen am allcrbittersten ist. Wo wir meinen, gerade hier, gerade an diesem Punkte, da sei uns das Hindernis, die Unmöglichkeit am unerträglichsten, da stehen wir vor einer Mauer, die unS hungernd und dürstend ausschließt, unerbittlich und un überwindlich von greifbaren nahen Quellen und Früch ten. Und da möchten lvir wohl gar wieder an den Teu fel glauben: an eine boshafte, heimtückische Weltmacht, die uns ausgesucht eben oa quält und fesselt, wo un sere Sehnsucht am größten, unsere Empfindlichkeit am feinsten, unsere Widerstandsfähigkeit am geringsten ist. Und solche Widerstände des Lebens sind uns so schwer, daß wir über ihnen hundert andere Gelegen heiten vergessen, in denen die gleichen Naturgesetze, die gleichen Verkettungen von Ursachen und Wirkungen uns die Bahn freilassen, unS vielleicht gar den günstigsten Wind in die Segel blasen. Wir vergessen, daß an den Widerständen des Lebens nur die gleichen ewigen Fügungen schuld sind, die ein andermal uns zum brauchbaren Werkzeug dienen. Wir vergessen, daß eben nicht unser Ich, der einzelne kleine Mensch, oes Welt alls Mittelpunkt und Endzweck ist. ES ist sehr schwer, aber cs ist trotzdem nötig, auch in solchen Füllen unerfüllbarer dringendster Wünsche besonnen zu bleiben. Nicht schelten und toben, und auch nicht verzagen! Ze eher wir unsere ruhige Vernunft wiederfinden, umso glücklicher werden wir darin sein. Tenn unsere Vernunft ist das einzige In strument, mit dem wir in das Gewebe der Ursachen und Wirkungen eindringen können, mit dem wir dieses Ge webe entweder als unlöslich erkennen oder an ihm die Stelle finden können, von wo wir es doch beherrschen, lockern und ändern können. Nicht alle gordischen Kno ten lassen sich durchhauen. Und bei vielen hätte das Durchhauen üblere Folgen, als ihr Ungelöstbleiben. Manche Mauer scheint uns unüberstcigbar oder un durchdringlich. Tann kann nur die Vernunft uns den Weg zeigen, auf dem wir hinüber- oder hindnrchgelangen. Andere Mauern aber sind wirklich un überwindlich. Ta lehrt uns die Vernunft bei Zeiten, daß wir von der Unmöglichkeit abstehen und uns nicht auf reiben in widersinnig vergeblichem Ringen. Plauderei aus »er Reichshanptftadt. Der silberne Sonntag — Schneesturm und Ge witter — WelhnachtSneutgrelten — Bon Neuruppiner Bilderbogen und Reklamemarlen — Der Christbaum- niarkl — Prozesse — Pussy Uhl — Koghen. Das war ein merkwürdiger Beginn der Woche: sonst ist der dritte Adventssonntag, der „silberne Sonntag", einer der HauptgeschäftStagc und das Gedränge und Ge schiebe der Mcnschenmassen auf den Hauptgeschäftsstra ßen und in den großen Warenhäusern sieht oft ge radezu lebensgefährlich aus. Bei Wertheim in der Leip ziger Straße sind Dutzende von Schutzleuten sonst postiert, die den Verkehr regeln und die Angestellten vom Rayonchef bis zur kleinen Verkäuferin sind froh, wenn sie diesen Tag hinter sich haben. Zn diesem Jahre erreichte das Geschäft kaum die Höhe eines normalen Verkchrstagcs und die kleinen Verkäuferinnen hatten die schönste Zeit, miteinander zu plaudern. Und der Grund: das Wetter, das wirklich so war, daß man kaum einen Hund hätte vor die Türe jagen mögen. Ein regelrechter Blizzard allerdings nur in Mi niaturformat, kam mit Schncesturm und Blitz und Don ner über die Reichshauptstadt, und wer nicht notgedrun gen auf die Straße mußte, der blieb -lieber zu Hause hinter dem warmen Ofen oder bei der Zentralheizung. Was am silbernen Sonntag verabsäumt werden mußte, wird nun wohl am „goldenen" Sonntag nachgc- holt werden. Inzwischen machen die Straßenhändler, die in allen Verkchrsstraßen anzutreffen sind, gute Ge schäfte. Was sie verkaufen, sind meist die altbekannten Sachen, die springenden .Hündchen, die man mittels eines Gummischlauchs sogar zum Bellen bringen kann, das ent setzlich wimmernde Babu, die Zauberschlangcn, die Steh aufmännchen und alle die anderen geliebten „Scherz artikel". Ein einziger neuer Schlager ist in Aufnahme gekommen, die Retlamemarken, die nachgerade eine wahre Sammclmanie hcrvorgerusen haben. Aber dabei ist leider das wirklich Gute, was dieser Sammclsport hatte, zum Teufel gegangen. Man glaubte, in der Reklamcmarkc ein Mittel zur künstlerischen Erziehung zu haben, denn die Marken, die cs gab, als die Sammelet zuerst auf kam, waren kleine Kunstwerke. Jtztzt hat sich aber die Industrie der Sache bemächtigt und den übelsten Kitsch, der gar nichts mehr von dem eigentlichen Zweck der Marken mehr erkennen läßt, auf den Markt geworfen. Vor Jahrzehnten sammelte man nach den Neuruppiner Bilderbogen die Lackbilder, dann kamen die Liebig-und Stollwerkbilder, jetzt sind die Rcklamemarken auf dem selben Niveau angclangt. Eigentlich ist auf den Straßen Berlins nicht viel davon zu merken, daß in wenigen Tagen das Christfest gefeiert werden soll. Nur auf den Plätzen sieht man die Christbäume in langen Reihen ausgestellt und man kann fast träumen, durch einen winterlichen Tannenwalo zu gehen, aber cs gehört recht, recht viel Phantasie da zu, viel mehr, als ein Großstädter im allgömcinen auf- zubringcn vermag, denn Phantasie hat er nur sehr wenig. Wer's nicht glaubt, möge sich nur das Spiel zeug ansehen, das in seiner komplizierten Naturtreue nur dazu angetan ist, jede Tätigkeit der kindlichen Phantasie vollends zu ertöten. Das ist ein unerquickliches Thema, wie cs leider so viele in Berlin gibt: Nach vicrwöchcntlicher Vcrhand- lnngsdauer ist der Prozeß gegen die „Gräfin" Fischler von Treuberg zu Ende gegangen; anderthalb Jähre Ge fängnis waren der Lohn für die Verfehlungen der An geklagten, die in jungen Jahren als Pussy Uhl eine be kannte Halbweltlerin war und sich später auf die zwar recht anrüchige, aber auch sehr rentable Tätigkeit ver- legte, Heiraten und Darlehen zu vermitteln. Was in diesem Prozeß — oft unnötig — an schmutziger Wäsche vor aller Ocffcntlichkcit gewaschen ist, kann nur Ekel erregen. Weniger feudal wie die Gräfin Fischler ist Aron Koghen, der russische Zigarettcnhändler, gegen den man jetzt wiederum in Moabit verhandelt. Pussy Uhl.war trotz ihres gräflichen Namens ein recht trauriger Durch schnittsmensch, Aron Koghen dagegen ein kluger, ehr geiziger Mensch voll großer Pläne. Er hat alles auf eine Karte gesetzt und hat das Spiel verloren. Als er fallierte, betrugen die Passiven mehr als eine Million, während Aktiven übcrhauvt nicht vorhanden waren. Mit Hilfe von Berliner Cafeschicbern — zwei davon zieren gleich ihm die Anklagebank — war cS ihm gelungen, Geld und Kredite auf nahezu nichts in märchenhafter Fülle zu bekommen; er mietete für seine Kundschaft ge legentlich das Metropoltheatcr, gab große Diners in ersten Hotels, bis die Herrlichkeit eines TagHpHusam- menbrach, und Koghen verschwand. Seine FraiHRdie in diesem Prozeß als Zeugin austritt, hat einen Selbst mordversuch begangen, bei dem sie das Augenlicht ein gebüßt hat . . . Tas sind finstere Schatten, die auch der Glanz des Christbaums nicht verscheuchen kann, die aber doch nicht die Fcsttagsfreuoe zu trüben vermögen. 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