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Sonnabend, 16. MSr; 1907, abends 68 66. Jahr-. ! Recht, daß sie den Antrag auf Besprechung nicht stützten. Zwei schöne Lage werden tot geschlagen, loste« sie dem Reiche?! s Stimmungsbild a«S dem Reichstage. I Ligen« Bericht, 8. Berlin, 15. März 1S07. Interpellationen, nicht« al« Interpellationen. Alle I Parteien fragen beim Herrn Reichskanzler an, warum nicht I auch die Sozialdemokraten. Aber, welche Lnttäuschung bet Iden Lenofsen und — Tribünenbesuchern! Keine Antwort I auf die Interpellation über die Eingriffe von Behörden I tei d« Retch»tag«wahl. Mit ruhiger, fester Stimme er- Iklärte Graf v. PosadowSky den ablehnenden Bescheid I damit, daß der Reichskanzler sich schon über den Gegenstand I der Anfrage allgemein ausgesprochen habe nnd berechtigte veschwerden untersuchen werde. Blitzschnell, und da» will bei dem korpulenten Herrn etwa« heißen, springt Singer I auf und fordert Besprechung, die, dank der Unterstützung l de« Zentrum», gewährt werden muß. Mit langem Schritt steigt der BorwärlS-Fischer, unter dem Arm einen Packen Akten, auf di« Tribüne. Mit ruhigen, gemessenen Schritten verläßt Graf PosadowSky den Saal. Fischer redet 2 volle Stunden. Er klagt den Reichskanzler, die Marine- und Kolontalämter, den großen Generalstab, den Flotten verein, besonder« den ReichSoerband gegen die Sozialdemo kratie schwerer Wahlbeeinflussungen und -fälschungen an. Die Rechte unterbricht ihm fortwährend, er wehrt sich mit scharfen Worten und Stadthagenschen Handbewegungen gegen die Unterbrechungen und erhält von dem aufrecht stehenden Bize-Prästdenten Kämpf 2 Ordnungsrufe. Auf die Folgen eine« eventuellen driften aufmerksam gemacht, wird er vorsichtig und überläßt La» Urteil dem Hause. Mit einem flammenden Protest schließt er unter dem Jubel seiner Freunde und dem Lärm der Segn«. Ebenso scharf, nur ironischer und weniger temperamentvoll ging der ZentrumSopposttionelle Dr. Schädler aus die gegen seine Partei gerichtete Wahlbeeinfluffung ein, die sich die Regierung habe zu schulden kommen lassen. Auch « brachte in seinem oberfränkischen Dialekt nicht» Neue», wa» rein äußerlich sich daraus zu erkennen gab, daß nur seine Freunde in stattlicher Anzahl im Saale blieben. Ein Novum brachte der konservative Kreth aus Gtallupönen, indem die Rechte gestern einen guten Redner entdeckt hat, in die Debatte, nämlich, daß auch konservative Abgeordnete über eine Stunde polemisieren können. Herr Kreth verteidigte natürlich unter dem Beifall sein« Freunde die Regierung. Sein Freund o. Lieb ert, d« Vorsitzende de» RetchSverbande» gegen die Sozialdemokratie, ging mehr zur Offensive über und setzte sich mit den Sozi» auseinander, die «8 an stürmischen Zwischenrufen nicht fehlen ließen. Noch vor Toresschluß kam der Pole Br es Ski an die Reihe, der polnische Wahlent- rechttrng in Posen und Westpreußen zur Sprache brachte. Morgen soll nach Erledigung klein« Vorlagen da» leere Stroh weiter gedroschen ««den. Die Freisinnigen hatten urtter- WaS abgeben, und erhoffen von der preußischen Regierung die Wahrung de-' Rechtes. Erzherzog Franz Ferdinand weilt, wie die „D. Z" aut Mittag versichert, seit zwei Tagen im strengsten Jnbognitto in Berlin. Der österreichische Thronfolger ist Mittwoch um 10 Uhr vormittags'nur in Begleitung eines Adjutanten und eines Büchsenspanners auf dem Anhalter Bahnhof eingetvsffen. Auf der österreichisch^-ungarischen Botschaft in Berlin ist von einer Anwesenheit des' Thron folgers allerdings nichts bekannt. Ter Erzherzog soll in der letzten Zeit wiederholt inkognito in Dresden ge weilt haben, um sich dort von einem Zahn- und Ohren spezialisten behandeln zu lassen. Vielleicht ist auch seine Anwesenheit in Berlin auf den gleichen Grund zurück zuführen. Eisenbahnwagen mit Aussicht nach amerikani schem Muster werden im kommenden Sommer auf zahl reichen Linien der preußischen Staatseisenbahn verkehren. JU Betracht kommen nur solche Linien, die durch reiz volle Gegenden führen. Bemerkenswert ist, daß auch die vierte Klasse derartige Aussichtswagen erhält. Graf Pückler wurde gestern wegen einiger Reden von der 3. Strafkammer des Landgerichts l Berlin zu einem Monat Gefängnis verurteilt^ T er Staatsanwalt hatte sechs Wochen beantrag^ Graf Pückler wurde aus dem Gefäng nis zu Tegel, wo er sich zurzeit befindet, vorgesührt. Einer der bedeutendsten Textilindustriellen Württem bergs, Kommerzienrat" Otto, der den Kvlonialdirektor auf dessen Ostafrikareise begleiten wird, hat sich kürzlich am Viktoriasee ein Gebiet von 20000 Hektar für Baum- wpllpflanzungen gesichert^ Ueber geplante Unternehmungen der deutschen Tämpf- fifchereigesellschaft „Nordsee" wird weiter gemeldet: Gleichzeitig mit der Gründung einer Tochtergesellschaft in Pest wird eine eigene Marinieranstalt und Konserven fabrik in größerem Maßstabe eingerichtet. Tie deutsche Tampffischereigesellschaft „Nordsee" hat durch ihre Nie derlassung in Wien sehr günstige Erfahrungen in der Versorgung Oesterreichs mit Seefischen gemacht, und da für Ungarn die gleichen Vorbedingungen für eine be deutende Aufnahmefähigkeit von Seefischen bestehen, ist auch dort ein großer Absatz zu erwarten. Ferner hat die Gesellschaft „Nordsee" dieser Tage ein großes Geschäfts haus in Mannheim an erster Geschäftslage angekauft, uM ihren Absatz auch in dieser bedeutenden Industriestadt intensiv zu bearbeitens Tie deutsche DaMpfsischereigeselb- schast „Nordsee" verfolgt Mit dieser stetigen Ausdehnung ihres Geschäftsbereiches das ^Prinzip, für die Fänge ihrer erheblich vergrößerten, jetzt auf 50 Hvchseefischdampfer angewachsenen Flotte ein sicheres Absatzgebiet zu schaffen, und sie leistet dadurch der ganzen deutschen Hochseefischerei werttolle Pvonierdienste^ In der BudgetkoMmisfion des Reichstage^' er klärte Staatssekretär -Krätke bei der Beratung deS Post etats <mf die Frage des Abg. Erzberger, ob es wahr sei, daß der Firma Tippelsffirch Mr die von iHv gemieteten Postgeschäftsräume in Kiautschsu eine unverhältnismäßig hohe Miete gezahlt werde, das sei nicht wahr. Tie Be schaffung eines geeigneten Geschäftshauses" biete große Schwierigkeiten; die Miete betrage 20000 Mark. Ter Titel, bett. Mieten von Geschäfts- und BureauräuMe.n wird genehmigt. Ferner wurden genehmigt die einmaligen Ausgaben und sodann der Rest des außerordentlichen Etats. Tänn entwickelt sich eine Gehaltsdebatte. Sie dreht sich darum, ob entsprechend dem Zentrumsantrage die Aufbesserungen sofort in den Etat gesetzt werden oder ob die Form einer Resolution gewählt und die Erklärungen der Regierung abgewartet werden sollen. Tas letztere wurde beschlossen. Ter deutsche Landwirtschaftsrat beriet gestern über Maßnahmen zur Steigerung der deutschen Vieh- und Fleischprvduktton und zur Verbilligung der städtischen Fleischversvrgung und beschloß, eine größere Anzahl der vom Referenten aufgestellten Anträge und Leitsätze dem Reichskanzler Und den verbündeten Regierungen als Ma terial überweisen und daran das Ersuchen zu knüpfen, jedenfalls Mr die wissenschaftliche Seuchenerforschung und die praktische Seuchenvertilgung größere Mittel als bis her in den Etat einzustellen. Tie Konferenz sozialdemokratischer Redakteure, die am 9. und 10. März im „Reichstagsgebäude" tagte, wird noch ein Aufsehen erregendes Nachspiel haben. Singer hatte dem Bureaudircktor nur gesagt, es handle sich um einige gute Freunde, die dort zusammen kämen. Ter Tagesord nung nach liegt aber zweifellos ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz vor. Tie Versammlung hätte angemeldet werden müssen, was durch ihre Verlegung in das Reichs tagsgebäude unter obiger Angabe Singers umgangen wurde. Die kommenden Hebungen dessBeurlaub ten st andes iM deutschen Reiche werden manches Neue und Interessante bringen^ Es werden insgesamt 242844 Mannschaften üben. Es sollen bei der Infanterie 154150 Mann eingezogen werden, bei den Jägern 5970, bei den Maschinengewehrtruppen 570, bei der Feldärtillerie (aus ihrem Beurlaubtenstande beziehungsweise aus dem der Kavallerie) 28 770 Mann, bei der Fußartillerie 27 640 Mann und bei deu Pionieren 11890 Mann, Alle diese; Truppen üben 14 Tage, Bei den übrigen Truppenteilen ist die Uebungszeit zuM Teil etwas länger. Bei der Eisen bahnbrigade sind insgesamt 2573 Mann einzuziehen» da, von 1937 der Reserve auf 28 Hage und 636 der Landwehr auf 14 Tage, Bei bems Lustschifserbataillimr sind 277 ManU, bei den Telegraphenttuppen 1259 und beim Tvain ins gesamt 9745 Mann einzuziehen. Tie Uebungen haben; Krischen deM 1. .April 1907 und dem 31. März 1908, die der Schiffahrt treibenden Mannschaften iM Winterhalbjahr 1907/08 stattzusinden. Bei Wahl dessZeitpunktes der Ein berufung sind die Interessen der bürgerlichen Berufskreise, namentlich die Ernteverhältnisse in den einzelnen Korps? bezirken Möglichst zu berücksichtigen. Bei Heranziehung der Jahresklassen zu den Uebungen soll in erster Linie angestredt werden, daß den iM Kriege aufzustellenden Feld- und Reservettuppen Leute Mit möglichst guter Aus bildung zugeführt werden können^ Neben gründlicher Wie derholung des früher Erlernten und Festigung der Dis ziplin soll die Förderung der Gefechtsausbildung dep Mannschaften der wichtigste Gesichtspunkt bei Durchfüh rung der Uebungen sein, Frankreich. Gestern fand in P0nt-sur-Seine unter äußergetrSHM» lich starker Anteilnahme der Bevölkerung das Leichen begängnis Casimir Pötters statt. Präsident Falliöres hatte sich durch den Präsidentschaftssekretär Lanes vertreten lassen. Am Trauerzuge nahmen teil der Ministerpräsi dent CleMenceau, die Minister Pichou, Picquart und Par- Hou, der ehemalige Präsident der Republik Qoubet, der Präsident des Senats Tubost sowie zahlreiche Senatoren und Deputierte. Auch viele Veteranen und lokale. Vereine' erwiesen dem Verblichenen die letzte Mre, ' Marianne von Marinihka zwei Heiratsanträge ein. Der eine betraf sie selbst und war mit dem Namen „Louis Karmann" unterzeichnet; vorsichtig fügte der Herr seiner Liebeserklärung die Worte hinzu, daß er „Fräulein" bis jetzt von seinem Vorhaben noch nichts mitgeteilt habe, und sollte ihn Fräulein Marianne wider sein Hoffen und Er?, warten doch vielleicht nicht «hören können, so bäte er um Diskretion. Kamelie lachte laut auf. „Was wirst Du tun, Tanke?^ fragte sie belustigt. „Willst Du Herrn Karmann erhören) Es wäre eine entzückende Partie?" Die Schlossherrin von Golyn wurde anfangs unwillig üb« diese, ihr gänzlich unerwarket kommende Zumutung« dann ab« lachte sie auch. „Er ist zehn Jahre MngM als ich." „Was tut das!" fragte Kamelie scherzend, „wo MS Herz spricht, — ab« wenn das sein Fräulein wüsste."^ „Ich werde ihm wohl Diskretion bewahren müssens entgegnete lächelnd Marianne, „aber durchaus mehr meinet^ als seinetwegen, denn es wäre mir wirklich nicht angenehm^ erführe mein Bekanntenkreis, dass dies« Mann überhaupt nur einen solchen Gedanken fassen konnte, Fräulein Hanun mag ihren Prinzipal unbestritten behalten." Sie lachte noch, als sie den zweiten Brief «brach, der auch ihre Adresse trug, aber ihr Gesicht wurde ernst und traurM „Das ist schlimm!" sagte sie, „ein Schlag, den ich HW erwartet hatte. Lies, es betrifft Dich." Sie reichte.Wa jungen Mädchen das Schreiben, in welchem ein zwAkes Briefchen, an Sornelie gerichtet, lag. Der Doktor Kurze bat in demselben um die Hand AM! nelies. „Der alte Mann!" sagte diese empört. „Tanke, ist Herr karmann zehn Jahre Mng« wie Du, so ist der Doktor dreißig Jahre ält« als ich. Was sind dies beide« für unpassende Vorschläge!" Marianne seufzte tief auf. „könntest Du Dich nW entschließen, dm Doktor zu heirakmN Der 8iem «les Anstoßes! ' Roman von S. Adel«. S2 »Also das sagt man meinem armen Verwandten nach!" dachte Kamelle schmerzlich, »und das ist es, was Tante Marianne so furchtbar quält, daß ihr geliebter Bmd« als Selbstmörder hingestellt wird vor dm Augen d« Welt! Der Doktor ab« nahm dm Totm in Schutz, « sagte ja, «fei nicht wahr. Nun, auf jedm Fall will ich doch diesem Gespräch in unserem Hause ein Ende machen." Sie «hob sich und trat in die Tür, auch sie wollte das Papi« senen, daß d« Landrat noch immer in dm Händm hielt. »Ich hörte, es sei etwas durch das Fenster geworfm svorden," sagte sie stolz und gleichgültig, »das ist unstatt haft und ein schlecht« Scherz, wahrscheinlich von irgend einem d« Dimer. Wollen die Herren mir das Papi« geben, damit ich die Sache spät« untersuchen kann, solche Vorkommnisse dürfm sich'wenigstens nicht wiederholen." Sie stand mhlg in der Mitte des Zimmers, das Fenster war noch immer offen und ein leis« Zugwind spielte mit dem reichen dunklen Haar. Gebieterisch streckte sie die Hand nach dem Blättchen aus, schweigend legte H«r von Buring dasselbe hinein. Sie las die wmigen Worte und dann bliate sie beunruhigt empor, konnte sich die Unterschrift auf sie beziehen? vielleicht auf ihr geheimes Verlöbnis mit Max von Hallern? »k. v. M." las sie laut, »das sind meine Buchstaben, kornelie von Marinihka." .Oder Kurt von Marinihka," bemerkte d« junge Referendar vom Scharfenberg« Amtsgericht, d« im Laufe da Abmd, auch reichlich dem Wein zugesprocheu hatte, »es war ja vorhin von ihm die Rede." »Schümm Sie sich doch!" sagte Herr von Gossip un- willig, „und bedenken Sie, daß eine d« Damen des Hauses vor Ihnen steht." Doktor Kurz« aber fuhr empor, als habe er auf eine MaÜsr gstrGm- sagt das?" rief er uüt seltsam Tagesgeschichte. Deutsche» Reich. Tie Frage der Einführung vvn Schiff sab gaben beschäftigte wiederum die Hauptversammlung des deutschen Vereins Mr Fluß?- und Kanalschiffahrt, die unter Vorsitz des Vizepräsidenten des preußischen Abgeordnetenhauses Geh. Justizrat Tr. Krause in Berlin stattfand. Die Inte ressenten verlangten unbedingt, daß über diese Frage die berufenen Organe der Reichsgesetzgebung iHv Urteil 1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich tn Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in Riesa. heiserer Stimme, „Kurt von Marinihka ist tot und die Token stehen nicht mied« auf." „Die Toten nicht, wohl ab« die Lebenden!" sprach eine starke Männerstimme von außen durch das offene Fenster. Ein Augenblick der tödlichsten Bestürzung «folgte, dann riß der Doktor mit einem Fluch einen Revolver aus der Brusttasche und eilte an das Fenster. Niemand war zu sehen. Schweigend breitete sich die weiße, ««schneite Rasen fläche des Parks vor dem Spähenden aus, d« Mond war aufgegangen» es war fast tageshell draußen. Ein Fremd« hätte sich nicht verbergen können. D« Doktor schloß das Fenster und wandte sich den anderen Gästen mied« zu, « war totenbleich und seine Lwpen bebten, als auch er versicherte, es sei ein schlechter Scherz von einem d« Dome stiken gewesen. Kamelie konnte sich dm Vorgang nicht «klärm, ihr Verwandler war vor zwanzig Jahren schon begraben, was sollte nun noch diese seltsame Erinnerung an dm längst Dahingeganaenen? Ab« sie beschloß bei sich, gegm Marianne diesen Vorfall doch unerwähnt zu lassen, « konnte nur dazu dimm, ein Arauengemüt zu bmnmhigen. Außerdem legte das junge Mädchen selbst nicht sonderlich viel Gewicht auf das Ereignis, es erschien ihr in seiner großen Sonderbarkeit bedeutungslos, trotzdem sie das rätselhafte Blättchen sorgfältig aufbewahrte. kornelie wurde wieder fröhlich und vergnügt, als sie dem Baumelst« begegnete, der sie berelts überall gesucht hatte, und ein zärtliches Lächeln lohnte seine Mühe. Bald war d« Zwischenfall vergessen, man tanzte und amüsierte sich weit«, nur d« Doktor blieb bleich und verstimmt, und der alte, getreue Nachbar, Herr von Gossip, schüttelte be- bmklich sttnen weißen Kopf. „Der Stein des Anstoßes!" murmelte «, »es ist doch keineswegs alles klar in Schloß Golyn!" S. Einige Tage nach dies« Gesellschaft liefen bei Fräulein