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126 wachten 'sie, und diese mußten es gewesen sein, die dem General, der eben herojngalvppierte, ein Hurra zugerufen hatten. Ter eine vvn ihnen wies mit dem! Arni auf die sen hin, und Mer Köpfe wandten sich wach dem Tavun reitenden nach. . Dem Fenstier des Obersten schräg gegenüber hielt jetzt der General! seinen Fuchs! au. Ter Adjutant blieb einige Schritte zurück. Wie aus Erz gegossen/ in militärisch strammer Haltung standen die Glieder der Infanterie kolonne vor ihrem Vorgesetzten. : Ter winkte ihnen mit der Hand einen Gruß zu. „Jungens," ries er, „dasfhabt Ihr brav gemacht, ich! danke Euch dafür! Ihr habt einen tapferen Feind vor Euch, der uns das Siegen schwer macht- aber Ihr habt Euch nicht ins Vvxhorn jagen lassen! Macht Euch auch ferner so gut, daß ich mich weiter an Euch freuen kann. Und nun Gott befohlen! Ter Danz geht gleich wieder los. Wir wollen ihn mit Ehren bestehen." Tie Worte waren so warm gesprochen, daß man fühlte- sie Sonnten kein bloßes Lippenwerk sein! Eine ver haltene Bewegung klang hindurch und machte den Ein druck dieser Anrede noch wirksamer. Stürmisch war der Jubel, der immer von neuem aus- lrach, mit dem die Soldaten ihrem General antworteten. Auch Wildenfels wischte sich verstohlen eine Träne aus den Äugen: die Rede, und vorzüglich die Anerkennung, die den Bayern gezollt wurde, hatte ihn bewegt. Auf dem Balkon der nebenan liegenden Villa erschien die englische Familie, die dort das 'Quartier während der Badesaisvn bezogen hatte. Tie Tochter, einen gefüllten Champagnerkelch in der Hand, beugte sich weit vor, wäh rend Mr. Smith, ihr Vater, die Cham'pagnerflasche schwenkte. Ter General winkte dankend, machte eine bedauernde Bewegung mit den Schultern, rief aber zugleich fröhlich hinaus: ,Leben Sie mir das köstliche Naß auf, ich hole es mir nachher" und verschwend gleich darauf in eine Seitenstraße. Mildenfels wandte sich langsam zu seinem Tiener, der hinter ihm stand. Johann-" sagte er, „ich glaube, das wird der Wrangel gewesen sein, von dem General Tann mir erzählt hat. Tie Holsteiner sollen in der Kam pagne 48 und 49 sich mit Begeisterung vvn ihm haben führen lassen, weil er ein .Herz für sie gehabt hat. Na, und diesen Leuten merkte man auch an, daß sie mit ihrem General durch dick und dünn gehen würden." Ter Obersh hatte richtig geurteilt. Es war General Wrangel gewesen, der eben zu dem Bataillon Kawec- zynski gesprochen hatte und nun in die Stadt zurückritt, um weitere Befehle zu erteilen. Nach der Einnahme vvn Kissingen- als er eben für die Erquickung seiner Leute Sorge trug, war ihm die Meldung gebracht worden, daß die Bayern sich auf den hinter Kissingen gelegenen Höhen festsetzen wollten. Zugleich erhielt er auch den Befehl Goebens, seine Truppen zu sammleln und sofort die südlich gelegenen Berge, die Winterleite und den Ctationsberg, zu säubern. Ganz leicht war das nicht in der Geschwindig keit zu bewerkstelligen gewesen- denn dis Soldaten, die nach einem Trünke lechzten, waren im ganzen Städtchen zerstreut und hier in Küche imd Keller getaucht, um ihren Turst zu löschen. Doch die Signale wie Kommiandoruse lockten bald auch die letzten Säumigen auf ihre Posten. Wrangels Arbeit in Kissingen war jetzt getan. Er wollte nun nach dem Stationsberge, wohin er das Ba taillon Kaweczynski gesandt hatte, um als rechte Flanken deckung zu dienen. Sein Adjutant überbrachte den übrigen Teilen der Brigade den Befehl, auch dorthin zu kommen. Ms der General am Kurhause vvrbeiritt, stsand die eng lische Familie noch imhner auf dem, Balkon ihrer Villa. Eifrig winkte man ihm" vson hort aus" zu, und diesmal ge schah das nicht umsonst. Wrangel drängte seinen FUchs, die goldfarbene Stute Jsabeau, dicht an die Mauerbrüstung, nahm mit lächeln dem Tank das überschäumende Glas und leerte es bis zum letzten Tropfen auf das Wohl der jungen Tante,-bie zwischen Befangenheit und freudiger Erregung dem Siegjer des Tages auch für seine ferneren Kriegstaten Glück wünschte. " ' ' „Darauf stoßen Sie mit mir an," rief er ihr fröh lich zu. Ter alte Herr füllte von neuem die Champagner kelche, und klingend trafen sich die Gläser. Wrangel leerte rasch das seine, winkte woch einmal freundlichen Tank und galoppierte davon. Nur für kurze Zeit hatten die Schüsse geschwiegen. Jetzt knätterte vvn neuem Gewehrfeuer, und zwar vom Kirchhof her. Ter Angriff der Preußen auf diesen noch von den Bayern behaupteten Platz wurde mit aller Energie durchgeführt. Generalleutnant vvn Zoller versuchte, dem Verbrechen der Preußen Einhalt zu tun- indem er eine Lereitstehende Eskadron des Chevauleger-Regiments zur Attacke be orderte. I. ' > Tettenborn, der mit fest zusamtniengebissenen Zähnen das gezwungene Rückwärtsgehen mitgemacht hatte, reckte sich jetzt im Sattel. Seine Augen leuchteten, und in seinen Wern fühlte er wieder die volle Jugendkraft, als er mit seiner Schwadron wie Wettersturm 'dahinjagte, um den schwer bedrohten Kameraden zu Hülfe zu kommen. Da aber plötzlich stockt der wilde Galopp der vorder sten. Tie Pferde werden zurückgerissen. Sie bäumen sich hoch auf und bringen Verwirrung in die Reihen der folgenden. - „Was gibt's?" Tettenborn hat es unbewußt gerufen und ist weiter vorwärts gesprengt. Aber auch er muß jein Tier jetzt zügeln, denn schroff fällt hier die Höhe ab, und ein breiter Hohlweg macht das Vorwärtskominen Unmöglich. Kugeln prasseln auf die Reiter nieder, sie halten im heftigsten Feuer, und „Kehrt — Marsch!" lautet das Kommando. Tettenborn zieht die Stirn kraus. Ihm paßt das nicht, aber Gehorsam ist Soldatenpflicht. Er wendet sein Pferd und will mit den andern rückwärts jagen. Da pfeift cs dicht neben ihm- und dhe er noch weiß, wie es ge schah, fühlt er einen leichten Schmerz in der Seite, und zugleich quillt das warme Blut durch seine Uniform. Ein Streifschuß hat ihn getroffen. Er wankt nicht im Sattel, er kommt mit der Schwadron wieder in die Reserve stellung hinein- aber ein Kamerad bemerkte die Blässe seiner Züge, sieht das rinnende Blut und dringt darauf, daß er verbunden wird. Er läßt es geschehen- nimmt auch den stärkenden Wein,!, den der Arzt ihm reicht, aber er erklärt mit Entschiedenheit- den Tag heute Noch aushalten zu wollen, der Streifschuß habe nichts auf sich. So steigt er denn wieder auf seinen Schimmel, und schweigend, doch mit unruhig flackernden Augen, harrt er des Augenblicks, wo die Reiter noch einmal zum Kampfe gerufen werden sollen. Zu dieser Zeit leisteten die bayerischen Kompagnien im Kirchhofe verzweifelten Widerstand, doch im'mer enger wurden sie vom Feinde umschlossen, und um 2 Uhr mußte sich die tapfere Besatzung zur Räumung bequemen. Unter Hurra brachen die Truppen mit gefälltem Bajonett aus dem Dore hervor und bahnten sich,' — wenn auch Wit schweren Verlusten, — den Weg zu den rückwärts bei Winkels stehenden Ttuppen. Auch die übrigen bayerischen 127 Bataillone mußten den Rückzug antreten, gedeckt durch das Feuer der Batterie Zeller. Unterdessen hatten sich preußische Schützen gegen den Sinnberg und gegen diese Batterie gewendet, die in vor geschobener Stellung äußerst gefährdet lag. Ta jagte im wilden Schwarm eine Eskadron Chevaulegers den Hang des Sinnbergs hinab. Tie Sonne blitzt auf ihren Helmen und beleuchtet die stürmende Reiterschar- die zur Rettung ihrer Batterie eilt und ein herrliches'Bild voll Kvaft und Schneid abgibt. Eine breite Hecke schiebt sich in den Mg, doch unbeirrt setzen sie in kühnem Sprunge hinüber. Ein Anblick, der jedes Reiterherz entzückt hätte. Wer nun knattert es plötzlich hinter ihnen. Ein Trupp preußischer Schützen hat hinter jener Hecke Teckung gesucht. Sie waren von den Reitern übersprungen worden und sandten ihnen nun ein Rückenfeuer nach Rasch wendet die Eskadron um und haut ein. Tetten born ist der erste, der mit gezogenem Säbel auf die Schü tzen eindringt, die Teckung suchen. Im Nu sind die Sol daten umzingelt. Ein kurzes, verzweifeltes Ringen, Schüsse knallen, Schwerthiebe sausen nieder, und blutgetränkt wird die Stätte. Nur wenige der kühnen Männer konnten ent rinnen, die meisten von ihnen liegen tot auf dem' Kämpf plätze, oder sind verwundet und in Gefangenschaft geraten. ' Weiter jagt die Schwadron,, um die Batterie zu retten, aber jetzt muß sie wenden und sich hinter Winkels zurück ziehen. Auch die Batterie Zeller verläßt ihren Platz, um eine andere Stellung aufzusuchen, denn die Preußen setzen ihr Vorgehen aus der ganzen Linie fort. Einer ist aber nicht mit seiner Schwadron zurückge kehrt. Sie haben es nicht bemerkt bei dew eiligen Ritt, nun aber werden sie es gewahr, als sie bei Winkels an langen und der herrenlose Schimmle! sich zur Seite der Schwadron stellt, an seinen alten Platz. Sein Reiter liegt blutend- Wit' einer Schußwunde durch das Bein, in dem Hohlwege. Er hat nur noch das unklare, freudige Bewußtsein, die Batterie durch die Rei terattacke vor einer Wegnahme bewahrt zu haben, dann schwinden ihm die Sinne. Ter Blutverlust am Vormittag und jetzt hat Tettenborn auf das äußerste geschwächt, und müde, todmüde schließt er die Augen. Wrangel war es in dieser Zeit gelungen, den Sla- tionsberg und die Winterleite vom Feinde zu säubern. Er rückte mit den Truppen gegen Winkels vor, als ihm der Befehl zuging-, die Vorhut der Armee zu übernehmen. Tas 19. Regiment- Has für diesen Tag unter seinen Be fehl trat, hielt den Wald zwischen Winkel und Nüd lingen besetzt. Gegen vier Uhr richteten sich nun die Truppen bei Winkels zum Biwakieren ein. Nach den übergroßen An strengungen des Tages war ihnen die Ruhe zu gönnen. Doch schon eine Stunde später, als das Bataillon Gutz kow ausrückte, um die 19 er abzulösen und die äußersten Vorposten zu übernehmen- sandte dieses' die Meldung an Wrangel, daß sich Kolonnenspitzen von Nüdlingen her zeigten. Ter General ließ sofort die Batterie Eynatten ausfahren und schickte zwei Kompagnien nach dew Sinn berge. Zugleich aber sandte er Goeben die Meldung, daß er befürchte, die stark ermüdeten Truppen würden kaum imstande sein, einem" weit überlegenen Feinde zu widerstehen. Tie Antwort des Tivisionskommandeurs! läutete, daß er überzeugt sei, Wrangel Wit seinen acht Bataillvnen und zwei Batterien sei dem Angriffe vollständig gewachsen. Kurz entschlossen ließ nun der General die Batterie Cöster aus den Höhenrücken auffahren, um, gedeckt durch das Feuer der Geschütze^ die vorgeschobenen Truppen zu rückziehen und sammeln zu können. Sobald er sich über zeugt hätte, daß dies! gescheh» war, gab er den Befehl: „Tas Ganze Vorgehen." . Tas Signal wurde geblasen und vvn allen Seiten ausgenommen. Schmetternd tönte aus den höchsten Waldspitzen der elektrisierende Ruf als Antwort wider-und zugleich traten die Kolonnen in der Mitte mit schlagenden Tromweln an. Auf der ganzen Linie ra'selte der SiurmMarsch, und alle Truppenteile eilten den flatternden Fahnen nach, den Wahrzeichen der Ehre- die ihnen vvrangetragen den Weg wiesen. Es ist ein eigen Ting um solchen schmetternden Kriegs ruf, der jeden, der das' Schwert fiihrt, djarark mahnt, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, wo es gilt, den Fahnen eid einzulösen und Dodestreue zu zeigen. Tas Signalblasen und das Wirbeln der Trommeln weckte auch Tettenborn aus'seiner Bewußtlosigkeit. Lang sam öffnete er die Augen-schloß sie aber wieder, geblendet vvn den roten, glühenden Strahlen der untergehÄiden Sonne. Mit scharfer Klarheit kehrte ihm die Erinnerung zurück, und ein jähes Erschrecken durchzuckte ihn bei dem Gedanken, daß er hier lag, unfähig, sich weiter zu schleppen, während der Trvmmelschlag des! Feindes immer näher heranrückte. Gefangennahme stand zu erwarten. Er grub die Zähne in die Unterlippe, und wie Fieberfrvst schüttelte es ihn, wenn er sich Inges Antlitz vvrstellte bei der Nachricht, er sei in Gefangenschaft geraten. Laut stöhnend versuchte Tettenborn, sich aufzurichten. Es ging wider Erwarten gut, aber der linke Fuß ver jagte den Dienst, und an ein Weiterschleppen war daher nicht zu denken. Ta, — klang es nicht wie ein Hufschlag durch das Trvmmelgerassel hindurch? Er horchte gespannt. Rein, er hatte sich nicht geirrt, — immer näher kam es, — und nun das Helle Wiehern eines Pferdes! — War es ein Freund oder Feind, der sich nahte? Sein Herzschlag stockte; in zitternder Erwartung- die Hand an der Waffe, starrte er nach jener Hecke hin- die er noch vor kurzem mit seinem Schimmel so spielend genommen hatte. Bon dort her kam jetzt Rettung oder Gefahr. Nun wohl, er war auch gegen den Feind gewappnet und bereit, sich auf das äußerste zu verteidigen. Ta„ — ein glatter Sprung über die Hecke, — die bekannte- ach so vielgeliebte Uniform, — und jetzt eine geschmeidige Gestalt- die vom Pferde springt, ein frisches, gutmütiges Gesicht, das in Freude und Rüh rung erglänzt, und ein lachender Mund, der ihm glück selig zuruft: „Herr Leutnant, da bin ich! Maria und Jv- seph! Was bin ich froh- daß mein Leutnant da noch lebendig vor mir steht." „Arnsmann, guter, treuer Kerl," murmelt Tettenborn und fühlt dabei, wie seine Wimpern feucht werden. „Hast T u mich nicht stecken lassen!" ,,J, wo werde ich denn! Ta verdiente ich ja, krumm geschlagen zu werden! Wie der Schimmel ankam ohne meinen Leutnant, merkte ich die Geschichte und dachte gleich an den Hohlweg!" Er hatte, während er sprach, sein Pferd hart an den Baum gedrängt- an deml Tettenborn lehnte, und die Zügel um einen Ast geschlungen. „Am Bein hat's der Herr Leutnant weggekriegt, ich sehe schon! Na, — es wird sich schon machten," fuhr er eifrig fort. „Hier aus meine Schulter müssen sich der Herr Leutnant stützen, und dann hebe ich ihn hopp herauf!" Tas letzte Wort war mit einem Seufzer der Erleichterung ausge- stvßen, denn bei dem kühn gerufenen „hopp^ hatte der Getreue mit Anstrengung seiner ganzen den Ver wundeten in den Sattel gehoben. „So," freute er sich, „das ging! Nun setze ich mich auf die Kruppe, und der Herr Leutnant rücken ein bißchen nach vorn, dann macht