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Uiesaer G Tageblatt 48. Ivßr». Sonnabend, IS Juni 18SS, Ave«»». und A«;rlgrr Wedlakl md Ayeign). Tclegramm-Adresse 1! A Fernsprechstelle „Tageblatt", Riesa. TSv N " T- TT T> Rr. 20. der König!. Amtshauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. 137. Das Riesaer Tageblatt erscheint jede» Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestellen, sowie am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 25 Ps., durch die Träger frei ins Haus 1 Mark 50 Pf., durch den Briefträger frei ins HauS 1 Mark 65 Pf. Anzeigeu-Auuahme für die Nummer des Ausgabetages bis Vormittag S Uhr ohne Gewähr. Dnick und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastanienstraße 59. — Für die Redaction verantwortlich: Herrn. Schmidt in Riesa. Bekanntmachung, das Baden in der Elbe betr. Die Königliche Amtshauptmannschaft als Elbslroinamt findet sich reranlaßt, wiederholt in Erinnerung zu bringen, daß durch Bekanntmachung vom 15. Mai 1880 bei Geldstrafe bis zu 60 Mark oder entsprechender Haftstrafe verboten worden ist, in der freien Elbe an nicht be sonders abgesteckten Badepläyen, sowie ohne Badehosen zu baden. Die Ortspolizeibehörden der an der Elbe gelegenen Ortschaften haben nicht nur die Auf rechterhaltung dieses Verbotes zu überwachen, sondern auch für Beschaffung geeigneter Badeplätze zu sorgen und die Absteckung derselben durch schififahrtskundige Personen bez. unter Mitwirkung der hierzu beauftragten Elbstrom- und bez. Wasserbaubeamten auSführcn zu lassen. Meißen, em 13. Juni 1895. Königliche Amtshauptmannschaft als Elbstromamt. 192 o. von Schroeter. M. Bekanntmachung. Die Landsturm-, AnSmusterungS- und LoosungSfcheine der in diesem Jahre in Riesa (Stadt) zur Musterung gelangten Mannschaften sind innerhalb 14 Tagen iin hiesigen städtischen Meldeamke persönlich in Empfang zu nehmen. Riesa, den 13. Juni 1895. Der Stadtrath. Schwarzenberg, Stdtrth. Mohr. 50—8V jähriger Kieferndestand auf rund 7 Ns des hiesigen Truppen-Uebungs- platzes soll in 4 Loosen auf dem Stocke meistbietend verkauft werden. Die Bedingungen liegen hier aus. Angebote sind bis SÄ. d. Mts., Vormittags IO Uhr — dem Termin zur Eröffnung — gebührenfrei anher einzureichen. Truppen-Uebungsplatz Zeithain, am 13. Juni 1895. * Königliche Garnison-Verwaltung. Bekanntmachung. Montag, de« 17. Juni, Rachm. 5 Uhr wird der Grundstein zu unsrer neuen ev.-luth. Kirche auf dem Georgsplatz gelegt. Zu dieser Feier wird unsere Kirchgemeinde hierdurch herzlich einzeladcn. Riesa, am 12. Juni 1895. Der Kirchenvorstand. Führer, Pfarrer. ' TageSaeschichte. In Italien deutet das politische Barometer abermals, auch unter den neuen Verhältnissen auf Sturm. Die kühle Zurückhaliung, die man mancherseits nach dem von vielen Seiten als glänzend bezeichneten Siege der italienischen Re gierung oder besser gesagt, ihres Oberhauptes Crispi an den Wahlurnen und in der Kammer an den Tag legte, scheint nun ihre volle Rechtfertigung zu finden, denn es wäre un möglich, einen so überaus plötzlichan Wandel der Situation zu schaffen, wie dies seit Donnerstag Thatsache gnvorden ist, wenn die Wahlsiege auch moralische, wenn die neuen Re- gierungsmänner in der Kammer auch innerlich überzeugte Anhänger Crispis wären. Der trockene halbamtliche Geschäfts stil meldet dieses neueste Vorkommniß wie folgt: Auf Grund der Geschäftsordnung ernannte der Präsident der Kammer Villa die 20 Mitglieder der Wahlprüfungskommission. Er bertcs darin 12 Ministerielle, acht Mitglieder der Opposition: in die letzteren begriff Präsident Villa die Hauptsührer der Opposition, di Rudini, Brin, Zanardelli, Cavallottt und zwei Sozialisten ein. Diesen können die Führer der zwölf Ministeriellen nicht das Gegengewicht halten. Einige Blätter heben dies hervor, und bekämpfe» besonders die Emennung Cavallottis, wegen seiner scharfen Stellungnahme gegen Crispi. Dieser Vorgang Villas hat der Mehrheit sehr mißfallen. Morgen soll sich die Wahlprüfungskomnnssion konstituiren und den Präsidenten, Vicepräsidenten, sowie die Sekretäre ernennen. Einige Blätter meinen jedoch, daß die zwölf ministeriellen Kommissionsmit glieder der Versammlung nicht beiwohnen werden. ES war Crispi selbst, der die Wahl Villas zum Kammer präsidenten wünschte und auch durchsetzte; um so unbegreif licher ist darum der Verrath, den dieser an seinem Herrn und Meister übte, und man kann nicht anders denken, als daß er entweder dem Ministerpräsidenten ein Bein stellen will in der Hoffnung, daß die Widerstandsfähigkeit des greisen Kämpen enduch ermatten wird oder daß er persönlich so un gewöhnlich schwach ist und die Angriffe der Opposition fürchtet, daß er sie durch dieses „Entgegenkommen" zur Versöhnlichkeit und Nachgiebigkeit zu bewegen hoffte. Man darf nämlich nicht vergessen, daß Villa der seinerzeitige Recht-bcistand des durch den Banca Romana-Proceß bekannt und berüchtigt ge wordenen Gouverneurs Tanlongo war, und daß die stets skandalbereite Opposition unter Führung Cavallottis ihm mit unliebsamen Enthüllungen und Scenen drohte, wenn er ihr nicht zu Willen stünde. Nun sind aber gegen 100 Wahlen angefochten, und eine so mächtige und rücksichtslos entschlossene Opposition, wie sie gegenwärtig im neuernannten WahlprüfungsauSschusse ver einigt ist und thatsächlich die Mehrheit zu terrorisiren ver mag, kann naturgemäß der ministeriellen Kammermehrheit in ihrem Mandalsbesttze so empfindliche Schwierigkeiten, so viel tatsächlichen Schaden zusügen, daß es kein Wunder ist, wenn nun die gesammte Kammer in hellstem Aufruhr sich befindet, die Opposition in der freudigen Hoffnung, ihrem ersehnten Ziele, dem Sturze Crispis, nahe zu sein, die ministerielle Mehrheit in der Bestürzung ob des offenkundig gewordenen VerratheS und der Unzuverlässigkeit in ihren eigenen Reihen. Vorerst wird, wie verlautet, im Ministerium ein Gegenzug versucht werden, um Villa zur Niederlegung des Kammer präsidiums zu nöthigen, und man glaubt, daß in diesem Falle ein treuerer Anhänger Crispis, etwa Menotti Garibaldi, sein Nachfolger würde. Natürlich war es unvermeidlich, daß auch alsbald die bei solchen Anlässen stets üblichen Krisen, gerächte durch die Luft schwirrten und das „B. T." wußte" bereits zu melden, daß Crispi dem Könige das EntlassungS- gesuch des Gesammtministeriums überreicht habe. Die halb- amtliche „Ag. Stef." ist nr-n, wie schon gesten gemeldet, förm lich ermächtigt, diese und ähnliche Gerüchte auf das Ent schiedenste für unbegründet zu erklären. Immerhin ist die Lage sehr ernst, denn wenn auch dieser Sturm glücklich ab- prallt an Crispi, so folgt ihm in den nächsten Tagen ein neuer von Cavallotti vorbereiteter: Die Enthüllungen über die Beziehungen Crispis zu dem Abenteurer KorneliuSjHerz i'i der mehrfach besprochenen Ordensangelegenheit. Die Bombe, die da gegen den alten Staatsmann geschleudert werden soll, ist in Paris angefertigt worden, und es scheint, daß auch französische Politiker ihre Finger dabei init m Spiele haben; ist ja doch Crispi ein wegen seiner Zuneigung für Deutschland und den Dreibund den Franzosen nicht sehr angenehmer Nachbar. Und wer vermöchte nun heute nach einer langen Reihe aufregender Begebenheiten bei all dem, was Crispi vorgeworfen wird, Wahrheit und Dichtung zu unterscheiden, umsomehr, da die betheiligte Hauptperson lchon die längste Zeit „sterbenskrank" und für die Welt un sichtbar auf sicherem englischen Boden weist? Es scheint, daß der Kampf, den die italienische Opposition gegen Crispi führt, mag ihm auch eine gewisse innere Berechtigung zu stehen, nicht ehrlich gemeint und nicht mit ehrlichen Mitteln gekämpft wird. Das Gedeihen des italienischen Staates, seine Ruhe und die Stetigkeit seiner inneren Entwicklung scheint uns mit Crispi untrennbar verknüpft zu sein, und aus diesen Gründen wünschen wir, daß die Kraft des greisen Kämpen ausreichen möge, auch diesen Sturm abzuschlagen. Deutsches Reich. Bezüglich des Aufenthaltes der Kaiserin auf der Insel Rügen wird der „Strals. Ztg." ge meldet, daß die kaiserlichen Prinzen wahrscheinlich schon am 2. Juli in Dwasiden eintreffen, während die Kaiserin einige Tage später ankommen wird. Für das Gefolge ist nicht die Villa des Herrn Grafen Wachtmeister gemiethet worden, son dern es sind im „Viktoria-Hotel" des Herrn Funck 5 Stuben und 1 Kabinct fest bestellt. Im Schlosse Dwasiden arbeiten zur Zeit Maler und Dekorateure unablässig, um die wünschens- werthen Ausschmückungen zu besorgen, die direkt vom Schlosse das hohe User hinabsührende Treppe, welche bisher etwas steil und unbequem war, wird vollständig erneuert, mit Zementstufen versehen und mit Läuferstoffen belegt werden. In die See hinein wird eine 75 m lange Landungsbrücke gebaut, an welche kleinere Dampfer anlanden können. Dem durch die neue Verordnung über die Bekleidung und Ausrüstung unserer Fußtruppen endgiltig beseitigten Umlegekragen, der eine Zeit lang von einigen Regimentern versuchsweise getragen worden ist, wird in unseren militärischen «reisen sicher nicht nachgetrauert werden. Dieser Kragen war unkleidsam und häßlich, er gab den betreffenden Mann schaften ein unmilitärisches Aussehen. Alle gesundheitlichen Bortheile, die er etwa haben mochte, werden wohl auch durch d»e jetzige Anordnung erreicht werden, wonach die Stehkragen niedriger, und weiter gemacht werden sollen. Auch die sonstigen Neuerungen, namentlich die zum bequemen Oeffnen eingerich teten Knöpfe am Aermel, die bisher nur einen nutzlosen Aufputz bildeten, dürften sich als zweckmäßig erweisen. Einen end- giltigen Abschluß der auf die größere Beweglichkeit und Marschfähigkeit der Fußtruppen gerichteten Aenderungen hat man aber schw-rlich vor sich. Es werden noch weitere Ver suche angestellt, die in absehbarer Zeit zu neuen Anordnungen in der bezeichneten Richtung führen dürften Der Aachener Prozeß scheint auch auf die Verhältnisse in andern Irrenanstalten eine gewisse Rückwirkung zu üben. Aus Württemberg wird gemeldet: Nachdem im Verlage von Robert Lutz ein Druckheft erschienen ist: „Vergewaltigung eines würltembergischen Kaufmanns und Reserveoffiziers", sind aus der Irrenanstalt in Winnenden zwei Personen ent lassen worden, welche zu Unrecht al« geisteskrank festgehalten waren, die Kaufleute N. und Sch. Man sollt's kaum glauben! Der „Reichsanzeiger" schreibt: In der Ansprache des Fürsten Bismarck in Friednchsruh am 9. Juni an den Zentralausschuß des Bundes der Landwirthe war u. A. von Ministern die Rede, die am Amte klebten und sich von der Ministerwohnung nicht trennen könnten. Der Passus wurde in der Presse mehrfach auf den Minister von Bötticher be- zogen. Die Jrrthümlrchkeir dieser Annahme ergiebt sich aus der Thatsache, daß Herr v. Bötticher bereits am 1. Februar 1890 dem Fürsten Bismarck gegenüber den Wunsch aus sprach, aus seinen Aemtern entlassen zu werden, und Bis marck ihn damals im Dienste zurückhielt. Später erbat von Bötticher wiederholt seine Entlassung, die jedoch nicht gewährt wurde, wie aus dem Schreiben des Kaisers vom 29. März 1892 hervorgeht, worin der Kaiser sagt, daß er mündlich Herrn v. Bötticher zu erkennen gab, daß er außer Stande sei, das Gesuch um Entlassung zu gewähren. „Sie wissen, wie hoch Ich die Verdienste schätze, die Sie sich in einer längeren Reihe von Jahren um Reich und Volk erworben und kann, zumal unter den gegenwärtigen Verhältnissen, nicht auf die Hilfe einer so bewährten Kraft, wie Ich Sie in Ihnen besitze, verzichten. Ich halte Mich versichert, daß Ich nicht vergeblich Ihren Patriotismus anrufe, wenn Ich die Aufforderung an Sie richte, auch fernerhin Ihre Dienste in Ihrer jetzigen Stellung Mir und dem weiteren und engeren Vaterlande zu widmen." Aus Lothringen wird der „Tägl. Rundschau" geschrieben: Wie mitunter die reichsländische, insbesondere die lothringische katholische Geistlichkeit gegenüber Allem, was deutsch ist und h.-ißt, sich verhält, davon legt ein neuerlicher Vorfall beredtes Zeugniß ab. In Bolchen besteht ein Verein zur gegenseitigen Unterstützung, „Sscours mutusl" genannt. Für diesen Verein wird alljährlich ein besonderer Gottesdienst abgehalten, zu dem sämmtliche Mitglieder mit der Fahne in die Kirche sich begeben. Bis vor sechs Jahren besaß der Verein eine Fahne mit französischer Inschrift, deren Beibehaltung die Regierung jedoch untersagte. Um wieder eine Fahne ent falten zu können, hat sich neuerdings der „Ssoours nautusl" wohl oder übel eine neue grünseidene Fahne mit deutscher Inschrift zum Preise von 400 Mark angeschaffk. Als am verflossenen Sonntag sich die Mitglieder des „Ssoours mutusl" zum üblichen Jahresgottesdienste mit der neuen Fahne in die Kirche bcgeben wollten, wurde von dem Geist lichen der Eintritt der Fahne untersagt. Die Mitglieder waren in der Kirche, während die mit deutscher Inschrift versehene Fahne draußen bleiben mußte. Erst auf Ver wendung des Vorstände» beim Erzpriester durfte die mit