Volltext Seite (XML)
1. Beilage z«m „Riesaer Tageblatt". «»tatimgdmck und ««lag von Laag«, » »tuterNch w «iisa. — Für di« «»al««, imaaiworMch: Harmana Schmid» in M,sa. 842 Mintag, 18. Oktober 1969, abeudS. 62. Jlhrg. Die Bewegung um Ferrer. Liv Hinrichtung des spanischen Buchhändlers Ferrer Kbt bekanntlich alle Sozialisten und Radikalen in den verschiedenen Ländern, namentlich in Frankreich unk» Jta- lien, in große Aufregung versetzt. Ium Zeichen des Pro teste? sinh wie gemeldet, in vielen Orte» Generalaus- ständs und Massenaufzüge in Szene gesetzt Worden, und es ist, B. in Paris, zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Polizei unk den Demonstranten gekommen. Dabei wird ohne weiteres vorausgesetzt, daß Ferrer Schuld, d. h. seine Teilnahme vn dem Aufstand in Barce lona, nicht erwiesen, daß er nur ein theoretischer Re volutionär gewesen und daß er M Opfer des Kleri- kalismuS gefallen sei. Richt zu bestreiten ist, daß das Verfahren gegen Ferrer an die Praktik» der Inquisition erinnert. Es war nicht nur streng geheim, sondern es sind auch nicht einmal Zeugen in der Gerichtssitzung vernommen Wor den. Mag Ferrer, der ohne, Zweifel eine anarchistische Richtung verfolgt hat, des ihM vorgeworfenen Ver brechens der Anstiftung und Beihülfe zum Aufruhr schulläg sein oder nicht, jedenfalls hat die spanische Regierung den schweren Fehler begangen, die Schuld- Beweise gegen Ferrer vollständig geheim zu halten und durch rücksichtslose Anwendung der Zensur jede Aufklär ung zu unterdrücken. So hat der Gedanke, daß ein nur der klerikalen Herrschaft mißliebiger, aber im juri stischen Sinne nicht schuldiger Mann in den Gräbern der Festung Montjuich nach Kriegsrecht, aber doch wider rechtlich erschossen Worden sei, die heftigsten Ausbrüche des Abscheus gegen die spanische Regierung hervorge rufen. Selbst die konservative Presse Englands, wo seit der Heirat des jungen spanischen Königs mit einer eng lischen Prinzessin ein starkes Wohlwollen für das iberische Königreich herrschte, hat sich jetzt den Protesten toider das Versehren gegen Ferrer angeschlossen und hält nicht mehr mit Sorgen für die Sicherheit des Königspaares und um die künftige Entwicklung Spaniens zurück. Für den kühlen Beobachter besteht nur ein starker Schein für ein begangenes Unrecht. Kleiner unter den Demonstranten vermag die Hauptfrage zu ent scheiden, ob hinreichende Beweise gegen Ferrer Vor lagen oder nicht. Mag Ferrer auch nur durch seine Lehren den Geist genährt haben, der in Barcelona so häufig Bombenanschläge, Brandenstistungen und Metzeleien hervorgebracht hat, so sollte doch die Teil nahme für sein vielleicht widerrechtliches Ende nicht vergessen machen, wieviel Hunderte unzweifelhaft ganz unschuldige Opfer die anarchistischen Bubenstreiche In Barcelona gekostet haben, und wieviel Taufende von Menschen durch sie in Kummer und Not versetzt worden sind. Anderseits ist e8 freilich auch kein Zufall, daß gerade in dem Lande einer unduldsamen, mit Privi legien aller Art auSgestatteten, das Volk in Unbildung erhaltenden Priesterwirtschaft die häufigsten Greueltak die ser Art geschehen sind. —k—- Neber die gestrige« Ferrer-De«v»str>1ivae« seien folgende Nachrichten mitgeteilt: n Berlin. Drei von den Sozialdemokraten ein berufene Demonstrationsversammlungen aus Anlaß der Hinrichtung Ferrers in Barcelona sind vollständig ruhig verlaufen. Es würde «ine Resolution gegen die Ermor dung FerrerS angenommen. — Nach Schluß der Versamm lung, um halb 3 Uhr, begab sich ein Zug, Arbeiterlieder singend, von der Koppenstraße durch die AndreaSstraße nach dem Schlesischen Bahnhof. Zwischen der Mpenicker Straße und 'dem Engelufec wurden die Demonstranten von Schutzleuten zu Fuß, die mit den üblichen Schimpf namen, wie Bluthunde usw. belegt wurden, zurückge drängt, gingen dann aber unter den Rufen: „Hoch Ferrer", „Nieder mit Alfons" wieder vor und konnten erst zum Auseinandergehen veranlaßt werden, als be rittene Schutzleute die Säbel zogen. Sie haben aber in keinem Falle von der Waffe Gebrauch gemacht, obwohl es hiit und wieder zu einem erheblichen Gedränge ge kommen war, so daß einige Personen zu Boden stürzten. Die Polizeimannschaften bewahrten ihre Ruhe, selbst als aus der Menge mit Steinen geworfen wurde. Mehrere Demonstranten konnten darauf sistiert werden und wer den sich wegen groben Unfugs und Widerstandes zu ver antworten haben. I rr Wien. Im Läufe des gestrigen Vormittags fan den änch hier große Protestversammlungen wegen der Hinrichtung Ferrers statt. Die Polizei hatte umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen. )( Paris. Die äußeren Boulevards Waren nach mittags in weitem Umkreise um die spanische Botschaft von zahlreichen Polizeiagenten, Angehörigen der repu blikanischen Gard« sowie von Kavallerie unk' Infanterie bewacht. Bon 3 Uhr an wurden Absperrungsketten ge zogen, um die Demonstranten -U hindern, sich der spa> Nischen Botschaft zu nähern. Sozialistische Ordner hätten in Verbindung mit dem polizeilichen Ordnungsdienst den Auftrag, die TemoustrantenzÜge abzuleiten. Zahlreiche Neugierige, auch Frauen und Kinder, hatten sich bei den Absperrungsposten angesämmelt. Kurz nach 3 Uhr traf in vollster Ordnung ein Demonstrantenzug ein, der die Carmagnole sang und aus dem die Rufe ertönte» „Nie der mit de» Pfaffen", „Nieder mit Spanien", ,,ES lebe Ferrer". ,r Marseille. Nach einem Protestmeeting seitens der Syndikatskammer der Arbeiter, in welchem heftige Reden gegen die spanische Negierung und die Monarchie gehalten wurden, wurde beschlossen, von Montag ab alle spanischen Produkte zu boykottieren. Nach der Ver- sammlung zogen die Kundgeber vor däS spanische Kon sulat, wo sie Periatrufe ausstießen. Das Konsularge bäude war von einer Schwadron des 9. Husarenregi ments bewacht. Die Kundgeber wurden schließlich zer streut. — In Bordeaux fanden Kundgebungen statt, an welchen sich über 3000 Personen beteiligten. Unter Absingung der Internationale und Ausstößen von Periat- rusen gegen den König Alfons zogen die Kundgeber vor das erzbischöfliche Palais, das spanische Konsulat und verschiedene Zeitunqslokale. Zwischenfälle fänden nicht statt. )( Lonbo n. Der Trafalgar-Square War gestern der Schauplatz einer großen Protestkundgebung, bei der die Hinrichtung Ferrers von Abgeordneten und sozialistischen Parteiführern in heftigen Reden verurteilt und König Alfons als blutiger Mörder bezeichnet Wurde. Ein gro ßes Polizeiaufgebot Wir zur Stelle. Tie Ruhe wurde nicht gestört. , ' Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Gegen den Personenkultus in der Sozial demokratie richtet der Schweizer Sozialdemokrat Gustav Büscher, ein Vertreter der radikalen Richtung, eine ver nichtende Kritik. „Noch heute kann ein preußischer Hof- geschichtSschreiber Mit viel mehr Freimut die preußischen Könige kritisieren als ein Sozialist den Charakter und di« tu i!ii! Ms Ile» 18. Wlickii Ms«8. Lebwer gesünäigt Kat äie konservative Lsrtei bei Zer Reiobskinaorirekorm. Dem Zentrum balk sie in äen Lattel, aus Rigenuutr stürrte sie äen Reiekskanrler Bülow. Lvbwere Lasten büräete sie äem kleinen dlanns unä äem Nittelstanäe auk; äie groben Vermögen, iosbesooäers Zer OroLgrunä- besits, wuräsn gesobont. »SMl liMßtAMM Hsll8 flMllks !I> kiSA 'Weits Lreiss unseres Lsebssnvolkss baden 6er konservativen Barts! äie Oeereskolge aukgessgt. ^ueb in unserem Rreise Kuben sieb liberale unä ebsmals konservative Wabler vereinigt unä äem bisksrigen konservativen Vertreter unä äem sorislistiseben Lewerber gegsnübergestellt. < , Unser Xanäiäat ist oationalliberal, er wirä von äen freisinnigen unterstützt. Oie nationallibörsle Bartei ist äie WAnkE sie Kat stets äie Interessen äer Oesamtbsit, niebt äie nur einzelner Ltänäe unä Rlasssn vertreten unä bat stets äss Brinrix gewabrt: Lis bat niebt nur etwa einseitig kür Illäustrie unä Ilsoäel gewirkt, nein, sie bat eine aukriobtigs unä rielbewukts Tätigkeit Liiob kür äen gewerb- lioben Nittslstsnä, Beamte, Oebrer, Arbeiter unä kreie Leruks entkalkt unä »ueb äer Oanäwirtsebakt äen srkoräerliebeo^Lobutn angeäeiben lassen. Wir wablen sm 21. Oktober 1909 rum erstenmal naob äem neuen Wablgesetre, welebes äie Ha»Lerneusruog äer 2. Kammer vorgegeben bat. Oss neue Oesetr erküllt niebt alle Boräeruvgen äer nstiooslbberalen Bsrtei. Oegenüber äer konssrvstiven Nebrbeit äer Orgien Lämmer unä äer Liierung wsr etwas Besseres niebt ru erlangen. Imwsrbin deäsutet äss neue Wablverkabren einen groken Bortsobritt; es gewäbrt äer ^rbeitersobakt, äem Uittslstsnäs unä äem Beamtentums einen größeren Binkluö. L8 Kilt bei äer Wabl, äie Vormaebt äer rüek8Hkrittltvds» konservative» Slekrkeit rill dreedeo, 08 Kilt «l»e» L»88eblLK- Ksbenäen Li»ä»88 äer aut äe» Starr äer diirKeriieke» 6le8vIl8vItall8«rän»stK kivardvitelläv» Loriaiävmokratio r» verbitten. Oss ist U»r moglieb äureb eins liliüklilk Lis kann nur gesobaiksn weräen äureb einen räbe» Dnt8ebviä»»K8kawpk gegen äie Ko»8vrvative Lsrtei, äie (oaeb Bülows Worten) ein krivoles Lpiel mit äen Interessen äer läonarebie unä äes Osnäes getrieben bat. Oie aitebaiaebe» Kon8ervativen baden ibre Lelbstänäigksitsgelüste äen prenöiseben ^.grsrkooservstiven gegenüber seboeU aukgegeben unä Sieb löblieb Unterwerken. Lis sinä niebt besser wie jene. Unser Laväiäst ist äureb seine Lerukstätigkeit mit äen Interessen äss Wablkreises auks innigste verwaebsen, er kennt sie aus eigener ^o- scbauung. Br ist in äer Lage, in Verkassungs- unä Verwaltuogskrsgen aus -iKlltzr Lsnntvis ru urteilen, äem Osmeinwobls äient er seboo seit äabren als Ltaätveroränster unä bat äaäureb auvb Binbliek ins Osmeinäewesen erlangt; äem Lebulsussebusss angsböreoä, kennt er äie Wünsobv unä Leäürkoisse äer Lvbuls unä Oebrersobakt. Leins Beriebuvgen sur Blbsobikkabrt gswäbrleistsn uns sein Bintreten kür äen im Breise so stark vertretenen Lebikkerstanä. Va6 äer Reebtsauwalt Bisober äer ostionsliibm-alen kartei angsbört, verbürgt uns, äak er sein Versxreob«,, naob bestem Ovwisseo kür äss Wok! äer ^llgemsinbeit tätig ru sein, balt. Darum, Wabler, stimmt am 21. Oktober 1909 kür äen liberalen Lanäiäaten ÜMmsII Ii»i>8 l in Kim. Der liberale ablaussobuss. Ltimmaettel sinä von äer Bxpeäition äer «Riesaer Neuesten ^aobriebten" au baden.