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»8 Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag van Langer L Winterlich in.Riesa. — Für dl« Redaktion verantwortlich: Arthur Hühnel in Riesa. DaaaerStag, IS. Aevraar aveadS. ilS. Jahrg. Deutscher Reichstage V Fünft« Sitzung, Mittwoch, den 14. Februar.^.' ^«ur Tische des Bundesrats einige süddeutsche Kommissare. Das Hau« ist stark besetzt, die Tribünen sind überfüllt. - Erster Vizepräsident Scheid em an» eröffnet die Sitzung um 3 Uhr 15 Minuten mit der Mitteilung, daß vom zweiten Vizepräsidenten Dr. .Paasche folgendes Schreiben einge gangen ist: „Dem Präsidium des Reichstage« teile ich hierdurch er. gebenst mit, daß ich mein Amt al« zweiter Bizeprä- stdent hiermit niederlege. Dr. Paasche." (Beifall recht« und im Zentrum, Heiterkeit link« ) Erster Vizepräsident Scheibemann: Ich schlage dem Hause vor, die nunmehr notwendig gewordene Wahl de« zweiten Vizepräsidenten heute sofort nach der Wahl des Präsidenten vorzunehmen. DaS ist nur zulässig, wen» kein Mitglied deS HauseS widerspricht. Ich frage des halb das HauS, ob es mit meinem Vorschläge einverstanden ist. (Widerspruch wird nicht erhoben.) Es erfolgt kein Wider- spruch, wir tveroe» also nach der Wahl des Präsidenten ko- gleich die Wahl deS zweiten Vizepräsidenten vornehmen. Die Wahl de« Präsidenten. ES erfolgt nun die Wahl des Präsidenten durch Zettel. ES wurden 37-1 Stimme» abgegeben. Davon waren 137 Zettel unbeschrieben. (Zentrum und Rechte.) Auf den Abg. Kacmpf (Vp.) entfielen 193 Stimmen. Je eine Stimme erhielten noch die Abgg. Znbeil, (Soz.), Simon (Soz.), Kreth (k.), Tr. Will (Z.) und Graf Op- persdorff (wild). Abg. Kaempf ist also zum Präsidenten des Reichstags gewählt. Auf die Frage des ersten Vize- Präsidenten Scheidemann, ob er die Wahl annehmc, er- klärte er: Ichfiihl« mich verpflichtet, die Wahl an- zunehmen. (Lebhafter Beifall link«.) Präsident Kaempf übernimmt darauf baS Präsidium. ES folgt die Wahl des zweiten Vizeprä- s i d c n t e n. ES werden 371 Zettel abgegeben, davon sind 165 unbe- schrieben. Der Abg. Dove (Vp.) wird mit 191 Stimmen zum zweite» Vizepräsideiitc» gewählt. Außerdem erhielten »och Roeser (Vp.) 3 Stimmen,-Dr. Müller- Meiningen (Vp.) 2 Stimmen, Stadthagen (Soz.) 2 Stimmen. Je eine Stimme erhielten die Abgg. Goth ein (Vp.), Haußmann (Vp.), Simon (Soz.), Dr. Hecks cher (Vp.) nnd Bassermann (ul.). Auf die Frage des Präsidenten, ob ec die Wahl annehme, erklärt Abg. Dove: Ich nehme die Wahl an. (Beifall links.) Das Präsidium ist also gewählt und der Reichstag ist konstituiert. Es wird in die sachlichen Verhandlungen eingetreten. Am Tische des Bundesrats sind erschienen: Wermuth, Delbrück, Kraetkc, Kühn. Ein Antrag auf Einstellung schwebender Strafverfahren gegen die Abgg. Ebert (Soz.), Fischer-Sachsen (Soz.) und Feuerstein (Soz.) wird angenommen. Auf der Tagesordnung steht sodann die Interpellation Bassermann (nl., betreffend die Verhandlungen der Brüsseler Zuckerkonfcrenz. Auf die Anfrage des Präsidenten erklärt der Staatssekretär des Ncichsschatzamts Wermuth: Die Lage dec Verhandlungen über eine etwaige Aendecnng und Verlängerung der Brüsseler Zuckerkonvention gestattet es nach dem internationalen Brauche nicht, die Interpellation jetzt zu beantworten. Sobald cS mir gestattet ist, werde ich cS nicht unterlassen, auf die .Inter pellation zurückzulommen und dem Herrn Präsidenten eine dahingehende Mitteilung zu machen. Damit ist für heute die Interpellation erledigt. Auf der Tagesordnung stehen weiter die Interpellationen Tr. Ablaß (Vp.) und Albrecht (Soz.) betreffend die so fortige zeitweilige Aufhebung deS Zolles auf Mais und Futter gerste uud die Suspendierung des am 15. Februar eintreten- dcn Kartoffclzollcs bis 1. Mai d. I. Schatzsekrctär Wermuth erklärt dazu: Der Reichskanzler wird bereit sein, die beide» Interpellationen im Lause der nächsten Woche an einem, dem Präsidenten noch anzuzeigen« den. Tage zu beantworten. Da die Interpellationen auf das unmittelbar bevorstehende Inkrafttreten des Zolles für Früh kartoffeln hinlvirken, möchte ich hinzufügen, daß Erwägungen darüber schweben, ob und in welcher Weise der Bundesrat innerhalb der ihm zustehenden Befugnisse die Einfuhr von Hosen und Dornen. Roman von Arthur Zapp. 32 Ewald Bohm erhob sich. Kaum aber hatte er dem Frem den ins Gesicht gesehen, als er unwillkürlich stehen blieb, während sich in seinen Mienen Ueberraschung, Erschrecken und eine peinliche Empfindung ausdrückten. Nicht anders erging es dem Besucher. Auch in seinem Gesicht flammte beim An blick des ihnl entgegentretenden jungen Mannes eine glü hende Röte ans, und auch in seinen Augen spiegelten sich Be stürzung und Unbehagen. Ewald Bohm faßte sich, so gut eS ging, und trat näher an die Schranke heran, ans deren Seite Major von Sterneck stand. „Womit kann ich dienen?" Major von Sterneck bewegte die Lippen und schluckte und würgte und legte in seiner ganzen unsicheren Haltung Zeichen einer peinlichen Berlegenhert an den Tag. Endlich brachte er mühsam ein „Verzeihung" hervor. Und gestammelt folgten die abgerissenen Worte: „Wollte mich mal erkundigen — Bri kettpresse. Ilse. Wie teuer das Tausend?" Auch Ewald Bohm war außer stände, den Blick deS alten Herrn mit Gleichmut zu ertragen, von dem ihm einst' bei ihrer letzten Begegnung «ine sd schimpfliche Züchtigung zu teil geworden war. Auch bei ihm kamen die Worte gestottert und ruckweise. „Bedaure! Tausendweise geben wir nicht ab — nur per Eisenbahnwaggon." „Ahl Ach so! Dann entschuldigen Sie!" Im nächsten Moment hatte sich Major von Sterneck um gedreht, um eilig durch die Tür zu verschwinden. Ewald Bohm sah ihm mit starren Augen nach, noch voll Bestürzung und Schrecken, als sei es eine übernatürliche Erscheinung gewe sen, die plötzlich vor ihm aufgetaucht und ebenso rasch wie der in nichts zerflossen. Langsam, nachdenklich kehrte er zu sei nem Pult zurück. Ein Stück der Vergangenheit wurde in ihm wach, ein zartes, süßes Idyll, das Märchen seiner rei- nen, keuschen Jugendliebe. Ja, ein Märchen ivar eS gewe sen, dar plötzlich vor dem grellen Licht der Wirklichkeit zer ronnen war. Und doch war eS einst etwas Wirkliches ge- Kartoffeln vorjähriger Ernt« M ver Zeit vor dem 1. Mat er leichtern kann. (Beifall.) !. Damit sind auch diese Interpellationen vorläufig erledigt. Die erst« Lesung d«« «tat«. Schvtzsekretär Wermuth gibt «inen Rückblick auf die bis herige Entwicklung deS deutschen Finanzwesens. Er vergleicht die Einnahmen mit den Ausgaben und kommt zu den: Schluß, daß Deutschland einen unerhörten Aufschwung genommen habe. Die erste Aufgabe, die die zum ewigen Bunde vereinten Fürsten und Lander übernommen haben, war der Schutz des Bundes gebietes. Da da« Reich diese wichtige Aufgabe übernahm, mußt» cS sich auch eines Teiles der bisherigen Einnahmen der Bun desstaate» bemächtigen. Ein falsches Zahlensptel aber ist eS, wenn behauptet wird, daß die meisten Ausgaben des Reiches aui Heer und Marine entfalle». Der Schatzsekretär lveist das zahlenmäßig nach Das Reich ist es den Bundesstaaten, der Bevölkerung und seiner eigenen Machtstellung schuldig, seine Wehrkraft auf der Höhe zu erhalten. (Beifall.) In dieser Be ziehung ist mchtö übertriebe» uno nichts verabsäumt worden. (Beifall.) Der Schatzsekrctär schildert dann die Entwicklung des Anleihewesens. Vis 1877 wurde eine Anleihe nicht aufgenommen. Dann wuchsen sie aber schnell. Im Jahre 1909 hatten wir 2,7 Milliarden Schulden. Insgesamt betrugen die Schulden des Reiches und der Bundesstaaten Anfang 1910 .etwa 19,2 Milliar den, seitdem dürfte eS noch eine Milliarde mehr geworden sein. Die militärischen Ausgaben sind für das Reich unzweifelhaft die wichtigsten. Denn hier hat das Reich seine Hauptaufgabe uud seine größte Verantwortung. Aber man genügt dieser Verantwortung nicht, wenn man Wehrvorlagcn zwgr bewilligt, aber vyr der Deckung die Augen schließt in der .Hoffnung, daß die Zukunft das Versäumte schon nachholeu wird. Das heißt nichts anderes, als die Fürsorge für die Existenz der Nation ans eine spätere Generation abschiebcn. Denn auch für unsere Nachkommen wird vermutlich noch der Satz gelten, daß gesunde Finanzen auch die Grundlage unserer Wehrkraft bilden. Wir habe» uns dieser Einsicht nicht entzogen und zweimal kurz hintereinander in großem Maßstabe neue Deckungsmittel ge schasst, nicht ohne schwere politische Erschütterung. Aber wenn man einem durchgehenden Rotz die Zügel wieder anlegen will, so läßt sich das nicht mit einem Ruck erreichen. Wrr haben daher die Anleihen auch jetzt noch nicht ganz vermeiden können. Der Schatzsekretär stellt in Aussicht, datz die Schulden tilgungsbeträge diesmal wirklich ihrer Bestimmung zugefühut werden können. Der Redner beschäftigt sich eingehend mit dem System der Matrikularbeiträge. Die gestundeten Matvikular- beitrüge sahen allmählich einer bedingten Anleihe zum Ver wechseln ähnlich. (Zustimmung.) Das war eine Zeit der größten Unsicherheit. Ueber den Bundesstaaten schwebte wie eine drohende Wolke die Wiedereinziehung der MatrikulavbettrZge. Diese sind nach wie vor «in wünschenswertes und unentbehr liches Bindeglied zwischen Reich uud Bundesstaaten, aber sie find nicht mehr der wesentlichste Bestandteil der Reichscin- nahmen, weil oie Leistungsfähigkeit der Bundesstaaten gegen über dem ungeheuren Reichsbedarf keineswegs unbegrenzt ist, zumal daS Reich sein eigenes Steuergebiet wesentlich ausge dehnt hat. Wollen wir die Deckungsfrage ernstlich ins Ange fassen, so müssen wir unser eigenes Gebiet bearbeiten, das der Zolle und Reichsabgaben. (Zustimmung.) Der Schatzsekretär geht dann aus die Erträge der einzelnen Steuern ein und stellt fest, daß die Einnahme aus dem Getreidezoll lvegen der An rechnung der Einfuhrscheine abgenommen hat, ähnlich liegt cS mit der- Zuckersteuer. Bei den Getreidezöllen, Zuckersteuer nnd Mltzabgckien spiegelt sich das tatsächliche Ergebnis von 1911 in -den Schätzungen für 1912 nicht vollständig wieder. Immer hin ist ter Fortschritt von 1912 gegen 1911 gegenüber dem Vorjahre ein lvesentlich größerer. Der Schatzmeister stellt einen Fortschritt der gesamten Zoll- und Steuereinnahmen fest. Im Durchschnitt der Jahre 1907 bis 1908 sind 1159 Millionen eingekominen, 1909 1358 Millionen, 1910 1513 Millionen und 1911 werden cS sicher über 1600 Millionen sein. Die sonstigen Einnahmen entwickeln sich im ganzen normal. Der Schatzsekrctär bespricht dann die einzelnen Etats und stellt fest, daß die Kosten für das neuerworbene Gebiet Neukamerun sich noch nicht be rechnen lassen. Eine Erhöhung der Beamtenzahl ließ 'sich nicht umgehen. Der Etat beruht im allgemeinen auf denselben Grund sätzen wie seine Vorgänger. An dem bisherigen System soll fcstgehalten werden im Interesse einer gedeihlichen Weiter^ cntwicklung des Reiches. (Beifall.) " L DaS Haus vertagt sich. , Weiterbcratung: Donnerstags Schluß 5-/t Uhr,! wesen, das ihn mit Freude und Glück und Enthusiasmus er füllt hatte und das auch jetzt noch in der Erinnerung fein Herz in Wonneschauern erbeben ließ und zu schnellen, stür mischen Schlägen antrieb. Von der Familie Sterneck hatte er in den letzten fünf Jahren nichts mehr gehört. Nur kurz nach der Trennung hatte er in der Zeitung von der Verab schiedung des Majors gelesen. Und nun hatte die plötzliche Begegnung ihn weich und träumerisch gestimmt, wie er seit langem nicht gewesen und hatte ein Sehnen in ihn, entzündet, das ihn unruhevoll und zerstreut machte und doch auch zu gleich füße, beseligende Empfindungen in ihm erwachen ließ, die lange, lange in seiner Brust geschlummert hatten. Weniger erfreulich war das, was Major von Sterneck empfand, als er schwerfällig die Treppen in dem Geschäfts hause hinabstieg. Ihm war bei der plötzlichen Begegnung ganz heiß geworden. Don all-.« peinlichen, demütigenden Empfin dungen, die er in den letzten Monaten dnrchgekostet hatte, war daS die peinlichste gewesen. Nur gut, daß ihm im kritischen Moment noch die Ausrede eingefallen und daß es ihm erfpart geblieben war, seine ganze erniedrigende Lage zu offenbaren! Als er wieder auf die Straße gelangt war, blieb der Ma jor überlegend, unentschlossen stehen. Ob er weitere Versuche machte? Er stöhnte in sich hinein und zog sein Tafchen- tuch, um die feucht gewordene Stirn zu trocknen. Und dann entschloß er sich, nach Hause zurückzukehren. Der Schreck steckte ihm noch in allen Gliedern. Für heute hatte er den Mut verloren, den Märtyrerweg fortzusetzen. Zwei Tage lang blieb er zu Hanse, dann ermannte er sich von neuem. Seit Wanda hochherzig zu einer Arbeit gegrif fen, für die sie nicht erzogen mar, hatte es auch ihn zu Hause nicht länger gelitten. Er hatte sich gesagt, daß er kein Recht habe, die Hände müßig in den Schoß zu legen, wenn sein zartes Töchterchen sich nicht scheute, Anstrengungen und Demütigungen auf sich zu nehmen, uni ein paar Mark zu ver dienen. Wenn auch sein rheumatisches Leiden, das oft seinen Arm fast unbeweglich machte, ihn hinderte, eine regelmäßige Bureautätigkeit auSzuüben, so konnte er doch noch gehen und reden. Und so war er wieder ganze Vormittage unterwegs, um «ineni heimlichen Berufe nachzugehen, der ihm die Mög lichkeit gewahrte, zu seiner kargen Pension etwas hinzuzuoer- TSchfischsr Landtag. Original-Bericht. )( Dresden, 14. Februar 1912. Zweite Kammer. In der Diplomatenloge wohnt Kronprinz Georg in Begleitung seine« Adjutanten Major« O'Byrn der heutigen Sitzung bei. Präsident Dr. Bogel begibt sich auf die Tribüne, um ihn zu begrüßen. Auf der Tagesordnung stehen 5 Anträgd betr. Neu regelung deS Beamtenrechts. Auf Vorschlag del Direk torium« beschließt da« Hau«, sämtliche Anträge gemeinsam zur Beratung zu stellen. Abg. Kletnhempel (Natl.) be- aründet seinen Antrag wegen Abänderung de« Gesetze« vom 23. August 1878, betr. da« Disziplinarverfahren gegen städtische Beamte. Die in dem Antrags ge- nannten Beamten seien ungenügend geschützt, wenn sie in ein Disziplinarverfahren verwickelt würden. Diese Beamten wünschten daher ihre Einbeziehung in das Gesetz von 1878. Der Staatskasse würden dadurch keine erheblichen Kosten erstehen. Abg. Echan, (Kons.) begründet sodann seinen Antrag, das gesamte Beamtenrecht einer grundsätzlichen Neu- ordnung zu unterziehen. Der Beanttenstand habe sich durch die moderne Entwickelung ungeheuer vermehrt und könne ein ganz anderes Recht beanspruchen als früher. Die sächsischen StaatSdienergesetze mit ihren Abänderungen und den 16 einzelnen Gesetzen, die hierüber im Lause der Zeit erschienen, hätten ganz unhaltbare Zustände geschossen. Man müsse jetzt der Entwickelung auch gesetzgeberisch ent gegenkommen. Abg. Dietel (Fortschr.) begründet sodann den Antrag seiner Parteigenossen, der ebenfalls eine einheitliche Neu regelung des gesamten veamtenrechie» verlangt. Redner betont besonders, daß die staatsbürgerlichen Rechte den Beamten unter allen Umständen gewährleistet werden müßten. DaS Gesetz müsse den Beamten ein selbständige« Denken und Handeln zusichern und ihr Verantwortlichkeits gefühl erhöhen. ES frage sich vielleicht, ob eS nicht ange bracht sei, ein selbständiges Gemeindebeamtenrecht vorzulegen. Jedenfalls sei der Wunsch der Gemeindebeamten nach einem solchen Gesetze sehr dringend. Nachdem Abg. Seyfert (Natlih.) seinen Antrag be gründet und sich im wesentlichen in demselben Sinne wie seine Vorredner geäußert hat, führt Abg. Schnabel (Kons.) in Begründung seine- Antrages betr. das Steuerfünftel u. a. aus, daß eS angebracht erscheine, die Wohltaten de« sogenannten „BeamtenfünstelS" denjenigen Beamten zugute kommen zu lassen, die 1908 dienstlich außerhalb Sachsen« versetzt gewesen sind. Staatsminister Traf Vitzthum von Eckstädt: Wa« den Antrag Kleinhempel anlangt, so ist die Negierung nicht abgeneigt, die Frage wegen Erstreckung des Disziplinar verfahren« auf weitere Kathegorien von Gemeindebeamten zu ordnen, doch kann sie sich nicht verhehlen, daß ihr gegen die Zweckmäßigkeit einer solchen Maßnahme doch Bedenken beikommen. Der AmtShauptmann, der im täglichen Ver kehr mit den Beamten steht, und der Bezirksausschuß scheinen kompetenter füt die Beurteilung zu sein, als ein hoher Gerichtshof, der den einschlägigen Verhältnissen fern steht. WaS die Anträge Dr. Schanz und Dr. Roth an langt, so verkennt die Regierung nicht, da» Verbesserungen deS gegenwärtigen RechtSzustandeS möglich sind. Aber eine Erfüllung aller Wünsche kann die Regierung nicht zusagen. Sie erachte die Angelegenheit auch nicht für so dringend, daß andere wichtige gesetzgeberische Aufgaben zurückstehen müßten. Der Staat arbeite aber unablässig an der Besse dienen und Ersparnisse zu machen, mit denen er seinen Söhnen bei gelegentlichen Verlegenheiten beispringen konnte. Frau von Sterneck war über die häufigen, laugen Aus gänge ihres MauneS nicht wenig erstaunt. Ihre gelegent lichen Fragen beantwortete er ausweichend. Das viele Sitzen »u Hause bekomme ihm nicht. Er müsse sich Bewegung schaf fen. Eines Tages schlich sie ihm, ernstlich beunruhigt, nach. Sie sah, wie er die Potsdamer Straße hinunterschritt, in der Richtung nach dem Leipziger Platz. Vorsichtig folgte sie ihm in geringer Entfernung. Sie erstaunte nicht wenig, als sie be merkte, wie er verschiedene große Geschäftslokale betrat, fast immer aber schon nach wenigen Minuten erschien. Auch fiel es ihr auf, daß seine Haltung, so oft er ein Geschäft verließ, eine müde, mutlose war, daß seine hohe, kräftige Gestalt, die sich sonst noch immer militärisch straff hielt, mehr und mehr in sich zusammensank. Eine so tiefe Niedergeschlagenheit drückte sich in seinem ganzen Wesen auS, daß cS sie tief ergriff, und daß sie eS endlich nicht länger niit ansehen konnte. Und so trat sie ihm, als er eben wieder aus einem Geschäftslokal Herauskain, entschlossen entgegen. Der Major stutzte nicht wenig und schrak unwillkürlich heftig zusammen. Aber er faßte sich rasch und fragte lächelnd: „Machst Du Dir auch 'n bischen Bewegung, liebe Edith?" „WaS hast Du in dem Geschäft da gemacht, Bodo?" fragte Frau Sterneck und sah ihrem Gatten voll Mitleid mdaS blasse, erschöpft aussehende Gesicht. „Ach, nichts — nichts besonderes," erwiderte der alte Herr. „Ich habe mich nur nach — nach etwas erkundigt." „Und in den anderen Geschäften, Bodo, die Du vorher besucht hast?" Er sah die Fragende bestürzt, verwundert an. — „In den anderen Geschäften ?" stammelte er. Sie nickte. Eine peinliche Empfindung malte sich in den zuckenden Mienen deS MajorS. „Also nachspioniert hast Du mir, Edith?" „Ja. Ich mußte doch eiumal sehen, womit Du Deine Vor mittage verbringst." Und als er noch immer nichts erwiderte, sondern finster zu Boden starrte, griff sie nach seiner Hand. 195,20