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1. Beilage znni „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer t Winterlich in Riesa. — Mr dir Redaktion verantwortlich: Arthur Hilhnel in Riesa. öU 2SS. Sonnabend, 18. November l»1I, abeabS. «4. Jahr». —ü-"'—M— >>> -» -'-' 'M ' « l>« Stiel Mn Mn Iii in Alkti. Wie au« Malta und Tripoli« gemeldet wird, herrscht dort gegenwärtig schon so schlechte« Wetter, daß an «in Fortsetzin der Operationen nicht gedacht werden kann. Der Sturm an der Küste war so furchtbar, daß die italienischen Krieg«schiffe und Transportdampfer Befehl erhielten, die tripolitantschen Gewässer zu verlassen und in die hohe See zu gehen, um-Nicht durch die Gewalt de« Orkan« an die Küste geworfen zu werden. Die Straßen in der Nähe und vor Tripoli« sind infolge der heftigen Regengüsse ganz un brauchbar geworden. Ebenso wurden auch die von den Truppen aufgeworfenen Gräben vollständig zerstört. Die jenigen italienischen Truppenkörper, die außerhalb der Stadt liegen, haben unter der Ungunst der Witterung sehr zu leiden. Die Truppen waren genötigt, zurückzugehen und die Postenltnie hinter Bumiliana aufzustellen. Zurzeit sind alle 6 «eroplane unbrauchbar. Statt ihrer steigt ein Fessel ballon täglich auf. — Am Sonntag mittag sandten die Italiener sechs vornehme Bürger von Tripoli« mit Geiman- vei al» Sprecher zu den Arabern hinan», um mit den Arabern zu verhandeln. Sie brachten al» Antwort wörtlich folgendes: »Für un» ist nebeneinander nicht Platz; wir sterben oder Ihr!- Wie der Deutschen Tageszeitung au» Kairo geschrieben wird, haben die Senussi in Tripolis tat- sächlich den heiligen Krieg erklärt. ES bestünde Ge- fahr, daß die Brandfackel auf den ganzen Orient über springen und di, Wut aller Mohammedaner gegen die Christen im Orient wenden könne. Die Tribuna und dec Corriere d'Jtalia fordern die italienische Regierung auf, sofort erneute Maßnahmen gegen die gefährliche Einschmuggelung von Kriegskonterbande über Aegypten nach Tripolis zu ergreifen. Bon dort und auch von Tunis her gingen beständig in einem glänzend orga nisierten Schmuggeldienst große Mengen von Munition und Lebensmitteln nach dem türkischen Lager in Tripoli». Die Hauptpunkte dieses Verkehr» seien die türkische Militär station Holun an der ägyptisch-tripolitanischen Grenze und die tunesische Insel Djerba. Bon beiden Richtungen her gelangten fortwährend auch türkische Offiziere in großer An- zahl nach Tripoli», um die Reihen der Kämpfer zu ver stärken. Allein von Aegypten au» seien 300 «»mantsche Osfizier», die gleichzeitig die Urberbringrr großer Geld summen waren, zum türkisch-arabischen Heer in Tripoli- tanien gestoßen. Der Aufstaad i« China. Da« diplomatische Korp» in Peking erklärt« der chine sischen Regierung, sie möge dafür sorgen, daß sich solche Vorgänge, wie da« Blutbad in Nanking, nicht wieder holen. Auch in verschiedenen anderen Städten seien ähn lich« Greuelszenen vorgekommen. Der Time» wird hterzu au« Schanghai gedrahtet, daß die Stadt Nanking von der Außenwelt vollständig abgeschnitten sei. Ans die Einladung Liyuanheng», de» Führer» der Auf ständischen, sind die Vertreter aller leicht erreichbaren Pro vinzen am 13. und 14. November in Schanghai zusammen getreten und haben über die Lag« beraten. Im Anschluß daran hat Liyuanheng die Konsuln in Hanlkau davon in Kenntnis gesetzt, daß die republikanischen Staaten Vertreter zu einer Zentralregierung gewählt hätten, die in Wutschong eingerichtet werde, und die Konsuln dringend erslrcht, die vereinigten Staaten anzuerkennen. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Da» Plenum des mecklenburgischen Land- tage- beriet darüber, ob in eine Beratung der neuen Ver fassungsentwürfe der Schweriner Regierung einzutreten sei. Nachdem die Landschaft unter sich beraten hatte, lehnte sie die Vorlage ab. Die Ritterschaft nahm die Vorlage im Prinzip an. Beunruhigende Gerüchte, die über da» Befinden der Kaisers verbreitet sind, sind durchaus unbegründet. Der Kaiser hat seinen üblichen Herbstschnupfen, schon am Mittwoch bei der Rekrutenoereidigung merkte man e« ihm 1 deutlich an, daß er erkältet war. Sr hustete auch etwa« leicht. Da« Gesamtbefinden de» Kaiser« ist aber vortresflich und bei seiner Erkältung werden nur die üblichen Vorsichts maßregeln gebraucht, dje sich seit längeren Jahren al« vor züglich bewährt haben. In München hat eine au» allen Landerteilen telegra- phisch einberufene Konferenz der beiden großen linken Parteien denGroßblock zwischen Liberalen und Sozialdemokraten beschlossen und für beide Teile verbindlich gemacht. E« besteht die Wahrscheinlichkeit, daß sowohl die altbayrischen vauernbündler al» auch die Kon servativen sich diesem Abkommen anschließen werden, um eine geschlossene Phalanx aller nichtkatholischen Parteien gegen das Zentrum zu erzielen. — Die bayrischen Neu wahlen sollen, weil die Vorarbeiten kollidieren, nicht mehr vor den ReichSlagSwahlen stattfinden. Von den preußischen HandwrvkSlkan.i:e-u sind fol gende Leitsätze über die rechtliche Stellmig der weib lichen Gesellen und Meister im Handwerk fest gesetzt worden, die nun Gültigkeit haben. 1. Die im Handwerk tätigen Frauen haben dieselben Rechte und Pflichten wie die Männer, wenn nicht besondere gesetz liche Bestimmungen diesen widersprechen. Tie weib lichen Lehrlinge sollen in bezug ans die Tauer der Lehrzeit keine Vorteile gegenüber den männlichen Lehr lingen haben. 3. Die im Handwerk tätigen Frauen, welche die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen er worben haben, sind verpflichtet, ihre Lehrlinge bezw. Lehrmädchen unter Vorlegung der ordnungsmäßig ab geschlossenen Lehrverträge bei den Handwerkskammern bezw. bei den Innungen anzumelden. Dasselbe gilt für solche Personen, die in dem Gewerbe mit düin Ziele ausgebildet werden, das Gewerbe nur im Haushalt zu verwerten. Tie entsprechenden Vertrüge dürfen nicht für eine längere Tauer als sechs Neonate abgeschlossen werden. 4. Prüfungsordnungen sind für das Damenschnei der-, Damenfrisier- und Pntzmachcrinnengelv'erbc zu er lassen. 5. Frauen lvnnen zur Meisterprüfung bis zum 1. Oktober 1913 zugelassen werden, wenn sie entweder !V?S Seors N. laLwcrtri ir^i I^> i^j Das Geheimnis der Akuten. Roman von Jenny Hirsch. 45 „Und da» läßt sich die Tomsen auch gefallen? Wahrlich, eS geschehen noch Wunder!" lachte Elster, „da werde ich denn wohl kommen müssen. Doch halt, nein, führe sie hierher in den Garten," rief er dem sich entfernenden Diener zu; es wurde ihm zu schwer, an diesem entzückenden Morgen schon jetzt in das Zimmer znrückzukehren und überlegte schnell, daß er das Anliegen der Fremden auch im Freien hören könne. Wenige Minuten später erschien eins jugendliche Frauen gestalt in Halbtrauer am Eingang des Gartens und kam mit leichten, elastischen Schritten auf den ihr langsam ent gegenkommenden Konsul zu. Als er ihr nahe genug gekom men war, um sie genauer betrachten zu können, mußte er im stillen dem Geschmack seines Dieners volle Anerkennung zollen, denn er blickte in ein sehr anziehendes Gesicht, das ihm freilich völlig unbekannt mar. „Sie haben mich zu sprechen gewünscht, mein Fräulein," redete er sie wohlwollend, aber doch gemessen an und war sehr angenehm betroffen von dem Wohllaut ihrer Stimme und dem ungezwungenen, natürlichen Anstande, womit sie antwortete: „Verzeihen Sie, Herr Konsul, daß ich Sie zu einer so frühen Stunde überfalle." „Mit wem habe ich das Vergnügen und womit kann ich Ihnen dienen?" fragte der Konsul, und nnn flog über das Gesicht des jungen Mädchens eine dunkle Nöte, eine gewisse Unsicherheit trat in ihr ganzes Wesen und mit gedämpfter Stimme antwortete sie: „Mein Name ist Christine Pöplau." Die Stirne des Konsuls faltete sich; unwillkürlich trat er einen Schritt zurück und in merklich kühleren« Tone sagte er: „Sie sind eine Tochter des verstorbenen Försters Pop lau in Lindental?" „Und die Schwester dcS unglücklichen jungen Mannes, den man des schweren Verbrechens an Ihrem Mündel beschul digt; ich finde eS sehr begreiflich, daß mein Name Ihnen nicht üngenehm klingt." , „Sie können weder etwas für Ihren Namen, noch für Ihren Bruder," rwiderte schm« elwaS miloer der llvuiül. dessen Gerechtigkeitsgefühl schnell die Oberhand erhielt. „Wenn Sie freilich, wie ich verinute, in seiner Angelegenheit kom men, so muß ich mich entschieden ablehnend verhalten; ich kann nichts für Sie tun, und könnte ich es, so wollte ich es nicht," fügte er hart hinzu. „O, sagen Sie das nicht," bat sie, das schöne Auge, in dem eine Träne schimmerte, zu ihm erhebend. „Sie ver leumden sich selbst; wer gegen alle Menschen so gut und hilfreich ist..." „Das hat doch eine Grenze, mein Fräulein," erwiderte der Konsul, aber es klang schon etwas unsicherer. „Sie haben mich mit einer festen Zuversicht erfüllt, die auch Ihre abweisenden Worte nicht erschüttern können, in dem Sie mich in Ihrem Garten empfangen," fuhr sie fort und ließ ihre Augen ringsum schweifen. „Alles, was ich hier sehe, heimelt 'mich so sehr an, mir ist, als begegne mir der Geist meiner guten Mutter." „Wieso?" fragte der Konsul verwundert. „Meine Mutter ist eine leidenschaftliche Gartenfreundin." . „Und treibt Blumenzucht?" fragte der Konsul interessiert. „In ausgedehnter Weise und mit vielein Glück," entgeg nete Christine; „der Garten des Forsthauses ist nicht so groß wie dieser, aber es blüht und duftet in ihm vom ersten Früh lingstage bis spät in den Herbst. Auch im House ist fast kein Plätzchen, wo nicht Pflanzen in Töpfen und Kübeln auf- gestellt wären." „Haben Sie auch Rosen?" erkundigte sich der Konsul. „O gewiß, an zweihundert Arten, alle selbst gezogen." „Sie verstehen sich auch daraus?" „Ein wenig." „O, da müssen Sie sich meine Rosen genauer ansehen," rief der Konsul und wollte seine Schritte nach den Rosen beeten lenken; doch er blieb stehen, voll Beschämung war er sich bewußt, daß sein Steckenpferd mit ihm,einmal wie der durchgegangen war. „Sie Haven anderes im Sinne," ver setzte er. „kommen Sie." Er führte das junge Mädchen nach einer Gartenbank, die hinter einen« gußeisernen Tisch unter einer Hängebirke in einein von der Sonne ivie vor dem Zugwind gleich ge- schüh'en Winkel stand, von dein ans mar« den größeren Teil des Gartens übersehen kouute. Hrer ließ er ste ruedersetzen und nahm neben ihr Platz, gespannt, was sie von ihin wissen wolle, und war sehr geneigt, wenn irgend möglich, ihr bei zustehen. DaS Interesse, das ihm ihrs Persönlichkeit einge flößt hatte, war durch ihr Verständnis und ihre Vorliebe für den Gartenbau noch bedeutend verstärkt worden. „WaS wünschen" Sie also von mir?" fragte er, da Chri stine keine Miene «nachte, das Gespräch zu beginnen. Sie schwieg noch einige Augenblicke und sagte dann, wie eS ihm scheinen wollte, ziemlich unvermittelt: „Herr Konsul, Sie haben eine sehr schlechte Meinung von meinein Bruder." „Aber, mein Fräulein, wie kann ich anders, nach allem, was geschehen ist." „Ich meine «richt erst jetzt, sondern früher. Sie hätten als Lydias Vormund nicht zugegeben, daß sic meinen Bruder geheiratet hätte." Dem Konsul ward es unbehaglich. Er hatte einen Zweig von der Birke gebrochen und zerpflückte ihn in der Hand ; das junge Mädchen hatte eine so eigens Art, die Tinge zn behandeln, ihr klares Auge schien ihm bis auf den Grund der Seele zu schauen. „Sie scheinen mir eine so verständige Dame, Sie können also nicht übersehen, daß es Unterschiede gibt, die man nicht unberücksichtigt lasser« darf. Ihr Bruder war für mein Mündel keine Partie, mein Freund Raffer würde die Heirat nie zilgegeben haben, ich als sein Vertreter «mißte in seinem Sinne handeln." „Sie mögen von Ihrem Standpunkte aus recht haben, Herr Konsul, aber «nein Bruder hat sich ja redlich Mühe gegeben, diesen Unterschied auszugleichen. Er hat die höhere Forstkarriere eingcschlagen, konnte Oberförster, Forstmeister, Forstrat werden, das hätte doch Fräulein von Rufsers Le bensstellung entsprochen." Der Konsnl sah sich in die Enge getrieben; er konnte den« klugen Mädchen doch nicht Lydias neugebackenen Adel ent- gegenhalten, und sein Takt verbot ihm, das Vermögen seines Mündels geltend zn machen. Beschämt gestand er sich, daß ec in dieser Sache sich doch von Herrn von Noßwitz hatte be einflusse«« lassen. Aber da war ja auch der rettende Aus weg schon bei der Hand und er sagte: „Hätte Ihr Bruder diese Karriere ehrenhaft verfolgt, wäre ihm nichts vorzu werfen gewesen, so wäre eS nicht unmöglich, daß ich mich doch bewogen gefühlt hätte, meine Einwillignng zu geben." 191,20