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r-, <2 »-» » NV 8 'L ^8 - L »ZH'S § V L L k» L L 'S Z SLVrSS? »Lchhört ein Bächlein rauschen ioohl au- dem Felsenquell, Hinab »uni Tale rauschen, so frisch und wunderhell- Ich Weitz nicht, wie mir wurde, noch wer den Rat mir gab, Ich mußte gleich hinunter mit meinem Wanderstab!" „Ach ja, ich mußte gleich hinunter," dachte Klärchen, aber nein, sie durste ja nicht mehr an ihn denken, sw sollte ja August heiraten. Sie hob den Blick von der Liefe und sah zu dem Stückchen dunklen Himmel auf, an dem die Sterne funkelten. Und wieder schweif ten ihre Gedanken zu ihm. Ob er wohl auch jetzt zu denselben Sternen zu ihm. Ob er wohl auch jetzt zu denselben Sternen aufsah? Vielleicht stand er aus dem verdeck des Schiffes; ob er auch an sie dachte? Wie frisch der Mnd, der Seewind, von dem er ihr so oft erzählt hatte, ihn wohl umwehte, wie die Wogen rauschen und die weißen Schaumköpse leuchten mochten; sie bog sich weit aus dem Fenster, die kühle Nachtluft tat ihr wohl, sie stand im Geiste neben ihm, und sie fuhren hinaus in die weite Welt, weit, weit, hinaus! — Rein, nein, sie mußte hier bleiben; sie schlug das Fenster wieder zu, der Morgen dämmerte schon, als ihr die Augen zuficlen und sie in einen unruhigen Schlummer sank. Sieträumte, sie stände wirklich neben Heinz, und er hielt sie wieder in den Armen, wie an jenem Abend, es war aber dunkel, sie konnte sein Gesicht nicht sehen, und dann schien plötzlich die Sonne, da sah sie, daß eS nicht Heinz, sondern August war, und sie wollte sich losmachen, aber er drückte sie immer fester an sich, bis ihr der Atem verging und sie mit einem Schrei erwachte. Es war Heller Morgen, die Sonne schien ihr ins Gesicht. Ach, wieder «in neuer Tag! — Auch in dieser schrecklichen Zeit waren die kurzen Viertelstunden, die Klärchen bei der Großmutter sein durste, ihre einzige Erquickung. Immer hatte die Blinde einen Trostspruch, eine zarte Liebkosung, ein unaus gesprochenes: „Ich verstehe dich!" für sie bereit, war eS ihr, als komme etwas von dem Geiste des Friedens über sie, der die alte Frau umwehte. So verging die Zeit, und der Hochzeitstag rückte heran. Di« Mutter schickte klärchen am Tage vor her zu der säumigen Schneiderin, die das Braut- Neid »noch nicht abgelrefert hatte. Es war Nachmittag, und «in -rauer Wollenhimmcl drohte mit Regen Der Wind trieb braune, welke Blätter vom Apfel- bauH» im Gärtchen gegen die Fenster, eS war einer jener unfreundlichen Spätsommertage, die den nahen tzvchft verkünde«. Klärchen duldete schweigend, während sie daS Brautkleid noch einmal anprobieren mußte, die Geschwätzigkeit der Echneidermamsell, hse das große Glück der jungen Braut pries, Herrn August als den solidesten aller jungen Lübecker Herren mit Lob über schüttete und an dem weißen Seidenkleid« die Bortrefs- lichkeit des Stoffe» und die gediegene Ausschmückung hervorhob. Aufatmend verließ Klärchen das Haus und eilte der Menge-Straße zu. Ihr Weg führte sie an der Marienkirche vorüber. Die Tür stand auf. Eben ergoß sich ein Regenschauer, und der Wind trieb das Wasser unter den Schirm, den Klärchen nicht zu halten ver mochte. Sie trat unter da- Portal der Kirche. Eine Sehn sucht nach Stille überkam sie plötzlich. Sie öffnete die nur angelegte Tür, die in daS Innere führte, und trat in die mächtigen Hallen ein. Langsam ging sie weiter. Wie e» ihr Wohltat, so allein in dem stillen wunderschönen Raume zu sein. Es kam ihr vor, als spüre sie die Nähe des unsichtbaren Gottes- als wehe sein Geist um die mächtigen- hohen Säulenbündel, als schwebe etwas von den« Ewigkeitshauch unter den aufstrebenden Spitzbogen. Draußen pfiff der Wind um die Sicken Mauern, urü> der Regen plätscherte -egen die hohen Fenster, aber hier drinnen war es totenstill. Sie schritt in dem linken Seitenschiff bin. eS wär leise dämmerig unten über den grauen alten Grabplatten- die den Fußboden teilweise bedeckten; dunkelmächtig hingen die schweren, geschnitzten Holz epitaphien an den weißgrauen Wänden und Pfeilern, nur oben brach fahles Licht durch die Scheiben. Klärchen blieb hin und wieder vor einem der Epitaphien stehen. Nur die stillen Toten waren hier. „Hinter ihnen liegt die Qual, alle Lust und alles Leid des Lebens," dachte sie. Hier erschienen die Jahrhunderte wie ein Traum, der verrauscht war, und das Menschenleben so Nein, alle seine Arbeiten und Sorgen und Schmerzen so nichtig, so flüchtig. Klärchen hatte das Gefühl, als schrumpft« auch ihr Leid zusammen zu einem Seufzer, den der Wind verweht. Da hörte sie Stimmen; von der Apsis her, wo die berühmte Uhr steht, kamen Schritte, der Küster führte wohl Fremde durch die Kirche. Rasch schlüpfte das Mädchen in eine Seitentttr, sie wollte keinem Men schen begegnen. In dem Raume, den sie betreten hatte, war es Heller als in der Kirche, und rings an der Wand umgab sie ein buntfarbiges Gewimmel. Es war der berühmte Totentanz In der malerisch bunten Tracht des fünfzehnten Jahrhunderts umgaben die lebensgro ßen Gestalten, vom Bettler bis zum Kaiser und zum Papst, durch alle Stände hnckurch, den Raum, und zwischen ihnen, wie die verbindende Schnur tanzte in steter Wiederholung das graubraune Gerippe, der Tod, "dem sic alle nicht entrinnen konnten. Klärchen war noch nie in diesem Raume gewesen. Anfangs schauderte sie, aber dann schritt sie von Gestalt zu Gestalt, eS schien ihr, als seien eS die Bildnisse aller derer, die dort nebenan in der Kirche schliefen. Als sie an das Bild Jungfrau kam, die im roten Kleid und im Schmuck c Jugend an den grausen Reigen angeschlosfen war, durchzuckte sie plötzlich der Gedanke: „O, wenn auch du jetzt sterben könntest!" Und er ward zum heißen Wunsche. Sie sank vor dem Bild auf die Knie, aber es durchzuckte sie, ob es auch recht sein könne, um den Dod zu bitten. Ta fiel ihr der Vers eines alten Gesangbuchliedes ein, den sie ihrer Mutter auf dem Sterbebette hatte wieder und wieder vorlesen müssen: „Guter Hirte, willst du nicht Deines Schäskeins dich erbarmen Und es nach der Hirtenpflicht Tragen heim in deinen Armen? Willst du mich nicht aus der Qual Holen in den Freudensaal?" Wieder und wieder flüsterte sie den VerS, und es kam eine große Ruhe und Stille über sie. Früher oder später kam er ja sicher, und bis dahin, ja es war ja nur eine kurz« Strecke, Gott würde ihr helfen, zu warten. — Sic ging nach Hause. Es war schon ganz dämmerig geworden, alS sie die weite Halle betrat Aus den Glasfenstern, die di« Küche umgaben, glühte ein rötliches Herdfeuer und rief Lichtrest^e auf dem blankgeputzten Kupfer hervor, der Wind heulte in dem engen Hof und um den Giebel des hohen alten HauseS. Rascher als sonst wohl in letzter Zeit, stieg Klärchen die Treppe hinan, sicher hatte man sie lange erwartet. Auf dem Absatz« mußte sie still stehen, ihr Herz pochte gewaltig nach dem raschen Aufstieg, sie mutzte sich an dem schweren alten Nchengeländer festhaltcn. Unwillkürlich blickte sie hinauf; wie viele Stufen hatte sie noch vor sich? Da sah sie oben wieder ganz wie damals die dunkle Gestalt in dem wunder baren Kleide, daS sie jetzt an die Gestalten in der Marienkirche erinnerte. Wieder lehnte sie sich weit über die Brüstung und schien aufmerksam hinab zuspähen auf die Kisten und Nässer, die unten lagen. Jetzt aber wandte sie sich, Klärchen schien es, als wolle sie die Stufen herab auf sie zukommen, sie sah deut lich unter dem schwarzen Schleier, der das weiße Gesicht nur halb bedeckte, die traurigen dunklen Augen auf sich gerichtet. Sie schlotz die ihrigen unwillkür lich. ES blieb alles still, nur der Wind heulte draußen. Massenauflagen für Rotationsdruck. Die vuchdruckerei von Langer kVinlerlied lT- Langer und H. Schmidt) vicsa Goet-estratz« Nr. Sü hält sich zur Anfertigung nach, stehender Drucksachen bei sauberer Ausführung und billigster Preis stellung bestens empfohlen. siiesser Isgedlstl — Amtsblatt — Fernsprechstelle Nr. 20. Telegramm-Adresse: Tageblatt Riesa. 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Sic eilte hinan mü> in das Zimmer der Großmutter. „Kind, kommst Tu endlich?" sagte die alte Frau, „ich höre, welch ein schlimmes Wetter draußen ist, und immer warst Du noch nickt da. Zünde Licht an, Tu bist sicher naß; Du mußt Ticks umkleiden." „Nein, Großmutter, ich bin nicht naß, aber — aber — ich hab« sie wieder gesehen, sie — Du weißt, an der Trepp« stand si« und sah hinab, und diesmal sah ich es deutlich, sie trug einen schwarzen Schleier — o Großmutter — Großmütter! Sage mir, was es ist." Die alte Frau schwieg «inen Augenblick. „Zünde Licht an, Kind, und komm dicht her zu mir," sagte sie dann. Klärchen gehorchte, sie setzte sich, wie sie so gern tat, zu Füßen der Blinden auf ein Fußbänkchcn Diese nahm ihre kalte, kleine Hand und sagte: „Du gehörst ja auch zu diesem Haus und bald ganz zu uns, mein Klärchen, Du sollst es wissen. Bor mehr als drei hundert Jahren begründete der Chef dieses Hauses, der es erbaut hat, wie eS noch heute steht, einen großen Weinhandel und die Firma F. A. Lüders. Er brachte von seinen Reisen eines Tages eine wunder schöne Frau mit. Sie sprach ein« fremde Sprache, einige sagen, cs sei italienisch gewesen, andere spanisch. Sie hatte dunlle Augen, und sie brachte auch Schmuck, prächtige Kleider und viel Geld mit. Aber sie lebte nicht glücklich mit ihrem Mann; er war heftig und jähzornig, und sie verstand nichts von deutscher Art und Sitte. Da wohnte kein Friede zwischen ihnen. Eines Tages kam über See ein Fremder Er war ein schöner, stattlicher Mann, «in vornehmer Herr, er hatte feurige dunkle Auen und sprach dieselbe Sprache wie die Frau. Er stellte sich, als suche er Handelsverbindungen mit dem Kaufmann, aber der merkte bald, daß er seine Gattin begehrte. An einem Abend, da es schon dämmerig war, tat der Hausherr, als ob er fortgehe, aber er versteckte sich; da belauschte er das Paar. Mit einem Schwerte drang er auf den Fremden ein, aber der gewandte Mensch entkam auf den Vorplatz, schwang sich über das Treppen geländer und entfloh aus dem Hause. Die Frau spähte ihm angstvoll nach, da stürzte der Gatte sie dem Geliebten nach, über die Brüstung hinab. Man fand sie tot unten auf den Fässern und Kisten So ist sie in ihren Sünden dahingefahren. Wenn seitdem dem Hause Luders Glück oder Unglück droht, sieht man sie in der Stunde, wo sie gestorben ist, oben am Geländer der Treppe. Bringt sie Glück, so trägt sie einen weißen Schleier, zeigt sie Not und Tod an, so ist ihr Schleier schlvarz. Gott sei der armen Seele gnädig!" schloß die alte Frau und faltete die Hände. „Ach Großmutter," flüsterte klärchen, „es kam alles, weil sie einen anderen liebte." „Es kam, weil sie von Gottes Wegen gewichen war, Kind," sagte die Blind«. „Wenn wir die Hand unseres Gottes festhalten, hilft er uns, auch in der schwersten Versuchung." Klärchen barg das Gesicht in den Schoß der alten Frau, und diese fühlte, wie das Mädchen an allen Gliedern bebte: „Großmutter," flüstert« sie, „wenu Heinz nur nie, nie wiederkommt!" — „Er wird nicht wiedcrkommcn," sagte die alte Frau, und dann fügte sic hinzu: „Gottes Hände Sind ohn Ende, Sein Vermögen hat kein Zielt Jst's beschwerlich, Scheint'- gefährlich- Deinem Gott ist's nicht zu viel." — An diesem Abende, den die Familie dem Wunsch Augusts gemäß still unter sich verle-te- begleitete der Bräutigam zum ersten Male, das Licht tragend, seine Braut bis an die Tür ihres Stübchens. Er setzte den Messingleuchter mit der Talgkerze auf ein Tischchen umarmte Klärchen und sagte, sich zum ersten Male des traulichen „du" bedienend: „Meine liebe Klara, morgen bist Du meine liebe Frau, ich glaube und hoffe- daß wir mit Gottes Hülfe recht glücklich leben werden." Sie ließ seine Liebkosungen über sich ergehen und wollte mit einem leisen „Gute Nacht!" in ihr Zimmer schlüpfen, als sie sich besann, den Leuchter ergriff und hochhvb, damit er in dem dunklen Gange sehen könne. Er schritt dem Borplatze zu, sie blickte seiner schmächtigen, steifen Gestalt nach. Am Ausgange wandte er sich noch einmal um. Wie sie weiß aussah in dem sie über strahlenden Lichtschein! „Wenn sie nur erst meine Frau ist, wird sie schon wieder rote Backen bekommen," dachte er, wandte sich noch einmal um und winkte mit der Hand. . Klärchen trat in ihr Zimmer. Die Schneiderin hatte Wort gehalten, das weiße Seidenkleid lag sorg lich über einen Stuhl gebreitet, Kranz und Schleier hatte Frau Henriette daneben gelegt. Der Hochzeitstag -rach an. „Was für schönes Wetter Du zu Deiner Hochzeit hast, August," sagte seine Mutter, als sie mit einer nagel neuen riesigen Haube in das Frühstückszimmer trat, wo ihr Sohn, in einem Zeitungsblatte lesend, bereits wartete. Er svrang sogleich auf, wünschte der Mutter einen guten Morgen und sagte sehr zufrieden: ,La, es ist schöner Sonnenschein, gut, daß es nicht wie gestern ist, da hätte man sich leicht feine guten Sachen ver dorben." Die Mutter begann den Kaffee zu machen, das Zimmer, wie das ganze Haus blitzte vor Sauberkeit; in den schweren Mahagonimöbeln konnte man sich spiegeln; ein blendend weißes Tischtuch, zu dem die Frau das Garn selbst gesponnen hatte, bedeckte den Tisch, ein Riesentopfkuchen prangte darauf. „Wo nur Klara bleibt," sagte die Mutter, „das Kaffeemachen ist sonst ihr Geschäft." „Sie war wohl gestern sehr müde," meinte August, „sie sah so blaß aus." „Maß sieht sie ja immer aus," erwiderte Frau Henriette ein wenig verächtlich. Jetzt kam auch Herr LüderS. „Ist Klara nicht da?" sagte er verwundert. „Sie wird wohl gleich kommen," meinte August, „bitte, wartet doch nicht mit dem Frühstück." „Doch, es ist heute ihr Hochzeitstag," sagte Herr Ferdinand lächelnd, „da können wir wohl einmal eine Ausnahme machen, sie pflegt sonst pünktlich zu sein." Und sie warteten. Aber eS verging eine viertel, eine halbe Stunde, und Klara kam nicht. DaS Schlüsselbund am Gürtel der Hausfrau klirrte ärgerlich, die große Haube schien sich zornig zu sträuben, und Frau Henriette erhob sich. .Letzt gehe ich sie holens" sagte sie kurz und segelte aus der Tür. August blickte wieder in die Zeitung Ein lautes Rufen der Mutter schreckte sie aus: „August, Lüders, um Gottes willen —" Sie stürzten beide auf den Vorplatz, mit zerstörtem Gesicht stand Frau Henriette am Eingänge des Ganges, der zu Märchens Zimmer führte. „Kommt — kommt schnell — ich — ich glaube, sie ist — tot!" stieß Frau Henriette heraus. Sie eilten in das Stttbchen. Ein Heller Sonnen strahl fiel in das Fenster, das weiße Brautkleid leuchtete in dem goldenen Schein, er glitt darüber hin und um spielte das blasse Gesichtchen, das, ein wenig zur Seite geneigt, auf dem Kissen lag. Die Augen waren ge- schlossen, die blonden Löckchen umgaben, halb auf gelöst, die weiße Stirn. Tas Licht War völlig herab-