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Riesaer K Tageblatt Montag, 2t. Oktober 18S5. Abends. und Anxetger Meölatt bild Aijchn). Trlegramm-Adrrsie sL 6 I* /U Kernlprechfi,'!' rag,blatt Rt.seu «r. Sa der König!. Amtshau-tmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. 48. Jahrg. Da» Riesaer Tageblatt erscheint jede« Tag Abend» mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestellen, sowie am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 25 Pf., durch die Träger frei inS Hau» 1 Mark 50 Pf., durch den Briefträger frei in» Hau» 1 Mark 65 Pf. Auzeigru-Aunahme für die Numm« deS Ausgabetages bi» Vormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich In Riesa. — Geschäftsstelle: Kastanienstraße 5S. — Für die Redactton verantwortlich: Herman» Schmidt in Riesa. Wegen Reinigung der Geschäftsräume unterzeichneter Behörde werden bei derselben nächsten Areitaq und Sonnabend, den 25. und 26. laufenden Monats, nur besonders dring» liche Sache« bearbeitet. König!. Amtsgericht Riesa, am 21. Octbr. 1895. Heldner. Aufruf. Am 2. Tezember dieses Jahres hat nach dem Beschlüsse des Bundesraths vom 11. Juli 1895 im Deutschen Reiche eine Volkszählung stattzufinden. Zur Durchführung der Zählung in hiesiger Stadt benöthigt der unterzeichnete Stadtrath eine größere Anzahl Zähler. Das Amt eines Zählers ist ein unentgeltliches Ehrenamt. Diejenigen hiesigen Einwohner, welche sich freiwillig zur Annahme eines solchen Zähler amtes bereit finden lassen, werden hiermit gebeten, dies der unterzeichneten Behörde schriftlich oder mündlich und zwar möglichst bis Anfang November dieses Jahres mittheilen zu wollen. * Die Herren Arbeitgeber insbesondere werden ersucht, ihre Angestellten auf gegenwärtige Bekanntmachung gefälligst aufmerksam machen, sie zur Uebernahme des Amtes, wenn thunlich, besonders anhalten und ihnen die hierzu erforderliche Zeit gewähren zu wollen. Riesa, am 21. Oktober 1895. Der Stadtraty. Schwarzenberg, Stdtrth L. Die orientalische Frage hebt wieder drohend ihr Drachenhaupt, um den „Frieden Europis" z i stören. „Es g ht etwas vor, man weiß nur nicht was!' Dieser geistvolle Ausspruch des ehemaligen Frankfurter Reichstagsabgeordneten Gabor läßt sich auch auf sie anwenden. Aus allen Enden und Ecken in der Türkei kommen Rachrichten über Ruhestörungen und Zusammenstöße zwilchen Türken und Christen; aus Armenien, Makedonien, Trapezunt, Kreta werden Ausbrüche des muselmanischen Fanatismus gegen die „Maurs" gemeldet und die hohe Pforte erweist sich den Türken gegenüber entweder als zu schwach oder zu duldsam, um die Sicherheit des Lebens und Besitzes auch ihrer niht-muselmanischen Unterthanen zu gewährleisten. Es hat einer sehr bedeutsamen Pression der ii^ der armenischen Frage vereint rorgehenden Mächte England, Frankreich »ud Rußland bedurft, um den Sultan endlich zur Annahme des armenischen Reformplanes zu veranlassen. Und nun dies geschehen ist, da hängt den Politikern der betreffenden Länder plötzlich der Himmel voller Geigen; als cb mit der Guch.ißung des Planes schon dessen Ausführung verbürgt wäre. Man scheint gar nicht daran zu denken, daß sich die Türkei bereits im Berliner Verträge von 1878 ver pflichtet hat, Reformen in Armenien zu Gunsten der dortigen Christen einzusühreu u:d daß diese Lerpflich'ung in den seit her verflossenen siebzehn Jahren leere Worte geblieben sind. Man denkt gar nicht daran, was in der Türkei alles auf dem Papiere sieht, z. B. auch eine Verfassung fast nach euro- päi'chem Muster, di; der unglückliche Midhat Pascha geschaffen hat, und die Volksvertretung, Ministerverantwortlichkeit und selbst Unabsetzbarkcit der Richter vorschreibt? Ist davon in der Türkei auch nur einen Tag lang in Wirklichkeit die Rede gewesen und hat man auch nur den Versuch gemacht, die papiernen Bestimmungen in die Wirklichkeit zu übertragen? So wird es also mit dem Resoimversprechen für Armenien nicht anaers sein, wenn nicht die Mächte mit aller Gewalt und fortgesetzt auf Erfüllung des Versprechens, auf Durch führung des Planes drücken. Das Eigenartige an der Sache ist, daß manche Politiker an der faktischen Existenz einer armenischen Krage gar nicht glauben, trotz der Blut- und Schreckensbenchie, die englische Gewährsmänner ab nnd zu verbreiten. Jene Zweifler be haupten, die englischen Pfunde haben neuerdings dieselbe Be- rufsart ergriffen, wie der „rollende Rubel", und die armenischen Wirren wären mit englischen Sovereigns angezettelt. Der Armenierputsch in Konstantinopel läßt so eiwas fast glauben. Die Ursache für England ist, daß neuerdings von Frankreich wieder die Frage wegen der Räumung Aegyptens von den Engländern angeregt worden ist und England nun die ge lammte Aufmerksamkeit der hohen Politik auf einen ganz andern Punkt zu lenken beflissen ist. Selbst aber wenn dies Phantastereien sein sollten, so bleibt immer noch der verhängnißoollc Umstand bestehen, daß der Sultan keineswegs in solchem Umfange Herr seiner eigenen Entschließungen ist, wie man gewöhnlich annimmt. Jedes Zugeständniß an die „Giaurs", wie die Nicht-Moslemins ins- gtsammt, oder die „Franken", wie die Europäer von den Türken genannt werden, erscheint den gutgläubigen Türken als eine dem Islam angethane Schmach. Es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn von einer starken Gährung die Rede ist, die leicht der Dynastie Abdul HamidS gefährlich werden kann. Der arme Sultan, halte sich dieser Tage zu entscheiden zwischen dem Haß seiner fanatischen mohamme- canischen Unterthanen und dem Drängen der Großmächte und er bat den ersteren auf sich genommen, vielleicht und wahrscheinlich mit dem Hintergedankens das Reformversprechen doch nicht zu halten und durch diese Unterlassung seine Unter- : daß der Kaiser mit dem Gedanken umgehe, sich von dem i thanen zu versöhnen. Für das Verhalten Englands, dem — aus Eifersucht — Frankreich und Rußland zur Seite stehen, während sich der Dreibund in einer kühlen Reserve hält, kann man auch geltend machen, daß es durch die Marotten Gladstones in eine Zwangslage gebracht worden sei. Wa« hat dieser „große, alte Mann" nicht in den letzten 25 Jahren über die armenische Mißwirtschaft gewettert! Und wie stark hat er sich und England für die Abstellung dieser wirklich vorhandenen oder künstlich auigebauschten Mißstände engagirt! Da mußte Eng land endlich einen Erfolg haben, um sein Ansehen zu retten, und dieser „Erfolg" besteht nun in dem Zuzeständniß des Sultans. Daß dieser letztere dadurch zwischen zwei Feuer geräth, daß dadurch womöglich die ganze orientalische Frage aufgerollt und damit der lange schon befürchtete Weltkrieg entzündet wird — was kümmert das England; seine Kauf leute müssen bei einem europäischen Kriege immer gewinnen! Frankreich! Hn Bordeaux wurde gestern Vormmaz der Torpedoträger „Foudre", von dessen Bauart bisher noch kein Schiff in Frankreich vorhanden war, iA Beis in einer großen Mensche «menge mit vollem Erfolg vom Stapel ge- lassen. Der „Foudre" ist 118 Meter lang und vermag acht 19 Meter lange Torpedoboote zu tragen. Spanien. In Granada hat ein leichtes Erdbeben stattgefunden, durch welches jedoch nur geringer Material- schaden angerichrct wurde. — Aus Habana wird gemeldet, daß die Abtheilung des Generals Oliver in der Provinz RemedioS 600 Aufständische schlug. Bon Letzteren wuroen 30 gelüstet und zahlreiche verwundet. Die Spanier halten drei Verwundete. Ta-eSseschlchte. Deutsches Reich. Anläßlich der Feier der Denk- malsenihüllung in Wörth sandte der Prinzregenl Luitpold von Bayern aus Berchtesgaden folgendes Telegramm an den Kaiser: „An Seine Majestät den Kaiser Wilhelm, Wörth. An der Enlhüllungsseicr zur ehrenden Erinnerung an den ruhmgekrönteu Führer der Armee nehme Ich auch in der Ferne aufrichtigen An heil und es drängt Mich, Dir dieses Gefühl am h.u.izcn Tage auszusprechen. Luitpold." Hierauf antwortete der Kaiser: „Der Ausdruck Deiner war men Theilnahme am heutigen Tage har Mich hochbeglückt. Ich handle im Sinne Meines Hochseeligen Vaters, des Führers der 3. Armee, wenn Ich Angesichts des heute ent hüllten Denkmals, welches ein bleibendes Zeichen der Waffen brüderschaft Unserer Armeen bilden wird, des ruhmreichen Antheils der bayerischen Armee gedenke und Dir daher die innigsten Glückwünsche am heutigen TageLarbriuge. Wilhelm." Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin trafen gestern früh 8 Uhr mittels Sonderzuzcs im besten Wohl befinden auf Wildparlstation ein und begaben sich zu Wagen nach dem Neuen Palais. Der Kaiser hat anläßlich seiner Anwesenheit in Straß burg dem Statthalter Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg Allcrhötbstseine lebensgroße Baste verliehen. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe traf gestern früh 9 Uhr in München ein und stieg an seinem dasigen Palais ab. Der Schriftsetzer Paul Schöps, der ehemalige N dakteur des Dessauer sozialdemokratischen Organs, ist vor einigen Tagen durchgezangen. Von seinen Genossen wird er der Unterschlagung des Preßfonds, der zur Unterstützung der ver- urtheiltcn Essener Bergleute und zu Agitationszwecken bei Wahlen gesammelten und anderer vereinnahmten Gelder, so wie des Betrugs und Meineids bezichtigt. Bei der Staats anwaltschaft ist eine Anzeige bereits erstattet worden. Schöps stand, nach den „Berliner Neuesten Nachrichten", mit an der Spitze der Parteileitung und hat sich bet der letzten Reichs tagswahl noch lebhaft hervorgethan, wobei er sich in den wüthendsien Angriffen auf die „korrupte bürgerliche Gesell schaft" erging. Die „Milit.Polit.Korr." schreibt: Ein rheinisches Blatt hat dieser Tage erzählt, der Kaiser habe einem hohen Kirchen fürsten schon ein halbes Jahr vor der Entlassung Bismarcks geklagt, wie schwer sich mit dem Fürsten arbeiten lasse. Et wa- Neues rst dies in keiner Weise. In nationall,beraten und konservativen Führerkretsen war es bereits beinahe ein Jahr^vor dem Abgänge^ des^ersten Reichskanzlers bekannt, Fürsten Bismarck zu trennen. Der Konflikt des Letzteren mit Herrn von Bötticher spielte bei der Bismarck-Krisis, die länger als ein Jahr dauerte, nur eine Nebenrolle. Er war höchstens eine Veranlassung mit zum Abgang des Fürsten, nicht aber die eigentliche Ursache. Im Uebrigen werden wir -darauf aufmerksam gemacht, daß vor Kurzem eine sachver ständige Darstellung des Verhältnisses zwischen dem Fürsten Bismarck und Herrn von Bötticher unter dem Titel „Fürst Bismarck und Herr von Bötticher" bei E. PellschuS in Ber lin erschienen ist. Man zweifelt nachgerade auch in Regie rungskreisen nicht mehr daran, daß der Abgang des Herrn von Bötticher nur eine Frage kurzer Zeit sei. Der „berühmte" Dr. Haas hat sich doch endlich en:- schlossen, seinen Sitz im deutschen Reichstag zu verlassen Er veröffentlicht im „Lorrain" ein Schreiben an seine Wähler welches besagt, dringende Familienoerhältnisse zwängen ihn, das Reicheland zu verlassen und das Reichstagsmandat' niederzulegen. Bisherhat man angenommen, daß die mristen Unfälle sich an Montagen ereigneten wegen der Nachwirkung der Sonntagsfeier und außerdem beim Bergbau wegen Ansamm lung von Gasen. Bon anderer Seite dagegen wird be hauptet, die meisten Unfälle kämen am Ende'der Woche vor, weil da die Aufmerksamkeit sowohl wie die Ktäfte des Ar beiters durch die anstrengende Thä izkeit nachgelassen hätten. Rach der vom Reichsoersicherungsamt aufgsnommenen Sta tistik für 1887 kamen allerdings auf den Montag die meist.'» Unfälle, nämlich 16,74 Proc. aller Unfäll'; cs folgten hier- auf der Freitag uns der Sonnabmd mit je 16,38 Proc, dann der Mittwoch mit 16,31 Proc., hierauf der Dienstag mit 15,61 Proc., dann der Donnerstag mit 15,47 Proc. und zuletzt der Sonntag mit 2,69 Proz. Nach dem V r- waltungsbericht der Knappschafls-Berufsgenossenschaft für 1894 bestätigt sich dagegen keine der beiden erwähnten Ai- , nahmen, denn hiernach siegt beim Bergbau der Schwerpunkt ! in der Milte der Woche. Es entfallen nämlich bei oer i Knappschafts-Berufsgenossenschaft iin Jahre 1894 auf dcn Dienstag 16,89 Proc. aller Unfälle, auf den Donnerstag 16,84 Proc., auf den Mittwoch 16,82 Proc., auf den Frei tag 16,32 Proc., auf den Sonnabend 15,99 Proc., auf den Montag 15,24 Proc. und auf den Sonntag 1,90 Proc. Auch im Jahre 1893 entfielen bei der Knappschafts-Beruis- genossenschaft die meisten Unfälle weder auf den Montag noch auf den Sonnabend. Die höchst- Ziffer kam vielmehr auf den Mittwoch, nämlich 16,74 Proc., es folgten Sou abend mit 1644 Proc., Dienstag mit 16,41 Proc., Freuag mit 16,35 Proc., Donnerstag mit 16,19 Proc., Montag mit 15,84 Proc. und Sonntag mit 2,03 Proz. Der Berliner socialdemokratische Gastwlrihoerein schloß 2 Mitglieder, die am Sedantage illuminirt hatten, aas, während 2 Mitglieder, die Abbitte leisteten, einen Verw.-iS erhielten.