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Mit Heißer Sehnsucht hatte er ost mit ihr über den Süden gesprochen. LS war ihm versagt geblieben, da- zu schauen, wa- andere ost ohne rechtes Ver ständnis sehen. ES überkam Elfriede häufig die Sehn sucht nach dem Toten- Sein Bild lebte in ihr, und er blieb für sie etwas ganz Besonderes. Hier wäre seine „Sonnensehnsucht" gestillt worden, anihrer Seite hätte er sich freuen und glücklich sein müssen. „Ernst, armer lieber Freund," dachte Elfriede dann traurig, „es sollte dir nicht beschicken sein" Baron Schorn und seine Tochter machten tüchtige Fußtouren, während Frau Marie und ihr Sohn den Wagen vorzogen und so durch das in Herbstpracht wunderbar wirkende Land fuhren. Nach dem Runkel- stein, nach dem Mittelgebirge führte sie ihr Weg. Brunos Bangen röteten sich, das Tropenfieber wich, und er fühlte sich täglich kräftiger. Etwas von dem alten Lebens mut erwachte in ihm; die Briefe an Emmy sprachen davon. Wie sie sich darüber freute, wie sie Gott dankte, der ihre Gebete erhört hatte? Bruno schrieb voll Eifer an seinen afrikanischen Erlebnissen. Er wunderte sich ost, wie flott es ging, wie er in dieser Arbeit eine nie ver sagende Quelle reiner Freude fand. ,Lch schicke Ihnen mein Manuskript, sobald ich fertig bin," schrieb er ^kmmy, „ich möchte Ihr Urteil hören." Mit Spannung wartete sie seitdem darauf. Eines Tages war Baronesse Schorn nach Bozen hinüber gegangen. Sie schlenderte über die Talfer Brücke und an der Wasserpromenade vorbei, dann schlug sie den Leg zur Stadt ein. In den Laubengängen hielt sie sich gern auf. Diese überdachten Läden, die draußen ihren Stand haben, sind «ine Eigentümlichkeit Bozens. Die vielen Produkte werden von den Fremden gekauft. Pfennigware, aber auch wirklich schöne, wertvolle Sachen liegen ick den Schaufenstern der Fnnenläden oder haben ihren Platz auf den großen Tischen außerhalb. Elfriede betrachtete auch heute die zierlichen Schnitzereien, die echt Tiroler. Bilder, die Gcmsgehörne, Ledertaschen usw. Der Obstmarkt stößt an die Laubengänge, und Ende September ist er verlockend durch die Fülle der großen, süßen Trauben, Pfirsiche und des prächtigen Kernobstes. Die hübsche Fremde war schon den Verkäuferinnen be kannt, das landesübliche „Grüß Gott" wurde ihr zu- gerufen. Elfriede trat an einen Tisch und wählte unter den duftenden Früchten; sie füllte sie in ihr Körbchen, da sagte jemand hinter ihr: „Vrüß Gott, Baronesse." Eie drehte sich erstaunt um. Graf Leopold Romkeck trat an ihre Seite, er trug ein Toüristenkostüm und Tirolerhut: Mit leichter Verlegenheit erwiderte sie sei- nen Gruß und reichte ihm die Hand. ,Lch wußte nicht, daß Sie hier sind, Graf," sagte sie „Aber ich wußte wohl von Ihrem und Ihrer Fa- mW« Aufenthalt," versetzte er, ruhig neben ihr weiter schreitend, „ich las es gestern in der Kurliste, als ich im »Schwarzen Greif" ankam." »Melch Zufall," sagte Elfriede. „Sollte eS bloß das sein?" fragte Graf Rombeck mit Betonung. „Darf ich Sie ein Stückchen begleiten?" >,Bitte, sehr angenehm." ES klang recht kühl, trotzdem wich dec Gras nicht von ihrer Seite. Zuerst war da- Gespräch etwas ge- Swungen; Elfriede dachte daran, daß sie ihm im Winter einen Korb gegeben, selbst die Mutter ahnte es nicht. Ein zartfühlendes Mädchen behält für sich, was doch immer eine Niederlage für den Werbenden ist. Nun, jedenfalls lagen Rombeck jetzt solche Gedanken fern. Er hätte sonst nicht so unbefangen von seinen Reisen er zähle« können, von der Zeit, die er fern von der deut schen Heimat verbracht. «Friede atmet, erleichtert auf. Sie gab sich in ihrer natürlichen Art und lachte und plauderte munter „Haben Sie schon viele Bergpartien gemacht, Baronesse?" „Einige mit Papa. Wir wollen in diesen Tagen auf die Mendel und von da zu Fuß auf den Pcnegal. Unser armer Bruno fährt mit der Mutter bis zur Mendel, weitere Gänge kann er noch nicht machen." „So geht es ihm nicht gut?" „Doch; aber eine gewisse Schiväche ist geblieben, und er muß sich erst mit dem Gebrauche des künst lichen Fußes einlcben. Graf Rombeck schwieg eine Weile, dann sagte er: „Wie ich durch die Zeitung erfuhr, ist Ernst Ludolfs gestorben. Ich lernte ihn vorigen Winter in Ihrem Hause kennen. So flüchtig die Bekanntschaft war, so gewann ich doch den Ändruck, daß er ein seltener Mensch war, reich an Herz und geistigen Gaben." „Er war mein Freund." Mehr sagte Elfriede nicht, aber ihre Augen schimmer ten feucht. „Kann es möglich sein? Hat sie mich deshalb ausgeschlagen?" Sinnend sah der Graf vor sich hin. Er hatte gehofft, im Wechsel der Reise Elfriede von Schorn zu vergessen. Als er sie heute unerwartet vor sich sah, wußte er, daß es vergeblich gewesen, daß er sie noch ebenso innig liebte wie vorher. Nicht mit der Leiden schaft des Jünglings, mit der er seine Frau geliebt, jetzt war es über den reisen Mann gekommen mit jener Tiefe des Gefühls, die vielleicht edler ist als eine Maienliebe. Sic trennten sich vor der Villa. Rombeck bat, am anderen Tage seine Auswartung machen zu dürfen. „Mutter, ich habe Graf Rombeck in Bozen ge troffen," erzählte Elfriede. „Er las zufällig in der Liste unfern Namen und will uns morgen besuchen." Schorn und seine Frau wechselten einen bedeutungs vollen Blick. Später sagte Baron Hugo: „Mariechen, vielleicht wird doch noch ein Paar aus ihnen; ich kann mir nichts Lieberes für unser Friedel wünschen." Aber vorläufig schien, als sollte dieser Wunsch sich nicht erfüllen. Auf den gemeinsam unternommenen Bergpartien, im täglichen Verkehre verriet der Graf nichts. Er spielte mit Erfolg die Rolle eines älteren Freundes, und Elfriede war so unbefangen, daß die stille Hoffnung ihrer Eltern keine Nahrung fand. Zum ersten Male war auch Bruno bei der Fahrt auf die Mendel dabei gewesen. Durch das reizende Mittelgebirge über Eppan ging es mit der Bahn bis zum Fuße des Berges. Dort bestieg man die steil emporführende Drahtseilbahn? die in schwindelnder Höhe langsam emporklettert, bis sich vom Plateau aus die wundervolle Aussicht dem Blick entrollt. Während Baron Schorn, Elfriede und Rombeck zum Penegal hinaufstiegen, der auf schattigen Waldwegen in zwei Stunden leicht zu erreichen ist, blieben Mutter und Sohn auf der Terrasse des Mendelgasthauses sitzen und freuten sich der köstlichen Aussicht. Im Herbste, wo die Luft von durchsichtiger Klar heit ist, wird Tirol am liebsten besucht, während es im Hochsommer zu heiß ist. Heute sprach Bruno zum ersten Male mit der Mutter über seine Zukunft. EL lag eine tiefe Nieder geschlagenheit in seinen Worten. „Du wirst Dich diesen Winter kräftigen, mein Kind, und neuen Lebensmut gewinnen," sagte Frau Marie. „Der Vater will Dir das große Vorwerk Rodenbach abtreten; Du bleibst dann in unserer Nähe und hei ratest hoffentlich bald." „Mutter, welches Mädchen wird einen armen Krüp pel nehmen? Bon den jungen Damen unserer Kreise keine," sagte Bruno traurig. r,Nun, das wollen wir abwarten," meinte Frau Marie freundlich Massenauflagen für Rotationsdruck. Avise Adrcß» und Geschäfts karten Briefköpfe, Vrieflrtsten Bestellzettel Broschüren, BilletS Deklarationen LanksaguugS- und EtnlaüungSbrtefe Einlaßkarten Etiketten aller Art Fakturen, Flugblätter Formulare in div. 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Schmidt) RIS8R Voethestraße Rr. 5ll hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bei sauberer Ausführung und billigster Preis stellung bestens empfohlen. -,Zch brauche eine Frau, die mein guter Kame rad ist." i,Du sprichst, als wüßtest Du eine." „Vielleicht, Mutter, ober daraus wird nichts." „Warum denn nicht?" „Weil Ihr dagegen wäret." Frau Marie ahnte, wen ihr Sohn meinte, und sie beschloß, mit ihrem Manne zu sprechen. Wohl kannte sie des Barons Ansichten, es hieß bei ihm: gleich zu gleich. Aber das Mutterherz ivollte ihres Kindes Glück, einerlei um welchen Preis. Sie hatte Emmy Ludolsf lieben gelernt. Ihre zarte Rücksichtnahme auf den Kranken, ihre Heiterkeit und freundliche Pflege waren nicht unbeachtet geblieben. „Sie wäre die rechte Frau für meinen armen Jungen," dachte die Baronin. — Bruno ging mit der Mutter, sich aus seinen Stock stützend, ein Stück den drei anderen entgegen. Er er müdete noch schnell, deshalb setzten sie sich auf eine Bant im Walde und erwarteten sie dort. Sehr befriedigt kehrten Schorn, seine Tochter und der Graf zurück. Nach einem gemeinsam eingenomme nen Mahle, wobei der rote Sankt Magdalener nicht fehlen durfte, brach man am späten Nachmittag auf. Vier Wochen blieb Rombeck in Bozen. Es wurde kühl, und der Arzt wünschte für Bruno einen Winter aufenthalt in Gardone am Gardasee, dort, wo die Lust mild und stärkend wirkt. — Es fiel allen schwer, Tirol zu verlassen, am schwer sten wohl Graf Leopold. Erst am letzten Tage faßte er Mut und sprach mit Elfriede über das, was er.durch das längere Bei sammensein mit ihr immer mächtiger in seiner Seele aufleben fühlte. Sie waren noch einmal allein die Erz herzog Heinrich-Promenade emporgesticgen. In feuriger: Gluten grüßte der Rosengarten herüber, und andere Berge lagen schon dunkel daneben. „Baronesse," Hub Rombeck an, „darf ich noch ein mal die Frage an Sie richten, die ich schon vorigen Winter tat? Können Sie mir heute einen anderen Bescheid geben?" „Warum sprechen Sie es aus? Ich habe es ge fürchtet!" ^Gefürchtet? Das klingt wenig ermutigend!" fassen Sie mir Zeit," bat Elfriede, „es, — es ist noch zu früh, — ich — ich kann Ihnen noch nicht so antworten, wie Sie wünschen." „Aber ich darf wiederkommen, bitte?" Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest. Sein dunkles, männliches Gesicht beugte sich über sie. „Sie wissen, daß ich mein geliebtes junges Weib verlor; ich glaubte damals, daß ich es nie überwinden könnte. Die Zeit heilt die Wunden, die wir tragen." Haben auch Sie noch etwas zu vergessen, so vertrauen Sie jener Heilkünstlerin. Ich will Sie nichts mehr fragen, ich habe kein Recht dazu, aber wenn ich Sie wiedersehe, hat sich vielleicht auch in Ihnen etwas zu meinen Gunsten verändert. Ich liebe Ne mit einer tiefen, aufrichtigen Liebe, das müssen Sie erkannt haben, Baronesse?" Sie hob die Lider. Unter dem Schleier der langen Wimpern sah sie offen und vertrauensvoll in sein be wegtes, edles Gesicht. „Wann darf ich kommen?" fragte er. „Uebers Jahr," sagte sie träumerisch 7,Uebers Jahr! Eine lange Zeit, aber ich will warten." Am tiefblauen Gardasee verbrachten Schorns den Winter; Rombeck war nach Hause gereist. „Mariechen, es scheint doch wieder nichts zu werde», schade," sagte Baron Hugo. „Worauf wartet sie eigent lich^ ,Laß ihr Zett, sie wartet auf die Liebe," entgegnete die Baronin. „Unser Friedel weiß, was sie tut." Bruno hatte seine Auszeichnungen vollendet und schickte sie nach Berlin. Emmy Ludolsf schrieb ihm, wie folgt: „Ich habe Ihre Arbeit gelesen. Erlauben Sie mir, sie zu veröffentlichen, icy finde, daß sie es wert ist." Er erwiderte: „Tun Sie es; ich glaube nicht, daß es Ihnen glückt." Aber es glückte über Erwarten. Emmy schickte das Manuskript an ein großes Blatt: es wurde angenommen und der Verfasser um wettere Beiträge gebeten. „Sieh doch Junge, Du wirst noch ein berühmter Schriftsteller," meinte Bacon Schorn neckend, „wer hätte das in Dir gesucht?" „Sie allein, die mir Lebensmut und Freude wicdcr- gab," dachte Bruno, uno das Bild Emmys trat leb haft vor sein inneres Auge. Er sehnte sich nach ihr und war einige Tage still und niedergeschlagen; dann raffte er sich energisch auf. „Nein, so sähe sie mich nicht gern," dachte er. Und er fing eine neue Arbeit an. Skizzen aus dem Offiziersleben und eine Novelle, die in Gries spielte. Welch reine Quelle der Befriedigung solche am Schreibtische verbrachten Stunden ihm gewährten! Er fühlte sich gehoben und glücklich im frischen Schaffen. Sein treuer Kamerad sollte sich nicht in ihm getäuscht haben. Sie kämpfte selbst mutig mit dem Leben, er wollte ihr nicht nachstchen. Baronin Marie hatte bisher gezögert, mit ihrem Gatten über das zu sprechen, was sie ahnte. Sie kannte die Ansichten des Barons. Er gehörte noch zu denen, die den Standesvorurteilen unterworfen sind. Wie würde er es auffassen, daß sein Sohn ein bürgerliches Mädchen der Familie zusührte?" — „Hugo," sagte Frau von Schorn eines Abends, kurz ehe sie Gardone verließen, „Bruno ist jetzt fast ganz hergestellt. Hast Tu daran gedacht, daß er sich nach einer eigenen Häuslichkeit sehnen könnte?" ,Za, Mariechen. Er muß natürlich bald heiraten, sonst hat er es zu traurig in Rodenbach, das ziemlich entfernt von Schornstätten liegt. Es gibt einige nette Mädchen in unserer Nachbarschaft und unter den Standesgenossen." „Muß es denn gerade ein adliges Schwieger töchterlein sein, das uns unser Junge zuführt, lieber Mer?" „Natürlich, anders wird er wohl nicht wählen, Mariechen." „Und wenn er es schon getan hätte, Hugo? Wenn er sein Lebensglück in: Besitz einer Bürgerlichen zu fin den hofft?" Baron Schorn sprang auf und ging mit großen Schritten im Zimmer aus und ab. „Nein, nein!" rief er, „das ginge mir gegen den Strich, das darf nicht geschehen!" „Warum nicht, Hugo?" Frau von Schorn war an ihren Mann herange treten und legte die Hand auf seinen Arm; ihre freund lichen Augen blickten ihn fragend an. „Warum?" wiederholte er. „Du kennst doch meine Ansichten! Gleich zu gleich, so allein ist es richtig." „Doch nicht in allen Fällen," entgegnete Frau von Schorn ernst. >,Unser armer Junge braucht eine Frau, die ihm ein treuer Kamerad ist, ein Wesen, das voll Aufopferung und Selbstlosigkeit neben ihm hergeht, seine Eigenart versteht und ihm Frohsinn und Lebens mut gibt. Ich glaube, es finden sich schwer junge Mädchen, die das alles in sich vereinigen werden." „Du redest, als kenntest Du eine solche .Perle, Mariechen." ^Vielleicht, Hugo." „Nun, ich bin doch wirklich neugierig. Wer ist eS denn?"