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Frau von Schorn zögerte etwas, dann sagte sie: „Sie heißt Cmmy Ludolfs." „Was? — Nein, das bildest Du Dir ein! Tas kann nicht sein!" „Weshalb nicht? Ist sie nicht die beste Frau, die wir für unfern Jungen bekommen können? Bürgt ihr Charakter nicht für sein Glück?" „Ich will nichts davon wissen," brummte Schorn. „Denke ruhig darüber nach," bat seine Frau, „laß die Standesvorurteile fallen und ziehe nur Deines Kindes Glück in Erwägung. Wir wollen dieses Thema jetzt nicht weiter erörtern. Sage Dir, daß Du als Vater die Pflicht hast, nicht vorschnell eine Entscheidung zu fällen." „Weiß Bruno von Deiner Vermittlung? Bat er Dich darum?" „Nein, das Mätterherz erriet seine Liebe," versetzte die Baronin weich, Schorn blickte grübelnd zu Boden, dann sagte er kurz: „Ickz.hoffe, Du hast Dich getäuscht, Mariechen." Er verließ aufgeregt das Zimmer. Der alte Aristo krat hielt an dem Hergebrachten fest; er mußte Zeit haben, um sich die Sache zucechtzulegen. Nachdem Graf Rombeck von Schorns Abschied ge nommen, reiste er nach Hause, die Wirtschaft verlangte den Herrn. Um die Weihnachtszeit ging der Gras nach Berlin und beteiligte sich an dem politischen Leben der Residenz, besuchte die Oper und Galerien und suchte, in Geduld das Jahr abzuwarten, das Elfriede sich aus bedungen hatte, ehe sie das bindende Wort sprach. Immer größer wurde die Sehnsucht nach einer glück lichen Häuslichkeit in dem Herzen des Witwers, der so > schnell sein junges Weib verloren. Zweifel und Hoff nung kämpften in Rombecks Brust. Er fühlte es, er war fähig, das junge Wesen glücklich zu machen, dem er die tiefe Liebe des reifen Mannes geschenkt. In G. war die Zeit dahin geflogen. LörsbachS lebten ein anderes, besseres Eheleben. Irmgard bildete sich immer mehr zu der deutschen Hausfrau, Gattin und Mutter aus, die rhr Mann in Margarete West hochstellte. „Es ist doch am schönsten, wenn wir still zu Hause sind. Reiner," sagte Irmgard ost, „ich finde, wir haben fast zu viel Geselligkeiten in G. Seitdem die Heirats epidemie hier ausgebrochen ist, gibt cs für meinen Ge schmack zu viel Vergnügen." Ich freue mich über diesen Ausspruch," sagte der Hairptmann lächelnd, „tu Hus is tu Hus, wie die alte Gefangene sagte." „Du hast mich gefangen, Tu Lieber," sagte Frau vou Lörsbach und schmiegte sich zärtlich an ihren Mann. — Nach Weihnachten verbot es sich von selbst, das; Lörsbachs alles mitmachten, denn im Frühjahr klap perte der Storch aus ihrem Dach. Ein strammer Junge wurde dem Ehepaare geboren. Irmgard schlang die Arme um ihres Gatten Nacken und lächelte ihn glückselig an. „Nun haben wir ein dreiblättriges Kleeblatt," sagte der Hauptmann strahlend zu Frau West, als er die An kunft des kleinen Weltbürgers den treuen Nachbarn mel dete, „ein prächtiger Knabe ist uns geschenkt." Margarete wünschte ihm erfreut Glück. „Wir haben Ihnen viel zu danken," sagte Lörsbach bewegt, „Sie sind Irmgard eine Freundin geworden; Ihr Beispiel ist nicht ohne guten Einfluß auf jie ge blieben." Lörsbach küßte die Hand Margaretens; es schimmerte feucht in seinen Augen. „O, Sie überschätzen mich," erwiderte Margarete in ihrer bescheidenen Art. ;,Gott half, ihm sei Lob und Ehre, Herr von Lörsbach — Ach, da kommt mein Manu! Wird der "sich freuen!" Das tat West aufrichtig und schüttelte dein Freunde herzlich die Hand. Es schien wirklich, daß feit der Geburt des dritten Kindes eitel Lachen und Fröhlichkeit in das Haus des Hauptmanns eingezogcu Ivar. Irmgard blühte in fraulicher Schönheit. Dieses Kind Pflegte sie ganz allein, und es wurde keine Amme angenommen wie für Fritz und Aenuchen. Wenn der Säugling in der jungen Mutter Armen lag, wenn sie täglich sah, wie er gedieh, dann erfüllte ein tiefes Glück das Herz der Frau, die jetzt erst schätzen lernte,- was sie früher als Last vou sich gestoßen, was ihr nun so viel Freude bereitete: solch liebes, kleines Wesen allein zu hegen und zu pflegen. Der Kleine gedieh prächtig. Er erhielt den Namen des Oberlehrers West in der Taufe; man nannte das Kind Heinrich, mit der Abkürzung Heinz. Zur Taufe luden Lörsbachs ihre Bekannten ein, nicht allein die aus OffizierSkrciseu - auch viele aus dem Zivilstande, mit denen sich mit der Zeit ein Ver kehr ungebahnt hatte. Irmgard hielt sich an dem in G. Herkömmlichen, wenn es auch nicht gerade der von ihr verhöhnte Kalbsbraten und Kartoffelsalat war. — Da die Taufe Ende Mai war, hatten Margarete und Irmgard alles mit weißem Flieder und frischem Grün geschmückt. TaS ganze Haus und die Tafel prangten in duftendem Leuzcsschmuck, und die Stimmung war von Anfang an so gehoben, wie man es sich nur wünschen konnte. Alle gingen befriedigt fort, und Lörsbach dankte seiner Fran, als sie allein blieben, für das schöne Fest. — Frisch und fröhlich ging cs jetzt im Hause zu. Man sonnte auch hier wie vou Wests sagen: „Lörsbachs lachen gern." „Nur Mut, Gott hilft!" Diese tapfere« Worte hatte sich Irmgard als Lebensmotto erkoren, wenn je die hänslichen kleinen Unannehmlichkeiten, die ja nirgends ansbleiben, ein traten. Früher hatte sie ihnen zu viel Gewicht bei gelegt, jetzt sah sie alles in einem anderen Lichte. (Schluß folgt.) Zn Bismarcks Andenken. — l. April — Er war für uns in schweren Zeiten Der echte, rechte deutsche Mann. Wie stand er, wenn es galt zu streite», Allzeit gewappnet ans dein Plan! Sein scharfer Blick, an allen Orten Fand er das Rechte allsogleich, Und was wir sind durch ihn geworden — Ihm dankt'S das nenerstandnc Reich. Und wenn es einst nach tausend Jahren Auf Erde» deutsche Männer gibt, Sic werden treulich es bewahren. Wie sehr sein Tcntschlaud er geliebt. Und wenn auf einem deutschen Throne Einst noch ein deutscher Fürst regiert. Er mutz ihm, Deutschland» größtem Sohne, Ten Tank bewahr», der ihm gebührt. Tarnm ist auch in Süd und Norden TcS Deutschen Reichs, in Ost nnd West Bismarcks Geburtstag längst geworden Ein deutsches nationales Fest. Und Wahrheit ist eS: Sei» Gedächtnis Ist dauernder als Erz und Stein, Stets wird als seines Ruhms Bermächtnis Tas Deutsche Reich sein Denkmal sein. I. P. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa: — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schnudt, Riesa. Erzähler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". Ni. IS. »t. S^>» Souneusehnsncht. Roman von Freifrau Gabriele von Schlippenbach. (Herbert Nioulet.) Fortsetzung. Das hübsch« Häuschen war vou dem herbstlich ge färbten wilden Wein umrankt, die Fenster blitzten in der Sonne, und alle sieben Wests waren im Garten und erwarteten dis Hcimkehrenden. Selbst der kleine Reiner, ein allerliebstes Bürschchen, lachte freundlich auf dem Arme seiner Mutter. — 7,Hurra! Willkommen!" riefen die beiden großen Jungen, und die zwei kleinen Mädchen streckten die Händchen mit den Blumen Frau von Lörsbach entgegen. !— Die Männer schüttelten sich die Hände. -„Ich brauche wohl nicht zu fragen, wie es Dir Acht?" sagte der Oberlehrer, einen schnellen, prüfenden Mick aus den Freund werfend. „Gut, sehr gut, mein Alter." Mit so Hellem, frohem Tone hatte der Hauptmann sonst nie gesprochen, nnd dazu lachte sein tief gebräun- tzies Gesicht. Die beiden Frauen umarmten sich herzlich, zeigten sich ihre Kinder, des Fragens und Erzählens war kein sLndc. Wunderhübsch, sauber und wohnlich wär alles in den Stuben; Frau Margarete hatte wie eine gute Fee im Nachbarhause gewaltet. Tie blütenweißen Gardinen an den Fenstern/ große Sträuße bunter Herbstblumen, der gedeckte Kasfeetisch mit dem leckeren Kuchen, alles sah so heimlich und gemütlich aus. „Ich danke Dir, Gretchen," sagte Irmgard immer Wieder. Sie hatten das Du angenommen, seit der Haupt mann so schwer krank gewesen, und Frau West wie ein hilfsbereiter, guter Geist Irmgard beigestanden hatte. Die Freundschaft der Männer verband nun auch die Frauen. Auch von den Kameraden stand eine Hübsche Iar- Viniere ans dem Tisch? und der brave Bursche des Hauptmanns hatte ein ;,herzliches Willkommen", kunst- voll gemalt/ über der Haustür angebracht. Zwei neue, uett aussehende Mädchen hatte Frau West gemietet und Vorher angelernt. Alles erschien Irmgard schön und an ders als früher; sic hatte sich selbst verändert, daran lag es. — 7,Es hat sich hier auch manches im Regiment zu getragen, das weißt Tu wohl, lieber Reiner," sagte der Oberlehrer. Au Stelle des ältlichen Majors ein neuer, eben erst hier eingetrofscn; er soll ein liebenswürdiger Vorgesetzter und heiterer Gesellschafter sein. Auch seine noch junge Frau paßt darin zu ihm. Sie scheinen die Mb sicht zu haben, G. durch fröhliche Veranstaltungen, Liebhaberthcater, Bälle, Ausflüge, Picknicks und Mas keraden beleben zu wollen." 7,Halten Sie ein," lachte Irmgard, „cs wäre zuviel des Guten." /.Leutnant Ovcrbcrg ist verlobt und heiratet dem nächst, und Lbcrlcutnant Ehristini wird cs ihm, wie gemunkelt wird, bald nachtnu. In den Lehrerkreisen scheint auch das Ehefiebcr anznsangen. Ein Kollege von mir war bis vor kurzem ans der Hochzeitsreise und ein zweiter eben verheirateter ist hierher versetzt worden." 7,Na, dann kann es flott hcrgehcu. Freust Du dich, Irmgard?" 7,Ja, — aber tu Hus is tu Hus, wie die alte Frau sagte, die. wegen wiederholter Strafen ins Ge fängnis kam. Als der Wärter ihr deshalb Vorstellungen machen wollte, gab ihm die Alte die Antwort: „tu Hus is tu Hus." 7,Ach so, also Du vergleichst Dein Heim mit einem Gefängnisse," neckte Lörsbach seine Fran. „Ich habe aber keine Einzelhaft," gab sie schelmisch zur Antwort, „Du teilst sic ja mit mir, und sonnt bin ich zufrieden." Die Kinder spielten mit den wiedergewonnenen klei nen Nachbarn. Später, als sie zu Bett gebracht worden waren, saßen die Eltern noch bei einer Flasche Wein drüben bei Wests zusammen. — Am Arm ihres Mannes ging Irmgard nach Hause. Es war so still und friedlich in den Straßen der kleinen Stadt. Die weiche Scptembernacht breitete sich über die niederen Häuser aus, und die Sterne leuchteten. Tie Hand der Frau stahl sich in die des Mannes. „Ich bin so glücklich. Reiner," sagte sie. 7,Wirst Tu es auch bleiben, Liebling?" Es llang ein leiser Zweifel hindurch, der ihr wehe tat. „Zweifle nicht an mir," bat sie, „ich will mein Bestes versuchen. Habe Nachsicht mit mir, wenn ich in die alten Fehler verfalle, mit der Zeit will ich sie ab legen. Neues Hoffen, neues Wollen ist in mir." „Ein neues Leben in Liebe und Eintracht," sagte Lörsbach, und er trat mit Irmgard über die Schwelle des Hauses. Seine Hand schloß die Tür. Wie einst in den ersten Tagen seiner Ehe lag sie an seinem Herzen, sein Glück, sein wieder erobertes Weib. Baron Schorn und seine Familie waren bald, nach dem Lörsbachs sie verlassen, abgereist. Zunächst nach Berlin zu einem berühmten Orthopäden, der den künst lichen Fuß für Bruno machen sollte, dann gingen sie nach Gries bei Bozen nnd richteten sich in einer wun dervoll gelegenen Mika für den Winter ein. Wer dieses herrliche Stück Erde kennt, we? die linde Luft geatmet hat und die Berge in ihrer weißen Schncepracht gesehen/ wer den Rosengarten König Laurins im Abendsonncnscheine glühen sah, der wird sich Dorthin zurücksehnen 7 solange er lebt. In GrieS wohnen gerade im Winter viele, denen ein südliches Klima verordnet wird, während Bozen mehr von Som mergästen besucht wird. Tie Billa Dolores, die Schorns bewohnten, gehörte zu einer Pension. Sie lag am Fuße der Erzherzog Heinrich-Promenade, jener in sanften Serpentinen bis zum hochgelegenen Rabenstein hinauf führenden Kies wege, von wo sich eine köstliche Aussicht auf den Schiern, Rosengarten und rechts auf die Mendel dem entzückten Auge darbietet. Elfriede war begeistert. Sie hätte am liebste» den ganzen Tag aus die Berge klettern mögen. Sie saß öst allein auf der Bank, die am Ende der Serpentinen stand, und ihr trunkenes Auge weidete sich an der märchenhaften Pracht. Oft dachte sie dann an einen, der so empfänglich für alles geivesen, ioas schön und groß war. Wie hätte Ernst Ludolsf es genossen, die Wunder der Gotteswelt zu schauen! Wie hätte er sich hier gekräftigt, und' die zarte Lunge hätte freier atmen können!