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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192207213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19220721
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19220721
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-07
- Tag 1922-07-21
-
Monat
1922-07
-
Jahr
1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1922
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einen so bequemen Witz zu leisten. Yon hoher Intelligenz zeugt Kieses Verfahren jedenfalls auch nicht. „Lutherstadt Wittenberg". Die Stadt Witten berg soll nach einem kürzlich gefassten Beschluss der dortigen Stadtverordnetenversammlung künftig den Rainen „Luther- stadt Wittenberg" tragen. Eine nähere Kennzeichnung ist ja unbedingt notwendig, da eS drei Orte namens Witten, berg gibt, nämlich in Ostpreussen, Pommern und West- Preußen. Bon feiten der Post wurde darum zur Unter- scheidung der Lutherstadt geschrieben: „Wittenberg, Bez. (t>. h. OberpostdirektionSbezirk» Halle": die Eisenbahnver» waltung wählte die Bezeichnung: „Wittenberg, Prov. Sachsen". Die in manchen Kreisen übliche Kennzeichnung „Wittenberg (Elbe) führte leicht zu Verwechselungen mit Wittenberge, das ebenfalls an der Elbe, aber im Re. gterungsbezirk Potsdam liegt. Es ist daher em sehr empfehlenswerter Vorschlag der Wittenberger Stadtver. ordnetenversanimlung, künftig „Lutherstadt Wittenberg" zu schreiben. D.E.K. Eine Abfuhr. In letzter Woche ging, so leien wir in der Erfurter „Mitteldeutschen Zeitung", eine junge Lame mit einem etwa fünfjährigen Kmde auf den: Bahn- steig in Bebra spazieren, um auf deu nächsten Zug zu warten. Zwei Engländer treten au sic heran und fragen in englischer Sprache, wann der nächste Zug nach Berlin führe. Ton und Haltung einfach ungezogen. Obwohl die Dame den Inhalt der Frage verstanden hat, erwiderte sie, dass man in Deutschland sei und hier deutsch zu sprechen hätte. Darauf einer der beiden Engländer, freilich etwas radebrechend, aber immerhin doch in deutscher Sprache: „Die Deutschen stehen so unter englischem Druck, dass man verlangen kann, das; jeder Deutsche Englisch kann oder lernt!" Darauf das kleine Mädel, das die Fremden neu», gierig von oben bis unten angeschaut hat: „Onkel, du mutzt erst anfessen, es schickt sich nicht, mit vollem Munde zu sprechen!" Schallendes Gelächter der Umstehenden. Das „Kauderwelsch des Engländers ist dem Kinde gewitz doppelt unangenehm aufgefallen. Verkauf derLarcnkrone. Die endlose Geldnot der Bolschewistenregierung sinnt immer aufs Neue, die leeren Taschen zu füllen. Nachdem so ziemlich alle Werte und Kostbarkeiten der Bourgeoisie „nationalisiert", d. h ent- wendet worden sind, wird in allernächster Zeit die be- rühmte Moskauer „Waffenkammer" geöffnet werden, um ein historisches Wertobjekt nach dem andern verschwinden zu lassen. Dazu gehören auch die kostbaren Kronen des ehe- maligen russischen Zaren. Abgesehen' von dem reichen Iu- welenschmuck, den sie tragen, wird der Goldwert allein von Kennern auf 700 Millionen Goldrubcl geschäht. Das Aergernis erregende Kreuz. In Pirmasens (Pfalz) ließ der Oberbürgermeister, nachdem der Stadtrat den Leichenhauszwang eingeftthrt hatte, das über der Leichenhalle befindliche Kreuz entfernen, weil jüdische Leichen nicht in die mit dem Kreuz versehene Halle gelegt werden dürften. Der christlichen Bevölkerung hat sich eine lebhafte Erregung bemächtigt, zumal die jüdische Gemeinde die Wegnahme des Kreuzes gar nicht verlangt hat. SEK. An den Unrechten gekommen. Als der Arzt Dr. med. G. aus Iauer in Schlesien vorige Woche zu einem Nachtbcsuch über Land gerufen wurde, wurde er von einem Wegelagerer angefallen. Der Arzt setzte sich kräftig zur Wehr und brachte dem nächtlichen Angreifer mit seinem Hausschlüssel mehrere wuchtige Schläge auf den Kopf und im Gesicht bei, so daß der Wegelagerer blutüberströmt zu sammenbrach. Am anderen Morgen kam der Verletzte zu demselben Arzt, um sich verbinden zu lassen. Letzterer er kannte den Angreifer und veranlatzte seine sofortige Ver- Haftung. Die Gans. Lehrer: „Nun, Kinder, wer kann mir aufzählen, was man alles von der Gans gewinnt?"—Frieda: „Gänsegrieben." — Lehrer: „Gut. Was noch?" — Ida: „Schmalz." — Lehrer: „Und was noch?" — Lina: „Fleisch." Lehrer: Und weiter? (Alles schweigt.) Nun, Frieda, was habt ihr denn im Bett?" — Frieda: „Wanzen, Herr Lehrer." Neueste Nachrichten und Telegramme vom 21. Juli 1022. Herabsetzung der deutschen Kohlenlieferungen. )( Paris. Wie der „Matin" zu wissen glaubt, wird die ReparationSkommifsiou, di« gestern die französischen Sachverständigen über die deutschen Kohlenlieserungen gehört hat, beute ihre Entscheidung über die Höhe.der künftigen Kohleulieferungen Deutschlands treffen. Die Reparationskommission werde Deutschland im Hinblick auf seine Lage eine leichte Herabsetzung der verlangten Kohlenlieferungen bewilligen. Schuldrnstreichung und BesatzungSabbau. * Paris. In den Kreisen des Quai d'Orsay wird es für sehr wahrscheinlich gehalten, daß PoinearS noch vor Ende dieses Monats nach London reist. Von unterrichteter Seite wird bestätigt, daß Poincarö nicht daran denkt, die Reise von einem vorherigen Beschluß der ReparationS» Die goldene Brücke. Ein Roman aus der Biedermeierzeit von Anny Wothe. Amerikanisches Sopyrtgth 1S18 by Anny Wothe-Mahn, , Leipzig. 44. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Leberecht Bauer sah sein Weib groß an und löste un wirsch ihre ihn umklammernden Hände. Ohne ein Wort, ohne Gruß verließ er das Zimmer. Henriette stand, beide Hände über der Brust gefaltet, ganz vernichtet vor Andreas, der ihr voll trauriger Güte in die Augen sah. „Nun heißt eS auch für uns, von einander aus ewig Abschied nehmen," sagte er sanft. „Ich gehe, und wir werben uns niemals Wiedersehen. Das ist gut so, Henriette, denn —" er stockte — „ich hätte die Qual nicht länger ere tragen." Henriettens Augen öffneten sich weit, dann warf sie ihre Arme leidenschaftlich um seinen Hals. „Du darfst nicht fortgehen, Andreas, so nicht," kam eS bebend von ihren Lippen. „Begreife doch, daß mich die Schuld, die furchtbare Schuld zu Boden schmettert. Deine Worte von der goldenen Brücke, ich habe sie nicht ver gesse» können. Tag und Nacht haben sie mich verfolgt und mir gezeigt, wie grenzenlos elend ich bin, seitdem ich weiß, baß du mich verachtest, Andreas." Er sah ihr mit weicher Zärtlichkeit in ihre blassön, über wachten Züge. Mild faßte er ihre schlanken, weißen Hände. „Nein, Henriette, ich verachte dich nicht, seitdem ich weiß, daß du leidest. Du hast meinem Vater Glück gegeben, und das soll dir gedankt sein. ES ist mir nicht leicht ge worden," fuhr «r mit einem schmerzlichen Lächeln fort, „mich zu dieser Auffassung durchzuringen, denn, Henriette — nie habe ich aufgehört dich zu lieben, und bi» zu meinem letzten Atemzuge wirst du meines Lebens Licht, meine» Lebens Wonne sein. Ich hätte e» nicht sagen sollen, du wtrst jetzt meiner wie echeS Toten gedenken, und dem Scheidenden vergönnt man ein letztes Wort. Go laß un» denn Abschied nehmen, Henriette! Laß die goldene Brücke zu einem Pfad der Erinnerung werden, der unsere Seelen »usammenführt, wenn wir längst geschdeden sind." Henriette sah verzweifelt zu ihm auf. Grobe Tränen tropften über ihre blassen Wangen. „Tn sprichst, als nimmst -u Abschied fürs Leben, Andreas. Ach. wenn ich e» doch sagen könnte, wie wund. kommisstpn abhängig zu machen. In den Kreisen der i hiesigen englischen Botschaft verlautet, Llond Georae werde PoincarS die völlig« Str«ichung der französischen Schulden anbieten und als Gegenleistnng eine Zustimmung Frankreichs zu einer starken Herabsetzung der deutsche» Schulden und zur tverminderung der VesatzuugStruvve» im Rheinland« auf ein Viertel des gegenwärtigen Standes fordern. Die deutsche Schuld soll nach dem Vorschläge Lloyd Georges auf einen Betrag herabgesetzt werden, der unterhalb der Summe, die bisher für die ermätzigtc Schuldsumme genannt wurde, liegt. Die französische Presse zum NcparationSabkomme«. )( Paris. „Echo de Paris" schreibt zu der von Poin. carä an den französische» Delegierten bei der ReparationS» kommisston gerichteten Denkschrift, diese sei befriedigend, da PoincarS sehr klar auf der Notwendigkeit bestehe, raschestcns eine beabsichtigte Verfehlung des Schuldners sestzustcllen. Sie sei ferner befriedigend, weil sie der Kommission emp fehle, unverzüglich das öffentliche deutsche Vermögen, Wäl der, Domänen und Staatsgruben mit Hypotheken zu be legen. DaS seien Pfänder für eine etwaige Anleihe, nach dem die deutsche Währungsreform durchgesührt worden sei. — „Petit Parisicn" schreibt in Würdigung der Ergebnisse de» Garantieausschusses: Der erste Unterausschuß be- schästigte sich mit den. deutschen Vudgetausgaben. Es scheine nicht, daß er eine wesentliche Herabsetzung erreichte. Man hatte besonders nicht geglaubt, die Ausgaben vermindern zu können, die bestimmt seien, die Hygiene zu vervollkomm nen oder das deutsche Eisenbahnnetz der neuen Gestaltung des deutschen Gebietes anzupassen. Der zweite Unteraus schuß habe sich mit den Einnahmen beschäftigt. Was er erreichte, bestehe weniger in der Vermehrung von Steuern als in der Sicherstellung des Einganges der schon in Kraft befindlichen. Es scheinen auch Vorkehrungen getroffen zu sein, um den baldmüglichsten Eingang der Zwangsanleihe jedenfalls vor Jahresende sichcrzustcllen. Der dritte Unter ausschuß, der sich mit der Kapitalflucht beschäftigte, schlug gewisse praktische Maßnahmen gegen die Spekulation des groben Publikums vor. Der Streik der Nheln-Schleppdampser-Rcmannungen. )( Amsterdam. Laut „Allgemcen Handelsblad" wurden gestern über den in Holland wegen der vorge- schlagcnen Lohnhcrabsetzung von 10 Prozent ausgebrochenen Streik der Bemannungen der Rhein-Schleppdampfer Be sprechungen gepflogen, die von Tr. Rudolf, dem bevoll mächtigten Vertreter des deutschen Transportarbettervev- bandes, unter Teilnahme von Maschinisten und Heizer zu sammen mit dem Vorstand des holländischen Zentralbundcs der Transportarbeiter über die Zusammenarbeit der deut schen und holländischen Organisationen eingclcitet wurden. Es wurden folgende Beschlüsse gefaßt: 1. Beginnend mit dem heutigen Tag wird der Streik proklamiert sür alle Rheinschifse, sowie Schleppdampfer, Frachtschiffe und deren Schleppdampfer: 2. den deutschen Organisationen wird Zu stimmung erteilt, die deutschen Flußschiffe, die in den Niederlanden beladen wurden, am 8. Juli mit der Ladung begannen und am 20. Juli beladen sind, mit deutschen Schleppdampfern rhetnaufwärts zu schleppen. Dagegen sind die deutschen Organisationen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß a) niederländische Flußschiffe in Deutschland weder beladen noch gelöscht werden, noch Kohlen erhalten oder geschleppt werden, sts während der Dauer des Streiks kein Schiff nach Holland gelangt, e) kein anderes Schiff durch deutsche Schleppdampfer stromaufwärts geschleppt wird als die unter 2. aufgeführten. Einheitsfront zur Bekämpfung der Reaktion. )( Amsterdam. In der gestrigen Nachmittagssitzung der internationalen Gewerkschaftskonfercnz erstatteten die deutschen Delegierten Wels und Crispieu ausführlichen Be richt über die politischen Zustände in Deutschland und über die zur Verteidigung der republikanischen Ttaatssorm in Deutschland getrogenen Maßnahmen. In der Aussprache, die an den Bericht der beiden Delegierten sich anschloß, wurde von allen Redner die Notwendigkeit der Ausrichtung einer Einheitsfront zur Bekämpfung der Reaktion dav- gelegt und eine gemeinsame Aktion befürwortet. Bezüglich der zu befolgenden gemeinsamen Richtlinien bestand volle Uebereinstimmung. Am Schluß der Nachmittagssitzung wurde eine Kommission ernannt, bestehend aus Fimmen vom internationalen Gewerkschafisbund, Vauters und Wels von -er Zweiten Internationale, Walheab und Grimm von der Wiener Internationale. Die Kommission soll eine ge meinsame Erklärung vorbereiten, die die Ansicht der drei Leitungen klar zum Ausdruck bringt. Zum Einfall im Burgenland. -(Budapest. (Ungar. Korrbüro.) Obwohl die unga rische Regierung seinerzeit die Teilnehmer an den Kämpfen in Westungarn entwaffnete und pazifizierte, wurden jüngst neuerliche Ansammlungen an der westungarischen Grenze bemerkt. Die ungarische Regierung traf unverzüglich die energischsten Verfügungen behufs^Verhinderung etwaiger Organisierungen. JmLanfederAbwehrmaßnahmenentflohen mehrere Aufständische auf österreichische« Gebiet bei Nager«, darf und wurden durch Grwebrfeuer der österreichischen Wehrmacht zurückgedrängt. Beim Rückzug auf ungarische« Gebiet wurden auch diese Aufständischen durch die ungarische Gendarmerie entwaffnet und verhaftet. Es wurde» alle Verfügungen getroffen, um weitere Ansammlungen zu verhindern. SluSftaud i« Schwede«. -(Stockholm. Die Telephonbeamten in Stock holm und Gothenburg sind beute in den Ausstand getreten. Ortsgespräche können nicht mehr stattfinde», dagegen wird der Fernverkehr aufrecht erhalten. — Tagens Nyeter zu folge beschloß das Personal der großen schwedischen Privat eisenbahnen wegen Lohnstreitigkeiten in de» Streik zu treten. Der Zeitpunkt sür den Beginn des Streikes ist noch nicht bestimmt. Der griechisch-türkische Friede. -(Paris. Der Minister des Innern der Regiernng von Angora ist in Paris angekomnien. Er batte gestern mit Franklin Bouillon eine lange Unterredung über deu griechisch-türkischen Friede». Der Eisenbabnerstrrik in Amerika. )( Paris. Nach einer Meldung der „Chicago Tribüne" aus Washington wurden infolge des Eisenbahnerstreiks mehr als 150 Eisenbahnzüge aus dem Fahrplan gestrichen. Aus einzelnen Orten des Landes werden Unruhen gemeldet. * Die bayrische Mitzftimmu«- gegen Berit«. )l Berlin. Nach einer Meldung des „Tageblatts" auS München wurden die Beratungen des bayrischen Mi.- nisterrats gestern abend fortgesetzt. Tie sollen unter allen Umständen soweit gefördert werden, daß dem heute zu sammentretenden Landesausschuß bestimmte Garantie formeln für die Handhabung der Gesetze zum Schutze der Republik unterbreitet werden können. Wie das Blatt weiter meldet, hat Graf Lerchenscld dem bayrischen Gesandten in Berlin Dr. vo« Prencr sür seine Haltung im Ncichsrat und Reichstag die volle Anerkennung der bayrischen Regierung ausgesprochen. — Nach einer Münchner Meldung der „Voss. Zig." verliert der Gedanke, de» Landtag aufzulösen und ast das bayrische Volk mit Wahlen zu appellieren, auch in der Bayrischen Volkspartei sehr an Boden, da man sich frage, was man denn tun sollte, wenn die Befragung des Volkes eine große Mehrheit gegen die republikanischen Schutzgesetze zeitigen würde. Eine rechtsstehende Münchner Zeitung schreibt: Im Interesse der politischen Reinlichkeit und der Geletzestreue unseres Beamtentums wünschen wir lieber rückhaltlose Annahme der Ausnahmegesetze als die Verfolgung von ebenso unbayrischcn wie undeutschcn Ge- dankengüngen, die jetzt in den Münchner Köpfen zu spuken beginnen. — Tie Demokratische Partei verlangt nach einer Mitteilung ihrer Korrespondenz, daß jetzt, da die Gesetze angenommen sind, sie auch von Bayern ordnungsgemäß und loyal durchgesührt werden. — Ein Ausruf des Bezirks vorstandes der sozialdemokratischen Partei Frankens er mahnt die Arbeiter, auf der Hur zu sein. Tie Männer, denen Ihr Euer Vertrauen geschenkt habt, werden Euch auf rufen, nicht zu Worten, sondern zu Taten für die in Bayern immer wieder aufs neue bedrohte und gefährdete deutsche Republik. — Auch daS Organ der unabhängigen sozial demokratischen Partei „Ter Sozialdemokrat" richtet an die Parteigenossen die Aufforderung, sich in Alarmzustand zu setzen. * München. Im Landtage wurde gestern die bayrische Negierung gefragt, wie es mit der vom Reiche angedrohten Entfernung der alten Hoheitsabzeichen aus den Gebäuden der Finanzvcrwaltung stehe. Tas Finanzministerium er widerte, was das Reich entfernen wolle, sei seine Sache, aber diese Gegenstände seien Eigentum des bayrische« Staats. Es wäre selbstverständlich gewesen, daß man der bayrischen Negierung die Absicht der Entfernung mitgeteilt hätte und daß man angegeben hätte, wo die Abzeichen hin zubringen seien. Es handele sich z. B. bei den Wappen schildern um Kunstdenkmäler, die man nicht ohne weiteres entfernen könne. Es müsse erwogen werden, ob die Wir kung der Entfernung in einem Verhältnis stehe zu dem Wert dessen, was zerstört werde. * München. Im banriichen Landtage erklärte gestern der Finanzminister Tr. Krausneck, auf seine Vorstellun gen hin habe sich die Neichsrcgiernng bereit erklärt, von einer völligen Aufhebung der Finanzkammer Abstand zu nehmen. Inzwischen habe sich gezeigt, daß es nicht >'o weiter gehen könne, da bei den Landessinanzamtern so große Ar- beitsrückstönde entstanden sind, daß für den bayrischen Staat Millionenverlnste eintreten. Tie Verhältnisse im ^Landes finanzamt Nürnberg seien geradezu katastrophal. Tie bay rische Regierung sei nicht von jeder Schuld freizusprechen. Es gehe nicht an, bei der Zentralisierung der Geschäfte die RcichSangelegenhciten zu erledigen und die Landes angelegenheiten liegen zu lassen. Man könne über eine Einheit denken wie man wolle, aber sachliche Interessen, gegensätze seien unvermeidlich. wie zerrissen meine Seele ist. Lächelnd und stolz ließ ich mir von deinem Vater die goldene Brücke bauen. Die Brücke zerbrach, Andreas, seitdem ich erkannte, Laß ich nicht vermochte, dich aus meinem Herzen zu verbannen." Andreas starrte Henriette wild, mit verstörten Augen an. Dann ritz er sie leidenschaftlich in seine Arme und barg ihr weinendes und zuckendes Antlitz an seiner Brust. „Henriette!" jauchzte er auf. Er neigte sich über ihr weißes Gesicht und küßte ihren zuckenden Mund, ihre weinenden Augen. „So nehme ich Abschied von dir, Geliebte," flüsterte er tnntg, „Seligkeit im Herzen für dieses letzte Wort." „Du zürnst mir nicht, Andreas?" fragte sie» sich von ihm lösend und bang zu ihm aufsehenb. „Nein, Liebe, ich verstehe nur zu wohl, daß Leberecht Bauer der Mächtigere ist, dem ich weichen mußte." „So ist es nicht, Andreas. Ich nahm deinen Vater, wie du sagtest: weil die goldene Brücke mich lockte, ohne Liebe, aber ich lernte ihn lieben, ihn wertschätzen. Seine heiße Liebe entflammte Gefühle bei mir», die mich ihm immer näher brachten. Bis du zurück kamst, Andreas, und mir so bittere Wahrheiten ins Gesicht schleudertest. Da erst erkannte ich, was ich dir, was ich mir, was ich deinem Vater getan. Unser aller Glück habe ich zerbrochen — wie die goldene Brücke zerbrach. Kannst du mir verzeihen, Andreas?" Noch einmal nahm er sie in seine Arme. „Ich liebe dich," sagte er innig, „obwohl eS Tod sünde ist. Gott sei mir gnädig." Scheu berührten sich ihre Lippen im Kusse, dann war Henriette allein. Sie sah Andreas verstört nach, bann schrie sie gellend auf und brach haltlos zusammen. Die Morgensonne spielte mit goldenen Lichtern auf ihrem blauschwarzen Haar und die alte, große Standuhr tickte leise. Wie Todesgrauen war es in Henriettes Seele. Iulchen Bauer fand Henriette ohnmächtig im Wohn zimmer, wohin sie geeilt, als sie von Leberecht die Flucht Törtchens mit Jmmelmann erfahren. Tante Malchcn war inzwischen bemüht, Hte herrisch gegebenen Befehle des Bruders, die er vor seinem Fortgänge erteilte, anSznführen. DaS HochzeitSmahl, die Trauung mußten abbestellt werden, an die zahlreichen Hochzeitsgäste mußte man Boten senden, um zu melden, daß wegen heftiger Erkrankung Törtchens — so hatte es Lcberecht Bauer gewollt — die Hochzeit ver schoben sei. Zuerst waren die beiden alten Mädchen ganz aus den Fugen. Bald aber gewann ihr gesunder praktischer Sinn die Oberhand. Während Henriette jetzt aus ihrem Zimmer, in dem die Fenster verdunkelt waren, bleich und teilnahms los lag, und auk alle an sie gerichteten Fragen keine Antwort gab, machten sie sich daran, das Hans wieder gründlich in Ordnung zu bringen. Dabei schimpften sie abwechselnd auf Rieke und auf Törtchen. Auf Rieke, weil sie ihre Herrschaft schmählich im Stich gelassen, und man nun alle Arbeit selbst tun mußte, auf Törtchen, daß sie eine solche Sündentat begehen konnte. Unter den rührigen Händen der beiden Schwestern Leberechts glätteten sich rasch die Wogen der Unordnung im Hause, zumal Tante Malchen sogar die Lehrlinge in der Apotheke tüchtig zur Hilfe anspannte. Als der erste Sturm sich gelegt und daS Mittagessen auf dem Feuer brodelte, da sagte Iulchen hochbefriebigt zu Malchen: „Na, siehste, Malchen, daß wir doch noch zu etwas nütze sind? Was wollte wohl Henriette anfangen, wenn sie uns nicht hätte?" Malchen, die das kleine Martechen tröstend im Arme hielt, das unaufhörlich nach Törtchen weinte, nickte un streichelte scheu daS blonde Haar der Kleinen. Malchcn hatte so etwas noch nie gewagt, und ihr alterndes Mädchen herz klopfte ordentlich dabei, als begehe sie ein Verbrechen. „Ja," meinte sie, „und wenn ich es recht bedenke, Iulchen, am Ende war cs das Nichtige, waS Törtchen getan." Julie Bauer hob abwehrend die Hände. „Wo bleibt denn da die Moral? Gott behüte, wohin soll das führen, wenn man gleich bavonläuft, noch dazu mit einem Menschen, in den man verliebt ist, was schon ganz »»schicklich ist." „Quatsch nicht, Iulchen, Sie hat ihn lieb. Wir wissen doch gar nicht, was wir getan hätten, wenn wir jemand lieb gehabt und Leberecht oder die Eltern uns gezwunge» hätten, einen ungeliebten Mann zu nehmen. Ich glaube, ich wäre auch durchgcgangen." Iulchen verdrehte entsetzt die Augen. „Gott sei Tank, daß du nicht in eine solche Lage ge kommen bist. Da sehen wir ja, daß die leichtsinnige An, läge bei Törtchen erblich ist, die hat sie von dir."
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