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1. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L «tntexlt» In Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich! Arthur Hühnel in Riela. n Donnerstag. SV. Januar IUI8, abends. «s. Jahr». «i «eit in Pech m 8kin«,M,I». i 8ch. CK. yeldmarschall v. d. Goltz nimmt am Schluß einer Aufsatzes im neuesten Hefte der Deutschen Rundschau, in dem er .der jungen Türkei Niederlage und die Möglichkeit ihrer Wiedererhebung" behandelt, da» Wort zu einer .persönlichen Bemerkung", in der er sich mit den gegen ihn gerichteten Angriffen au«etnandersetzt. Zunächst wirst er einen Blick der Erinnerung auf seine Dienstzeit in der Türkei. .Anno 18S5 verließ ich schweren Herzens die türkisch, Armee, in der ich 12'/, Jahr« gedient und an die ich. trotz aller Schwierigkeiten, die damol« einer jeden soldatischen Tätigkeit duich den Argwohn Les Großherrn bereitet wurden, mein Herz gekettet hatte. Im Lebensalter zwischen 40 und 52 Jahren knüpft man auch di« letzten intimeren Freundschaften auf dieser Erde; viele der im letzten großen Drama handelnden Personen standen mir nahe, eine Anzahl davon waren meine ehemaligen Schüler." v. d. Goltz wurde zunächst al« Inspekteur an die Militär schule berufen und erhielt nach dem serbisch-bulgarischen Kriege im Sommer 1886 auch die Stelle als Souschef des Generalstabs. .Sie war jedoch keine unabhängige und hatte nicht viel zu bedeuten. Zugleich erhielt ich den Auf trag, gemeinsam mit dem General Mouzzaffer Pascha (Graf Czachowskt), einem ausgezeichneten Kenner der türkischen Armeeoerhältniffe und hochgebildeten Olfizier, einen Entwurf für eine Reform zu bearbeiten." Ein neues Rekrutierungs gesetz, das die allgemeine Wehrpflicht regelte, ein Reserve. Landwehr- und Landsturmgesetz, ein MobilmochungSreglement nebst andern Vorschriften wurden nun ausgearbeitet; dazu kam eine da» ganze Reich umfassende neue Einteilung in 364 Bataillonsbezirke, die schwierige topographische Auf nahmen erforderte. „Die ge'etzliche Grundlage für das Aufgebot der MoSlim« war geschaffen. Ein« moderne Aus bildung der Truppen unterblieb. Dazu behielt sich Sultan Abdul Hamid in jedem Falle die besondere Genehmigung vor — und diese erfolgte nicht. Auch der Versuch, den Generalslab für seine praktische Tätigkeit einzuführen, scheiterte." So sollte z. B. ein strategische» Kriegsspiel stattfinden, das «Inen bulgarisch-türkischen Krieg zur Unter lage hatte und bei dem der erschossene Generaltlsimu» Nazim Pascha und der ebenfalls vielgenannte Abdullah Pascha die Führung übernahmen. Der erste auf bulgarischer, der zweite auf türkischer Seite. Bevor jedoch die Studie auf dem Gelände ausgetllhrt werden konnte, kam rs zu einer hochnoipeinlichen Untersuchung, und nur dem Tin- greifen de« deutschen Generals gelang es. den Großherrn davon „zu überzeugen, daß eS sich um keine Verschwörung, sondern eine, sogar durch ältere türkische Vorschriften ver- langte, Arbeit gehandelt habe." Mit der Fortführung solcher strategischer Uebungen war eS aber nun vorbei. Der Sultan behielt sich Sonderbefehle vor und hat sie nie gegeben. „Die Einsicht, daß da« damals für mich Mögliche erreicht, weiter aber nicht zu kommen sei, sowie die Sehn sucht, noch einmal im Vaterlande zu dienen, veranlaßten meine Rückkehr nach Deutschland. ES sind also siebzehn Jahre her, al« ich tiefbewegt au« dem türkischen Dienste schied — und zwar au« einer ganz anderen Armee als der heutigen, nämlich der alten Armee Abdul Hamid« II. Dennoch, und obwohl der letzte meiner ehemaligen deutschen Mitarbeiter noch vierzehn Jahre länger in besonderer Ver trauensstellung bei Sultan Abdul Hamid verblieb, hat es ein Teil der europäischen Presse — namentlich der italie nischen und französischen — für angezeigt gehalten, mich für die türkischen Niederlagen im Balkankriege verantwort lich zu machen und — mehrfach in recht unflätiger Art — anzugreifen. Insbesondere hat ein italienische« Blatt die Entdeckung gemacht, daß ich allein die Schuld an der Niederlage des linken türkischen Flügel« in der Schlacht von Lüle Burgas trüge. Wie man die« vom Kurfürsten- dämm in Berlin aus zu bewerkstelligen hat, ist mir nicht klar geworden und beruht wohl auf einer Ueberschätzung meiner Fähigkeiten. Wenn, was zu hoffen ist, demnächst türkifche Darstellungen des Feldzuges aus Grund de« amt lichen Material« erscheinen, so werde ich die Schicksale jenes ArmeeflügelS aber mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen." Sodann wendet sich der Feldmarschall gegen die Behauptung, daß die deutsche Taktik und der „preußische Drill" bei Ktrkkiliffe zusammengrbroche» sei. „Ist die« auch Tollheit, hat eS hoch Methode!" Nicht ich, nicht die zur Zeit in der türkischen Armee dienenden deutschen Offiziere, sondern da« ganze verhaßte Deutschland sollte herabgesetzt, sein Ansehen bet Freund und Feind gemindert werden. Mehrere Sendungen enthielten denn auch Zusätze wie: .So wie jetzt den Türken, wird e« den Deutschen gehen, wenn st« mit den Franzosen zusammentreffen." Daß deutsche Taktik in der ihrer inneren Natur nach ganz ander« gearteten türkischen Armee gar nicht betrieben wer den kann, sondern nur türkische, geht aus dem Voran gegangenen deutlich hervor. Damit aber der „preußische Drill" — die« geheimnisvolle, auch im Vaterland« noch in der Phantasie vieler Leute umgehende Schreckgespenst — zusammenbrechen konnte, hätte er zuvor erst eingesührt sein müssen, woran niemand gedacht ha». Zudem war bei Kirk- kiltfse keine« der von deutschen Offizieren ausgebildeten Modellregimenter anwesend, und die an anderer Stelle auslretenden haben «inen vortrefflichen Eindruck gemacht, von der Unbrauchbarkeit der deutlchen Bewaffnung ist ,» seit der Schlacht vor der Tschataldscha-Linte am 17. bi« IS. November still geworden; fle scheint sich dort garntcht sühlbar gemacht zu haben. Der Lärm, der darüber zuvor entstand und der auch in der deutschen Press« widerhallte, hat sich ohne die Erklärung,n, die durch diese, -um Teil in der ungehörigsten Art, von mir gefordert wurden, gelegt. E« ist auch beim besten Willen nicht einzusehen, welchen Anlaß wir Deutsche haben sollten, mutmaßliche Gegner vor einer Unterschätzung unserer Kampkwetse und Rüstung zu warnen. Sie fetzt sich in der Regel auf künftigen Schlachtfeldern in verhängnisvolle Fehler um, wie e« schon einmal 1870 geschah . . . Zum mindesten bätte doch ab gewartet werden können, bi« von türkischer Seite ein Vor wurf laut wurde — und da« ist, wenigsten« von beatbten«- werter Stell« aus. nicht erfolgt. Alle deutschen Offiziere haben auf ihren Posten die besten Kräfte eingesetzt und in dem ihnen zugewtesenen, bestimmt abgegrenzten Wirkung«, kreise Tüchtige« geleistet. Mir war in ehrenvoller Art 1S0S die Rolle al« Organisator der neuen Armee zugedacht worden. Aus naheliegenden Gründen konnte ich sie nicht übernehmen und hatte nur die Möglichkeit, mit den alten Freunden al» Freund zweimal für einig« denkwürdige Monate zusammenzuarbeiten und mich an den Fortschritten der jungen Truppen zu erfreuen. Wenn ich trotzdem durch halb Europa al« der Verderber der arme» türkischen Armee bezeichnet worden bin, so hat mich dies um eine Erfahrung bereichert, nämlich, daß alles, waS öffentliche Meinung und Urteil der Welt heißt, noch mehr Geringschätzung verdient, al« ich sie zuvor schon besaß, und daß die Geschichte wirklich die „kadis convsnntz" Napoleons I. ist." Der neue Krieg. BD. Gestern endlich ist auch formell in der Balkan lage ein schwerer Schritt vorwärts getan worden. Vorwärts oder rückwärts je nachdem man eine Wiederaufnahme der kriegerischen Ereignisse als ein Mittel zur endlichen Lösung oder eine Fahrt inS Blinde, Unberechenbare ver urteilt. Die Balkandelegierten bei der Londoner söge- nannten Friedenskonferenz haben gestern nachmittag Len Vertretern de« türkischen Kaiserreiche» eine Note überreicht, in der der Abbruch de» Waffenstillstand» und die endgültige Wiederaufnahme der Feindseligkeiten angezeigt wird. Die Kanonen werden also wieder spreche», aber sehr viel Neue» werden sie nicht sagen können, sie werden sich auf di« Ver- kündigung der alten Weisheit beschränken und diese über die Schlachtfelder dröhnen lassen! Wer dir Macht hat, hat da« Recht. Die Balkandelegierten haben wohl nur deshalb solange in London noch gezögert, weil sie endgültig dem Vorwurf au»weichen wollten, sie hätten den Frieden vereitelt. Denn seit dem Tage, an dem Enver Bei für die Jungtürken die Macht in Stambul wieder eroberte und damit daS Signal für «inen neuen Kur» in der «»manischen Politik gab, stand eS für olle Welt fest, daß ein Frieden unter Verzicht der Türkei auf Adrianopel oder gar auf die ägäischen Inseln nie zu Stande kommen werde. Da» wird ja jetzt auch in der Note, die heute von der Hohen Pforte den Mächten als Antwort auf ihre Kolleklionote überreicht wer den soll, festgestellt werden. Dies« Antworts-Note stellt al« alleräußerstes Entgegenkommen der Türkei die Autonomie Adrianopel« fest und weißt jede Abtretung ägäischer Inseln rundweg ab. Also im Grunde eine Absage gerade der Forderungen, die von den Balkanstaaten und den Mächten als die wichtigsten betont wurden und um die sich eigent lich auch die spärlichen Verhandlungen in London lediglich gedreht haben. Wenn man eine Forderung abweist, so muß man auch die Kraft haben, auf einer solchen Abweisung bestehen zu können. Wird dies der Türket möglich sein, wird sie Adrianopel gegen die feindlichen Heere halten können? Denn eine Autonomie Adrianopel», also die Schaffung eine« neuen, unter irgendeiner unwirksamen Oberhoheit stehenden MiniaturstaatS entspricht in keiner Weise den Interessen aller Beteiligten. Albanien» Abgrenzung hat schon genügend Kopfzerbrechen verursacht, und wird e« ferner auch tun, eine erneute derart undankbare und nur scheinbare Lösung zu finden, werden di« Mächte und di« Balkanstaaten ablehnen. So muß denn, wenn nicht ein Wunder geschieht (oder Rußland einfach in die Türkei ein- marschiert) da« Kriegsglück von ueuem entscheiden. Di« Leidenschaften werden auf« neue auislamme», die vielen Brandherde in Europa von neuem der Gefahr der über- springenden Funken aulgesetzt sein und derjenige, der dies mal verliert, dürft, gründlich verloren haben. Die Türken kämpfen um ihre Existenz al« europäischer Staat und im Fall endgültiger Besiegung wird diese Eigenschaft auch wohl verloren sein. Sie setzen aber im erneuten Kampf auch ihre asiatischen Besitzungen aus» Spiel, die schon seit langem von gierigen Spekulanten umlagert werden, die nur aus eine Spekulation dieses Besitze« warten. Auf diese Gefahren deutete auch da« Wort de« deutschen Botschafter« in Kon stantinopel hin, der die deutschen Jntrreffen in Anatolien betonte und auisprach, daß Deutschland jeden Angriff auf diese seine Interessensphäre abwehren werde. Da« kann al« ein Garantie-Versprechen an die Türkei aufgefaßt wer- den, aber auch al« ein Anmelden deutscher Rechtsansprüche, wenn e« mit den alten Machthabern zum Aeußersten kommt. Auf jeden Fall wird Wangenhelm» Wort all denen im neuen Kampf in den Ohren klingen, die so oder so zu ihrem Profit zu kommen hoffen, ohne an die Ansprüche der größten europäischen Militärmacht zu denken. O Durch Aushang haben wir gestern abend noch folgende Fernsprechmeldung bekannt gegeben: Londou. Die Rote, die die Balkans verbündeten Mittwoch den türkischen Dele gierten überreicht haben, erklärt die Ver handlungen für abgebrochen. Der Text der Note der Balkanverbündeten lautet: „An Ihre Exzellenzen die Herren bevollmächtigten Delegierten der Hohen Pforte der Friedenskonferenz. Da die Bevoll mächtigten der verbündeten Staaten seit der Snspenston der Arbeiten der Friedenskonferenz vergeblich während dreier Wochen auf eine Antwort der ottomanischen Bevollmächtigten auf ihre letzte Forderung gewartet haben, und da, wie eS scheint, die Ereignisse in Konstantinopel die Hoffnung be seitigen, zu einem Frieden«schluß zu gelangen, sehen sie sich zu ihrem großen Bedauern gezwungen, zu erklären, daß die am 16. Dezember v. I. in London angeknüpsten Verhand ¬ ele allbekannt« üesetrl.öexü. berelcnnunö unsere? Für- Vuk ec mN Nunltll »mll Loia vx OconK KsS^le 6-ukcbe citzarettenladr-lk. Dreien. vrekler /. bis M. /-ielvuan LpottbMFe?ne/se /ün §eu>att/se /tlerclen- unck Liu/en/ko^e, <8e/cle, /to/i/estk/on, lVä/ake, Lettu-äDrs, ^us/tsuer'-^/'krste/, T'epp/ake, Oancl/nen, St^ümp/e, »«,.