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H 84. S. «eil,«, M« Aitseer Tezeilett. «oitta«, IS. April 192«. «r«n»s. 7». Jehrg. Line Weinstube mit politische» Zweck. «rj»e Kulisse als Denkmal. Heber Politik würbe schon immer in Weinstuben gesprochen. Die ungarische Nation will vor dem Parlamentsgcbäudc in Doch die in Berlin erüftnete Tiroler Weinstube in der -stvthc- Budapest ein monumentales Denkmal ausstcllen. das di- uer «strafte ist sicherlich die erste, die gegründet wurde, um Dankbarkeit der Nation für den grämen ungarischen Ltaals- einem politischen Zwecke äu dienen. Tre Einnahmen dieser mann Ludwig Koffuth und seinen in der Revolution von Weinstube, die durch den Ausschank des feurige» ^ervaners ,848 beteiligten Kompatriotcn verkörpern soll. Um nun sest- und des milden Rulilanders erzielt werden, sollen den Deut- zustellen, wie das Denkmal wirken wird, bat man den En- scheu in siidtirol als materielle Hilfe znfliegen. wurf aus Kulissen gemalt und diesen a- der betrenenden Stelle ausgestellt. Scho» wieder Militär-Revolte in Griechenland. Ministerpräsident PangaloS. In Griechenland löst eine Ministerrevoltc die andere ab. Auch der jetzige Machthaber, Ministerpräsident PangaloS, selbst aus dem Militär hcrvorgegaugen, mußte eine crnst- hafte Meuteret in Saloniki niederschlagen. Eine Storchfamilie, ans dem Lüden heimkchrend, hat sich ihr Nest auf dem Schornstein einer Schmiede in Schlesien erbaut. Tie Töchter Ser Fra« Konsul. ' Roman von Fritz Gantzcr. ? 16. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Wagst du einen Versuch?" unterbrach Beatus und lächelte. „Na, dann glücklichen Reinfalll" Worauf Otto Hollebeu sich verletzt abwandte und in seine Klasse ging. An welcher eiligen Entfernung übrigens auch Matthias Hasemann, der eben mit der Uhr in der Hand aus der Tür seines Amtszimmers trat, ein gut Teil schuld trug. Denn die Pause war schon seit einer halben Minute vorüber. Ein froher, lieber Tag im Dasein Reginens war es immer, wenn sie von Theodor Schölerkamp einen Brief erhielt. Er schrieb nicht häufig. Aber wenn er es tat, befleißigte er sich einer rührenden Au.führlichkeit, die wenigstens drei Bogen beanspruchte. Er hielt seinen fernen Liebling über alle Dinge, die ihm für sie mit- teilenswert erschienen, und von denen er glaubte, daß sie ihr Interesse haben würden, auf dem laufenden. Oft waren es an sich belanglose Begebenheiten, die er mit seiner schwer zu entziffernden Schrift dem Papier anver traute und in origineller Weise erzählte. Einmal berichtet« er über eine neue Schürze der Kipfmüllern, das andere Mal über Ferdinand Hedderwischs jüngste philosophische Be trachtungen. Oder er schrieb ihr von der gelben Katz« und dem Neufundländer. Und über dielen harmlose« Kleinigkeiten vergaß er die ernsten, gewichtigen Ding« nicht. Natürlich hatte er ihr auch von Doris' Verlobung Mitteilung gemacht. Diese Nachricht war Regln« wie etwas gänzlich Unerwartetes gekommen, und sie hätte sich den Kopf zergrübelt, wie das möglich gewesen sein könnte. Sie hatte um Aufklärung gebeten und wär schon nach zwei Tagen im Besitze einer lakonischen Ant< wort gewesen: „Da mußt du deine Schwester selber fragen. Ich weiß es nicht." » Regine hatte sich dann wochenlang mit dem Vorsatz« getragen, an Doris zu schreiben, war aber schließlich doch davon abgekommen. Einmal fürchtete sie, daß Doris nicht verschwiegen sein könnte und von dem Brief« sprechen möchte. Und das wollte sie vermieden sehen. Und zum anderen sagt« si« sich, daß ihre Erkundigung an be stehenden Tatsachen doch nichts ändern würde. So wat der Brief unterblieben. Seit dem letzten kurzen Bescheide im Januar war si« ohne Nachricht von Theodor Schölerkamp. Sie selbst hatte inzwischen zweimal geschrieben und wartete nun schon seit Wochen auf «ine Entgegnung. Al« sie an dem heiteren, «tndgeküßten Apriltage au» der Schul« heimkam, gab ihr die Frau Rendant den langersehnten Brief. Ohne sich Zeit zu nehmen, Aut und Jacke abzultgen, öffnete sie und la«: BurgbeS, den 14. April IS... Siebes Döchting! Du wirst gewiß längst darauf gewartet haben, meine Krähenfüße wieder einmal zu sehen, und ich stelle mir vor. Laß Du auf den alten bummligen Onkel Schölerkamp äußerst schlecht zu sprechen bist. Ruhe, Ruhe, Kinning! Du sollst heute durch «inen besonders langen Brief entschädigt werden. Nun bist Du hoffentlich zufrieden, und ich denke, daß Du Dich freust. Weshalb ich so lange nicht geschrieben habe? Klein« Schulmeisterweisheiti Wir hatten einen ungewöhnlich flotten Geschäftsgang, so flott, wie seit zehn Jahren nicht. Es ist gerade, als wenn seit dem Eintritt Brockmanns und der Einstellung Ferdinand Hedderwischs der Segen zwiesaltig über C. F. Theodor Schölerkamp gekommen wäre. Wie kannte man so verbohrt sein, sich diesen Brockmann, diese Perle von einem Kaufmann, vom Halse zu schaffen! Dein Herr Schwager hat damit die größtmögliche Dummheit begangen, deren ich ihn für fähig halte. Mit dem Ersatz Brockmanns, wenn für ihn ein Ersatz überhaupt denkbar ist, hat der Herr Leutnant a. D. kein Glück. Bor ein paar Wochen engagierte er bereits den dritten Nachfolger, und der soll auch schon wieder ans Kündigen den en. Das übrige Personal wechselt eben'alls häufig. Grund: inan zahlt wenig Salär und scheint das Kontor manchmal für «inen Kasernenhof zu halten. Du verstehst mich schon! So hat er denn auf den Schreib stühlen fast nm junge Bengel zu sitzen, die nichts können und dem Herrgott den Tag stehlen. Vom alten Stamm ist keiner übriggeblieben. Der Herr „Chef" selbst huldigt nach wie vor seinen noblen Passionen. Er kennt die Wein stuben und Spieltische tn ganz Burgbeck beffer, als eine einzige Seite in seinem Hauptbuch, uno, eigentlich dürfte ich Dir das gar nicht schreiben, aber ich will es doch tun, die Herrschaften vom Ballett und solche noch leichteren Kalibers sind chm lieber als seine Frau. Alle diese skrupellosen Weibs bilder wissen, daß Herr Georg von Hartung eine bedenk- liche Schwäche für galante Abenteuer hat und sich seine Extravaganzen etwas kosten läßt. Ja, er ist ein nobler, feiner Mann, der Herr von Hartung. Woher ich das alles weiß, meinst Du? Ganz Burgbeck spricht ja davon, die Sparen pfeifen's von den Dächern. Sonderbarerweise scheint Deine Frau Mutter allein uneingeweiht zu.sein. Sie setzt nach wie vor ihr uneingeschränktes Vertrauen in ihren Herm Schwiegersohn. Als ich neulich Gelegenheit «ahm, sie auf die skandalösen Vorgänge aufmerksam zu machen, erwiderte sie auf meine leisen Andeutungen sehr ungnädig, sie sei davon überzeugt, daß die Leitung des Geschäfts in besten Händen läge. Ich dan e schön! Aber ich sage nun nicht« mehr. Einmal werden ihr schon die Augen geöffnet werden. Leider, wenn es zu spät sein wi d. Es ist ein Skandal, daß es mit Friedrich Garding langsam. aber üewiß bergab geht. Ich mup ^>r au.., r>. -e, .as sehr Ungünstiges über Deine Frau Schwester schreiben Sie ist die verkörperte Verschwendungssucht Uni man tuschelt noch Schlimmeres. Vielleicht klappst Du nun mei en Brief zusainmen, -»trist istn in sti-> Ü-L» uni» i>»u. c» - M?»- -« >»-» Der neue General-Gouverneur von Niederländisch-Fndien, Dr. de Graefi. Die Königin von Holland ernannte den gegenwärtigen holländischen Gesandten in Washington Tr. de Grack» znm General-Gouverneur von Niederländisch-Indren. ! meine Angehörigen schlecht machen will, soll er lieber seine j ganze Schreiberei lassen. Still, mein Döchting! Ich bin wahrhaftig kein alte« I Klatschweib. Du wirst mir auch nicht zutrauen, daß ich aus reiner Lust am sensati mslüsternrn Klatsch dieses teure, schöne Briefpapier mit „sauberen" Histörchen bemale. Ich will nur, daß Du vorbereitet bist, wenn über kurz oder lang in den Zeitungen zu lesen ist: Die alte Firma Friedrich Sarding in Burgdeck hat ihre Zahlungen eingestellt und ist in Konkurs geraten. Siehst Du, deshalb! Und nun sei gut und lies meinen Erguß zu Ende. Ein bißchen Unlustiges muß ich Dir aller dings noch auftischen; Fräulein Doris schneidet mich, vor gestern sah sie konsequent in die Luft, als sie an mir vor überging. Als ob ich daran schuld sei, daß sie sich verlobt hat! Gestern beobachtete ich sie im Garten. Sie stand nicht weit vom Pavillon und starrte ihn fortwährend an, als hätte sie ihn in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Endlich ging sie langsam näher, lehnte sich gegen die Wand und blickte nach meinem Fenster hinüber. Wahrscheinlich sah sie mich. Jedenfalls lief sie sofort davon und verschwand im Hause. Sie scheint keine glückliche Braut zu sein. Wenigstens kommt es mir vor, als wenn ihr Gesicht schmaler und blasser geworden wäre. Aber das kann ja auch einen anderen Grund haben. Ich will nur bald auf hören. Mein Brief wird heute die reine Anklageschrift. Und Hedderwisch meinte neulich: „Wen erst der Staats anwalt bei der Binde hat, der ist in Deibel» Kochtopf!" Was etwas weniger drastisch ausgedrückt heißen soll, daß mit diesen Herren nicht gut Kirschen essen sei. Nun, ich bin kein Staatsanwalt, sondern meines lieben Döchtings getreuer Freund, als welcher ich zum Schluß noch schnell ein paar nette Kleinigkeiten erzählen will, an denen Du Deine Freude haben wirst. In Eurem Garten blühen die ersten Tazetten und Tulpen. Blühten dort. Heute morgen hat sie Doris allesamt abgeschnitten und nach Deines Laters Grab getragen. So erzählte mir Brucks, den ich auf der Post traf. Mich hat das von dem Mädel so sehr gefreut, daß ich es um hundert Prozent lieber habe. Die Doris ist also wohl doch nicht ganz so, wie ich bis jetzt dachte. — Eure Hausglocke scheint geschmiert zu fein. Als ich sie neu lich zog, quietschte sie nicht mehr, wie sie das sonst immer tat. Und die Kipfmüllern hat in ihrer Stube neue Tapeten. Ein greuliches Muster. Aber sie ist sehr stolz und hängt mit doppelter Treue an der Familie Sarding. Siehst Du: bei einem lösen neue Tapeten rührende Dankbarkeits- gefühle aus und bei anderen sind Hunderttausend« so gut wie nichts. Ueber diese anzügliche Bemerkung wirst Du nun natür lich abermals keine Freude empfinden. Da ich aber zu guter Letzt dies Ee ühl in Dir erzeugen möchte, will ich Dir noch von meiner Freude sagen, hoffend, daß Du sie auch zu der Deinen machst. Mein Moriz ist seit dem 1. April in Bremen, wo er mit seinen knapp zweiundzwanzig Jahren infolge seiner Tüchtigkeit eine Vertrauensstellung bekleidet und sich weiter vervollkommnen will. Der Bengel ist ein infamer Streber geworden. Worüber ich weiter nicht bös« bin. —