Volltext Seite (XML)
Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und «erlag von Langertvin «erlich inRteja. — Für die Redaktion vewnttvortlich- Arthur HLHnel in Riesa. 282." Dienstag, S Dezember 1911. abends. <»4. Jahrg. !n Sliq Mt« Mn nl in Mi. Neschat Bei drahtet aus Tripolis, daß am Morgen des 1. Dezember die Italiener mit starken Streitkräften die türkischen Dorposten von Ain-Sara angrifsen. Gegen Mittag ergriffen die Araber uyd Türken die Offensive gegen die Italiener durch einen Bajonettangriff. Nach mehrstündigem erbitterten Handgemenge wurden die Ita liener zum ungeordneten Rückzüge gezwungen, wobei sie eine große Zahl Toter, Verwundeter und Gefangener in türkischen Händen ließen. Außerdem wurde viel Mu nition erbeutet. Die arabisch-türkischen Verluste sind noch nicht festgestellt. Ter Protest, den die Türkei gegen die Beschießung von Scheich-Seid und Mokka durch italienische Kriegsschiffe bei den Mächten erhoben hat, stützt sich auf folgende Gründe: Die Beschießung sei ungesetzlich und stelle eine Verletzung deS Völkerrechtes dar, da beide Ortschaften unbefestigt und ohne Garnison sind. Scheich- Said ist zudem eine bloße Quarantäncstation und besitzt keine Wohngebäude. In wirtschaftlichen Kreisen Italiens erregt ein Artikel Luigi Einandis, eines der bedeutendsten Nationalökono- mcn Italiens, in der Zeitschrift Soeiale großes Aussehen. Er führt aus: Tie Kolonie Tripolitanien werde niemals aktiv sein, da sie einige Milliarden Lire an Kriegskosten und Meliorationsauslagen verschlingen werde. Italien werde diese Ausgaben mit nationalem Kapital nicht auf bringen können und gezwungen sein, ausländische Mit hilfe zu verlangen. In Tripolitanien könnten sich nur kapitalkräftige Auswanderer betätigen, sodaß jene Emi granten, die nicht ins Ausland gehen, um ihre Erspar nisse anzulegen, sondern durch ihre Arbeit Ersparnisse zu machen, nach wie vor Amerika als Ziel haben werden. Giornale d'Jtalia veröffentlicht einen vom deutschen Forschungsreisendcn Professor Schweinfurth an den Pro fessor Bertcochi von der Universität Bologna gerichteten Brief, in dem Schweinfurth der Freude Ausdruck gibt, die er über die Tatsache der Einverleibung Tvipolitaniens und der Kyrenaika in das Königreich Italien empfinde, und ausspricht, mit welchem Interesse für Italien er die Ereignisse des Krieges verfolge, der das alte Streben des befreundeten Italien verwirkliche. Schweinfurth äußert in dem Briefe ferner sein Bedauern über die- Haltung eines Teiles der deutschen Presse gegenüber dem militärischen Vorgehen der Italiener. — Ich Be sprechung dieses Brieses äußert Giornale d'Jtalia seine Genugtuung über diese Kundgebung steter Zuneigung für Italien «und hebt hervor, daß genaue Kenner Nordafrikas, wie Schweinfurth und Rohlfs, seit vielen Jahren Italien zu seiner Unternehmung ermutigt haben. Der Anfstand in China. DaS deutsche MissionShospital in Kanton soll von oen Revolutionären überfallen und ein Missionar gelötet worden sein. Dem Ncwyork Herald wird aus Nanking gemeldet: General Ling erklärte sich -um Bizekönig von Nanking und setzt« auf den Kopf de« gewesenen vizekvnig« Tschany und de« Tatarengeneral« Tkehling einen Prei« von 60060 Täl« au«. Die Revolutionär« metzeln alle RegterunglanhSnger, deren sie habhaft werde können, nieder. Die Revolutionäre sind ungehalten über den amerikanischen Vizekonsul Gilbert, der mitten im Kampfe di« Flagge der vereinigten Staaten entfaltete und damit einen kurzen Waffenstillstand erzwang, den Tschang dazu benutzte, um sich davon zu machen. TlirieSgeschichte. Die Ansichten über das neue Motuproprio des Papstes und seine Geltung in Deutschland gehen nahezu allgemein dahin, daß dieser Eingriff in die Rechtshoheit de« Staate» in Deutschland rechtlich und tatsächlich wirkungslos sei Gerade in der katholischen Bevölkerung aber muß durch da« Motuproprto große und verhängnisvolle Verwirrung und Unsicherheit geschaffen werden, da der Schluß des Motuproprio wörtlich heißt: »Und wir wollen, daß da«, wa« in diesem Erlaß verordnet ist, fest und verbindlich bestehe, ohne daß irgendwelche entgegenstehende Tatsachen in Betracht fallen könnten. Rom, 9. Okter 191l. PIuS ?. ?. X." Dieser Wortlaut verpflichtet die obersten Be hörden der katholischen Kirche in Deutschland, authentisch zu erklären, ob er auch in Deutschland gilt oder nicht. Die Donauzeitung, da« Organ de« Paflauer DompropsteS Dr. Pichler, will wissen, daß das bayrische Kultusministerium mit dem Heiligen Stuhl Verhandlungen über da« neue Motuproprio angeknüpft habe. Dis bischöflichen Ordinariate würden da» Motuproprio nicht eher veröffentlichen, als bi« die Angelegenheit kirchlich und staatlich geordnet wäre. Diese Verhandlungen könnten zu leicht den Eindruck der Schwäche erwecken. Hier gibt c« nicht« zu verhandeln, allein ein energischer Protest der Reichs- und aller Staats- regierungen ist hier am Platze und dringend geboten! Selbst Blätter, die von irgendeiner Bedeutung dieses Motu proprio in Deutschland nicht« wissen wollen, erheben diese Forderungen, u. a. schreibt die Dtsch. TageSztg.: »Wir möchten aber auch keinen Zweifel darüber lassen, daß die Rechtslage authentisch geklärt werden muß, um jeder Rcchtsunsichcrheit und jeder Beunruhigung vorzu beugen. Auch nach unserer Auffassung haben die deutschen Regierungen die Pflicht, hier möglichst rasch volle Klarheit zu schaffen", und die Kreuz-Ztg. schließt ihre Betrachtung mit den Worten: »ES bleibt die Wirkung einer neuen, völlig grundlosen Provokation von selten de» Papste», ein erneutes Anblasen de» konfessionellen Hader», und diese Wirkung muß von der überwiegenden Mehrheit der evan gelischen wie der katholischen Bevölkerung äußerst beklagt werden." >* * Deutsches Reich. Der EntschetdungSauSschuß für da» BiSmarck- nationaldenkmal auf der Elisenhöhe bei Bingerbrück wählte mit 3l gegen 10 Stimmen den neuen KreiSschen Entwurf al» Grundlage für die Ausführung und sandte an den siüheren Vorsitzenden de» geschästSführenden Aus schuss««, C. Kirdorf, in Würdigung seiner Verdienste ein Danktelegramm. Wie verlautet, haben sich die deutschen Gtaat»- eisenbahnen jetzt zusammengeschloffen, um gemeinsam mit dem Bund deutscher VerkehrSvereipe im Interesse der Förderung de» Reiseverkehr» auf den deutschen Bahnen «in« einheitliche und großzügige Werbetätigkeit, insbesondere im Ausland, rin,»leiten. ES sind für diesen Zweck nam hafte Mittel bereit gestellt worden, und e» ist zur Aus arbeitung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen ein Ausschuß zur Förderung de» Reiseverkehrs auf den deutschen Bahnen unter dem Vorsitz der Eisenbahndtrektion in Berlin eingesetzt worden. Er hat al» erste Aufgabe die Herausgabe einer zur Verbreitung im Ausland bestimmten, künstlerisch auSgestatteten Werbeschrift Deutschland in An griff genommen. Für 50 Doppelzenter marktfähigen Tabak» einer deutschen Kolonie hat Herr Oldemeyer in Bremen einen Preis von 6000 M. ausgesetzt. Bedingung ist, daß Aussichten für einen fortlaufenden Versand von derselben Pflanzstätte vorhanden sind. Zu befinden hatten darüber die Bremer Handelskammer und das Kolonialwirtschaftliche Komitee. Der Prei« ist ziemlich rasch fällig geworden. Er ist Herrn Raethke, Pflanzer in Esosung in Kamerun, zuerkannt worden, der die gewünschte Menge auf den älbm Votzl^ Weinrestaurant Imubs" vresäsn, kr. ilireiizsrzs i b, niioüst ckor KömH-ckokauu-Ltrallo u. Altmarkt. 8sü8ll8wsr1e8l8 LokalltSlün üor kosISenr. Mne enter Mser. ^osrksrmt VQNLÜglivk« Aüvks ä la carts m« KltzillM ?l'8l?8N. lvluer» unci 8oupvr8 in allen Urewlaxon. Voravlunvr bamilivn-Vniktzdr. Llusikalisodö Darbietung äer Hauslrapolle. NN. Lol Vellmaedls-Lintliiiiskn ^nkbenalirnnx von knlretvo. 8 JA 8 lVloct. ÄmmSlukr-sn 1Ü l n tis d Lolivo sssdriksw - Uniiborlrosfeno ttusv/sk! »sn IS dis IÜ0 8oliäv Issoksnuknen genau gspriitt unck reguliert, ru enerltannt vorteillisttvn Preisen. Zm Kampfe ums Dasein. Roman von Arthur Eugen Simson. 8 Wochen waren vergangen, und der Frühling war gekom men, warmer, sonniger, duftender Frühling. An den Wegen and am Waldrands blühten die ersten Blumen. Weiß standen die Kirschbäume da, und die Buchenwipfel im Walde färbten sich, während das kleine Strauchwerk unter ihnen, die Hasel rute und die Birkenschößlinge, schon mit grünen Blättern zu ihnen emporlachten. Die Vögel sangen, zwitscherten und bau ten an den Nestern, die Schwalben schossen über die Wie sen dahin und badeten die Brust in dem kleinen Teiche. Kä fer summten schon wieder durch den Wald hin, und an dem Bache schwirrten Libellen so lustig und harmlos, als ob es nie Winter gewesen wäre, als ob nie Schnee den Wald, die Wie sen und den Bach mit weißer Decke überzogen hätte. Der Frühling war gekommen auch für die Menschen und manche Brust atmete erleichtert auf; war der Frühling für sie doch so viel wie neues Leben. Wie die ^warmen Sonnenstrah len in die Herzen drangen und die Lungen tiefer den kräfti gen Duft des frischen GrünS einsogen. Wie so manche bleiche Wange sich leise zu röten wieder anfing, und die FrühlingS- luft weich und rein durch die offenen Fenster und Türen zog. Und es ist etwas Wunderbares um das allseitige Erwa chen und Leben, welches mit dem Frühling wiederkehrt, denn er bringt Keimen und Hoffen, Blüten und Freuden: er ver leiht selbst dem kranken Menschenherzen noch ein lächelndes Aufflackern und überzieht das frische Grab schneller mit Grün. Selbst das ärmliche Haus am Ende des Dorfes sah freund licher aus. Der Abhang, an dem eS lag, hatte sich mit fri schem Grün überzogen, unter dem Dache bauten Sperlinge ihr Nest und schmatzten so lustig, als ob dort die schönste Wohnung sei im ganzen Lande. Rosas Kinder pflückten auf dem Nasen des Abhanges die weißen Gänseblümchen, und Rosa selbst war genesen, wenn ihre Wangen auch noch bleich aussahen, und ihre vollen Kräfte noch nicht zurückgekehrt waren. Es war Sonntag Morgen, und laut klang daS Geläute der Glocken über das Dorf. Nach dem Kirchgang stieg Rosa, di« Kinder an der Hand und von Heinrich begleitet, lang sam die Hochebene hinauf um die Stätte zu sehen, wo ihr l Bruder seit Wochen arbeitete, von wo neues Leben in die Hütte geflossen war. So oft hatte er ihr von den großartigen Unter nehmungen des Fremden erzählt, so oft sie gebeten, daS alles anzuschauen, daß sie endlich sMien Bitten nachgegeben. Mit einem Gefühl freudigen Stolzes schritt Heinrich ne benher. Er schien größer geworden zu sein in den wenigen Wo chen, so hob ihn das Gefühl, durch seine Arbeit die Gesund heit der Schwester zurückgerufen und die Not aus dem kleinen Hause gebannt zu haben. Der Mühen, die es gekostet, gedachte er nicht mehr, denn auch für ihn war der Frühling gekommen. Um dieselbe Zeit führte vor dern Herrenhause des Gutes ein Reitknecht zwei Reitpferds langsam auf und ab; eins der selben trug einen Damensattel. Ein freier großer Rasenplatz dehnte sich sanft aufsteigend vordem Hause aus und grenzte un ten an den geräumigen Wirtschaftshof des Gutes. Eine breite Steintreppe führte zu dem Hause hinauf. Don einem Herrn begleitet trat Erna von Heidenreich in die Tür. Ihre große, schlanke Gestalt wurde durch das dun kelblaue Reitkleid noch gehoben und das kleine Barett mit dem blauen Schleier verlieh ihr noch einen übermütigeren, keckeren Ausdruck. Der Begleiter war sechs Jahre älter als Erna, diese ver kehrte mit ihm wie mit einem Bruder, sie ließ sich seine Auf merksamkeit gefallen und sah ihn als treuen Begleiter und Kameraden au. Dies ärgerte ihn am meisten, denn er glaubte seine Cousine zu lieben und war um so eifriger bemüht, ihre Hand und ihr Vermögen zu erringen, weil er längst die Er fahrung gemacht hatte, daß seine LeutnantS-Gage nicht auS- reichte, um die Zinsen seiner Schulden zu bezahlen. Sobald er indessen von seiner Liebe sprach, rief Erna la chend: „Lieber Detter. Du kennst meinen Entschluß, Über haupt nicht zu heiraten, denn ich bin in der glücklichen Lage, daß ich nicht nötig habe, mich in die Abhängigkeit eines Man nes zu begeben. Wenn dies aber auch nicht der Fall wäre, so würdest Du mir doch zu gutmütig und zu klein sein, und ich glaube nicht, daß Du noch wachsen wirst. Du bist über haupt zum heiraten noch zu jung." Oswald zog dann erzürnt die Brauen zusammen, wandte sich unwillig ab, Hörle aber trotzdem nicht auf, Ernas ge treuester Ritter zn sein, denn er hatte sich fest in den Kopf gesetzt, der Mensch könne alles erreichen, waS er mit Be harrlichkeit erstrebe. Der Besitz der Zellburg war sein höch stes Ideal und im Geheimen hatte er schon Pläne der Ver änderungen gemacht, die er einst als Besitzer vornehmen wollte. Namentlich wünschte er dann die alte Burg znm Teil wieder aufzubaueu, um von dem Söller derselben stolz in das Tal hinabzuschaucn. Sobald der Knecht seine Herrin erblickt hatte, führte er die Pferde vor die Türe. „Weshalb hast Du den Rappen nicht für mich gesattelt?" fragte Erna unwillig. Der Reitknecht schwieg verlegen. „Ich habe ihm aufgctragen, eS nicht zn tun," entgegnen Oswald. „Das Tier ist noch zu jung und zu wild; Du hast erst gestern gesehen, wie leicht eS scheut, und ich bin ernstlich besorgt, daß Dir ein Unfall mit ihm zustoßen wird." 192,7 Um Ernas Mund zuckte ein fast spöttisches Lächeln. „Lie ber Vetter, ich bin Dir für Deine Besorgnis dankbar," be merkte sie. „Du vergißt jedoch, daß ich fast eben so lange wie Dn reite. Der Schimmel ist alt geworden und langweilt mich durch seine ruhige gleichmäßige Gangart. Ein Pferd, welches nie zeigt, daß eS auch einen Wil lenhat, reizt mich nicht; denn gerade in dem Bekämpfen deS fremden Willens liegt die angenehme Aufregung." Oswald ärgerte sich jedesmal, wenn Erna ihn „lieber Detter" nannte; eS klang für ihn wie ein leichter Spott; er bekämpfte jedoch seinen Unwillen. „Ich kenne Deine Gewandtheit," erwiderte er. „Wenn der Rappe indessen seinen Willen durchsetzen will, so reicht Deine Kraft nichtauS, um denselben zu bändigen." „Ah, weil ich dem „schwachen" Geschlecht angehöre," ries Erna. „Ihr macht uns die Schwäche immer zum Vorwurfe, und doch sucht ihr uns stets zurückzuhalten, wo wir in die Lage kommen könnten, die Kraft unseres Willens und Ar mes zu bewähren." 192,26 Sie würde dennoch vielleicht den Vorstellungen ihre» Vet ters nachgegeben haben, da der Rappe in der Tat am Wege zuvor sehr bedenkliche Unarten gezeigt, wäre in diesem Au genblicke nicht ihre Tante Anna in der Tür erschienen mit dem Rufe: „Erna, ich beschwöre Dich, das wilde Tier nicht zu reiten. Ich zittere, wenn ich Dich auf demselben sitzen sehe, und Du weißt, wie sehr meine Nerven dadurch leiden."