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Sonnenstrahlen sich ein Schsnelz- oder Tauproyetz voll, zieht. Die Annahme, die die Polarkappen de» MarS und die mit ihnen zusammenhängenden Erscheinungen auf Kohlenstvfsdioxyd zurückführen will, ist nach den Angaben de- Lowell-Observatorium« überholt; die Hypothese ist von einer Seite aufgestellt worden, die mit der Chemie nicht genügend vertraut war, um ihre Unanwendbarkeit auf den Mar- zu erkennen. Dr. Lowell hat diese Annahme bereits vor Jahren widerlegt, und sein Gegenbeweis stützt sich auf die Tatsache, daß Kvhlenstossdioxyd unter dem Druck von^einer oder weniger Atmosphären sich verflüch tigt, ohne zu schmelzen. Die blauen Bchnder an den Rändern der Polarkappen beweisen jedoch, daß hier der Verflüchtigung ein Tauen und Schmelzen voraufgeht. Alle anderen Erscheinungen auf dem Mars bestätigen auch diese Behauptung, denn sie sind unvereinbar mit einer so niedrigen Temperatur, wie sie für die Verhärtung von Kohlensbofsdioxyd Bedingung wäre. Dr. Slipper- Spek- togramm des Mars, das in Lowells Observatorium aus- gearbeitet worden ist, betveist das Vorhandensein von Wasserdämpfen und Sauerstoff auf dem vielumstrittenen Planeten, während Kohlenstossdioxyd nicht festgestellt lver- den konnte. Rikolanstag. (6. Dezember.) Mit vem ersten Advent beginnt die Weihnachtszeit. Häuser und Herzen durchzieht der Hauch geheimnisvoller Poesie. Ihre Wurzeln ruhen in frühester Kindheits empfindung. Ihre letzten Ranken umschlingen verklärend den Lebensabend des Menschen. Die Weihnachtsfeier der Gegenwart durchhallcn die Erinnerungen an die Winter sonnenwende, die den Altvordern heilig gewesen. Wie Wotan einst über die Fluren zog, der Erde neue Segnungen zu spenden, so naht, dem Volksglauben zufolge, am 6. Dezember der heilige Nikolaus der Kin derwelt. In vielen Gegenden wird er auf einem Schimmel reitend gedacht, wie der alte Kinderreim bestätigt: Nikolaus, komm' in unser Haus, Leere deine Tasche aus. Setz' den Schimmel untern Tische Daß er Heu und Hafer frißt. . . Daß der zur Zeit Kaiser Konstantins des Großen lebende, kinderliebende Bischof Nikolaus von Myra, dem obersten Germanengotte analog geworden ist, erklärt sich daher, daß sein Geburtstag, der 6. Dezember, kurz vor die Zeit der winterlichen Sonnenwende fiel und die Mis sionare, gerade mit Rücksicht auf die Treue unserer Vor fahren, die sie so innig an ihren Göttern sesthalten ließ, letztere besonders gern mit christlichen Heiligen identi fizierten, sobald der Namenstag eines Heiligen, in eine ehemals heidnische Festzeit fiel. In Holland, Belgien, Oesterreich und am Niederrhein stellen die Kinder in der Nacht vom 5. bis 6. Dezember ihre Schuh« vor die Tür zur Aufnahme von Aepfeln und Nüssen, die Nikolaus spenden soll, und legen als Gegen gabe Heu für sein Pferd daneben. Auch in der Mark wie in Pommern ist noch in einzelnen Ortschaften dieser alte Brauch bekannt. Während die Kinder im Harz singen: Nikolaus, sei unser Gast, Wenn du was im Sacke hast; Hast du was, so setz' dich nieder,- Hast du nichts, so troll' dich wieder» lautet es in Oesterreich: Nikolaus, nun leg' uns ein, Was dein guter Will' mag sein. Aepfcl, Birnen, Nuß und Kern Essen Keine Kinder gern. In Nordhausen lieben es die jungen Leute, sich als Nikolaus zu verkleiden und in die Häuser der Bekannten zu ziehen, dort Rätsel aufzugeben, deren Lösung mit Ge schenken belohnt wird. —. In den Pfefferkuchen, die einen Reiter darstellen, findet man unschwer eine Erinnerung an Wotan und Nikolaus. In Oesterreich trägt auch wohl der aus Pfeffer kuchen hergestellte „St. Nikolaus" eine Bischofsmütze. Der alte DerS: St. Nikolaus kommt nach alter Sitten Zumeist auf einem Schimmel geritten. klingt nicht nur an den bekannten Schimmel MeignirS des Götterkönigs an. Er ist im Volksmunde entstanden, weil St. Nikolaus häufig den ersten Schnee mit sich führt. — Daß St. Martin am 10. November und Knecht Ruprecht am Heiligabend gleichfalls mit Gaben erschei nen, bestätigt nur immer wieder von neuem, daß fast alle Gestalten deS deutschen Volksglaubens im heidnischen Altertum wurzeln, daß sie fast alle auf Wodan zurück zuführen sind. Die Bedeutung des obersten Germanen- gotteS war viel zu groß, als daß er jemals hätte wieder ganz entschwinden können. Er besaß — dem Glauben der Altvordern zufolge — so viele glänzende Eigenschaften, daß sein Wesen sehr gut auf die verschiedensten Gestalten deS BolkSgeisteS übergehen konnte. Im Knecht Ruprecht erhielt sich gewissermaßen sogar der Name. Heißt doch „Huorodperecht" — der Ruhmglänzende. Hier und da begleitet Knecht Ruprecht den Schimmel reiter (Wotan), wie sich die Vorfahren statt seiner die Göttin Fricka im Gefolge ihres Gemahls Wotan dachten. In Oesterreich ist e- der Krampus. Häufig wird der Be gleiter auch zur Hauptperson, wie z. B. in Oesterreich ein sehr viel größerer Kultus mit dem Krampus, als mit At. Nikolo getrieben wird. Die Neuzeit läßt die wunderlichen alten Bräuche, die sich an einzelne wie an den 6. Dezember knüpfen, bestehen, ohne genauer darüber nachzudenken, daß wir darin den Wegen ferner Generationen folgen, daß sich in allen diesen, von den meisten Menschen kaum mehr ver- standenen Erscheinungen einer altersgrauen Vergangen heit immer wieder der heidnische GötterkSnig verbirgt, dem die christlichen Sendboten ungewollt ein sichere- Asyl bereitete», «lS sie die Sitten der Naturvölker ihren Ein richtungen dienstbar machten, die heidnische Gttumken- welt mit christlichen Formen verschmolzen. Der Geist jener alten Zeit lebt weiter, mit seinen Abbildes» belebt er die AdventSzett, sie mit poetischem Glanze verklärend, und wir wollen Hoffon, daß es der immer nüchterner werdenden, alle- nivellierenden Neuzeit nicht gelingen möge, jene liebgewordenen Gestalte^ des Volkslebens pietätlos zu vernichten.' -fk-^ Ä. M. Witte. Neueste Nachrichten «nd Telegramme vom 5. Dezember 1S11. X Dresden. (Vom Landtag.) Den einzigen Ver handlungsgegenstand der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer bildet folgende Interpellation deS konservativen Abg. Schmidt (Freiberg) und Gen.: Welche Maßnahnren gedenkt die König!. Staatsregierung zu ergreifen, um eine Wiederholung der in letzter Zeit zu tage getretenen Uebelstände bei der Handhabung der gesetzliche» Be- sttmmungen, die Maul- und Klauenseuche betreffend, zu vermeiden. Nachdem die König!. StaatS- regierung sich zur sofortigen Beantwortung der Inter pellation bereit erklärt hat, begründet Abg. Schmidt die Interpellation und führt u. a. auS: Tie Besitzer von Maul- und Klauenvieh hätten in den letzten IV, Jähren so große Verluste erlitten und werden sie noch erleiden, tvie dies bisher noch nicht der Fall gewesen sei. Durch diese ungeheuren Verluste würden nicht nur die betreffenden Vichbesitzer, sondern auch die Allgemeinheit schwer ge schädigt, denn die Bestrebungen zur Hebung der Viehzucht gerieten ins Stocken und die ganze Volkswirtschaft werde dadurch geschädigt, daß die Fleisch- und Diehversorgung ganz bedeutend unterbcürdxn werd«. Die Verluste auch nur annähernd zu berechnen, sei nicht möglich. ES stehe fest, daß die Seuche diesmal durch aus Rußland einge schmuggeltes Vieh eingeschleppt worden sei. Nun könne man ja sagen, die ganze Angelegenheit sei Sache der Reichsrcgierung: da aber Sachsen durch seine Vertretung im Bundesrat auf die.Reichsrcgierung einen Einfluß aus übe, so wandten sich die Interpellanten an die Landes- regierung, damit sie im Bundesrat ihren Einfluß dahin geltend mache, daß man in keiner Weise je daran denke, die Schutzmaßregeln an der Grenze in irgend einer Weise zu verringern. Redner erörtert die verschiedenen Mittel, die bisher gegen die Maul- und Klauenseuche angewandt worden seien und sich als untauglich erwiesen hätten. Selbst wenn es gelingen sollte, die Maul- und Klauen seuche auf medizinischem Wege zu bekämpfen, selbst dann würden die Abtvehrmaßregcln an der Grenze durchaus notwendig sein. Tie Regierung möge auch auf Preußen einwirken, damit dort die Maßregeln ebenso wie in Sachsen gehandhabt würden. In Preußen gebe es leider keine Quarantäne für Händlervieh. Redner forderte schließlich, daß der Staat die Kosten der Stalluntersuch ung übernehme, da sie in der Hauptsache im Interesse der Allgemeinheit liege. Staatsministcr Graf Vitzthum v. Eckstädt erkannte in seiner Beantwortung der Inter pellation an, daß bei dem starken Auftreten der Seuche im Sommer und Herbst d. I. ganz erhebliche Werte auf dem Spiele ständen, aber mit allen Wünschen und An sichten des Interpellanten stimme er nicht ganz überein. Ter Minister machte an der Hand statistischer Tabellen Angaben über den Stcrnd der Seuche und deren Verlauf und schilderte die von der Regierung ergriffenen Maß- regeln. Schon bei dem ersten Auftrete» der Seuche in Preußen habe die sächsische Regierung ihre vollste Auf merksamkeit der Angelegenheit zugewendet und eine förm liche Mobilmachung aller veterinärpolizeilichen Behörden verfügt. Ter Minister wandte sich dann der Kritik zu, die an den Maßnahmen der Regierung geübt worden ist und stellte fest, daß diese Maßnahmen sich als zweckmäßig er wiesen haben, daß sie aber von durchgreifendem Erfolge nur sein könnten, wenn sie vom Selbstschutz der Land wirte begleitet sein. Der Interpellant habe die Not wendigkeit des Grenzschutzes an die Spitze seiner Aus führungen gestellt. Tie Regierung sei von der Notwendig keit dieses Schutzes ebenso überzeugt, wie alle anderen Bundesregierungen und werde unbedingt an dem Grenz schutz festhalten. Auch teile sie die Meinung deS Inter pellanten auf die Heil- und Schutzmittel. Bon einem mangelnden Schutz der sächsischen Grenze könne nicht die Rede sein. Obwohl in Böhmen die Seuche ziemlich stark herrschte, seien die in Frage kommenden sächsischen Grenzbeztrke verhältnismäßig wenig betroffen worden. Die Erhöhung der Quarantäne aus 10 Tage sei durch neue Verordnung in Aussicht genommen. Lin« längere könne jedoch nicht zugestanden werden. Die Heber- nähme der entstehenden Kosten auf die Staatskasse könne er nicht -»geben. Sr könne nur sagen, daß alle Beschwerden von der Regierung geprüft werden würden. Er müsse e« sich jedoch versagen, auf alle Anregungen hier einzugehen. Die Regierung sei sich ihrer Verantwort lichkeit voll bewußt und habe die Seuche mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. ES sei jetzt auch gelungen, die Maul- und Klauenseuche zum Stillstand zu bringen. Er müsse jedoch wiederholen, daß der Polizrischutz nicht daS alleinige Mittel zur Bekämpfung der Seuche sein könne, sondern daß die Selbsthilfe der Landwirte unbedingt hinzutreten müsse. (Beifall recht« und bet den Nationalliberalen.) puf Antrag de» Abg. Schön feld (Kons.) wird die Besprechung der Interpellation be schlossen. * Berlin. Heute vormittag 10 Uhr sollten zwischen den Vertretern des verbandet der Berliner Metallindustrie!!»« und denen deS deutschen Metallarbetteroerbande« neu« Einigungsverhandlungen beginnen mit dem Ziele, die Zwistigkeiten in der Formerbranche auSzugletchen und rn't dem Formerstretk die Aussperrung in der Berliner Metall- tndusttte »» beenden. — Ja 18 gestern abend aogryattenns Versammlungen wurde üder den Streik der Metallarbeiter berichtet, der den erwarteten Umfang nicht angenommen hat. verschiedentlich sind sogar nur 40 bi« 30«/. auSge- sperrt worden. Die bisher geübte passive Resisten, soll beibehalten werden. »Thorn. In vergangener Nacht sank da« Thermo meter auf L« unter Null. Die Weichsel führt starke« Treibet«. Di« Fähren im preußischen Stromlauf mußten ihren Betrieb etnstellen.. Die Schiffsbrücke über die Weichsel bei Marienburg wurde gesperrt. X Kiel. Auf denr Linienschiff .Preußen" find gestern abend während einer Schießübung in der Kieler Bucht, anscheinend infolge unvorsichtigen Hantieren» mit einer Granate an einem Geschütz zwei Mann erheblich verletzt worden. Di« .Preußen" ist hier eingelaufen und hat die Verunglückten gelandet, di« sogleich in da« Garnison lazarett übrrgeführt wurden. )( Budapest. Auf Anzeige der Pester Commereial- bank hat di« Polizei eine Untersuchung etngeleitet, da bet der Bank falsch« auf den Namen einer hauptstädtischen Firma ausgestellte Wechsel im Betrage von 200000 Kr. begeben wurden. «Pari». Bei dem Einsturz eine« vrückengerüste« in der Nähe de« Lazarebahnhose» stürzten 6 Arbeiter au« 10 w Höh« herab. Einer blieb mit zerschmetterter Hirn schale tot liegen, 5 wurden schwer verwundet. )( Paris. Nach dem kürzlich von der Kammer be willigten Kredit wird die französische Armee im kommenden Jahre 234 Flugzeuge zur Verfügung haben. )( London. In Unterhaus« erklärte Parlaments sekretär Arland auf Anfrage, Groß-Vritannien hab« bet der russischen Regierung mit Bezug auf die ersten beiden For derungen de» russischen Ultimatums keine Vorstellurg-n erhoben, doch seien bezüglich der dritten Forderung, die sich auf die Zahlung von Schadenersatz richtet, Vorstellungen gemacht worden. ES sei dargetan worden, daß die per sische Regierung ohne Aufnahme einer Anleihe nicht im Stande sei, eine Entschädigung zu zahlen, sodaß eine solche Last e» Persien noch schwieriger machen würde, die Ord nung auf den südlichen Handelsstraßen zu sichern. )( Benghast. Meldung der .Agenzia Stefani". In der vorletzten Nacht griffen die Feinde italienische Schanzen an, wurden aber mit schweren Verlusten zurückgeschlageu. Einige Araber sielen dicht bet den Schanzen. Die Italiener haben 3 Tote und 5 Verwundete. )( Teheran. Reutermeldung. Ter Medschlis hat das britische Parlament telegraphisch gebeten, ihm bei der Prüfung der russischen Forderung zur Seite zu stehen. Ebenso sollen Telegramme an die Parlamente der an deren Länder und auch an die Duma abgesandt werden. Tie Frauen nehmen an denr gegen Rußland andauernden Kundgebungen tätigen Anteil. Alle Parteiunterschiede im Medschlis verschwinden. Tie Regierung erhält Unterstütz ungen sogar aus Kreisen, von denen man es nicht er wartete. Jeffrim Khan hat wieder den Posten des Polizei chefs eingenommen, da die Regierung mit Modjehad nicht zufrieden gewesen ist. Tie Meldung von der Ermordung des Prinzen Firmair stellt sich als umvahr heraus. Offi zielle Telegramme aus Ispahan besagen, daß sich der dortige russische Konsul mit seiner Wache wie ein Tiiktator benehme und das Völkerrecht mißachte. Irr den Depeschen auS Ardebil wird die Haltung der rrrssischen Truppen als die von Eroberern geschildert, obwohl her Krieg noch nicht erklärt sei. )( Petersburg. Bon Dschulfa nach Choi find Truppenabtetlungen abmarschtert, um die dortige Konsulat«» wache zu verstärken. Der «vfstavd 1» Shiva. )( Schanghai. Reutermeldung. Deutschen Firmen ist gestern eine anonyme Warnung zugegangen, die in Zusammenhang steht mit dem Vorhaben, die deutschen Kaufleute zu boykottieren, weil einige von ihnen die Kaiserlichen mit Munition unterstützt haben sollen. Die Angelegenheit wird untersucht und mit den Schuldigen wird kurzer Prozeß gemacht werden, gleichviel ob er ein Fremder oder Chinese ist. > )( Schanghai. Reutermeldung. Große Aufregung ist durch da» Verschwinden eine» deutschen Handelrange- stellten namens Bergmann heroorgerufen worden. Er verließ sein Hotel am 30. November abends, um einer Tanzfestlichkeit brtzuwohnen. Seitdem hat man keine Spur von ihm.