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1« well du mm schm ,tn die Jahr« kontmst- kW d»ei» bissel Verstand kriegst — wie plt List'doch gleich ?" „Nun, ich werd' auf Johanni SS, Vater!" „Fveittch, freilich ei ja, bist schon verständig, — na, da kannst auch di« traurige Geschichte van Meiner Herr, schäft hören. Wenn Tu zum Winter zu ganz auf s Schloß tmMnst — erzählen sie hir's doch!" -Der Alte fetzte sich M ein Bänkchen- das eine liebende Hand au» einem Brettchen und zwei Stangen einst ge- zimmeM hatten zur Rast' bei- einem- lieben Toten. Tie schlanken Glockenblumen wuchsen wild und üpprg-auf die- jene Hügel, und ein verwittert Kkenzlein, auf dem die Schrift vom Regen verwaschen wurde, stand schief darauf. Zu diese» Grabe mochte wohl niemand mehr treten, nur das Bknklein hatte -er „Rachbar" ost benutzt, und deshalb war's im Sttmd erhalten. ,Siehst Tu, Mein Mienchen, früher gab's bei uns ein lustiges Leben, da hatten wir noch gute Tage. Ta lebte rwch unstr gnädiger Her^ achj sv ein guter, frommer Herr! „Heinrichs, sagte er manchmal zu mir, „Heinrich, wir zwei wir bleibe» zusammen, bleib du mir nur immer treu, sollst auch inüner eine Heimat bei mir haben," ja, so sagte er. — Mer dann käm die schleichende Krankheit und die vielen Schmerzen und die Schfväche; und eines Abends, na ja, — da löscht er hakt aus wie ein Licht, rein wie'n Licht, sag' ich dir, Miene, — ach, da hat all das Unglück angesangen! Nun kaM der Junker Yeskow anS Regiment. Ja> ein schmucker Herr war er, so ein schmucker hübscher Herr; und er und unser Fräulein Rita die liebten sich gar so sehr; aber ich weiß wohl, sie hat immer Angst um ihk äuHgestanden, weißt, von wegen daß er ein bissel ein leichtes Leben führen tat, — nicht schlecht, nee, schlecht kann keiner von meiner Herrschaft sein, nur so leicht ließ er's Geld rotte», und siehste, Miene, wir sind nicht so gar reich wie's scheint, wenn mdn so unser feines Schloß sieht. Und eines schönen Tages da brachte der Junker seine schön« Braut heim — ja, schön war sie, und ein Engel war sie auch/ das muM« man iHv lassen, aber sie soll halt keinen roten Heller in die Eh« gebracht haben. Aber alles mußte recht fein sein im SM>ß, und manches Mal hab' ich unser gnä' Fräul'n heimliche Tränen ver gießen sehen schon damals, und da wußte ich freilich- das Schlimmste nicht. „Wie ein Engel war dir junge Frau zu jedem!, man mußte ihr gut jein, und den Junker hat sie geliebt, — na, Miene, das verstehen wir allens nicht so recht, wie das bei den vornehmen Menschen Utgehl Mt die Gefühlens, geht uns auch gar nichts an, Miene, wir haben nur zu parieren und unsere Pflicht rechtschaffen zu tun'. Man sieht und hört gar viel, wenn man sr>30 Jahre bei einer Herr schaft dient wie ich Miene, aber da hat man's Raul zu halten, das schickt sich nicht anders, — das merk dir: parieren und Maul halten — da wirst Tn immer brav und rechtschaffen durch die Welt kommen. Na, was ich sagen wollt', als nun die beiden kleinen Tiirrger auf die Welt kamen, na, das gab eine Freude! Sogar unser Fräulein Rita hat wieder gelacht und mich auf die Schul ter geklopft und gesägt: „Na, alter Heinrich, nun toird's wieder lustig bei uns^ wenn die Kinder- hier erst herum tollen werden." — Aber lange hat die Freude nicht vor gehalten. Eines Abends, als ich mein Silberzeug ver- wcchren wollte, da find' ich das gnä' Fräul'n in Heller Verzweiflung und in Dränen im Eßzimmer, es hat mich schier derbaratt, Miene, ja dervarmt hal s' mich. Ta hab' ich mir 'n Herz gefaßt und hab' gesägt: „Ach, was ich sagen wollt'- wenn'» das gnä' Fräul'n mir nicht übel nehmen wollte, so wollt ich doch gehorsamst bitten, daß sich das gnä' Fräul'n nicht so aufregen täten, das taugt nicht» für den Mensche^ da wbch er rein wehleidig und kränk davon, — und könnt' ich dem gnä' Fräul'n nicht vielleicht gehorsamst helfen?" So hab' ich gesagt, da bin ich aber derschrvcken von der Verzweiflung, mit der sie sagte: „Ach, Heinrich, du gute, treue Seele, — nein, du kannst mir nicht helfen, und niemand kann'», nur unser Herrgott im Himmel, — denn ach, er spielt!" „Tas sind wohl die Karten, Vater, von denen die Mutter selig immer sagte, der Teufel hat sie reine weg aus gefunden?" frug das junge Mädchen, die mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte^, dazwischen „Ja, die Karten, die hat der Teufel ausgefunden, das muß wahr sein!" seufzte Heinrich. „Tie Karten und der Leichtsinn, das sind zwei gute Gesellen vom Teufel, die hatten unfern guten Junker besessen, und ktzin Bitten, keine Vorstellungen haben ihn von dieser Leidenschaft heilen können. Als ich ihm an diesem Abend die Haustür öffnete, erschrak ich bis in di« Seele rein vor seinem wilden, verzweifelten Aussehen; meine Knie« zitterten mir jo, daß ich ihm kaum mit der Lampe die Treppe herauf leuchten konnte. Siehste, mein Mienchen, und in dieser Nacht passierte das Schreckliche,"- der Alte dampfte seine Stimme zum Flüsterton, „da hat er sich erschossen, ohne an Gott und sein junges Weib und seine zwei kleinen Mädels zu denken — o, was man jo alles erlebt in 30 Jahren! Es ist nicht zum- Ausdenken!" „Tas ist wohl jein Grab da hinten ?' frug Miene, die ganz blaß geworden war. Ter Diener erhob jich und ging vorsichtig durch das Gebüsch dem einsamen Hügel zu. „Ja, da liegt er, der Arme, der Verstoßene. Wir woll'n ein Vaterunser für ihn beten, Miene!" -Und Vater und Tochter knieten an dem einsamen Grabe nieder und murmelten ihr Gebet. Als sie dann zurückjchritten, frug das junge Mädchen schüchtern: „Aber wie war's nun weiter, Vater?" „Na, seitdem sind wir aus, den Geldsorgen nicht mehr 'raus gekommen, die Spielschulden sind gar zu hoch ge wesen; nur mit Mühe haben sie 's Gut halten können, und wir müssen jetzt sehr sparsam! sein. Und die arme junge Frau, die schon seit den Kindern kränkelte, hät all den Kummer nur zwei Jahre überlebt — ja, ja, da liegt sie nun auch, die Arme! Nun hat mein armes Fräulein Rila auch noch die Kinder auf dem Halse und alt die MirtjchaftAsorgen und noch den jungen Naron -Ihrich. EL ist 'n reiner Jammer, die kann nie an sich denken!" Heinrich war ganz estjchöpft von dem vielen Reden, was ihm im täglichen Leben nach seinem Prinzip: „'s Maul halten!" auch so ungewohnt war. Aber die Toch ter, die au; dem Nachbargute diente, damit sie was „recht schaffenem lernte, ehe sie aufs Schloß kam", hatte so selten Zeit zu einem Besuche beim Vater, sodaß die beiden nur selten zu einem Spaziergang kamen. Sie traten jetzt ins Schloß, wo Heinrich seinen Geschäften nachging und Miene in die Gesindestube sich begab. Tie Sonne war zur Rüste gegangen. Ter sonnen- besirahlte Weg des Friedhofes hatte noch eine Weile in Glanz und Licht gelegen, dann schwand es sanft dahin, der Abendwind ging wie wn Abschiedsseufzer über die Erde, und die Nacht kam müde und schwermütig den Weg heraufgeschlichen. Schloß Linz war ein idyllisches Fleckchen Erde. Tas bequem und geräumig gebaute Haus hatte besonders einen Riesen-Wohnraum, der, mit Keinen Erkern versehen, einen prächtigen Aufenthalt für eine große Familie bot. Bon diesem Saal trat man direkt auf die große Veranda, von der eine Treppe hinunter an den Schilf bewachsenen Teich führt«. - röS ES war Winter. Schnee und EiS bedeckte jetzt die Wasserfläche, und die Türen des Wohnsaales waren von außen fest verschlossen und mit Decken gegen die ein dringende Kälte verwahrt. Tie alte Baronin saß in einer der Nischen und schrieb Briefe; an einem der verschiedenen Sofaplätze des großen Raumes saß ihr jüngster Sohn, Erich, mit seinen Keinen Nichten, Milla und Luischen, und deren etwas ältern Spielkameradinnen, zwei Keinen Töchtern des Inspektors. Tie Kinder waren merkwürdig still, nur Erichs Stimme, der das Spiel leitete, wurde ab und zu laut. Tie alte Baronin, deren Haar von Kummer und Sorgen früh ge bleicht war, fühlte sich ost müde und angegriffen, wenn die Kinder laut und lustig waren, heute wurde sie ange nehm berührt, daß Erich ein so ruhiges Spiel ersonnen hätte, und gern benutzte sie diese Zeit zu einigen nötigen Geschäftsbriefen. Rita, im Glauben, die Kinder seien im Schutz der Mutter gut aufgehoben, Ivar schnell in das Jnspektorhaus geeilt, um mit Herrn Bienert die monatliche Mrechnung zu machen. Sie hatte durch die Erziehung der Kinder und jetzt durch Erichs Ferien so wenig ruhige Zeit, daß sie jeden Augenblick, den sie allein sein konnte, zu ernster Arbeit benutzen mußte. Sie zitterte immer vor diesen Abrechnungen, denn meist gab es neue Sorgen, neue Ein schränkungen. „Nun, lieber Bienert, wie steht's?" frug sie den Inspektor, der ebenso treu wie Heinrich seit Jahren seines Amtes waltete und jetzt die Seele des ganzen Gutshofes war. „Nun, cs macht jich schon, Fräulein Rita, es macht sich schon. Wenn wir nur noch ein paar Jährchen hinter uns hätten, wenn mir Gott meine Gesundheit läßt, — ich denke, da schaffen wir's!" „Wie viel Jährchen, lieber Bienert ?" frug Rita mit einem schwachen Versuch zu lächeln. „Nun, gnä' Fräul'n, 6 Jahre, denke ich — aber da dürfen wir keine Extra-Ausgaben machen, keine Unglücks- fälld, keine Mißernten darf uns der liebe Gott schicken, sonst müßten wir eine neue Hypothek aufnehmen, was für Junker Erich später sehr schwer wäre." „6 Jahre!" wiederholte das junge Mädchen sinnend, „aber lieber Herr Inspektor, denken Sie daran, daß in diese Jahre Erichs Eintritt in die Welt fällt; — Sie wissen doch, daß mein Vater bestimmt hat, daß er erst zwei Jahre Offizier jein soll, ehe er sich der Landwirt schaft widmet." „Ja, aber gnä' Fräulein werden meine Einwendung verzeihen, das war vor unsernt Unglück mit Baron Yeskow." „Gewiß, aber meine Mutter wäre untröstlich, wenn dieser Wunsch des Verstorbenen nicht erfüllt würde." „Jawohl, man soll die Toten ehren, aber — verzeihen gnädiges Fräulein, — da weiß ich keinen Rat. Wenn wir alle Schulden abtragen wollen, jo dürfen wir in den nächsten Jahren nicht mehr verbrauchen wie jetzt. Aber seien Sie nur nicht so traurig, kommt Zeit, kommt Rat!" Und seufzend vertieften sich die beiden Getreuen in ihre Arbeit. — Als Rita eine Stunde später wieder ins Schloß eilte, war ihr erster Gang ins Wohnzimmer zu den Kindern; aber wie festgebannt blieb sie in der Tür stehen, so furchtbar erschreckte sie der Anblick, der sich ihr bot: In der Nische saß die Baronin noch in ihre Schreibereien vertieft, während die Kinder lautlos um den Tisch sahen, auf den die Hängelampe ihr mildes Licht warf. In ihren Händen hielten sie Karten, die sie nach Erichs Anweisung ausfpielten. Es war ein kindisches Spiel — ein Spiel, wie wir's mit unfern Kindern viel leicht schon oft um Zuüernüsse und Schokolade gespielt haben — aber Rita erschrak bi» in» Innerste. Ter Ln- blick der Karten, die all das Unglück über ihr elterliches Haus gebracht — dazu Erich, dessen ganze» Wese» Er regung ausdrückte — sie -erbleichte bi» in die Lippenr Ter 15 jährige Knabe spielte mit einer Leidenschaft, dass seine Wangen glühten, und seine schönen, blauen Luge« blitzten. „Aber Erich!" rang sich's von Ritas Lippen, „Erichs was tut Ihr?" Tie Kinder erschraken, al» sei e» ihneu klar, daß' sie etwas Unrechtes getan, und ließen die Karte« fallen. „Mer Rita, wir spielen bloß," sagte der Knabe, „waS ist Tir? Du bist ja ganz blaß?" „Wo habt Ihr die Karten her?" stieß Rita tvnbo» hervor. ß Lutschens kleines Gesicht verzog sich zum Weine«. „Ich — ich" — sie brach in Schluchzen au», ihr Keine» Herz war sehr weich, sie konnte es nicht ertragen, ihre über alles geliebte Tante böse zu sehen. „Wir haben sie aus Papas altem Schreibtisch geholt," jagte Milla nun, froh, daß sic aushelstn konnte. „Tu mußt nicht böse sein, Tantchen, wir haben so schrecklich schön gespielt," und der Keine Lockenkopf schmiegte sich an der Tante Hand. Ter ganze Vorgang war so leise und schnell vor sich gegangen, daß die Baronin nil^s davon gemerkt hatte, was auch Ritas Bestreben war: ihrer armen Mutter, die schou so viel gelitten, nur kein Er innern an den schwersten Kummer ihres Leben» zu bringen." „Ihr könnt jetzt gehen, liebe Kinder, grüßt Vater und Mutter schön," zwang Rita sich, freundlich ßu de» Jnspektorkindern zu sagen, die aufstanden und sich mit einem Knix verabschiedeten. „Erich und Ihr Kleinen kommt herüber in mein Zimmer." Tie Kinder waren so gewohnt, der so viel älteren Schwester und Tante zu gehorchen, daß sie auch jetzt laut los taten, wie ihnen geheißen war. Mit zitternde« Händen hatte Rita die Karten zusammen gerafft und eilte den Kindern nach. „Niemals dürft Ihr solche BVitter anrühren," sprach sie dann zu den Keinen Mädchen, „niemals dürst Ihr damit spielen, und damit Ihr sehet, was für ein Unrecht Ihr getan habt, will ich Such zeigen, was man mit solchen Blättern macht." Rita warf die Karten in ihren Ofen, in dem ei« Holzfeuer lustig flackerte. Tie Kinder, die da» alle» nicht recht begriffen, starrten den aufflammende« Blätter«, mit denen sie so „schrecklich schön" gespielt hatten, nach, und entfernten sich dann auf der Tante Geheiß. Rita, die noch blaß und mit zuckenden Lippen dastand, sank jetzt auf einen Stuhl. Erich umschlang sie. „Aber Rita, was ist Tir nur? Warum bist Da nur jo außer Tir?" rief er, die Schwester küssend, „ich wollte doch nichts Böses tun!" „Ich weiß es, mein lieber Junge, Du handeltest in kindlicher Unwissenheit, aber Tu bist jetzt alt genug, u« ein ernstes Wort zu vertragen; laß Tir gesagt fein, daß diese unseligen Karten schweres Unglück über un» alle ge bracht haben, denke Tein ganzes Leben daran, mein Erich: die Karten haben unserer armen Mutter da» Haar ge bleicht, die Karten haben Teinen unglücklichen Bruder in» Verderben gestürzt, haben uns alle unglücklich gemacht." Ter Knabe blickte die Sprecherin verwundert an. „Ja, wie ist denn -aS möglich? Tiefe harmlosen Karten uns unglücklich gemacht?" „Wenn Tu älter sein wirst, werde ich Dir alle» sage«, Erich, denke nur immer an meine Bitte, nie eine Karte anzurühren!" Zn diesem Augenblick trat Heinrich ein und meldete