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'Frau von HSrtek an; Ritas kummervolle- Gesicht erhellte , fich^ „wie schönt rief sie, ihre Dränen trocknend. .La, und da- kleine Fräulein ist mitgekommen, sie Ist gleich ins Kinderzimmer geraunt," berichtete Heinrich zu Erich gewandt, denn Lizzi von Hörtel und er liebten sich sehr, dar wußte der Ate tvohl — Erich schnellte fort, und gleich darauf trat eine mittelgroße Gestalt mit ausge- vreiteten Armen auf das junge Mädchen zu. „Mein HerzchenS-Ritchen, wie geht's Tir? Verweinte Augen? Was drückt Tich wieder, mein armes Kind?" Tie nahm den Kopf der Freundin zwischen ihre Hände und blickte ihr tief in die Augen, und vor diesen seelen vollen, schönen, braunen Sternen, vor dieser milden, »eichen Stimme schwand Ritas Selbstbeherrschung vollends. Sie legte ihren Kopf an Helene Hörtels Schul ter und vertraute ihr allen Kummer an. Helene wußte für alles Rat, hatte für jeden Kummer «inen Trost ES gibt Menschen, die Gott einem als Engel auf unfern Lebensweg sendet, damit wir einen greifbaren hall, ein« Stütze an ihnen finden, wenn unser Fuß straucheln will, oder das Leben gar zu rauh uns onpackt. Wohl dem Menschen dem solch ein Engel be ¬ gegnet! „Mein Herzchen, wer wird denn so verzagt sein," sagte Helene liebevoll, „Gott läßt keinen Menschen mehr leiden, al- er tragen kann. Denke doch daran, durch wie viel Not er Tir schon hindurch geholfen hat, durch wie viel Trauer und Schmerz! Sei geduldig, sei tapfer, Rita! ES kommen auch wieder Zeiten, wo seine Sonne Aber Deinem Leben strahlen wird. Und um Erich sorge Aich nicht zu sehr, — er hat einen so guten, treuen Charakter, er wird schon den rechten Weg gehen!" „Alle-, alle- will ich ihm nachsehen, wenn ihn nur ui« die SpieVout erfaßt, das ist eine Leidenschaft, der nicht- zu vergleichen ist!" Nita trocknete chre Tränen und ordnete ihr Haar ein wenig; „wir müssen wohl jetzt zu Mutter hinüber gehen," sagte st«, ,Mte alle Bewohner von Linz, sieht auch sie Rich Mit Freuden kommen. Du guter Engel Du." I« Begriff da- Zimmer zu verlassen, blieb Helene ßtgernd stehen. „Rita," sagte sie langsam, ,Fvolf war gestern bei Mr. Du weißt, was er wollte. Was soll ich ihm sagen?" Ein« dunkle Röte überzog daS Gesicht des Mädchens; v« ihren Mund zuckte eS, dann sagte sie leise, ohne auf- -usehen: „Nie kcmn ich an eigenes Glück denken, wenn ich hier f» nötig bin? — Tu weißt, seit Ellen tot ist, büchen mir die Kinder allein zur Erziehung und Erich — ach, wie viel gibt es auch für ihn zu tun. Mutter Asm da- alles nicht besorgen, sie ist zu sehr gebrochen, seit unser« Unglück." E- sprach eine Trostlosigkeit aus Ritas Aorten, daß Helm« die Dränen in die Augen traten. Wie hätte sie so tauig gewünscht, der jüngern Freundin ein frohes Leben verschaffen zu können, und wie machtlos stand sie dem schweren Geschick, daß die Familie Linz in den letzten Jahren getroffen hatte, gegenüber. Rita zählte erst LL Jahr, und schon ruhten die Sorgen einer ganzen Familie, eines ganzen Haushalts und eines großen Land- gute- auf ihren jungen Schultern. Ja, sie konnte, sie durfte an eigenes EWck nicht denken, Frau von Hörtel sah die- seufzend ein.. Seit zwei Jahren bewarb sich Wolf von Reten, der Besitzer einer der Nachbargüter, um Rita» Hand; aber seine Liebe für sie war so rein, so trau, daß ihäc kein Warten, kein Hinhalten verdroß, ge duldig trug er die Sehnsucht nach Rita in seinem treuen Harzen, glücklich, wenn er sie manchmal bei Hörtels traf. Ruch ihr» erfüllte dasselbe Gottvertrauen, dieselbe Ueber- zeugung, daß alles, war uns int Leben widerfährt, au- Gottes Hand kommt, wie die Familie Linz, und deshalb schöpfte er auch immer wieder neue Hoffnung, daß Gott ihn doch einmal mit Rita vereinigen würde. In Rita- junger Seele sah es freilich manchmal gar trübe aus, sie kämpfte schwer mit ihrer Mutlosigkeit. Frau von Hörtel wußte dies wohl und ließ keine Gelegenheit vorübergehen, um sie aufzuheitern und ihr Mut einzusprechen, denn die Aufgabe, die das junge Mädchen jetzt zu erfüllen hatte, war so groß und schwer, forderte eine solche Hingabe und Selbstvergessenheit, daß auch ein älterer und erfahrener Mensch mitunter den Mut hätte verlieren können. So verging die Zeit. Ten Bewohnern von Linz floß, gleich einem Strom, ein Tag wie der andere dahin in emsiger Arbeit. In solchen Zeiten des rastlosen Schaffens bleibt die Erinnerung nur haften an den Stunden, die uns besondere Freuden oder besondere Leiden gebracht haben. Solch' ein Tag war Erichs Konfirmation ge wesen. Tas reine, kindliche Gemüt des Jünglings war tief bewegt von der schönen Feier, und erfüllt von den besten treuesten Vorsätzen, seiner Mutter ein guter Sohn, eine Stütze für ihr Alter zu werden, und seiner geliebten Schwester alle Fürsorge und Liebe einst vergelten zu können. Am Abend dieses Tages nahm Rita den Bruder in ihr Zimmer und machte ihn bekannt mit all den traurigen Ereignissen, die in den letzten Jahren die Verhältnisse der Familie so grausam verändert und inj die; Herzen so un heilvolle Wunden geschlagen hatten. Wieder bat die Schwester ihn, doch niemals eine Karte anzurühren, wenn auch oft die Versuchung an ihn herantreten würde, wenn er in kurzer Zeit, den schützenden Verhältnissen von Schule und Elternhaus entwachsen, ins Leben hinaustreten müsse. Erich war jo erschüttert von dem> was er gehört hatte, daß er schluchzend der Schwester um den Hals fiel und rief: „O Rita, Rita, was müßt Tn alles gelitten haben. O ich will brav uüd gut werden, um Tir Freude zu machen." Jugendzeit. Genieß, o Mensch die Sonnenstunden Ter wunderbaren Jugendzeit, Wie ach so bald ist ja verschwunden Tie goldene Glückseligkeit. Es bringt dir, ach kein sehnend Bangen Zurück den süßen schönen Traum — Bon allem was dahingegangen Bleibt Mensch dir die Erinnerung kaum. Tarum genieß die Zeit voll Segen, Wo groß dir noch und schön die Welt, Lin milder Glanz auf allen Wegen Ter Stern der Hoffnung sie erhellt. Wo froh im edlen Trang des Strebens Tein Herz an eigne Kraft noch glaubt. Wenn nicht der Schicksalssturm des Lebens Tie Zuversicht dir früh geraubt. Auf deinem Erdenpilgerpfade Naht dir die Jugend nur einmal. Wo Gott selbst spendet höchste Gnade Und heil'ger Liebe Segensstrahl. Markranstädt. Adolf Treßler jun. Denk- «ud Sinnsprüch«. Eine Kleinigkeit kann hoch ergötzen. Wenn man gut gestimmt ist. Eine Kleinigkeit kann tief verletzen, Wenn man schon verstimmt ist. MM von ä WtMattch, «Vst; für dv Sirdaviou veumtvmüich Hvmarm Schmidt i» Siirs«. Mjählrr an der Clbe velletr. Gratisbeilage za» „Riesaer Tageblatt Rr. 40 Ri«s«, den 1. Okt«ber 1KO4. wohl nur kurze Tage und Wochen her sein, daß man hier einen Sarg versenkt hatte. Mit einer Geberde des tiefsten, verzweifeltsten Schmer zes kniete die Frauengestalt hier nieder und legte die Blumen auf den Sandhügel, nur eine weiße Rose behielt sie in der Hand; — in dieser Bewegung des NiederknienS lag so viel Hülflosigkeit, fo viel Verzweiflung, al- wolle die Arme sagen: „Warum gingst du von mir? Warum ließest du mich allein?^ Nach einer Weile erhob sich Rita von Linz wieder und schritt zurück, doch einen andern Weg nehmend wie vorhin. Sie schlug einen kleinen Seitenpfiw ein, der dicht an der Mauer lief; von Wischen verdeckt, lag hier ein einsames Grab, ohne Kreuz, ohne Gitter, doch wohl gepflegt von liebender Hand, das sah man wohl. Tort legte das junge Mädchen die einzelne Rose nieder und verharrte auch dort in langem, stummem Gebet, aber wenn die beiden Spaziergänger, die dort zwischen den Büschen sichtbar wurden, etwas näher getreten wären, hätten sie ein kurzes^ flüsterndes Gespräch der Trauernden mit dem stummen Schläfer dort unten vernehmen können: „O DeSkow, warum tatest du mir das? All unser Ungllick hast du über uns gebracht! Warum mußtest du uns da antun?" Tie zwei andern Spaziergänger waren ein ältlicher Mann, dessen ergrautes Haupt- und Barthaar und die etwas nach vorn geneigte Gestalt ihn älter auSsehen ließen, als er, nach der Frische seiner Hautfarbe und dem Glanz seiner Augen zu schließen, wohl sein mochte, — er trug herrschaftlich« Livree: einen einfachen, dunkelblauen Frack mit goldenen Wappenknöpfen, schwarze Kniehosen und braune Gamaschen. Es war Heinrich der altbewährte Tiener und das Faktotum' der Freiherrlichen Familie, der von Jugend auf im Schlosse gedient und in treuer Arbeit ergraut war. Neben ihm schritt ein hübsches, junges Mädchen in einfacher, ländlicher Tracht; die Hellen, klugen Augen blickten fröhlich in die Welt, und die braunen, glänzenden Zöpfe lagen wie eine Krone uM ihren Kopf. Boll Hingebung und Liebe blickte sie zu dem Alten auf, der sie ein wenig ins Gebüsch zog, damit sie nicht von dem ,,gnä' Fräul'n" gesehen würden. „Vater," flüsterte sie, als die schwarze Gestalt per- schwand, „unser gnä' Fräul'n ist wohl noch sehr traurig von wegen der gnädigen Frau?" „Ei jaa, meine Miene!" hüb der Alte an, in seinen ländlich-sächsischen Tialekt verfallend, sobald er mit seines gleichen sprach, „bei unS ist ein reenes Jammertal, — kein Frohsinn und kein Lachen härt man mehr, ach, und wenn ich gar mein gnä' Fräul'n ansehe, — nee, mein Mienchen, da wollen mir altem Kerl schier die Augen übergehen!" Und Heinrich zog sein rvtgeblümtes Taschentuch her vor und trocknete sich hie feuchten Augen. „Ja, Batel, Tu mußt mir das ein bissel erzählen," bat das Mädchen, „ich bin nun schon so lang auf'« Oberhof und weiß nischt nichts von unserer gnä' Herrschaft. Ist denn unser gnä' Fräul'n bloß von wegen der Gnädigen so traurig, was ja freilich ein reiner Jammer war, um so a junges Blut." „Ja, Mienchen, was ick sagen wollt — ist hall «Hw traurige Geschickte und nicht grab' für junge Ohre«, ab« Dunkle Stunden. Erzählung von Gräfin Marie Luise von WengerSiy. Nachdruck verboten. Es ist ein heißer Hochsomimertag. Bon der Kirchwand fällt ein breiter, angenehmer Schatten über den Friedhof, der das Tvrfkirchlein umgibt, den kleinen, stillen Friedhof mit seinen Kreuzen, Hügeln und Grabsteinen, worauf Gras, Moos und Unkraut wachsen., Hie und da zerfallene, eingesunkene Hügel, unter denen der Name für immer ver- ichwiegen bleibt; nur die allen gemeinsame Hoffnung darauf verzeichnet: „Es wird g es Lei in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Ich bin die Auferstehung und das Leben." Lauter gewöhnliche, einfach« Namen und einfache Worte liest man hie und da: „Selma Geld von ihrem treuen Ehegatten", — „Friede ihrer Asche", — „Unserm einzigen Kinde!! Es ist bestimmt in Gottes Rat, daß man vom Liebsten, das man hat, muß scheiden." Hohes Gras in den Wegen, die nur schmal sind; zu manchem Hügel tritt nie jemand; ungestört birgt er sein Geheimnis jahraus, jahrein unter dem dichten, grünen Unkraut-Teppich; auf manchem singeü Vögel ihr Lied, und hohe, schlanke Glockenblumen neigen sich; im Wind da rüber, der sie gesät. Am Sonntag war der Kirchhof meist sehr belebt; auf manchem Grabe lag dann ein frischer Kranz, und hie und da sah man eine Gestalt an einem Hügel finen und ein Gebet verrichten. Ter Nachmittag war bereits vorgeschritten. Die Strahlen der Sonne fielen schräg. In der Allee, die vom Schloßpark auf den Friedhof führte, wurde eine hohe, weibliche Gestalt in Trauerkleidern sichtbar; sie trug einige eben gepflückte Rosen in der Hand und ließ die Abend kühle ihren blonden Scheitel umwehen. Ter Schüitt ihres Gesichts war unregelmäßig, aber in den Augen lag eine Tiefe, eine Welt von Schmerz und Weh, aber auch eine Freundlichkeit und Menschenliebe, die es begreifen ließ, daß alle, die sie kannten, mit Liebe und Verehrung an ihr hingen. Ihr Gang war müde, und langsam schritt sie durch die Reihen der Gräber auf den engen, grünüber- tvucherten Wegen dahin. Am Ende des Friedhofes erweiterte er sich zu einem kleinen Platz, der, ein Halbrunde!!, von Trauerweiden um geben, einen von den andern Gräbern etwas abgesonderten Begräbnisplatz der Familie von Linz bildete. Nicht, wie sonst meist Familiengrüfte kalte, steinerne Grabstätten sind, war es hier, — einfache, schlichte Hügel, nur durch Trauerweiden zu einer gemeinsamen Grabstätte verbunden, bildeten hier die Familiengruft der Guts herrschaft. Tie verlöschende Abendsonne fiel schräg durch die Bäume und vergoldete gerade ein Kreuz, auf dem zu lesen stand: „Otto Freiherr von Linz, geb. 14. März 1830, gest. 3. August 1885." Tarunter die Worte: Christus, der ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn." Tie Trauergestalt trat jetzt in den Halbkreis der Weiden, Im Hintergründe waren noch einige ältere Gräber, und vorn an ein ganz frisches. An diesem frisch aufgeworfenen Hügel lagen die Kränze mit Atlasschleifen, die Palmen mit verwelkten Blumen noch darauf, noch wuchs kein Gras auf dem frischen Erdreich — es konnten