Volltext Seite (XML)
Beilage z«ni „Riesaer Tageblatt". Rotationidruck und Serlaq von Langer L WinIerl > ch in Ntesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Arthur Hähnel in Riesa. S8 Montag, 2S. April IU12. abends. «S Jahrgl Deutscher Reichstag. 48. Sitzung, Sonnabend, den 27. April, 11 Uhr. Am Tische des Bundesrats: v. Breitenbach. Dee «tat der Sreichsaiseabahneu. Abg. Koßmann (Z.) wünscht weitere Ausdehnung des Eisenbahnnetzes auch aus die landwirtschaftlichen Gegenden und Vorsorge gegen die Ueberlastung der Arbciterzüge, Heizung derselben usw. Keine Arbeitergruppe steht so treu zu ihrer Verwaltung wie die Eisenbahnarbeiter. Ich bitte deshalb, auch die Wünsche der Eisenbahnarbciter zu berücksichtigen. Minister v. Breitenbach erwidert auf die gestrigen AnS- sührungen der Abgg. Liesching und Dr. Weill, ersterer will einen AusgleichSsonds aus den Ueberschüsseu, Tr. Weill will sie im Interesse des Landes verwenden. Die Rente der Reichs eisenbahnen ist aber nicht danach, die Möglichkeit eines Aus gleichSsonds crhosscn zu lassen. WaS Herr Weill will, ist eine «ooistas Isonins; er will die Verwaltung, die Etalaufstellung dem elsässischen Lande geben und dem Reich da) finanzielle Risiko überlassen. Sein Vorschlag widerspricht auch seinem Prin zip der Neichseisenbahngemeinschast; denn er will eine parti kulare Verwaltung schassen mit den Mängeln kleinerer Ver waltungen. ES ist aber wohl auch mehr Preußcnhaß, was ihn leitet. Der Minister wiederholt im übrigen seine Ausführungen aus der Kommission und aus dem preußischen Abgeordneten. Hause. Tie Erhöhung der Arbeiterlöhnc findet ihre Grenze an der Rücksicht auf die Industrie. Tie Fahrkartenstener kann nur revidiert werden iu der Richtung der Freilassung der vierten Müssender Entlastung der ersten Klasse mit dem Aus gleich bei der zweiten und dritten. Ans dem Gebiete der Pen- sionscinrichtungen werden wir nach dem preußischen Vorbild die Interessen nufere; Arbeiterschaft weiter fördern. Abg. Tr. Will (ZcntrumS-Elsüsser) verlangt zur Ent lastung der oberelsässischen Linie von Eolmar nach Mülhausen eine ncne Hauptlinie im Nheintal mit Nebenbahnen und kriti- fiert die AnstcllungS-, Lohn- und Arbcitszeitverhältnissc der Eisenbahner. Abg. Jckler (nl.) erörtert die Verhältnisse einiger Be amten- und Arbeitcrkalcgoricn und empfiehlt besonders die Wünsche der Werkführer und Magazinaufseher. Abg. Tr. Werner-Gießen (W. Vgg.) spricht gegen die Konkurrenz, die die Eiscnbahnkonsnmvcrcme dem Mittelstand machen, verlangt eine rcichsgesctzliche Regelung der Ruhezeit, ein Eingreifen gegen das Plakatwesen auf den Bahnhöfen und befürwortet Beamtenwnnsche. Abg. Peirotes (Els., Soz.): Wir Elsässer würden unsere Forderungen lieber in Straßburg Vorbringen, dort würden wir ein willigeres Ohr sindcu als hier. Aber bei der Beratung der Verfassung hat uns der Reichstag die Eisenbcihuhoheit ver weigert. Hätten wir doch wenigstens ein Mitbestinimuugsrccht bei der Ausführung. Unsere Befürchtungen in bezug auf die Wirksamkeit des jetzigen EisenbahnchesS haben sich voll be stätigt. Zur Beseitigung der Hungerlöhne Hal er nichts ge- Ian. TaS Sparshslcm treibt nette Blüten. Abg. Schiffer (Z.): Tie Verwaltung muß beachten, daß die Sozialdemokraten sich eifrig um die Werkstätten arbeiter bemühen. Selbstverständlich wünschen wir keine Scharf macherei. Ter Redner fordert einen Zentralarbcitcrausschuß in Straßburg. Minister v. Br eit enbach: Der Bogesendnrchstich kann nur in die Wege geleitet werden, weuii wir auch in Frankreich Gegenliebe finden. Tas ist bisher noch nicht der Fall. Es wird ständig geprüft, ob die Löhne den jeweiligen Verhältnissen angcpaßt sind. Tie Akkordlöhne der Güterbödeuarbeiter sollen revidiert werden. Abg. Win deck (Lothringer) fordert ein besseres Eisen bahnnetz für das lothringische Erzgebiet. Tie Aussprache schließt. Bei der Abstimmung über die sozialdemokratische Resolution, die die Lohnzahlung auch für die Wochcnfeiertage fordert, bleibt das Bureau zweifelhaft. Ter Hammelsprung ergibt die Beschlußunfähigkeit des Hauses. Mit „Nein" stimmten 43 Abgeordnete, mit „Ja" 38. Mouiag 1 Uhr: Wciterberatuug: dann Kolouialctat. Schluß 4 Uhr. WW äs KM« Wimms. Die fast in allen Orten des Deutschen Reiches ein geleiteten Sammlungen zur Beschaffung von Flugzeugen ür die deutsche Armee haben im allgemeinen recht zufrieden stellende Ergebnisse gehabt, aber man würde sich einer schweren Selbsttäuschung hingebcn, wenn man glauben wollte, dass hierdurch unseren Gegnern in einem Kriege der Zukunst der Vorsprung abgewonnen sei, den st« sich zu sichern verstanden haben. Dieser Vorsprung ist bei weitem größer, als man glaubt. Nicht Deutschland mehr ist das „Volk in Waffen", sondern Frankreich kann vielmehr diese stolze Bezeichnung für sich in Anspruch nehmen. Obwohl die Republik nur 39 Millionen, Deutschland dagegen 65 Millionen Einwohner zähl», vecsttgt die Republik über mehr ausgebildete Streitkräfte als daS deutsche Reich und hat seine Kriegsbereitschaft, die Mobilmachung seines Heeres zum mindesten in dem gleichen Maße zu sichern verstanden, wie dies in Deutschland der Fall ist, Mit geradezu fieber haftem Eifer ist man in Frankreich bemüht gewesen, und ist eS noch, sich auf einen Krieg mit dem ehemaligen Gegner zu rüsten. Und diesem Kriege standen wir zur Zeit der Marokkowirren nicht fern; auf des Messers Schneide stand die Frage, ob die Waffen die Entscheidung geben sollten, die auf dem Wege friedlicher Unterhandlungen kaum erreichbar erschien. Nach allgemeiner Anschauung folgt da» KriegSglück den stärksten Bataillonen. Man kann aber jetzt nicht annehmen, daß er dem deutschen Reiche möglich sein wird, den Franzosen mit einer Ueber- legenheit entgegenzutreten, wie ihnen solche bereits in den ersten Tagen des großen Krieges entgegengebracht wurde. Und in dem Kriege der Zukunst, der nicht auSbleiben kann, der nicht auSbleiben wird und der unS vielleicht schon in naher Zukunft bevorsteht, werden neben der Frage der zahlenmäßigen Stärke auch noch andere Fragen mit sprechen, namentlich Fragen der Bewaffnung und solche der Ausrüstung mit neuzeitlichem Kriegsgerät. Darüber ist man sich in Frankreich durchaus im klaren und weil man dies erkannt hat, sucht man sich hier sich die neuesten Fortschritte in der KrtegStechnik, namentlich in der Militär- luftschiffahrt, nicht entreißen zu lassen. Um sein; in dem großen Kriege von 1870/71 er rungene Wellstellung zu wahren, muß unser Volk wieder da» Volk in Waffen werden, da» «» einst gewesen ist. Neben einer achtunggebietenden Flotte bedürfen wir vor allem der Stärkung unseres Heere». Unser nationaler Wohlstand, unser Handel und unsere Industrie sordern daS tatkräftigste Eintreten aller Kreise für die Stählung der BolkSkraft, stir „die Stärkung de» vater ländischen Bewußtseins, sür die Erhaltung eine» mann haften Geiste« im deutschen Volke" — sür die Ziele, die zu erstreben sich der deutsche Wehroerein zur Hauptaufgabe gemacht hat. Auch an dieser Stelle sei auf den Vortrag aufmerksam gemacht, den die hiesige Ortsgruppe de» deutschen Wehr- verein« am Sonnabend, den 4. Mai, abends 8 Uhr im Saale von Höpfner« Hotel veranstaltet und bei dem «in trefflicher Redner, Herr Generalleutnant v. Wrochem, über: „Die Notwendigkeit und die Ziele de« deutschen Wehr- oereinS" sprechen wird. Der Vortrag ist öffentlich; jeder mann hat freien Zutritt. Besonder« sind auch Frauen gebeten, zahlreich zu erscheinen. Ll. 8. ?er jsW Mu Mu »st in Wei. Tem türkischen Kriegsministerium wird aus Tripo lis vom 23.. April gemeldet: Zwei bei dem Blockhäuse von Buchames lagernde italienische Regimenter griffen Tuzla an, mufften aber infolge des Widerstandes der Türken und Araber die Flucht ergreifen. Sic ließen eine Anzahl Tote und Verwundete zurück und wurden bis zur Festungsliuie verfolgt. Die türkischen und arabi schen Truppen Hutten 15 Tote und 120 Verwundete. Nach diesem Kampf bombardierten die Italiener Sidi Said, jedoch ohne Erfolg. Tas türkische Kricgsministcrium veröffentlicht ferner ein Telegramm Enver Beys vom 23. April über einen Kampf, der in dieser Nacht bei Tobruk stattgefunden hat. Tic Italiener hätten etwa 40 Tote gehabt. Ferner seien zwei Maschinengewehre unbrauchbar gemacht und ein Scheinwerfer zerstört wor den. Die türkischen und arabischen Truppen hatten zwei Tote und drei Verwundete. Die iu Kairo erscheinende arabische Zeitung El Moai- jad, das über die Kriegsereignisse stets am besten unter richtete Blatt Aegyptens, teilt mit, daß die erste vom Scheich ocr Senussis nach dein Kriegsschauplatz entsandte Karawane in Tjaghlub angckommen sei, von wo sie sich nach Benghasi begeben werde, um gegen die Italiener zu kämpfen. Ferner sollen 1500 Sudanneger im türkisch arabischen Feldlager eingetroffen sein. Gerade die Su danesen sind ein ausgezeichnetes, auch von der deutschen Kolonialverwaltung in Teutsch-Ostafrika sehr geschätztes Soldatenmatcrial. Die „Agenzia Stefans" meldet: Admiral Presbitero gibt vom Panzerkreuzer „Pisa" aus funkentelegraphisch bekannt, er habe, um die Besetzung der Insel Nstro- palia zu einer vollständigen zu machen, zwei Kompag nien an Land-gesetzt. Diese bemächtigten sich durch einen Handstreich der Pässe, welche die Stadt Livadia beherr schen, in dev Absicht, die' dort versammelten türkischen regulären Truppen zu umzingeln. Die Umzingelung glückte vollständig. Bei, Tagesanbruch forderte ein Par lamentär die Türken zur Uebergabe auf, die angenom men wuroe. Man erwies der kleinen Garnison, die sür kriegsgefangen erklärt wurde, militärische Ehren. Eine Konferenz derGetreidehändker iu Roskow a. Don. hat beschloßen, das Börsentomitee zu beauftragen, sich über die Frage eines von den Urhebern der Zerrung der Dardanellen zu leistenden Schadenersatzes schlüssig zu machen, da durch die Sperrung die gegenwärtige Stok- kuug des Getreide H andels' verursacht worden sei. — Tie Stauung des Getreides, die durch die Sperrung der Dar danellen verursacht worden ist, hat 10 Millionen Pud erreicht. Die Verluste sind groß. Hunderte von Arbei tern sind arbeitslos. ! In einem Leitartikel weist dec Corrierc d'Jtalia auf die Notwendigkeit füst Rußland hin, sich Italien zu nähern, um tue freie Durchfahrt durch die Dardanellen zu erlangen. Zugleich stjellt das Blatt eine zunehmende Abkühlung in den 'Beziehungen Rußlands zu den beiden anderen Mächten der Tripeleutente fest, die alles In teresse daran hätten, Rußland vou den Gebieten des Mittelmecres fcrnzuhalten, wie sie das auch mit Ita lien zu tun versuchten. Nach einer Annäherung Ruß lands an Deutschland würde eine Tripelcntcnte nicht mehr bestehen. ' : Eine Fahrt durch die Minensperre der Dardanellen schildert der bekannte englische Korrespondent Perccval Landon, der unter Führung eines türkischen Kanonen- bootes auf einem griechischen Frachtdampfer durch die jetzt von Minen- gefährdete Meerenge glücklich nach Kon stantinopel gekommen ist. >,Wir hatten den Morgen lotsen verpaßt und mußten nun fünf Stunden langsam vor der Tardancllenöffnung hin und herkrcuzen. Am Horizont bildeten sich graue Wolkenwände und drohten mit einem Sturme. Endlich, endlich sahen wir in der Nähe ein: länge Reihe von Schiffen austauchcn, die im Gänsemarsch, eines! hinter dem anderen, langsam und vorsichtig dahcrgczogen kamen. Als sie hinter der euro päischen Landeckc hervortämcn, packte sie der stärkere Wind, nur mit großer Anstrengung hielten sie sich genau im Kielwasser des kleinen grau ««gestrichenen türkischen Kanonenbootes, das sie tzurch die Minensperre geleitet hatte. Aber uns war cs doch ein Gefühl der Erleichte rung zu sehen, daß sie glücklich durchgekommen waren. Eines nach dem anderen zogen sie an tkns vorbei, eines war ein Schwesterschiff von uns und im Borübergchcn erreichte uns ihre kleine, ein wenig spöttisch- Begrüß ung, die uns eine „glückliche Durchfahrt" wünschte. Als das letzte Schiff seine Seeroutc erreicht hatte, nahm das kleine türkische Boot mit dem hell im Sonnenschein lenchtenden roten Banner im wachsenden Wogcngange wieder die Richtung auf die Meerenge. DaS Signal „D. R. ll." befahl uns, genau in Kiellinie zu folgen. Man mag sich vorstellen, mit welcher Präzision wir ge horchten. Die Türken haben überall mächtige Schein werfer errichtet; der Weg durch die Nttnensperre führt an dem Nordrand der Meeresenge vorbei; jedes feind liche Schiff, das diesen Weg einschlüge, würde damit in das Feuer der den Eingang beherrschenden Forts ge raten, in das Feuer der schweren modernen Geschütze, und dabei noch in einer Stellung, von der aus! man das Feuer nicht einmal wirksam erwidern könnte. Nach dem letzten Bombardement ist natürlich die ganze Meeresenge mit Minen übersät und jeder Gcwältstrcich ist ein Ding völliger Unmöglichkeit. Tas Bombardement des Fort Kum Käleh war militärisch vollkommen sinnlos und wird nur begreiflich durch die Absicht Italiens, eine. Intervention der Mächte herbeizuführeu." London kommt dann auf die große Gefahr der Minenfelder in den Dardanellen, zu sprechen. Selbst die Führung unter türkischer Leitung kann auf die Taner diese Ge fahr nicht aufheben., „Mau muß wissen, daß die unge wöhnlich starke Strömung in der Meerenge es schwer, ja vielleicht unmöglich macht, das Abtreiben der Minen zu verhindern. Wenn, die Türken außer den verankerten Scnkmincn auch schwimmende Minen ausgelcgt haben, wird die Schiffahrt auf eine lange Zeit hinaus mit Ge fahren verknüpft bleiben. Dazu kommt aber, daß die starke Strömling auch die Sicherheit gegen die veranker ten Minen verringert.; Unter der Einwirkung des Wassers werden über kürz oder lang einzelne Minen sicherlich losgerisscn werden, um! so mehr, als die Kraft der Strö mung die Drahtseile in kurzer Zeit abnutzt, so daß die Anker der auSgclegtcn Sprengmassen reißen. Unter die sen Umstünden wird die Fährt durch die Dardanellen fürs erste ein Risiko mit sich bringen, das ein Han- delsdampser kaum auf sich nehmen tann, und Unglücks fälle werden sich nicht vermeiden lassen." Die Befürch tung Landons "ist inzwischen durch die Ereignisse be stätigt worden. Als erstes Opfer der Minensperre in den Dardanellen geriet ein Handelsschiff aus einen jener. Verderben bringenden Sprengkörper, CK, Taarstzeschichte. Die Regierung und die Behandlung der Wehrdorlageu im Reichstage. In ihrem Rückblick sagt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": Tie viertägige Besprechung der Wehrvorlägen im Reichstags, hat von neuem de« Beweis erbracht, daß mit der Sozialdemokratie eine Verständigung über Fra gen unserer Wehrmacht unmöglich ist. Solange das Deutsche Reich nicht nach sozialdemokratischen Wünschen umgemodelt tst, mögen in einem Kriege, der uns auf gezwungen werden sollte, die Söhne des Volkes ihr Leben immerhin mit dem bitteren Gefühl in die Schanze schlagen, daß das Vaterland ihnen größere Sicherheit Hütte bieten können, wenn cs nur gewollt hätte. Tic Sozialdemokratie geht darüber hinweg. In einem er hebenden Gegensatz dazu steht die grundsätzliche Bereit willigkeit, mit der die bürgerliche» Parteien vorbehalt lich der Einzelprüfungen in den Kommissionen für die Wehrvorlagen cintreten wollen. Dafür können die ver bündeten Rcgierltngcn und die ganze Nation dem Reichstage Tank wissen. Wenn der Reichstag selbst ohne heftige Meinungskämpsc und Konflikte, wie wir sie wohl bei früheren Wehrvorlägen erlebt haben, iu der Sache selbst zu einem positiven Ergebnis gelangt, so ist das ein Vorgang, desscirwir uns trotz aller Partcikämpfe und aller Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Volksvertretung freuen können. Denn mitten in aller Unzufriedenheit und Verbitterung ^beweist er, daß unser nationaler Wille iu voller Kraft steht und daß die Fürsorge für unsere Wehrmacht uns allen gleichmäßig am Herzen liegt. Es ist zu hoffen, daß in einer Frage, die den Lebensnerv unserer Nationalintcrefsen berührt- —.. ------------------- - ---- - Aivjonöwiet