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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192009118
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19200911
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19200911
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-09
- Tag 1920-09-11
-
Monat
1920-09
-
Jahr
1920
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1920
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-7 k Die Geschichte des Kusses. Auch der Kutz hat seine beschichte, und zwar haben mit der Entstehung, Bedeutung und Entwicklung tue- Karbe vierer Tropenjahre trug, -lieb überrascht stehe». Tv sah ein schmales, verblühtes Mädchen in einem abgetragenen Rrgqumant:!, das ihm Blumen entgegen reichte. Er er kannte sie nicht. Dann ging es wie ein Erschrecken über sein Gesicht — Jngcborg sah es mit erbarmungsloser Deutlich keit — und in halber Frage sagte er: „Jngcborg — Du?" ,Za, ich bin es," erwiderte st: mit hilflosem Lächeln, das mehr wie ei« Weinen aussah, „ich wollte doch Sic Erste seil» die dich in der Heimat begrüßte." Sie reichten sich die Hände und sahen sich in die Augen, und -es Mädchens Blick hing in p:involler Ungewißheit an seiner Miene. Würde er sie nun nicht in seine Arme schlie ßen. ihr mit zärtlichen Worten sagen, wie sehr er sich freue? Nichts von alledem. Der Ausdruck im Gesicht des Mannes verändrrte sich kaum. Nichts von Freude, nichts von Liebe. Und beinahe konventionell klangen seine Worte: „Das ist jasührend von Dir, Jngcborg, daß Du gekommen bist. Ich danke Dir tausendmal." j - Und dabei fühlte Jngcborg von neuem die verstohlenen, I mitleidslos prüfenden Blicke d:s Heimgekommenen auf I ibrem Antlitz. Alles in ihr empörte sich dagegen. Hatte fie nicht andere Werte, als ein junges Gesicht? Hatte nicht gerade die Sorge um ihn sie vorzeitig verblüh:» lasten? Fühlte er denn nichts von der unendlichen Zärtlichkeit, mit der ihr Herz ihm entgcgcnschlug? War denn alles, was ge wesen, nichts? Heiß flammte der Stolz in ihr auf. Nur um Gottes willen nicht di: Gekränkte spielen! Sie raffte sich zusammen, nahm lächelnd die Blumen und schmückte Rolf damit, schmückte auch andere Heimkehrer, die von keinem Angehöri gen erwartet wurden, und in der allgemeinen Unruhe gelang es ihr, sich zu fasten. Eine Weile später saßen sich Jngeborg und Rolf in einer Gaststube gegenüber. Das Mädchen erzählte von den Eltern, von der H:imat und allem Fürchterlichen, das -er Krieg gebracht. Rolf blieb fast stumm. Seine Bewegungen waren fahrig und seine Mienen manchmal wie geistesab wesend. Einmal nahm er Jngeborgs Hände in die seinen: „Jngelein," sagte er — so hatte er sie früher immer genannt — „es ist wohl alles so anders, als Du es Dir gedacht hast. Aber Du mußt Geduld mit mir haben, ich muß mich erst wieder mit mir selbst zurecht finden." Alles Blut strömte dem Mädchen bei diesen Worten zum Herzen, und eine Welle süßer Hofsnungsseligkeit schlug über ihr zusamm:n. Die Herbheit ihres Mundes löste sich in weicher Hingebung, die Augen leuchteten, die Wangen glühten. Rolf sah es nicht. Fieber, Unrast und Gier nach einem Leben ungebundener Freiheit quälten ihn. Er hatte nur d:n einen Wunsch, das Zusammensein so bald als möglich zu be enden. Jngeborg fühlte es. „Ich reise heute Abend nach Hause, Du kommst wohl noch nicht mit?" „Nein," stieß Rolf hervor, „nein, ich komme vorläufig noch nicht mit. Heute Abend bin ich nochmal mit den Kameraden zusammen, verzeihe also, wenn ich nicht zur Bahn komme» und dann fahre ich erst auf ein paar Wochen nach Berlin. Ich will auch mal wissen, daß ich Mensch bin." Jngeborg sah ihn mit großen Augen seltsam an. Ihm wurde unbehaglich unter dem Blick. Gerc.zt fuhr er auf und reichte ihr Abschied nehmend die Hand. Das Mädchen nickte nur still mit dem Kopfe. Dann stand sie auf. „Ich will Dich nicht weiter in Deinen Dispositionen stören. Lebe wohl. Rolf." Sie trennten sich vor der Türe, und Jngcborg ging in ihr Hotel zurück. Dort saß sic reglos in vielen Stunden bis zur Abfahrt des Zuges und starrte mit wesenloser Miene vor sich hin. Dumpf kämpften Scham und Empörung in ihr und dazwischen wieder ein würdeloses» betörendes Hvssen, daß alles anders werden könnte, wenn Rolf wieder zu Hause sei. Dann ging sie automatisch zur Bahn und fuhr in der steilen Haltung eines Menschen, der seinen Gram nicht zeigen will, durch eine lange Nacht und einen langen Tas in -le Heimat zurück. »iehungeu, die sich zwischen seinem einzigen Sohne und Jnge- Svrg Baaderfeldt entspanne», mit offensichtlicher Mitzbil- Kigung beobachtet, and sie war nicht zum wenigsten der lvrmid dafür, daß Rolf auf mehrere Jahre nach Uebersee ge- Hchickt wurde. , „Aus -en Augen, aus dem Sinn," dachte Ludwig fen. Über als das Schicksal seine kluge» Anordnungen über den »no «noevolfeu g Herausfühlte, -aß «ad fie zeigte R sich mit der Entstehung, Bedeutung und Entwicklung die ses scheinbar so selbstverständlichen Brauches gar viele Ge lehrte beschäftigt und die dicksten Bücher darüber geschrie ben. „Warum küssen sich die Menschen?" fragt Scheffels Kater Hiddigcigei, und die mannigfachsten Antworien sind darauf gegeben worden. Die einen haben gesagt, es fei ursprünglich eine Art „Beriechen" gewesen. Plutarch meint, man habe zunächst den Ruß dazu benutzt, um bei den Frauen, denen das Wemtrinlen verboten ivar, fest- zustellen, ob sie etwa doch ein Gläschen genehmigt. Ein platonisches Epigramm steht tm Kutz ein Zusammenflietzen der Seelen, die im leichten Hauch aus einem Körper in den «nckern wandern. Am ehesten dürfte man dem Eng länder Steele recht geben, der das Küssest überhaupt nickt Saufen warf, nnd Sorge, Unruhe und Selbstvorwürfe an dem Baier zehrten, Sa geschah cs, daß der große Rheder Karl Franz Ludwig die Lehrerin Jngeborg Banderseldt in ßhrem bescheidenen Stübchen aufsuchte. Er faß ihr wortkarg »ud »»beholfen gegenüber, bis sie mit weiblichem Instinkt 7 7. .1 er nur von Rolf mit ihr sprechen wollte. sie zeigte Rolfs Briefe und Karten aas den letzten Jahren, kramte alle Erinnerungen hervor, die fie besaß, er- Hählte von gemeinsamen Jugendstreichen, und üb:r das harte, »erarbeitete Gesicht des alten Rheders zog ein freundlicher Schimmer. Beim Fortgehen lud er Jngeborg ein, seiner Frau einen Besuch zu machen, und von diesem Tage an war das Mäd chen ein ständiger Gast in dem großen, stillen Hause. Ohne Besondere Worte oder Gefühlsauswallungen zeigte man ihr, Baß man sie lieb gewann, ließ durchblickr», daß man die un- ffreundliche Gesinnung, die man früher gezeigt, bedauere, und Baß man in Jngeborg schon heute di« Tochter sähe, die sie nach Wolfs Rückkehr werden würde. Wie war sie beglückt von 'nllcdem! Wie doppelt glücklich würde fie mit Rolf werden, Ba nun ihre Ehe die vollste Zustimmung seiner Eltern ge funden hatte. Ihre Ehe? Manchmal stutzte fie bei dem Wort. Hatte er sie eigentlich schon einmal klar und deutlich Befragt, ob fie seine Frau werden wolle? Im Grunde ge- «mnnen nicht. Aber sie liebten sich dock, und daher war es Jngeborg als ganz selbstverständlich erschienen, -aß fie sich Heiraten würden. Im letzten Winter starben Rolfs Eltern kurz hinter einander an der Grippe. Sic hatten den Sohn nicht mehr Rn die Arme schließen können. Aber bis zum letzten Atem- H»ge war er ihr einziger Gedanke, und als die Mutter starb, »«klammerte sie Jngeborgs Hände mit den Worten: „Hab tzn lieb, sei ihm ein gutes Weib!" ' Als Jngeborg Banderseldt an diese Stunde zurückdachte, kamen nun doch die Tränen. Bober sollte sie überbanvt die Fassung nehmen, dem Heimkebrendcn die letzten Grüße seiner Eltern ans-.urichten? Das Mädchen sprang mit einem Ruck Auf. Nur hier nicht sitzen bleiben und grübeln. Hinaus ins Freie, mochte das Wetter noch so unfreundlich sein. Mit »mein leisen Senszrr zog Jngeborg den grauen Regenmantel '»», stülpte den Negenhut ank. Dann verließ fie das Zimin-r. t Eine volle Stunde vor der Zeit stand sie am Quai. Sie Hatte sich so viel Blumen besorgt, als sie nur tragen konnte, «nd gleich' den anderen Wartenden, ging fie teils unruhig Hin und her, teils blieb sie unbewegt auf demselben Fleck Wehen, während ihr die Hitze- und Kälteschauer einer maß kosen, inneren Aufregung über den Leib jagten. Kam er — kam er nicht? ' Er kam. Er war einer der Ersten, welche die LandungS- Brücke herabgingen. Jngeborg flog auf ihn zu. „Rolf!" rief He. halb betäubt vor Glück. „Rolf!' Der groß« Mann, dessen hageres Gesicht die gelbbraun? , Mit freudloser Miene ließ fie sich tu einem Stuhl am Fruster nieder. Bier Stunde« LeS Wartens find eine uu- endlich lange Zeit. Sie »ahm ei» Buch oor, unmöglich das Lese» i Die Gedanke» flatterte» über die Sette» hinaus und faßte» «ichtS vo» dem Inhalt. Eine Handarbeit wurde ge holt. Aber Li« Hände zitterte» »ud vor de» Augen lag es wie ein Flor, der am Sehe» hinderte. So blieb nichts weiter übrig, als müßig durch daS Fenster zu starren und die Trostlosigkeit des Tages i» sich aufzunehmcn. Tränen stiegen Jugrborg Ba»Lerfel-t würgeud im Halse empor. Aber sie zwang fie herunter: „Rur »icht »»einen I" Er hatte nie mals Träne» leide» können, und fie eriunertc sich, wie ihr Rolf Ludwig einmal eine Ohrfeige gegeben hatte, als fie in einer Rärcheimorstellung, durch Aschenbrödels Schicksal zu Träne» gerührt, in lautes Schluchzen ausgebrochen war. Sie »mßle lächeln, wie fie daran dachte, daß die Ohrfeige fie durch- <a»S nicht kuriert, sondern fie nur um so lauter hatte brüllen lasse», bis Rolf, um weiteren Uuliebsamketten vorzubeugen, - Ihr beschwichtigend den Arm um die kletne Schulter gelegt I und die empörten Schluchzer mit einem Kutz zum Schweigen gebracht hatte. - f Ach, wieviel Jahre lagen zwischen diesem ersten und -em letzten Knß, -en Jngeborg mit Rolf gewechselt. Und wieviel Fahre wiederum zwischen diesem letzten Kuß und dem henti- - - gen Tage l Bier Jahre war Rolf in -en Tropen gewesen als gerade vor seiner Heimkehr d^c Krieg ausbrach. Er kämpfte « der ostafrikanischen Schutztrnppe, geriet in Gefangenschaft r »ud wurde in Indien interniert. Zwei volle Jahre war man L? H» der Heimat ohne jede Nachricht von ihm gewesen. S-in k Vater starb. Seine Mutter starb- Der alte Ludwig war gar ei» stolzer Mann gewesen, stolz lvif seine kaufmännischen Erfolge, die ihn -nm reichsten Mann« -er Stadt gemacht batten. Er hatte die zakten Be- «Vklären tviöMe, fSndern VartttHkne' vem Menschen an- geborene Tätigkeit" sieht. Gegen diese Naturnotwendigkeit des Kusses aber erhebt die Völkerkunde gewichtige Be denken. Darwrn hat darauf hmgewieiön, daß das Küssen durchaus nicht allerorten Brauch ist. Tie Maorie rn Neu seeland, die Eingeborenen von Tahiti, die Papuas kann ten es ebenso wenig wie die Feuerländer, de Somalis so wenig wie die Eskimos. Bei den zahlreichen primitiven Völkern, die die Lippen durch Hölzer, durch große Ringe usw. verzieren, ist ein zärtliches Berühren der Münder an und für sich ausgeschlossen. Bei vielen Stämmen aber gilt der Kuß direkt für etwas Ungehöriges. So erregte Winwvod Read das Entsetzen einer Negerin, als er sie küßte, denn m ganz Westasrika war damals. (1S63) dreie Liebkosung unbekannt, nnd Bayard Taylor erklärte eine Lappländerin, als er ihr erzählte, daß . in England Mann und Frau sich Nützten, sie würde ihren Mann schwer da für leiden lassen, wenn er ihr einen solchen Schimpf aniun wollte. Eine Art „Kutzersatz" gibt es freilich auch bei diesen Völkern. Sehr beliebt ist das Aneinander reiben und -drücken -er Nasen, so in Neuseeland und Lappland, bei den Malaien und Chinesen. Anderwärts klopft und reibt man sich Arme, Brust und Bauch; man streichelt das eigene Gesicht mit den Händen oder auch die Füße des andern; man bläst sich gegenseitig auf verschiedene Teile des Kör pers usw. Ohne etwas, wenigstens dem Kutz Aehnliches, wodurch Neigung und Freundschaft ausgedrückt wird, kommt nun einmal die Menschheit nicht aus, und jo hat denn der Kutz in der Kulturgeschichte eine gewaltige Rolle gespielt. Im 17. Jahrhundert erschienen eine ganze Reihe dicker Folianten, die sich mit dieser „Lippenübung" bcsckästlgren; sie trugen wie Herrenschmids „Osculologra" (1630) aller lei Kuriositäten zusammen, breiteten, wie I. F. Hekeln „De Osculrs" (1675) eine reiche philologische Gelehrsamkeit aus oder betrachteten den Kutz vom juristischen Standpunkt, wie Lansins und Kornmannus. Man mühte fick in dieser Blütezeit der Kutzwiftenschatt um tue beste Definition des Kusses. So hei'tzt es in« „Frauenzimmerlexikon" des Ama- ranthes; „Kuß oder Mäulgen, auch Schmätzgen und 'Hertz- gen genannt, ist eine aus Liebe herrübrende und entbrannte Zusammenstoß»»« und Bereinigung derer Lippen, wo der Mund von zwei Personen so sest aneinander gedrückt wird, daß die Lippen bei dem Abzug einen rechten und deutlichen Nachklang zum Zeichen des Wohlgeschmackes von sich geben." Daneben gab es auch noch viele Unterarten und Variationen des Küssens. In neuerer Zeit hat der dänische Historiker Nvrvp diesem lockende» und stets aktuellen Thema ein tief- gründtges Werk gewidmet, und der Germanist Siebs hat sich mit dem .Kutz in sprachlicher und volkskundlicher Hin sicht eingehend beschäftigt. Schon die Bibel kennt neben dem Kuß der Liebenden die mannigfachsten Formen des Küssens: Laban küßt zum Grub seinen Neffen Jakob; zum Siegel oer Freundschaft küssen sich David und Jonathan: zum Zeichen der Versöhnung küßt Esaii den Jakob; König David gibt als eine Gnade seinem Untertan Barsillay einen Kutz; die Diener küssen zum Zeichen der Untertänigkeit Hand, Fuß, Knie und Rocksaum des Herrn. Nicht anders bei den Griechen. Was man liebt und ehrt, berührt man mit den Lippen: Epamincmder kützt voll Freude den ge retteten Schild, Miltiades heimkehrend den heiligen Mutter boden. Ner den Römern durfte man sich vor andern überhaupt nickt küssen, und Plutarck erzählt, daß einer, der seine Frau in Gegenwart seiner Tochter küßte, be straft worden sei. Bald aber ward der Kutz auch in Nom ans dem intimsten Kreis in die Öffentlichkeit gezogen. Nack Herodot sollen die Perser den Kuß als zeremonielle. Begrüßung cingefttlsrt haben. In Rom spielte er in der Kaiserzeit eine grobe Rolle; am byzantinischen Hofe waren alle Nüancen vom Futzkutz brs zum Berühren von Stirn und Wange mit den Lippen aufs feinst« ausgebil det. Bei den ersten Christen erscheint der Friedens kuß beim Abendmahl nnd wird in die Lithurgie emgeiuhrt. Diese frommen Kutzbräuche der mittelalterlichen Christen heit leben heute nur noch ini „Osterkuß" der griechisch- römischen Kirche fort. Auch irn deutschen Recht wird der Frieden mit einem Kutz besiegelt. Im deutschen Märchen läßt der Knß alles Böse vergessen, gibt aber auch die ver lorene Erinnerung zurück; durch einen Kutz werden di« Verwunschenen und Verzauberten vom Staune erlöst Ge quälte Geister, die zur Strafe für ihre Sünden ans Erden umgehen müssen, finden durch erneu Kutz die ewige Ruhe. In vielen Gegenden galt eS als Schutz gegen Gewitter, wenn man dreimal die Erde küßte. Vo»l der Mode. Der selbstverscrtrgte Handschuh. Nachdem die Damen an selbstgestrickten Jacken ihr Wohlgefallen gefunden haben, wollen sie in diesen teueren Zeiten in der Selbstverfcrtigung ihrer Tmlcttengegcnstünde wciterschrei- ten. So wird es jetzt Mode, daß die Dame auch selbst verfertigte Handschuhe trägt. Diese Handschuhe sind aber nicht m»S Wolle oder Seide gestrickt, sondern die Damen Haben höheren Ehrgeiz und fertigen FL Handschuhe äüN Leder an. Die gegenwärtige Handschuhinode klommt die-! ser „Heimarbeit" der Damen entgegen. Man legt nämlich nicht mehr, wie früher, den Hauptwerk auf tadellosen Sih, sondern die Handschuhe werden ziemlich lose und locker getragen nnd sitzen besonders ums Handgelenk nicht fest. Auch beim Nähen der Handschuhe sieht man weniger auf elegante Arbeit, als auf eine gewisse grobe Auffälligkeit der Stiche. Das weiße oder schwarze Garn, mit dem das Leder zusammengenäht wird, mutz sehr deutlich sicht bar sein, die Stiche sind groß und grob. Man schneidet sich nach einem Schnittmuster oen Handschuh aus Sämisch leder zu, näht sie dann selbst und verschafft sich so ver hältnismäßig billig ein Paar Glacüs, die noch den Vorzug haben, ganz nach der neuesten Mode zu sein. Der „schwarze Fleck" in der Mode. Niemals wvhl hat in der Mode eine stärkere Farbigkeit geherrscht, als in diesen Tagen des Expressionismus, und auch die neuen Herbst- und Winterkleider zeigen wieder emL bnntc Skala von greller Leuchtkraft. Aber so wie in der Kunst auch der heftigste Kolorismus des Gegensatzes nicht völlig entbehren kann, wie die Verwendung von Schwarz in mitten leuchtendster Farben geradezu ein Maßstab für den Geschmack des Malers ist, so darf auch in der Mode der „schwarze Fleck" nicht fehlen. Geschmackvolle Damen sor gen daher dafür, die bunten Harmonien, in die sie sich! kleiden, durch eine pikante schwarze Note zu hebrn. So trägt; man lange schwarze Handschuhe, die bis über den Ellen-, bogen hinaufgehen und das einzig dunkelfarbige Element in der ganzen Toilette darstellen. Neben den am meisten bevorzugten Lederhandschuhen werden auch schwarze Stilen- Handschuhe verwendet. Eine a ndere Methode, den „schwar zen Fleck" unauffällig und doch wirksam anzubringen, be steht in einer dunklen Garnierung des Herbsthutes. Man trägt zu buntleuchtenden Mänteln und Kleidern schwarze Samtglockenhüte oder auch große breitrandige Hü>e, die nnt schwarzen Spitzen garniert siud.- Ans der Wett der Technik. Nicscudampfer, die keine Sohle brauche». Zwei moderne Riesenpassagierdampfer, die „Aquilania" der Cunard-Lini« und die „Olympic" der White Star-Linie, haben ihre letzten Fahrten von den Berrinigten Staaten nach Europa zurück gelegt, ohne auch nur das geringste Ouäntche.« Kohle zu verbrauchen. Diese „Leviathans" werden nur «och mit Petro leum geheizt und sind dadurch von der Kohle völlig unab hängig geworden. Das äußere Aussehen und der innere Betrieb der Schiffe sind dadurch im gleichen Maße verändert, denn cs gibt keinen Nuß mehr» keine geschwärzten Kohlen- schönster und keine im Schweiße ihr:S Angesichts arbeitende« Heizer. Ein Mann, der den Verbrennungsprozeß des Petro leums bewacht, leistet die Arbeit von drei Männern, die im Bauch d:S Schiffes halbnackt ihre angestrengte Tätigkeit ver- richteten. Die Verwendung von Petroleum auf den Passagier- dampfern wird allmählich zur »großen Mode". Die feinen Leute, die ihre Luxusrcisen nach Europa antreten, wollen auf „kohlenlosen" Schiffen fahren, und das Petroleum hat so viele Vorteile, daß man sich auch mit den größeren Kosten abkin- bet. Die Umwandlung der Heizung vollzieht sich, wie in einem englischen Blatte berichtet wird, in verhältnismäßig einfacher Form. Die beiden Niesendampfer, die erst jetzt mit Oelfeneruna ausgestattet sind, haben ihre ursprünglichen Dampfmaschinen behalten; es geschieht nichts weiter, als daß das Petroleum die Stelle der Kohle einnimmt, und sogar die Räume, die früher von der Kohl: eingenommen wurden, werden jetzt für das Petroleum benutzt. Di« Kohlenbunker, die sich in der vollen Länge der Heizräume zu beiden Seiten des Schiffes ausdehncn, sind in riesige Oeltanks umgewan delt. Die Petroleumhrizung erfolgt nun nicht etwa so, daß die Heizer mit großen Oelkannen und Spritzen ausgerüstet sind, mit denen sie das Petroleum in die Kessel leiten. Der Heizer sieht das Petroleum garnicht, sondern seine Arbeit be steht in der Beaufsichtigung der Pumpen, die die Feuerung besorgen. Bevor die Pumpen das Petroleum aus den TankS herausziehen können, ist es ost, besonders bei kaltem Wetter, notwendig, das dickflüssige Erdöl erst zu erhitzen und eS in einen Zustand zu versehen, in dem es leicht durch die Röhren fließt. Dies geschieht mit Hilfe von Heizvorrichtungen, die innerhalb der Tanks angebracht sind. Bon den großen Bor- ratstankS wird dann daS Petroleum in kleinere Tanks ge pumpt, in denen das Wasser, das sich in großen Mengen in dem Petroleum befindet und nicht brennt, von der eigent lichen Heizflüffigkeit getrennt wird. Nachdem dies geschehen ist, befördert eine andere Pumpe das Petroleum ans diesen kleineren Tanks durch einen Pctrolenmbeizer, in dem die Temperatur bis auf etwa 200 Grad «Fahrenheit erhöht ist, zu :inem besonders konstruierten Petroleumbrcnner, der in der Vorderseite des Kessels angebracht ist. Dieser Brenner führt das Petroleum in Form eines feinen Sprühregens weiter, der mit der nötigen Luftmengc vermischt zur Flamme wird, und wenn- die Pctroleumzufuhr fortdauernd erfolgt, ko brennt «S auch fortdauernd weiter
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