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180 nach hinten, Wo -er Kutscher saß —i „er ist uns beiden jr verständlich." Ter Assessor lächelte stillvergnügt. „Tie Walküre hat »nit meinem Entschlüsse nichts zu tun. Auch ohne das Mißverständnis zwischen der jungen Tame und mir, das aus einer früheren Zeit herrührt, wäre Wohl die Annäherung, die Sie meinen, unterblieben. Sie sind ein so guter Kvmerad, Fräulein Tora, daß ich noch mehr sagen kann. Jene Zeit, in der ich es als Glück betrachtet hätte, die Neigung der Walküre zu gewinnen, liegt schon drei Jahve zurück. Beim ersten Wiedersehen erwachte die Erinnerung,. die indes schon binnen wenigen Wochen ihre Macht über mich verlor." „Sie haben die Tame gekränkt und beleidigt." „Dos ist ein Irrtum der Tame, der, wie ich hoffe, auch noch seine Aufklärung finden wird " „Drotzoem wollen Sie Weggehen?" .In der Frage lag so viel, daß der Assessor sich zusammeuuehmen mußte, um feine Freude zu be herrschen. Er glaubte nicht nur ein ehrliches Bedauern, das der guten Bekanntschaft entsprang, nein, noch mehr heransznhören. Er muhte an sich halten, um nicht mit der Gegenfrage zu antworten, ob es ihr leid tun würde, wenn er wegginge. Tas wäre nicht ehrlich gegen den Freund, dem er jetzt oie Borhand lassen mußte. Ja, hätte er nicht mit ihm gesprochen, hätte er nicht selbst darauf hin gewiesen, dann könnte er die Ätuation ausnutzen. Wie leicht wäre es jetzt, mit einer geschickten Rede- »vendung die Frage auf sie beide zu begrenzen. TaS Mädel würde bei seiner tapfer» Offenheit der Ent scheidung nicht ausweichen. Noch eine zweite Gedankenreihe schoß ihm durch deri Kops. Er hatte es in diesem Augenblick in der Hand, durch Andeutung seiner Neigung sie sahin zu bringen, oaß sie sich selbst über ihre Gefühle für Erich klar wurse. War es denn undenkbar, daß sie Erichs Bewerbung annahm, ohne eine > tiefere Neigung für ihn zu hegen? Ter Gedanke huschte vorüber wie ein Schatten. TaS wäre auch unehrlich gewesen, ein un lauterer Wettbewjerb gegenüber dem Freunde, rin Versuch, ihm sein Lebensglück zu stehlen. Tora hatte mit ihren klugen Augen wohl bemerkt, daß etwas in ihrem Begleiter arbeitete, daß der gcwanste Man» nach einer Antwort auf diese einfache Frage suchte. Sie fühlte, wie ein leichtes Rot, das bei ihrem Teint nichr zu bemlerken war, ihr in die Wange» stieg. Gespannr lauscht« sie auf die Antwort. „Es sins Umstände persönlicher Natur, die sich vorläufig memer Einwirkung entziehen, und die mich dazu bewegen könnten, diese Gegend zu verlassen." Ter Zwischensatz: „Tie sich vorläufig meiner Ein wirkung entziehen," gab ihr ein neues Rätsel auf. Auf seine Wahl konnte sich die Einschränkung nicht beziehen, denn er wollte ja vorher Weggehen. Eine offene Frage verbot sich von selbst, da der Assessor diesen Punlt augenscheinlich im Dunkel lassen ioollte. Schweigend wurde die letzte Wegstrecke bis zum Hof tore von Trempen zurückgelegt. Als der Wagen hielt, fuhr Tora aus ihren Gedanken auf. „Weshalb wollen Sie bei uns nicht eine Tasse Kaffee nehmen? Dazu langt's noch." Sie hatte ihre Munterkeit wiedergewonnen und blitzte den Assessor aus ihren dunklen Augen schalk haft an. „Ich habe heute noch zu arbeiten, mein Fräulein. Ich möchte auch noch früh genug zurückkehrem um den Arzt nach Mostolten hinauszuschicken." d „Ten Grund lasse ich elten. Schicken Sie auch I gleich" — einen Moment stockte sie — „die weise Frau I mit hinaus; es könnte nötig sein." Leichtfüßig sprang sip vom Wagen, winkte mit der Hand noch einen Abschiedsgruß, dann war sie hinter dem Tore verschwunden. Der Assessor ließ auf dem Rückwege die Pferde scharf ausgreifen. Ihm tat die rasche Bewegung wohl. Dabei flogen seine Gedanken rückwärts. Er fühlte, daß seine Neigung zur heftigen Leidenschaft erwachsen war. Tie heutige Begegnung hatte er nicht.gesucht. Er wäre sicherlich vor dem Torfe umgekehrt, wenn er irgendwie vermutet hätte, Tora zu treffen. In Gedanken legte er mit ihr noch einmal den Weg durch das Torf zurück. Jede Miene, jedes Wort von ihr stand vor seinen Augen. Und er durfte nicht zugreifen, handeln; er mußte warten, bis der Freund mit dem eignen Schicksal auch das seine entschied. Er rief sich noch einmal die Worte, die er erst vor wenigen Tagen zu Erich gesprochen, ins Gedächtnis zurück; sie hatten das ältere Recht des Freun des anerkannt und ihn zu einem Entschlüsse gedrängt. Jetzt mußte er warten, wie dieser ausfiel, ob sür, ob gegen ihn. War es denn sicher, daß er Doras Neigung gewann, selbst wenn sie den Jugendgespielen abwies? Als er sich eine Stunde später an seinen Schreib tisch setzte, um seiner Gedanken durch die Arbeit Herr zu werden, trat Erich bei Hm ein. „Entschuldige, lieber Paul, ich wollt« Dich nur fragen, ob Du mich morgen entbehren kannst." „Mit Vergnügen! Was hast Du vor?'* Erich wurde rot bis über die Ohren. „Du kannst es Dir wohl denken. Mich.treibt eine innere Unruhe. Tu hast mir sozusagen die Augen geöffnet. Ich will wir den köstlichen Schatz sichern, ehe ein anderer ihn mir wegnimmt." Burmeister war bei diesen Worten aufgestanden. Er wandte sich ab und sah zum Fenster hinaus. Es war ihm in diesem Augenblick unmöglich, dem Freunde mit einer banalen Redensart einen Glückwunsch auf den Weg zu geben. Erich fühlte das Peinliche dieser Szene. Gr trat zu ihm heran und umfaßte ihn. „Freund, Bruder, das ist ein bitterer Tropfen, dec sich in meine Freude mischen wird." Ter Assessor dreht« sich um und schlang den Arm um ihn. „Laß es Dich nicht anfechten, mein Junge. Mir hak das Schicksal schon so viel gegeben, daß es mir. auch mal einen Herzenswunsch versagen kann. Wer weiß, was cs mir als Ersatz bieten wird!" (Fortsetzung folgt.) Denk- und Sinusprüche. Nichts hat in der Welt Bestands Mas da kommt muß scheiden; Und so reichen sich die Hand Immer Freud und Leiden. Ziehst du zu früh die Äugel an, Kein Fischlem beißt sich fest daran; Trum hab' Geduld zu jeder Zeit, Wer sicher geht, kommt sicher weith * Verlasse dich aus dich allein. Und niemals auf die andern; Denn du wirst immer bei dir seiNH Indes die Freunde wandern. * Mas lehrt das Leben? Gib mir gründliche» Bescheid; Hingeben, was dir kiel" — hinnehmeu^ was dir leid. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. l - ErAler an -er Elbe. Belletr. Gratisdeilage zu» „Riesaer Tageblatt". Nr. 45. Mesa, den «. November 1909. Der Sonntagsjäger. Roman von Fritz Skowronnek. Forsetzung. „Nein, Herr von Riesa. Ich habe sogar rin Interesse daran, Ihnen die Erfüllung der Pflicht, die diese Hypothek nach sich zieht, möglichst zu erleichtern. Tie Verhältnisse liegen jetzt für den Landwirt, der nicht über einen großen Geldbeutel verfügt, sehr schlecht, und cs wird Ihnen schwer fallen, den alten Familien besitz zu halten." „Sie haben leider recht, Herr Assessor! Und wenn es mir als altem Manne nicht so schwer siele, meine Füße unter fremder Leute Disch zu stecken, dann möchte ich saft sagen : Was soll ich mich noch lange auf dem verschuldeten Besitze qckkilen? Ter, für den ich gearbeitet habe mein Leben lang, ist um die Ecke gegangen, und die beiden Mädel wietden heiraten, oder auch nicht ... auf jeden Fall kommt das Gut nach meinem Dode, viel leicht noch früher in fremde Hände." „Haben Sie gar keine Nachricht von Ihrem Sohne?" Ter milde Ausdruck, der auf dem Gesichte des alten Herrn lag, verschwand und machte einem harten, ab weisenden Züge Platz. „Nein, Herr Assessor und ich will auch keine haben! Man soll nichts halb tun. Die Lehre hab« ich nun wirklich begriffen. Ich habe die Existenz meiner ganzen Familie darangesetzt, dem Jungen zu helfen. Er wußte genau, daß ich an der Grenze meiner Kräfte stand, und daß der nächste Tropfen das Maß zum Ueberfließen bringen mußte. Und wissen Sie, was ihn aus der Karriere geworfen hat? Tas Jeu, das verfluchte Jeu!" „Ich weiß es, Herr von Riesa. Ich habe Ihren Sohn in Berlin gekannt." „Was? Sie haben meinen Jungen, den Ernst ge kannt?" „Ja, und noch mehr! Ich bin in sein Schicksal verflochten. Mollen Sie mir einen Augenblick Gehör schenken? Wir waren uns in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft etwas näher getreten, weil wir aneinander Gefallen fanden. Jetzt werden Ae auch den Grund kennen lernen, der mich bewogen hat. Ihnen so bereit willig meine Hülfe anzubieten. Ich hätte das Gefühl, daß ich dazu verpflichtet lvar — nicht etwa aus einem Gefühl von Schuld heraus. Davon kann nicht die Rede sein, obwohl ich jetzt etwas milder urteile als damals. Entschuldigen Sie, tvenn ich eine» Punkt berühre, der Sie schmerzen muß; aber es geht nicht anders." „Sprechen Sie sich ruhig aus, Herr Assessor. Die Sachen sind für mich abgetan. Oder, noch besser, sprechen Sie nicht mehr davon. Ich glaube Ihnen aufs Wort, daß Sie so gehandelt haben, wie es Ihnen Ihr Pflichtgefühl vorschrieb." „Nein, diesmal müssen Sie mich schon anhörcn. Ihr Sohn hatte gespielt. Wie es der sogenannte Ehrenkodcx in solchen Fällen vorschveibt, hatte er, da dia Summe rnchkg' «ring war, zweimal vierundzwanzig Stnnden Zeil, die Schuld zu tilgen. Er kam zu mir und offenbarte sich mir. Ich sagte ihm meine Hülfe gegen einen einfachen Schuldschein zu, dessen Einlösung für spätere Zeit in Aussicht genommien war. Ich machte meine Hülfe nur von der Bedingung abhängig, daß Ernst keine Kari.: mehr anrühre. Tas wird man begreiflich finden." Ter alle Here hatte die Hand über die Auge» gedeckt und nickte traurig Tann stöhnte er tief «ud sprach leise vor sich hin: „Ter Junge hat fein Ehren wort gebrochen — das habe ich nicht gewußt — daU ist bitter!" „Nein, Herr von Riesa, darin tun Sie ihm unrechk. Ich habe mich ausdrücklich geweigert, sein ^renworh das er mir aybot, entgegcnzunehmcn Ich entsinne mich ganz genau der Szene, sie liegt ja kaum drei Jahre zurück, und solche Augenblicke graben sich tief iu das tzledächtnis ein. Aber ich hatte ihm auf mein Wort versichert, haß ich die Hülfe, die erst am ander« Vormittag erfolgen konnte, nur in der festen Loraa»- sicht gäbe, daß er nie mehr eine Karte anrühre. Der Unglückselige erlag noch in derselben Nacht, wie ich genau lveiß, in nicht ganz nüchternem Zustande vo« neuem der Berfuchung, wohl in dem törichten Wahn, der alle Spieler beherrscht, das verlorene Geld wieder gewinnen zu können. Me L« ja selbst wisse«, verlor er wieder. Damit war für mich die Sache erledigt. Ich zog mein Versprechen zurück. Meine Entscheidung in die,cr Sache fiel mir um so schwerer, al» sie «ich bei einer Person, au deren Achtung mir sehr viä gelegen war, in einen kränkenden Bedacht brachte, den ich selbst durch eine offene Erklärung nicht habe zerstreuen können." , » „Ta hat mein Sohn also doppelte Schuld ans sich geladen! Hat noch eine andere Person in sein Unglück verflochten oder gar zwei; dem» ich irre w-hl nicht, wen» ich annehme, daß diese Person, vo« der Sie sprechen, eine junge Dame war, der Sie Ihre Neigung widmeten.' „Ich kann Ihre Vermutung nur bestätigen, Herr vo» Riesa. Ich bemerke aber dazu, daß diese Seife dec Angelegenheit mir keine Schmerzen mehr bereitet. Im Gegenteil, ich hoffe, daß diese Dame da» Band wer den wirs, das Ihren Sohn wieder zu einer geordneten Existenz zurückführt." Ter Vater schüttelte heftig den Kopf „TaS hoffe« Sie noch? De» Junge ist verschollen, und am beste«: er bleibt verschollen." „Urteile»» Sie nicht so scharf über Ihr Sind, alter Herr! Er ist bis auf die eine Schwäche, die ja so viele Menschen nicht überwinden können, ein „guter Kerl", wie man h»er sagt, gewesen. Und wenn mm», wie es neuerdings geschieht, den freien Willen leugnet, dm« darf mau diese Schwäche verzeihlich finden." „Cie wollen dem Menschen da» köstlichste Gut, di« Freiheit dec Selbstbestimmung absprechen?" „Nein, Herr vo»» Riesa; dann wäre ja jede Hoff nung aus eine Sinnesänderung ausgeschlossen. Ich gebe bet keinem Menschen die Hoffnung auf, am wenigste« bei Ihrem Lohne, von dem ich weiß, daß er eine tiefe, starke Liede zu einem ganz prächtigen Mädchen in die weite Welt mitgenommen hat Die läßt einen junge« Menschen, der etwas Fonds in sich hat, nicht unter sinken, zumal wenn er hoffen darf, daß ihm daheim di« Treue bewahrt wird bis zum Tode." Riesa wiederholte mechanisch die letzten Worte: „Bis zum Tode, za ... und ich habe ihn fallen lassen".. „Machen Sie sich darüber keine Borwürfe, alter Herr. Die Prüfungszeit wird Ihrem Sohne sehr heilsam fern." Der Bäte» lieg die Hand vo« de« Ange« sinke« und sah den Assessor mit einem Blühe an, in dem sich