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Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Vertag von Langer L Winterlich in Riel». — Für di« Redaktion verantwortlich: Arthur Htlhnel in Riesa. t- SIS. Dienstag, 1«. Tetztewber tttirr, abends. «s. Jahrg. Mmtimle Ptmiiim!>r MeiMitz. Die nach einem »erlauf von 8 Zähren auf Veran- lafsmrg der im Jahre 1900 in Paris gegründeten In- ternationalen Bereinigung für Arbeiterschutzbestimmungen vom schweizerischen Bundesrat zum zweiten Male nach Bern etnberufene Internationale Konferenz für Arbeiter schutz wurde gestern nachmittag um 3 Uhr im National ratsaale deS Bunoeshauses durch den Vorsteher des Han dels- und Industrie-Departements, Bundesrat Schultheß, eröffnet. An der Konferenz nehmen 15 Staaten mit zirka 46 Delegierten teil und zwar Deutschland, Oesterreich. Ungarn, Belgien, Spanien, Frankreich, Groß-Britannien, Australien, Italien, Rußland, Norwegen, Niederlande, Schweden und die Schweiz. Die vom Schweizer Bundes- rat einberufene internationale Arbeiterschutz-Konserenz wird an die Arbeiten der im Jahre 1905 einberufenen anknüpfen. Ihre Ziele werden durch die in der Er öffnungsrede enthaltenen Worte des Bundesrats Schul- theß charakterisiert. Die Aufgabe, die der Konferenz gestellt wurde, schien auf den ersten Blick sehr einfach zu sein. Dem aufmerksamen Beobachter kann sie die große Bedeutung des Abschlusses weiterer Konventionen auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes und die Schwierig keiten, die hierbei überwunden werden müssen, nicht ent ziehen. Für eine weite Kategorie von Arbeitern, die jungen Leute unter 18 Jahren, wird man, wie dies für die Frauen bereits geschehen ist, die Nachtarbeit ver bieten. Eine fernere internationale Konvention soll in die Ordnung der ordentlichen Tagungsarbeit hinüber greifen, soweit es die Frage für jugendliche Arbeiter angeht und für diese einen Maximal-Arbeitstag ein führen. Gelingt dies doppelte Werk, so wird ein neues und wichtiges Gebiet des Urbeiterschutzes durch Staats verträge einheitlich geregelt. Für die Personen, die des besonderen Schutzes des Staates bedürfen, werden wohltätige Einschränkungen der Arbeitszeit eingeführt werden. Die nationale Regelung des Arbeitsschutzes ist daher geeignet, viele Bedenken zu zerstreuen und da mit wiederum dem Bestreben bei seiner Ausdehnung neue Impulse zu verleihen. Herr Millered wurde als Präsident der zweiten Konferenz, Bundesrat Schultheß und der deutsche Delegierte Wirkt. Geheimrat Dr. Caspar als Vizepräsidenten gewählt. Die Kommission gab dann ein Geschäftsreglement, wonach die französische Sprache als die offizielle Sprache erklärt wird, jedoch jedem Delegierten das Recht gegeben werde, sich in jeder anderen Sprache auszndrücken. Die Kommission wird etwa zehn Tage tagen und ist geheim. Sie ist eine rein technische Konferenz, an die sich dann die diplomatische ««schließt, die die vorgeschlagenen Bestimmungen durch Gesetzesform in internationale Vereinbarungen um wandeln werde. ÄM WndntzütS in DM« MW« li ÄW,. Im großen Kongreß-Saale der Internationalen Baufachausstellung begann gestern die Delegierten-Ber- sammlung des Zentralverbandes deutscher Industrieller ihre Jahrestagung. Der Vorsitzende Landrat a. Roetger erklärte, daß der Geschäftsführer Dr. Schweig- Hoffer im vollen Einvernehmen mit den übrigen Vor standsmitgliedern die Solidarität und die Interessen der großen deutschen Erwerbsstände verkündet habe. Man dürfe sich nicht in die Gefolgschaft einzelner Par teien oder Parteirichtungen drängen lassen. Regierungsrat a. D. Dir. Schweighoffer erstattete den Geschäftsbericht, in dem er erklärte, daß aus dem Wort laut der Erklärungen des Zentralverbandes deutscher Industrieller und des Vertreters des Bundes der Land wirte nicht hervorgehe, daß irgend welche Abmachungen getroffen worden sind. Der Zentralverband deutscher Industrieller habe sich bereits mehrfach dahin ausge sprochen, daß er einer Erhöhung 8er Lebcnsmittelzölle entgcgcnstehe. Aus dem Geschäftsbericht geht hervor, daß der Zentralverband deutscher Industrieller gegenwärtig über 55000 industrielle Firmen umfaßt. Nach längerer Debatte wurden schließlich folgende Anträge angenommen: 1. Gegen die, wegen der Vorgänge aus dem Deut schen Mittelstandstag in Leipzig erhobenen Angriffe, gibt die Dclegiertcn-Versammlung des Zentralverbandcs deutscher Industrieller die Erklärung ab, daß aus dem Wortlaut der Erklärung des Geschäftsführers des Zen tralverbandes deutscher Industrieller und des Vertre ters des Bundes der Landwirte hervorgehe, daß irgend welche Abmachungen handelspolitischer oder sonstiger Art nicht vorhanden sind. Der Zentralverband deut scher Industrieller hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß er einer weiteren Erhöhung der'Zölle auf Lebens mittet und einem lückenlosen Zolltarif nicht zustimmen kann. Auf der anderen Seite' wiederholt ex seine Er klärung, daß die vereinigte Industrie keine Vorteile anstrebe, die nur auf Kästen der Landwirtschaft er reicht werden können. In großzügiger Weise hält es der Zentralverband für seine Pflicht, auf dem Gebiet« der Sozialpolitik gewisse Arbeit.zu leisten. 2. Der Zentralverband deutscher Industrieller erklärt bezüglich einer Beteiligung Deutschlands an der Welt ausstellung in San Franzisko, daß. die überwiegende Mehrheit der deutschen Industrie durchaus einer Beschu lung der Weltausstellung abgeneigt sei'.und spreche den verbündeten Regierungen den Dank für die direkte Ab lehnung aus. Neben den bekannten Gründen wären die wenig erhebenden früheren amerikanischen Weltausstel lungen, und vor allem die Mißstände, die in den Ver einigten Staaten auf dem Gebiete der Zollpolitik und auf dem Gebiete des Urheber- und Gcwerbeschutzcs zum schweren Nachteil aller ausländische» Produzenten be stehen, für die Ablehnung maßgebend. 3. spricht der Zentralverband deutscher Industrieller im Hinblick auf die diesjährige Arbeiterschutz-Konferenz in Bern die Erwartung aus, daß die verbündeten Re gierungen den Anträgen oer Internationalen Vereini gung auf Arbeiterschutz und Verbot der Nachtarbeit für jugendliche Arbeiter bis zum vollendeten 18. Lebens jahre, sowie auch gesetzliche Einschränkung der lieber- arbeit für Frauen und junge Leute im Alter bis zum 18. Lebensjahr ihre Zustimmung nicht versagen werden. Am Abend fand ein großes Fcstdincr im Rathause statt, an dem auch König Friedrich August von Sachsen teilnahm Der me Wer der sMMkM« Putei. Papam Habemus! Wir haben einen neuen Führer! So können jetzt auch die Sozialdemokraten auscufen. Auf dem Parteitag in Jena ist er ordnungmäßig ge wählt worden auf Vorschlag des Parteivorstandes, der Kontrollkommission und des Partciausschusses. Es ist Fritz Ebert, dessen Namen zwar nicht den kriegerischen Klang eines Bebel und Scheidcmann hat, der aber mit Ehren die Aemterlaufbahn irr der sozialdemokratischen Partei durchgemacht hat. Schon seit 1905 war er Sekretär und Mitglied des Pqrteivorstandes, wurde bei den letzten Reichs'tagswahlcu von Elberfeld-Barmen in den Reichstag gewählt und hat hier einige Male mit mäßiger Begabung über ein paar sozialpolitische The mata sich zu verbreiten gesucht. Sonst ist er weder in dem engeren Leben seiner Partei noch sonst in der Öffentlichkeit irgendwie besonders hervorgetreten und er selber mag etwas erstaunt gewesen sein, sich über Nacht zum Führer der mehr als Vier-Millionen-Partci Ur. ÜM'8 WiMM. Vorrüxlieli! Zutaten: 100 g Butter, 100 g Zucker, 2 Eier, Salz nach Geschmack, 500 g Mehl, ein Päckchen von Dr. Oetkers „Backtu", etwa« Milch. Zubereitung: Die Butter rührt man schaumig, fügt Zucker, Eier, etwa« Salz und da« mit dem Backin gemischte und gesiebte Mehl hinzu. Man gibt soviel kalte Milch hinzu, daß man einen glatten, knetbaren Teig erhält, den man nach Belieben dick oder dünn auf einem gut gefetteten und mit Mehl bestaubte» Randblech auSrollt. Hierauf belegt man den Teig dick mit durchschnittenen, entsteinten Zwitscher» und bäckt ihn bet mäßiger Hitze reichlich eine halbe Stund». Der Kampf«m das Majorat. Roman von Ewald Aug. König. 3 «In diesem Falle doch!" unterbrach der Rechtsanwalt ihn mit entschlossener Festigkeit. „Ich zweifle an der Geistesstö rung meinerSchwester.ich werde der Staatsanwaltschaft meine Gründe für diese Zweifel berichten, und strenge Untersuchung fordern! Die Gründe sind so schwerwiegend, daß ihnen Folge gegeben werden muß, und von dem Gutachten der Aerzte erwarte ich die sofortige Erfüllung meiner Forderung." Der Doktor hatte sich von seinem Sitz erhoben, seine Brauen zogen sich drohend zusammen, mit großen Schritten durchmaß er einigemale das Zimmer, um seiner Erregung Herr zu wer den. „Der Untersuchung, mit der Sie mir drohen, kann ich mit aller Ruhe entgegensehen," sagte er nach einer Pause, es wäre besser gewesen, Sie hätten diese Drohung und auch diese be leidigenden Zweifel nicht ausgesprochen. Solche Beleidigungen erbittern nur, und wollte ich nun mit derselben Gehässigkeit Ihnen entgegentreten, so würde ich Ihnen viel Arbeit und Aerger bereiten, ohne daß Sie Ihren Zweck erreichten. Die Frau Baronin ist noch nicht völlig geheilt, sie ist allerdings ruhiger geworden, aber große Aufregungen können einen Rück fall herbeisühren, und diese Aufregungen sind unvermeidlich, sobald sie sich wieder draußen befindet. Als Arzt muß ich mich dieser Entlassung widersetzen, als Mensch kann ich sie zngeben, wenn ich die Gewißheit habe, daß meine Patientin draußen Schutz und Hilfe findet." „Diese Gewißheit gebe ich Ihnen." „Ich weiß das," fuhr der Doktor, ihn unterbrechend fort, „ich komme Ihnen mit Vertrauen entgegen, obwohl Sie mich ohne Grund in beleidigender Weise angreisen. Wenn die Fa- milienverhältnisse so liegen, wie Sie diese geschildert haben, dann täten Sie besser, Ihre Schwester hierzu lassen, sie ist hier keinen Verfolgungen ausgesetzt und in jeder Weise gut ausgehoben. Sie könnten unter dessen in ihrem Namen den Kampf allein auSsechten, ihr blieben dadurch Anstrengungen erspart." „Und meine unglückliche Schwester bliebe eine Gefangene?" erwiderte der Rechtsanwalt kopfschüttelnd. „Ich kann mir denken, wie sehr sie sich nach ihr sehnt, ich werde nicht ru hen —" „Nun, wie Sie wollen!" unterbrach der Arzt ihn aber mals. „Als Bruder sind Sie der natürliche Vormund Ihrer Schwester, und ich für meine Person habe keine Lust, mich in Prozesse einzulassen und mir ohne Not Aerger zu verschaf fen. Andererseits aber warne ich Sie ernstlich vor öffentlichen Aeußerungen und Behauptungen, die meine Anstalt in Miß kredit bringen können, ich bin mir bewußt, daß ich nur meine Pflicht getan habe, und daß meine Patienten mir Dank schul den für die aufopfernde Liebe, mit der ich mich ihrer an nehme. Wie gesagt, ich kann die Frau Baronin entlassen, weil ich weiß, daß sie unter Ihrem Schutze stehen wird, aber ich fühle mich auch verpflichtet, Sie auf die schwere Verant wortung aufmerksam zu machen, die Sie damit übernehmen." „Diese Verantwortung macht mir keine Sorge," sagte der Rechtsanwalt, den kühlen entschlossenen Ton noch immer bei behaltend. „Ich wünsche, daß die Entlassung hellte noch :r- folgt.» „Weshalb so eilig?" „Weil ich heute noch meine Rückreise antreten muß, auf der meine Schwester mich begleiten soll." Der Arzt stand eine Weile im Nachdenken versunken, der Ausdruck seines Gesichts ließ nur zu deutlich erkennen, daß die Ruhe, die er zeigte, erzwungen war. „Kommen Sie mit," sagte er endlich, und Steinselder folgte ihm ohne Zögern. Sie durchschritten einige Korridore, dann blieb der Arzt vor einer Tür stehen. „Sie werden sich überzeugen, daß dieses HanS kein Ge fängnis ist," sagte er spöttisch, indem er anklopfte, „die Tür ist unverschlossen." Im nächsten Augenblick stand der Rechtsanwalt seiner Schwester gegenüber: sie hatte sich von ihrem Sitz erhoben, Mißtrauen spiegelte sich in dem Blick, mit dem sie ihn betrach tete. „Kennst Du mich nicht mehr, Gundel?" fragte er, die Arme ausbreilend. Ein Freudenruf entfuhr ihren Lippen, sie eilte an seine Brust und hielt ihn fest umschlungen. „Endlich kommst Du!" sagte sie mit bebender Stimme. „Wie lange hast Du mich vergeblich warten lassen, teurer Bruder! Aber nun nimmst Du mich mit, nicht wahr? Fort aus diesem Gefängnis, hinaus in die Freiheit, damit ich nach meinem Kinde forschen und seine Rechte sichern kann!" „Ja, Du sollst mich begleiten, heute noch," erwiderte er, indem er sich in der Zelle umschaute. Er mochte sich diese Zelle wohl anders vorgestellt haben, denn Erstaunen spiegelte sich in seinen Zügen, als er sah, wie freundlich und komfortabel sie ansgestattet mar. „Fragen Sie die gnädige Frau, ob sie über irgend Be schwerde zu führen habe," sagte der Arzt. „Sie kann sich nur darüber beklagen, daß ihr die Freiheit entzogen wurde, das aber war nicht abzuwenden, ihre Gemütkkrankheit machte es notwendig, und ohne die Pflege in diesem Gefängnis würde sie vielleicht jetzt nicht mehr unter den Lebenden sein." Ein zürnender Blick traf ihn aus den Augen der Baronin. . „Bor einer Stunde haben Sie die erbetene Entlassung mir noch verweigert," erwiderte sie vownrssvoll. „Weil Sie niemand hatten, dessen Schutze ich Sie über geben konnte. Nun, da Ihr Herr Bruder diesen Schutz und zugleich die Verantwortung übernehmen will, bin ich, wenn auch mit schweren Bedenken, bereit, Ihren Wunsch zu erfüllen." „So kann meine Schwester augenblicklich dieses Haus verlassen?" fragte der Rechtsanwalt. „Mein Wagen wartet vor der Tür, und viel Gepäck wird die Frau Baronin »licht haben —" „Nein," unterbrach sie ihn freudig erregt, „in einer Vier telstunde kann ich fertig sein. Ich beschwere mich nur über die Entziehung meiner Freiheit, zu einer anderen Beschwerde habe ich keine Ursache, im Gegenteil, ich erkenne dankbar an, daß der Herr Doktor alles aufgeboten hat, mir den Aufent* haU in seinem Hause angenehm zu machen." „Sie hören es!" sagte der Arzt, „ich hoffe, daß Sie e« nicht vergessen und fortan besser über mich urteilen werden." „Sie aber, gnädige Frau, warne ich vor großen Auf regungen, Ihre Nerven sind sehr empfindsam, ein RückfaA in das alte Leiden liegt auch heilte noch in der Möglichkeit Sie können gehen, wann es Ihnen beliebt." Er hatte die Zelle kaum verlassen, als die Baronin sich abermals in die Arme ihres Bruders warf. 814,20