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„Vie sm» ja »och hier?" fragte Fra» Baronin weich n»d trat näher. „Meine Freundin ist nicht wiedergekommen," er widerte Marthchen mit umflorter Stimme, indem sie das Schubfach der Kommode zuschob. „Sie kleines, törichte» Trug!" flüsterte die alte Dame «it gerührte« Gesicht und zog Marthchen zu sich nieder auf die Truhe. „Nun können Sie sich heute nachmittag nicht mit ihrer jungen Freundin aus sprechen; tun Sie e» denn mit ihrer alten Freundin. Vertrauen Eie darauf, daß ich Sie liebe, Marthchen. Wirklich, der Mutter, die Eia unter dem Herzen getra gen hat, können Sie nicht lieber sein al» mir. Mein Mißtrauen hat Ihnen mitunter wehe getan. Die Um stände waren so eigentümlich, daß ich meinem Ver trauen nicht glaube» konnte. Nun, Kind, schütten Eie mir «al ihr Herz aus. Tuen Sie mir den Erfüllen, ich «öchte nicht wieder von diesem entsetzlichen Arg wohn gequält werden. Erzählen Sie mir, was Sie eigent lich mit diesen Manne zusammengeführt hat." „Ach, Frau Baronin, was könnte da- helfen?" „Aber Marthchen, glauben Sie mir doch nur! Ich will Ihnen ja nur helfen" Uiu Marthchen- Mund grub sich ein bitterer Zug: „Die Sache ist mir selbst so wunderlich^ daß Krau Baronin mir kaum Stauben schenken werden!" „Erzählen Sie mir!" Frau Baronin nahm Marth- cheu» Wechte zwischen ihre Hände, und Marthchen begann zu erzählen, ihre ganze Liebesgeschichte, an fangs schüchtern und stockend, dann immer wärmer und fester werdend. Sie schloß: „Und nun sehen Eie selbst, Frau Baronin: so ungewiß auch unsere Zukunft noch ist: Ernst ist gesund, und ich fürchte «ich vor« Arbeiten auch nicht. Wenn wir nur einmal zu lebe» haben! Wenn ich ihn aber jetzt verlasse, dann hat er »ie«aud, der er aufrichtig gut mit ihm «eint. Dan» wird er untergehe», weil niemand ihn hält. Solange aber meine Weast reicht, Witt ich ihn halten^ will ich ihn stärke«, es koste mir, wa- es wolle, »nd wäre e» mein «eben. Ich bekenne Ihnen ganz Offen, Fra« Baronin, so dankbar ich Ihnen für Ihre große Süte bin, wenn ich diese »it Untreue gegen Ernst erkansen «atzte niemals. Ich weiß, daß Sie «k böse find wegen meines Verkehrs mit einem Soldaten Ich will keinem Mädchen unrecht tun, aber ich weiß, daß unser Verhältnis nichts zu tum hat «it einer gemeinen Soldatenliebschast, wofür Krau Baronin e» pfohk angesehen habe». Wenn es Ihne« unmöglich ist mir zu gestatten, «eine« Schatz alle 14 Tage in Ehre» z» spreche», dann. Krau Baronin, dann ... lassen Sie «ich gehe« .. Fra» Baroni» war tief erschüttert durch den Ein blick 1« die Beweggründe diese» jugendlichen Lebens. Sie war nicht n»r tief erschüttert, sondern fast be schämt. Hatte sie bisher in de« jungen Mädchen ei» Opfer de» Leichtsinne» gesehen, eine Versinkend«, die «an retten «üffe, sei sah sie nnn Aar, daß diese» Mttchen in heroischer EMstverldu-nun- alle», selbst fein Lebe» eiaznschen bereit war, zur Rettung eines versinkenden Menschenleben». Al» hab« sie selbst diese» Mädchen wiedergewonnen, schlang sie Plötzlich die Arme um Marthchen, küßte beide Wange» und flüsterte unter Tränen: „Helf Ihnen Sott bei Ihre« schweren Vorhaben. Ihre alte Freun din will sehen, wa» sie nach ihren Kräften beitragen kann." In diese« Augenblicke wurde die Korridortür heftig aufgerisseu, da» Stampfen schwerer Reiterstiefel klang draußen und dazu LaS heisere Schelten des Leutnant-: „Hmtt die Krache, daß sie die Wände hinauf springt. So eine infame Kanaille! Gleich zum Schindler sollte «an dH Bestie schaffen!" „Mein Sott, wa- ist dem» passiert?" fragte «v» fchrochen Fra» Baronin zur Tür hinaus. Ter Leut nant warf gerade hinter sich die Tür seines Zimmers ins Schloß. Bogumil nahm die Hacken zusammen und meldete: der Nero ist in der Reitbahn scheu geworden, hat den ^Herrn Leutnant abgeworsen, ist selbst über eine Barriere gestürzt und auf den herbeispringenden Mann gefallen." „Tot?" „Nein, ist gleich wieder aufgesprungen, und eben habe ich ihn in den Statt geführt." „Ach was, ob dem Mann etwas geschehen ist." „Er ist ins Lazarett getragen worden." Marthchen war erschreckt hinter die alte Dame ge treten. „Wer war's denn?" fragte Frau Baronin aufgeregt. „Der Ernst Hagedorn, der Weihnachten . . ." „Ernst!" gellte es in den hallenden Korridor, und Marthchen lehnte, die Augen mit der Hand bedeckt, am Türpfosten. Das Unglück war geschehen. Toran änderte Bc- gumils^Wut nichts, der den schwarzen „Nero" unbarm herzig hieb, daß daS an sich schon ängstlich gewordene Tier buchstäblich die Wand hinausstieg; es half auch nichts, daß Baron Botho gleich am anderen Tage das Pferd, ohne eS einmal angesehen zu haben, beim Pferde händler umtauschte gegen einen langbeinigen Brandfuchs. Das Unglück war nun einmal geschehen. Ernst lag im Lazarett. Das schwere Pferd hatte ihn umgestoßen und der Leib desselben war ihm auf beide Beine ge fallen. Bon dem rechten Beine war der Fuß zermalmt, er mußte abgenommen werden. Außerdem war der linke Unterschenkel bösartig zersplittert. Am rechten Beine wurde der brave Bursche die Schmerzen mit der Am putation los, uml so furchtbarer fühlte er sie am linken, je mehr er sich von der anfänglichen großen Gesamt erschöpfung erholte. Baron Botho hatte den Stabsarzt angewiesen, daß dem Verunglückten alle erdenlliche Milderung und Be quemlichkeit gewährt werden solk, für die Mehrkosten komme er selbstverständlich auf. Baron Botho war so fort nach dem Unfälle — er hatte sich kaum Zeit Mm Umziehen genommen — im Lazarett gewesen, als Ernst Hagedorn noch ohne Besinnung lag und der Arzt ge rade untersuchte. Seitdem verging kein Lüg, an dem der Leutnant nicht vorsprach, und Ernst war aufrichtig erfreut über die Teilnahme seine» Borgesetzten. Seine Augen leuchteten auf, wenn er de- Leutnant- Stimme draußen hörte, aber sobaü» dieser, was regelmäßig ge schah, einen Gruß darbrachte von Marthchen, „unserm KräÄein, Ihrer Landsmännin", schlug Ernst die Augen nteder, ja machte manchmal gar ein finstere- Gesicht. Auf Bothos diesbezügliche Bemerkung daheim hatte Kran Baronin gutmütig gemeint: ,-Gott, der arme Mensch wird sich »ach einer bekannten Seele sehnen. Wenn er erst wieder auf ist, werde ich mit dem Fräulein «al hinausgehen. Ich hatte e- «ir schon vorgenommen." Ernst hatte aber durchaus keine Sehnsucht nach einem Wiedersehen mit Marthchen. Seit er seine Ge liebte in jener vornehmen wesrLschaft gesehen hatte, war er den beklemmenden Gedanke» nicht lo-geworden, daß sein Sinn zu hoch hinaus gestanden habe. Dorthin, in solch Hotel paßte sie und er nicht ; zu seinesgleichen, in die „Drei Linden", paßte sie wieder nicht. ES war ihm ja manchmal schon unglaubhaft vorgekommen, daß sich ein solche- Mädchen zu eine« armen Schlucker herablassen sollte Aber jedes Zusammensein mtt Marth, chen, jeder Blick ihrer Augen/ jeder Kuß ihre- Mundes hatten ihn seine- unglaublichen Glückes versichert. Niemals zweifelte er an ihrer Liebe, wenigstens nicht ernstlich. Aber ob er mit ihr, oder viSmehr ob sie mit ihm glücklich werden könnte? Sie konnte schließ lich doch noch eine Vie- angemessenere Partie finden. Die Beine taten weh, das war nicht zu leugnen. Aber da- Herz tat ihm noch Vie! mehr weh. Hier in Maffe»a»flO»ea für AatattanSdnttk, der unfreiwilligen Ruhe war der Verstand grausam ge nug, sein Herz belehren zu wollen. Rur ganz vorübergehend tauchte in ihm der Ge denke auf, daß damals im Zentralhotel die Anwesen heit des Leütnants mit jener Karte in Verbindung gestanden habe. Vielleicht war's ein Scherz von Unter müllers Fräulein, um Neugier zu erregen, daß sie nicht ihren Namen schrieb. Ernsthaft arbeitete er sich immer wieder zu der Einsicht durch, daß Marthchen unmöglich mit ihm glück, lich werden könne. Und nun vollends! Was würde noch werden, wenn er entlassen würde? Mit dem Reiten war's vorbei. Ein Avis» Adretz- und Geschäfts, karre» Briefköpfe, vrtefleiften Bestellzettel Broschüren, Billett Tcklarationca LanksaguagS« and EinladoagStrtes« Einlaßkarten Etikette» alle» Ar« Fakturen, Flugblätter Faruiulare t» did. Sorte» Frachtbriefe GebrauchSaaweisrmgea Frembenzettel Hans» »n» Fabrik» vrbmnme» Geburtsanzeigen Hochzett»etnli»o»gea «Zeitungen ond -Gerichte Kafteuschilber Kofteuauschlig» Kataloge, Kontrakt« Koutobücher Loh»liftr», «»-»triefe Mittetümse», M«m» Musterbücher, Nota- Plakat« Proqrtumm VreiSkaraatr Postkarte». O»ittn»,e» Rabattmarke» Aech»u»ge» Speise»- »nb Weinkarte» Statute», Tamkarte» Sttmt»,, Theater» »ab Sackzettel Visite«- a»b vrriobmigSkartea Wechsel, Werke Zirkuläre, Ze»,«iß, »e. re. re. Neuer l-MIt — Amtsblatt — Fernsprrchstellr Nr. 2<L Telegramm-Adresse r La-«bl«11 Ri«s«. wie er so nebenher humpele neben der leichthin schweben den, eleganten Gestalt Marthchens. Und lieb haben? Ja, man kann doch nicht immer nur sich ljeb haben und all- vierzehn Tage im Parke zärtlich spazieren gehen?! Das brachte ihn nun wieder auf ganz andere Ge danken. Unverhofft schnell war das Ende seiner Militär zeit gekommen. Hüttich hotte ihm damals gesagt, er könne jederzeit wieder bei ihm eintreten. Sein Häuschen hatte er ja dort auch noch. Marthchen in diesem Häuschen, und unten, zum Hohne, das stattliche Wirts haus! Es war ja eine hirnverbrannte Geschichte, die sich da angesponnen hatte. Jetzt hieß es aber die Zähne zusammenbeißen und den Kops oben behalten. Zlvei Entschlüsse galt es aus- zuführen : Marthchen frei geben und an Hüttich schreiben, ob er auch einen Krüppel als Knecht annehmen wolle. Daheim bemerkte der Leutnant erst ckllmählich, daß die entstandene Spannung zwischen seiner Mutter und dem Fräulein geschwunden war, infolge des Mitleids natürlich. Denn er selber hatte ein aufrichtiges Mitleid mit dem jungen Mädchen empfunden, das seit jenem Unglücksfall ihres Landsmannes — gewißlich mehr als Landsmann — mit einem rührenden weichen Ernst um herging, die Wangen so bleich/ die Augen so groß und so ängstlich, wenn sie Nachricht erwarteten. Er hatte von Mama, »ach seinem Hinweis auf die außerordentliche Teilnahme des jungen Mädchens ge nügende Andeutung erhalten. Beide, Mutter und Sohn, fühlten sich beinahe mitschuldig an dem stummen Leide oes jungen Mädchens. Erst als Frau Baronin mit der Nachruf in Marth- chenS Zimmer trat: „Seit gestern ist Hagedorn auf, und heute nachmittag werde ich Sie inS Lazarett be gleiten," leuchteten Marthchens Augen wieder auf, einen kurzen Moment freilich nur, dann legte sie die HLide auf das klopfende Herz. Wie würde sie ihn wieder finden? Ernst Hagedorn saß gerade auf dem Rande seines Lagers, eine wollene Decke über feine Beine ge breitet. Die Schmerzen und das lange Liegen hatten trotz der Extrakost an ihm reichlich gezchtt, seine Backen waren wieder tief eingefallen. Da öffnete sich die Tür, und neben dem Leutnant von! Lukajin betrat Marthchen den Raum, hinter ihnen erschien Frau Baronin. Ernst befand sich allein im Zimmer. „Hier ist Hagedorn," rief der Leutnant , und trat zurück, um dem Fräulein und seiner Mutter Platz zu kaffen. Mit sichtbarer Verwirrung war das junge Mädchen durch den Raum geschritten. Jetzt trat sie mit glühen den Wangen heran und reichte dem Burschen die Hand, unfähig ein Wort zu sagen. „Guten Tag, Fräulein Wedemann!" sagte Ernst ge drückt. ' Der guten alten Tome traten die Dränen in die Augen über dieses Wiedersehen. Sie zog ihren Sohn Mtt einer gleichgükigen Frage beiseite. Marthchen sah auf Trust nieder, der verlegen an dem Bettuch zupfte und nicht aufschaute. Gan- leise fragte sie: „Hast Du noch Schmerzen?" Di« Buchdrucker«! oo» Langer zMterüed lT. Langer und H. Schmidt) »icsa Goet-eftraß« Nr. öS hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bei sauberer V Krüppel! Er quälte sich selbst mit der Vorstellung, Ausführung und billigster Preis stellung bestens empfohlen Er bewegte sich ei« wenig und erwiderte dann,' ohne sein Gesicht zu erheben: „Ach, es geht." Marthchen schaute über die Schulter nach der Ba ronin und dem Leutnant. Beide sahen durchs Fenster hinaus nach dem Garten. Da versuchte sie, ihn kosend über den Kopf zu streichen. Er aber wich aus mit wenig freundlicher Miene. Fast einen harten Zug hatte dieses Gesicht. Das tut ihr so weh. War ihm die Anwesenheit der andern so peinlich? Vermochte die Freude des Wieder sehens seine Schüchternheit nicht zu überwinden? Viel leicht waren seine Schmerzen doch größer, als er zugab? Die Decke verhüllte daS traurige Geheimnis. Ein Träne fiel aus Mdrthchens Augen auf die Decke. Es war nicht mit ihm zu reden. So nestelte sie ein Schneeglöckchensträußchen von ihrem Gürtel und ließ es auf die Decke fallen. Erst war's, als wollte seine mager gewordene Hand hastig danach greifen, dann aber ließ er die kleinen Frühlingsboten liegen, zerstreut, wie sie gefallen waren. Der alten Dame war das Schweigen hinter ihrem Rücken ausgefallen. Sie trat heran und fragte freund lich: „Na, geht es nun besser?'" „Es wird wohl so bald überhaupt nicht wieder gehen, Frau Baronin," antwortete Ernst wenig höflich, aber doch noch anständig. „Haben Sie schon Gehversuche gemacht?" fragte der Leutnant. „Nein, Herr Leutnant!" erwiderte der Bursche in dienstlichem Tone. „Schonen Sie sich nur recht, Sie haben Zeit. Adieu, ich wünsche gute Besserung." Die alte Tame nickte dem Kranken im Fortgehen freundlich zu. Die Hand, die Marthchen erhielt, zitterte stark. „Ich danke," würgte Ernst heraus. „Mein armer Ernstz, verlier den Mut nicht!" flüsterte Marthchen hastig und eilte der Baronin nach. „Wie finden Sie ihn?" fragte Frau Baronin draußen, nachdem der Leutnant sich verabschiedet hatte. Marthchens Augen füllten sich mit Tränen. Sic flüsterte: „Schlecht, so teilnahmslos!" ,Za, ja," tröstete die alte Dame, „er ist sicher noch schwach. Nun, das gibt sich schon noch." — Nach vier Tagen stand Marthchen wieder an Ernsts Bett Der Leutnant war mit seiner Mütter im Garten geblieben. Froh des Alleinseins, begrüßte Marthchen den Ge liebten stürmisch und nahm leinen Kopf zwischen die Hände. „Au!" rief der Kranke grob. „WaS ist denn?" DaS junge Mädchen war erschrocken zurückgefahren. „Nu, meine Beine." Marthchen brachen die Tränen hervor: „Ach, ent schuldige, mein Ernst, ich habe eS ja nicht mit Absicht getan." : Er sah mürrisch vor sich hin. Die lange Leidens zeit mußte ihn wohl verdrießlich gemacht hüben. Sie versuchte, ihn anfzuheitern. „Siehst Du, ich weiß ja schon lange, was Dir fehlt. Seit gestern darfst Du wieder rauchen und hast keine Zigarren." ' Jetzt schmunzelte er doch ein wenig. Marthchen nahm ein Päckchen aus dem Paket: „hier!" Er griff begierig danach. Sie lächelte: - Die sind Dir gewiß lieber als Blumen?" Jetzt lächelte er auch matt. „Ernst, warum warst Du denn neulich so still? T-u hast mich überhaupt noch gar nicht ein einziges Mal freundlich wieder angesehen." Er überlegte. Er rang mit sich. „Ach, eS hat ja doch keinen Zweck'." sagte er endlich. Da- junge Mädchen verstand ihn nicht recht. „Wa» hat keinen Zweck?"