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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für dl« Redaktion verantwortlichArthur Hähne! in Riesa. I? 17«. Freitag, SS. Juli 11>1S, abends. ««. Jahr,. Frankreich vor der Deckungsfrage. VD. Nicht ohne einigen Humor werden wir Deutsche in diesen Lagen nach Frankreich» Parlamenttdebatten hinüberhvreu. E» ist ja eigentlich nicht sehr edel, aber immerhin menschlich verzeihlich, sich mit besonderem Be hagen selbst im sicheren Hafen zu finden, wenn andere noch draußen mit Wind und Wellen zu kämpfen haben. Und sind so ziemlich die gleichen winde und die gleichen Wellen, die der französischen Deckung»frage entgegenwinken, wie wir sie bei un» zu Land« zu überwinden hatten. Für Frankreich war die Rüstungsfrage erheblich schwieriger, al» für Deutschland, da sie bei dem Mangel an tauglichen jungen Männern nur durch «ine Mehr belastung der schon dienenden gelöst werden konnte. Die Deckung»frage dagegen sollte unsern westlichen Nachbarn eigentlich umso leichter fallen, da sie ein reiche» Volk sind und bei ihnen auch der Gegensatz zwischen Reich und Bundesstaaten wegfällt, der bei un» der Einführung direkter Reichssteuern so empfindlich im Wege steht. Und trotzdem sehen wir auch im französischen Parla ment den gleichen Aufmarsch der Parteien gegeneinander, wie im deutschen Reichstag. Hier direkte, dort indirekte Steuern al» Parole; dazwischen vermittelnd die Regierung, die bi» zu 100 Millionen durch eine Einkommensteuer, die übrigen 800 Millionen durch indirekte Steuern, zu denen hier allerding» auch eine Erbschaftssteuer ge rechnet wird, decken will. Die Regierung rechnet bet diesem Borschlag auf die Treue derjenigen Parteien, welche auch die dreijährige Dienstzeit angenommen haben, zu denen bekanntlich ein starker Prozentsatz der Rechten gehört. In der Opposition stehen die Parteien der Linken, die eine gründliche Finanzreform und eine erhebliche Vermehrung der direkten Steuern fordern; insbesondere wünschen sie die Einführung einer Vermögenssteuer. Sie können sich dabet auf die feierlichen Erklärungen berufen, die Poincarü bei Antritt seiner Präsidentschaft abgegeben hat, worin aus drücklich eine Finanzreform im Sinne größerer steuerlicher Gerechtigkeit zugesagt wurde. Und diese Richtung ent spricht ja auch dem allgemeinen Lauf der Dinge bei den Kulturvölkern. Je politisch aufgeklärter sie werden, umso besser lernen sie auch in Steuerfragen rechnen und sehen ein, daß die indirekte Steuer zwar weniger auffällig, aber dafür umso reichlicher von der Masse de» Volke» erhoben wird. Diese Erkenntnis war übrigen» in Frankreich schon zur Zeit der großen Revolution lebendig. Man ersetzte damal» alle indirekten Abgaben durch direkte. Man vergaß aber später, diese direkte Steuer entsprechend der steigenden Steuerkraft und dem wachsenden Steuerbedürfnis de» Lande» weiterzuentwickeln. So kam e», daß Frankreich in der S^'aNung der Massenkonsumartikel durch indirekte Steuern u..o Zölle noch über Deutschland steht und sich von Eng land damit recht ungünstig abhebt. Branntwein, Wein, Zucker, Salz u. a. müsse» gehörig bluten. Der Tabak ist StaatSmonopol. Kuriositäten wie Fenster-, Rad- und Stretchholzsteuern sind ja auch innerhalb der deutschen Grenzen teil» allgemein, teil» in einzelnen Bundesstaaten bekannt. Man kann also wohl sagen, daß Frankreich eine gründliche Finanzreform womöglich noch nötiger braucht, al» Deutschland. Bei un» hat die jüngste HeereSvorlage mit der Annahme der VermögenSzuwachSsteuer einen An fang solcher Reform gebracht. ES wäre im Interesse de» allgemeinen Fortschritts der Menschheit auch in der staat lichen FlnanzorgantsatieN nur mit Freuden zu begrüßen, wenn Frankreich dem guten Beispiel — auch auf Amerikas Zollerleichterung kann man dabei Hinweisen — folgen wollte. Denn bei der lebhaften Berührung aller modernen Staaten untereinander wirkt natürlich die Verfassung de» einen auf die de» andern ein. Der Botschaft des Präsi denten PoincarS darf d«»halb mit denselben guten Hoff nungen Erfüllung gewünscht werden, wie der de» Präsidenten Wilson. Die Mschüttelnng ber Türke«. Tas Vordringen der Türken, daS man allgemein nicht für endgültig hält, schien eine ernsthaftere Be deutung zu erhalten durch die auftauchende Ver mutung oder gar Nachricht, daß sich Serben und Griechen mit den Türken in einer Interessengemeinschaft gegenüber den Bulgaren zusammenschließen würden. Den Serben traute man eS am allerwenigsten zu und sie haben es bereits mit erfreulicher Entschiedenheit von sich gewiesen. Das gleiche tun jetzt die Griechen. Boi, amtlicher Stelle in Athen aus wird die türkische Ein- nrischung als unglückselig und unerwartet bezeichnet und auf die daraus entstehende Gefahr internationaler Ver wicklungen hingewiesen. Auch die Griechen halten an dem allein fruchtbaren Gedanken eines Gleichgewichts auf dem Balkan und eines einträchtigen Zusammenhaltens der vier Balkanstaaten fest. Wie lange werden die Türken nun noch den Müt haben, ein Gebiet besetzt zu halten, das sie durch Niederlagen verloren und durch keine Siege wiedergewonnen haben! Rußland steht drohend bei Armenien und könnte auch aus anderen Gründen sich! entschließen, bewaffnet hier einzudringen. Die Anhänger des türkischen Komitees erklären be stimmt, daß die Türken auf keinen Fall frei willig Adrianopel verlassen werden. Sie wür den dort nur der Gewalt weichen. Das Komitee deutet weiter an, daß es im Interesse der Türkei liege, neue Schwierigkeiten auf dem Balkan zu schaffen, wo durch die Türkei nur gewinnen könne. Die einzige Be fürchtung, die man in Konstantinopel hat/ besteht in der Annahme, daß vorläufig die armenische Frage auf geworfen wird, wofür bedrohliche Anzeichen vorliegen. König Carol von Rumänien hat unter Berufung aus seine dem ottomanischen Reiche gezeigten Sympathien und auf seine der Türkei in der Vergangenheit, zuletzt noch beim Abschlüsse des Friedens mit Italien, geleiste ten guten Dienste an den Sultan ein Telegramm gerichtet, in welchem er dis Aufmerksamkeit des Sultans aus die Enttäuschung lenkt, die die Türkei mit ihrer Aktion erfahren könnte, die sie in ein Gebiet führe, dessen Schicksal von Europa in bestimmtester Weise geregelt Warden sei. Der ,-Franks. Ztg." wird aus Petersburg gemeldet, daß nach einer halbamtlichen Erklärung die Gesamt einwirkung der Mächte bei der Pforte am heutigen Mei- tag, spätestens aber am Sonnabend erfolgen werde. Wie verlautet, wird die Pforte auch den Mächten gegenüber erklären, daß der Londoner Vertrag durch den Ver tragsbruch Bulgariens hinfällig geworden sei. Die Tür kei wird das Verlangen stellen, an einer Balkankonfe- renz in; Bukarest als gleichberechtigt teilnehmen zu dürfen. Die Pforte übermittelte stach Sofia die Antwortnote, wo rin sie mit Bezug auf ihre letzte Zirkularnote erklärt, daß sie sich ziyn gegenseitigen Schutze entschloß, die natürliche GrenzeMaritza—Adrianopel wiederherzustellen. Aus Sofia stammende Privatmeldungen über den Einmarsch der türkischen Truppen in das alte Königreich Bulgarien sind von keiner Seite bestätigt. Der türkische Generalissimus telegraphiert, daß die Bulgaren bei der Nämnung Adrianopels 43 Griechen verhafteten, deren Leichen später mit verbundenen Händen auf der Arda- brücke aufgefunden wurden. Der bulgarische Minister präsident Rädvslatvow erklärte, von den Mächten die'Zu sicherung erhalten zu haben, daß diese alles in die Hand nehmen würden und nichts zu befürchten sei. Trotzdem bleibe die Türkei die Hauptsorge, da die tür kische Armee ihren Vormarsch bereits bis Mustapha Pascha ausgedehnt habe. Russische AlotleZtdemoustrallo« vor Eoastanttuvvel? Die gesamte Schwarzmccrslotte hat unter dem Be- fehl des Admirals (Äerhard Sebastopol verlassen. Nach eurer amtlichen Meldung wurde die Ausfahrt ange treten, um Schießübungen im Schwarzen Meer vorzu nehmen. Dieser Erklärung wird aber kein Glauben ge schenkt. Man nimmt an, daß die russische Flotte auf dem Wege nach Konstantinopel ist, um dort durch eine Demonstration auf die Pforte einen Druck auszuüben, damit sie ihre Truppen aus Adrianopel zurückziehe. Die polnischen Blätter in Posen bringen aus War schau die Meldung, daß angeblich der Befehl zu einer „Probemobilmachung" der Bezirke Warschau und Wilna in den nächsten Tagen ergehen werde. Seit Herbst vorigen JahreS seien die Truppen ununterbrochen marschbereit und die Probemobilisierung müsse in zehn Tagen durch geführt sein. Der Bezirk Warschau zählt 5 Armeekorps, der Bezirk Wilna 4 Armeekorps. Aus Petersburg wird gemeldet: Auf den kaukasischen Eisenbahnen werden tag- lich Militärzüge zur Grenze befördert. Fast das ganze in TifliS und in Kutais befindliche Militär ist an der Grenze. Auch aus dem Südosten werden die Truppen nach dem Kaukasus befördert. Infolge der vielen Militär züge ist der Güterverkehr fast gänzlich eingestellt. Die Stimmung in Wien. In den nächsten Tagen wird, wie verlautet, ein Com- muniquee des Grafen Berchtold über die auswärtige Politik der habsburgischen Monarchie erscheinen. In den maßgebenden Kreisen der österreichischen Diplomaten ist man der Ansicht, daß die Dinge aus dem Balkan sich in ruhiger und rascher Weise glatt abwickeln werden. Man betont, daß Oesterreich-Ungarn nichts ferner liege, als die Absicht, den Sandschak wieder zu besetzen, eine Ver mutung, die auf russische Blätterstimmen zurückzu führen ist. Die russisch-österreichische Eiuiguug. Im Auswärtigen Amt in Petersburg werden die Meldungen bestätigt, daß zwischen Rußland und Oester reich volles Einvernehmen herrscht. Die österreichische Regierung hat an Rußland «ine Note gerichtet, in der auf die Gefahren hingewiesen wird, die aus einer Fort setzung des Balkankrieges drohen und Rußland hat sich der österreichischen Auffassung angeschlossen. Beide Mächte machten energische Vorstellungen bei den Balkanregie rungen. Oesterreich spricht sich gegen eine Zerschmette rung Bulgariens und gegen den türkischen Vormarsch aus. Im Widerspruch zu vorstehender Meldung steht folgende Mitteilung aus London: Auf der letzten Bot schafterkonferenz sind bei der Beurteilung der serbischen Ansprüche Differenzen hervorgetreten zwischen Frankreich und Rußland einerseits und Oesterreich und England anderseits. England und Oesterreich sind gegen die Ver letzung des Nationalitätsprinzips durch die Zuteilung der bulgarischen! Gebiete Mazedoniens an Serbien. Frank reich und Rußland dagegen arbeiten ausschließlich auf «ine möglichst große Stärkung .Serbiens hin. Die AriedtuSVes-rechungtn. In einer Konferenz in Belgrad, an der König Peler teilnahm, ist jetzt endgültig beschlossen worden, daß die Friedensverhandlungen in Nisch nicht stattfinden wer- den. Man hat sich jetzt aber zu einem Zugeständnis entschlossen, in Nisch wenigstens in aller Eile die Gren zen zwischen den Bulgaren und den Verbündeten und auch die Punkte festzusetzen, hinter die sich die kämpfen den Parteien zurückziehen sollen. Schließlich kommt ein Lellutrea 8le l»»8S gllNStlgg LllljlSllkSgölMIlßelt. ävr änrcd seins so ssdr nieärigsn kreise von gröütsr Lsäoutung kür soäs sparsawo Hauskrau ist, äruisrt nur noed dis Uontsg, äen 28. äs. Ms., adsnäs 8 likr. jot2t N. 10.—. Vollsas llllst VMedkIMsrstosss äen bekannten Verlustprsissn. Lin groüor kosten södvsrrs voll krUgs Irwgs 6sekstts, reirenäo Verzierungen iw Lücken, mit Soutacks dsnädt unä mit Lsiäo desetrt 6av2 besonäors preiswertes Angebot: Lin groüer Losten ' u. u. A/s -! Ltlekerslöll, 9 Bieter lang, U. l.vO. LLnIßstz Leklaxsr: Lin greller kosten »edvsrrs noä farbig« «kelrsttr, wsiede sied teilweise kür . äen Winter eignen, ^6^/2^ kli. 5. .