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2. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". Rotatio«»dmL und Verlag von Langer L winterlich in Ri'esa. — Für dir Redaktion verantwörllich: Arthur Hähne! in Riesig S81. Freitag. 4. Dezember 1Ü14, abend». " Ü7. Jahrg. den waren. Manches Detail ist hier in der Saft vernach lässigt worben — aber stark und widerstandsfähig sind sic alle, jede eine kleine Festung für sich. Natürlich war ein Anlauf mit dem Bajonett gegen solche Verschanzungen ganz und gar ausgeschlossen. Man mutzte einen regelrechten Festungskrieg führen, sich mit Sappen meterweise, zum Teil auch durch Minen an den Gegner heranarbeiten, und das noch dazu im Feuer der präzis schiebenden feindlichen Artillerie, die bei Nacht jede Distanz wußte, geschweige denn bei Tage. Unsere Artillerie konnte in -en ersten Tagen ihrer Infanterie verdammt wenig helfen: sie mutzte sich erst einschietzen, mutzte erst die serbische, die vorzüglich postiert und autzerdem durch Spione von beiden Ufern prompt, bedient war, kleinkriegen, ehe sie sich über die Infanterie in den Schützengräben hermachen konnte. Und wie sie das besorgte, das haben wir in dem unglücklichen Ravnje gesehen. Inzwischen blieb unserer Infanterie — die Elfer und die Dretundsiebziger waren es, die die ParaSnica erober ten — nichts anderes übrig, als still zu liegen und zu warten. Es gehören Nerven dazu, so nahe am Feind, vor der Mündung seiner Gewehre, Wochen hindurch zu Hausen wie ein Höhlenbär, den Kopf aus dem Loch nicht herauS- stecken zu dürfen, da sonst sofort die Kugeln gepfiffen kom men ! Aber man gewöhnt sich schließlich an alles. Man gräbt sich tiefe Erdhütten, polstert sie mit Stroh aus, sichert sie mit Zaunlatten, Aesten, Erbe und Lehmzicgeln gegen die feindlichen Schrapnells und vertraut im übrigen auf Gott und die Haubitzen. Welch «in bitteres Stück Ar beit, sich so Schritt für Schritt an den eingegrabenen Feind heranzuwühlen, bis man ihn fünfzig, vierzig, drethig Meter vor dem eigenen Gewehr hatte! An manchen Stellen, be sonders dort, wo die Dammstratze hart an den Fluß streicht, mutzte man sich schon vom Uferweg unterirdische Wege gra ben, um überhaupt an einen Fleck zu kommen, der zur Anlage von stärkeren Schanzen geeignet war. Erreichte man so eine Stelle, so bitz man sich an ihr fest und ließ sich selbst von dem wütenden Feuer der Serben nicht vertreiben. Als ich die Schützengräben unserer Leute sah, schien cS mir fast unglaublich, wie sie im feindlichen Feuer solche Arbei ten fertig bringen konnten! Vielfach sind unsere Gräben ebenso sorgfältig ansgcbaut wie die der Serben. Eine Stellung — eines Bataillons des elften Infanterieregi ments — sah ich, die war geradezu mustergültig. Die Un terstände sür die Mannschaft solid und bcauem, für die Offiziere eigene Räumlichkeiten: das hohe Bataillonskom- manbo hatte in seiner durch eine Tafel gckeunzeichneten Hütte einen schönen, großen Ofen, ein Bett, einen Tisch mit Stühlen — fehlte bloß noch der echte Perser und der Salon war fertig. Weiter rückwärts eine schöne Küche — lagen noch die Federn der Truthüner drin, die ihr Leben zum Besten der braven Dcutschböhmen hatten lassen müssen. Laufgräben ziehen sich zur Nachbarstellung und nach rück wärts, um den Munitionsersatz zu ermöglichen. Und noch eins. Es ist sehr schwer aus der Front einer Deckung zu bestimmen, ob sic serbisch oder österreichisch war, denn bei den stets wechselnden Phasen des Kampfes änderten sich die Richtungen »naushörlich, aber an einem Ding kann man schließlich zwischen den beiden doch unterscheiden — die öster reichischen Stellungen haben immer Latrinen — die ser bischen nie. Mehr als einmal kamen wir an Stellungen, die ganz deutlich als serbische zu erkennen waren, die während der Kämpfe aber von uns erobert und dann sofort für unsere Zwecke umgebaut wurden. Solche Schützengräben hatten zwei Fronten, eine serbische mit sorgfältig hergestelltcr Brustwehr, und auf der anderen Seite des Grabens eine zweite, die österreichische, in aller Eile notdürftig zusammen gekratzt, mit Erde, Latten, zurückgelassenen serbischen Muni- tionSkisten gesichert. An einer Stelle hatte sich ein besonders glücklicher Finder den zurückgebliebenen Schild eines ser bischen Maschinengewehres als Brustwehr zurcchtgemacht: an einer anderen war ein Kahn, den man non der Save her- aufgeschlepvt hatte, umgcstülpt und als Deckung verwendet worden. Daneben hatte man in einer hohen Eiche einen Beobachtungsstand eingerichtet — die Leiter, auf der der diensttuende Offizier hinaufklettcrte, lehnte noch am Stamm. Sehr instruktiv war auch eine Stelle, an der man brutto erkennen konnte, wie unsere Infanterie sich im Feuer der Serben an deren Stellung ohne viel Graberei hcrange- arbeitet hatte. In der Nacht waren augenscheinlich einzelne ! „Um GotteS willen! Ist das Dein Ernst?" Ladanyi antwortete nicht, der andere aber fuhr fieberhaft erregt fort. „Das wäre doch Selbstmord! Du weißt eS ja übrigens genau so gut wie ich. Faß an! Wir müssen das verfluchte Ding so rasch wie möglich aus dem Hause bringen." Schweigend faßte der Baumeister jetzt den einen eisernen Träger an der Kiste, während Jöta an der anderen Seite das gleiche tat. Trotzdem Ladanyi nun aber ein starker Mauri von ungewöhnlicher Körperkraft war und dein schwächeren Jöta die Hellen Schweißtropfen vor Anstrengung auf der Stirn standen, mußten beide alle Kräfte aufbieten, um die Kiste forttraaen zu können. Sie war überraschend schwer. Als man sie zur Tür hinauStrng, stieß JötaS Seite scharf gegen den Türrahmen. Er stolperte dabei und wäre beinahe gefallen. Ladanyi erblaßte vor Schreck. Er dachte nicht anders, als die Erschütterung würde die Höllenmaschine zur vorzeitigen Explosion bringen. Aber Jöta beachtete den Zwischenfall scheinbar gar nicht. „Weiter," sagte er heiser. Dadurch, daß er alle Kräfte anspannte, schwollen di« Adern an seinen Schläfen an. Mit unendlicherDorficht gelang eS endlich, das große Stück die enge Treppe hinabznschasfen. Unten angelangt, setzte» sie eS einen Augenblick hin, nm Kräfte zu sammeln. Besonders Jöta war offenbar der Er schöpfung nah« und hielt sich nur <nit Mühe aufrecht. Trotzdem war er e», der zmn Fortsetzen des schweren Wer kes drängt«! Ladanyi hatte seinen eigenen Torschlüssen» der Tasche. Da mit schloß er auf. Doch dauerte es eine Weile, bis sie das Tor öffnen konnte». Sie mußten sich erst beide dagegenstemmen, da der Sturm mit wütender Kraft entgegeublieS. Endlich aber flog die Haustür dennoch mit lautem Krach auf. Zu gleicher Zeit stob eine gauze Schnee well« herein und überschüttete die beide» Männer. Ladanyi fuhr zurück. „Ob e» möglich sein wird, sie bei dein Hundewetter bi« M» Mer ru schleppen?" meinte er zweifeln? Keinde und Zlreunde. Kriminalroman von R. MandowSky. 4 Uebrigens herrschte ziemliche Unordnung darin. Eine kost bare chinesische Vase war in Scherben zerschlagen, zwei Hand tücher lagen mitte» im Zimmer auf dem dnnkelroten Brüsse ler Teppich. Die Brokatdecke deS Bettes aber war weggerisse» und bedeckte mit ihre» schweren Falte» einen Gegenstand, der neben der EingangStür stand. DaS mußte die verhängnisvolle Kiste sein! Jöta hatte beim Eintreten unmerklich gezögert. Er ließ Ladanyi vorangehen. Und als dieser die Tür geöffnet hatte und eintrat, griff ver Ingenieur, wie nach einer Stütze suchend, krampfhaft nach dem Türrahmen, als ob er fürchtete, seine Füße könnten ihn nicht länger tragen. Dann aber raffte er sich gewaltsam zusammen um) trat ein — in seinen Augen lag «irr fast irrer Glanz. Der Baumeister hatte ihn bisher gar nicht beachtet. Jetzt wies er mit der Hand auf de» verhüllten Gegenstand und fragt« kurz: „DaS ist sie?" „Ja." DaS eine Wort kostet« Jöta «ine fast unerhörte Anstren gung, auch schien sein Fuß am Boden festgebannt. Offenbar fürchtete er sein eigene« Werk und wagt« nicht, näherzutreten. Ladanyi nahm die Decke ab und warf fi« achtlos z» Bo den. Darunter erschien ein« große, viereckig« Kiste aus har tem Holz. Die Ecken warm mit schweren Eifenbeschlägen ver sichert. Der Baumeister beugte sich zu ihr herab und lauschte. In der tiefen Stilleder Nacht — der Sturm hatte «inen Au- ^enblick^ ausgesetzt — hörte er fetzt ganz deutlich: Lick, tack l Der Mann schauderte zusammen. Jöta hatte also wahr gesprochen — da« unheimliche Ticken in der Kiste bedeutete den Lod in fürchterlichster Gestalt. Da war keine Sekunde zu verlieren. Aber noch einmal pand der mite Genius an seuier Seite und sprach für ihn r „Oeffne die Kiste!" VIöta taunielte zurück wie von.iinem Schlage getroffen Die Blickfelder »er ParaSnica. I. Mltrowitz, 21. November. Ma« muß -er ParaSnica ein eigene- Blatt widmen. Eigentlich ein eigene- Buch, ein große-, ganze- Buch, den« diese- kleine zwischen Drtna und Save etngezwängte Stück Erde ist geheiligt worden durch den Kampf, der auf ihm au-gefochten wurde, diesen Kampf, der an Wut und Erbitterung wohl in der Kriegsgeschichte aller Zeiten nicht seine-gletchen hat. Jeder Zoll ihre- Boden- ist von Gra naten durchfurcht, mit Strömen von Blut getränkt worben. Hier kämpften nicht Menschen, sondern Löwen, die sich in einander verbissen, einer vom andern nicht ließen, bi- der Besiegte, au- tausend Wunden blutend, dem Stärkeren wich. Wir alle, die wir eine Schlacht d«S modernen Kriege- mttgemacht haben immer gesagt, nüchtern, poesielos, eine mit dem höchsten Raffinement ausgearbeitete Mordtechnik ist der Krieg heute: wir haben uns an die fröhlichen Reiter- attacken mit den schmetternden Signalen, an die prächtigen Stürme der Infanterie mit Len wehenden Fahnen erinnert: Haden gesagt, daß Schnellfeuergewehr und die Haubitze au- der modernen Schlacht alle Poesie hinauSgeschoffen haben. Und Len Spaten haben wir geschmäht, dieses unscheinbare Werkzeug, das -en frei daherstürmenden Krieger zum krie chenden Maulwurf macht. Wandert über die ParaSnica, und ihr werbet eines Besseren belehrt werden! Durchstreift dieses Labyrinth von Schützenstänben und Laufgräben, in denen Wochen hindurch Menschen gelebt, gekämpft, geblutet und gestorben — und ihr werdet erkennen, daß auch der moderne Krieg nicht nur schrecklich und grauenhaft, sondern auch gewaltig und erhaben ist. — Gegen vier Uhr nachmittags langten wir an der Stelle an, wo bas Gebiet der ParaSnica beginnt. Die Wagen wurden an den Eingang von Ornabara geschickt und zwei Kollegen als Quartiermacher in dem Ort selbst vorausgesandt. Wir andern verließen die Dammstratze und machten uns zu Fuß auf den Weg. Vor allem eine ganz kurze geographische Schilderung der Gegend. In den Winkel zwischen Drtna und Save ein geschlossen, bildet die Südgrenze der ParaSnica die von Ravuje nach Ornabara führende Dammstratze, auf der mir gefahren waren. Keine Halbwegs gangbare Kommunikation geht durch dieses teils mit Niederholz, teils mit hohen, prachtvollen Eichen bestandene Terrain, das durch die von Norden nach Süden laufenden Schenkel des Save-Drina- wtnkels in den Flanken gestützt ist und wie kein zweites einem ebenso tapferen als klugen Verteidiger es ermöglicht, mit der ihn von Rückwärts schützenden Dammstratze als Stützlinie den hartnäckigsten Widerstand zu bieten. Tatsächlich haben die Serben auch in der ParaSnica be wiesen, Latz sic die in ihren beiden vorherigen Kriegen gewonnene Erfahrung zu verwerten wissen. Kein strategisch und kein taktisch wichtiger Punkt war von ihnen über sehen worden. Das System der von ihnen angelegten Be festigungen war so geschickt gewählt, daß sic aus diesem Winkel absolut nicht herauszubringen gewesen wären, wenn unsere Artillerie nicht bei Ravnje die Bresche geschossen, wenn die Armeegruppe Kraus, die bei Klenak die Save überschritten und Gott weiß zum wievielten Male Schabatz eingenommen hatte, nicht von Osten her gedrückt hätte, und wenn durch Potioreks Sieg in der elftägigen Schlacht bei Krupanje nicht ihre Rückzugslinien bedroht gewesen wären. Diese drei Faktoren zwangen sie, die Stellung in der ParaSnica schließlich zu räumen, uns so das Tor zur Macva und damit zu ganz Serbien aufzumachen. Eine Stellung hinter der anderen durchschnitt der gan zen Quere nach die ParaSnica, eine so vortrefflich gebaut wie die andere. Vis an zwei Meter tief sind die Schützen gräben angelegt, alles Schrapnellsicher gedeckt und je nach der Beschaffenheit des Terrains teils durch Maisstauben, teils durch Aeste glänzend maskiert. Der Mann kann sich frei bewegen, hat vor sich eine aus Lehmzicgeln hergestelltc Schießscharte und neben sich, gleich zur Hand, in der Gra benwand ausgehöhlt, eine Munitionskammer. Der Aus schuß ist vor der Deckung immer sorgfältig hergerichtet und daS Schußfeld gelichtet. Neben solchen — man möchte bei nahe sagen, solid gebauten Deckungen finden sich anch sehr viele, denen man deutlich anmerkt, daß sie während -es Kampfes, seiner Entwicklung sich anpassend, angelegt wor- Schwärme oder auch «ur einzelne Plänkler aus ihrer Dek- lung vorgekrochen, so weit sie konnten, ohne bemerkt zu werben, hatten sich dann blitzschnell eingegraben — nicht ttes, nur gerade so wett, daß jeder Mann einen kleinen Erbaufwurf vor sich hatte, hinter dem er halbwegs gedeckt war. Wenn die Gelegenheit sich bot, wieder ein paar Schritt nach vorne, hier schon etwas tiefer, eine regelrechte Grube» in der man kniend schieben konnte. Dann wieder weiter, immer für die nachfolgenden Kameraden Platz schaffend und endlich über die letzten dreißig, zwanzig Schritt weg mit dem Bajonett hinein in die feindliche Stellung. Aber bi- eS dazu kam! Wie manchen dieser kühn vor gebrochenen Plänkler passierte es, daß er tagelang auf dem- selben Fleck liegen mußte, ohne sich rühren zu dürfen. Da hieß es auf die Delikatessen der Kvmpagnteküche zu ver zichten, auS dem Brotsack zu leben und selbst in so einem Mauseloch dem Dasein eine schöne Sette abzugcwinnen. Mancher holte sich die letzte Zeitung und die letzten Briefe heraus, die ihm die Feldpost gebracht, und laS sie weiß Gott zum wievielten Male. Ließ sie dann liegen, al- er endlich hcrausspringen konnte. Andere schrieben Feldpost karten, die aber nie ankamen, denn als eS zum Sturm ging, blieben sie liegen — viel fand ich in den Schützengräben und »Löchern Zeitungen, angesangenc oder beendete Briefe — durchnäßt — die Schrift verwischt — wie mancher der Schreiber liegt vielleicht nur ein paar Schritt davon in der Erbe — und irgendwo dort oben wartet und wartet eine Mutter auf den Brief, den er geschrieben. — In einem serbischen Schützengraben hob ich einen Brief auf, auch so einen angefangenen, nicht vollendeten, nicht abgeschickten Brief: „Mein geliebtes Weib, seit drei Tagen liegen wir hier, die Kugeln der verdammten Ocsterreichcr pfeifen über uns weg — aber mir haben sie bis jetzt — Und da bricht der Brief ab — ein großer Blutfleck ist die Fort setzung und der Schluß. — Ernst Klein, K ricaSbcrichtcrstatter. MtM Uster m -er KMen 8mi. X EK. G. Cabasino-Renda, d er ausgezeichnete Bericht erstatter des Givrnale d'Jtalia, sührt in einem neuen Briefe in der Schilderung seiner Eindrücke in Lothringen fort. Er erzählt von dem Tunnel zwischen Ioeuf und Gr. Moveuvrc, dessen Ban sich die Franzosen trotz jahre langer Verhandlungen widersetzt haben und den nun die. deutschen Pioniere nach der Zurückdrängung des Feindes sofort durchschlugen, sodaß der Transportweg nach Ver dun um 100 Kilometer abgekürzt wurde. Er kommt auf seinem Wege an Hamburger Truppen vorbei, die aus den scherzhaften Jnschristen ihrer Wohnstätten leicht als solche zu erkennen sind: man sieht da nämlich ein „Hotel At lantic", und ein ärmliches Holzhaus trägt den stolzen Namen „Alster-Pavillon". Ueberall auf seinem Wege er hält der Italiener starke Eindrücke, die er in scharfum- rissenen Bildern wiedcrgibt. Wir heben einige davon heraus. > Landsturm und Franzmann. Die Station Iaulny und ein Stück ihrer Eisenbahnstreckc ist besetzt mit Rothoscn, französischen Gefangenen, die die von der Artillerie zerstörten Linien wicdcrherstellcn. Bewegliche, nervöse, ruhelose Gestalten mit Augen wie von Fieberkranken. Die wenigen alten Soldaten des Land sturms, die sie bewachen, haben gegenüber den von ihnen so verschiedenen Leuten einen nachsichtigen Ton wie ernste und gesetzte Männer gegen jugendliche Taugenichtse. Sic nennen sie „Franzmann", eine merkwürdige Wortbil dung, die jedoch nichts Verächtliches hat, sondern eher herzlich klingt. Diese Empfindungen von fast herzlicher Art gegenüber dem Feind herrschen nicht nur hier auf den Schlachtfeldern, wo sic sich durch die natürliche Rit terlichkeit der Kriegführenden erklären würde, sondern sie sind in ganz Deutschland verbreitet. Die deutschen Zeitungen haben seit KricgSbeginn keine Beschimpfungen der Feinde gedruckt, wenn man von den Japanern absieht, von denen man sich hinterrücks überfallen glaubte und die daher mit den sarkastischsten Bemerkungen bedacht wurden. Aber vom französischen, englischen und rus sischen Soldaten schrerbt man nur freundlich und fast sympathisch. Die Russen haben in ihrem sehr flüchtigen „ES muß!" antwortete Jöta mit verbissener Energie. „Vor wärts !" Und jetzt begann der Kampf mit dem rasenden Sturm. Keine Menschenseele ivar weit und breit z» sehen. Die Laterne» erloschen und die Fenster in den Häusern waren dunkel. ES dauerte eine ganze Weile, bis die beiden Männer die paar hundert Schritt bis zur Do,lau zurückgelegt hatten. Hier waren sie ganz nahe der Kettenbrücke, deren Lichter hier und da rot und trübe in dem dichten Schneegestöber sichtbar wurden. Nun endlich stand die Kiste hart am Donauufer. Der stark angeschwolleue, majestätisch breite Strom rauschte ganz nahe vor ihnen. Einen Aitgenblick nur wollten sie verschnaufen, ehe sie durch die letzte Anstrengung daS schwere Ungetüm den Wel len überlieferten. Dann konnte es niemand mehr Schaden tun. Ladanyi wischte sich trotz der Kälte den Schweiß von der Stirn. DaS war ein schweres Stück Arbeit gewesen. Aber der Schuft da an seiner Seite, der ihn dazu gezwungen, sollte ihm büßen für die fürchterliche Lage, In die er ihn gebracht. Wäre die entsetzliche Gefahr nicht so um Haaresbreite nahe gewesen, hätte er, Ladanyi, ihn sofort der Polizei oder, noch besser, den» Jrrenhause übergeben. DaS gebührte ihm aber nicht, daß ein anderer sein wahnsinnige-, verbrecherisches Tun gutmachen mußte. 4. Kapitel. Zu Hilfe! „Doch jetzt — ein Ende! Je eher, je besser! Faß an! " Aber was war daS? Keine Antwort! Und als Ladanyi erstaunt aufblickte, sah er, daß die Stelle- an welcher noch soeben Jöta gestanden, leer war. * Wie wenn der Boden ihn verschlungen hätte. Und in dem entsetzlichen Schneesturm tonnte man noch überdies keine fünf Schritt weit sehen. Ladanyi stieß eine leis« Verwünschung auS. Da« fehlt« noch. Wo war denn der Mensch so plötzlich hingekommen? Vielleicht lag er gar, von der ungewohnten Anstrengung er schöpft, bloß ein paar Meter weit entfernt im Schnee. Weit konnte er ja nicht sein. 226.2L