Suche löschen...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192212302
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19221230
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19221230
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-12
- Tag 1922-12-30
-
Monat
1922-12
-
Jahr
1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
I. SOS. r. Besiege zu» Riesaer rogtvlett. r«a»«ren», SV. reze»ver isrs, aveais. 7». Jahrs. MMW^WWMMI^MWW>>WIMWWW>WW>WMWWW>WWWW>WWWM>WWWWWWW88WWW8MWWM8M8^^W8M8W88WMMI8MWLSSSWMWWMMWWWWMMWWWWSWLSW>S^^ Ä Z tzenjahr. von TuftavSchüler. Nachdr. varb. Rn« müdet'S ni,der. da« alte Jahr, Lasten beladen, wie raum ein« «ar. * So voll Not und Lod bi« an den Rand, Und so matt die helfende Menschenhand. * Und di« Liebe ward wie vlumen im Staub Und Höchst«« «lrich brandigen «ehren taub. * Im nebelbelasteten Moraenschein Trittst du, junge« Jahren die Welt hinein. * v, daß du strömend in Segen kämst Und die verg« Not von der Menschheit nähmst. * Daß da« Gute, da« frostgebunden lag, Lufblüht« wie schaffender Frühlingstag. Daß die Lat au« schleppender Lage Bann Die Sturm aufständ« zum »Wieder hinan i" Der neue Maatel. Da geht sie nun hin die Kleine mit dem neuen Mantel. Net», seht nur wie stolz! Zu Weihnachten lag er unter dem Chrtftbaum und leuchtete so schön rot, daß Lenchen gar nichts weiter sah, als nur eben dies leuchtende Rot. Schon lange, lange hatte sie davon geredet, daß ihr alter Mantel doch gar nicht mehr schön sei, batz Müllers Lieschen einen feinen neuen bekommen habe und nun gar nicht mehr mit ihr gehen wolle, weil ihr alter doch gar nicht zu dem neuen paffe. Aber die Mutter hatte das gar nicht recht ge hört. Sie hatte Len alten gebürstet und gesagt, er sei doch noch recht schön und neue Sache» seien jetzt so teuer. Aber Lenchen hatte gesagt, sie wolle auch gar nichts weiter habe», zu Weihnachten, wenn sie nur einen neuen Mantel bekäme. Aber die Mutter hatte nichts darauf gesagt, und so chatte Lenchen alle Hoffnung aufgegeben. Freilich rechte Freude auf Weihnachten wollte auch nicht kommen, die heimlichen Tränen wuschen sie wohl hinweg. Und nun war er doch Sa, der neue Mantel, und ein Pelzmützchen und ein Muss Lazu. Nein, die Freude! Am nächsten Morgen wurde alles angelegt und schnell zu Lieschen gelaufen. Das mutzte die -och sehen, datz Lenchen nun viel feiner aussah, als sie. So zieht sie hin, die Händchen im Muff vergraben, das Näschen hoch in der Luft — stolzer kann eine Königin nicht sein. Und alle Welt sieht ihr so rosenrot und prächtig auS, als ob sie vom Scheine des roten Mäntelchens be strahlt sei. Nicht wahr, wir Alten, wir lächeln über das Kind, das La in seiner Freude meint, nun sei das höchste Sehnen gestillt, -em nun gleich die Welt ein ganz anderes Aus sehen gewinnt. Aber ich möchte doch, datz wir alle so von Weihnachten weggingen wie unser Lenchen. Ich meine nicht, datz wir uns auch über die kleinen oder grotzen Gabe» so freuen sollten, dazu sind wir ja alle zu würdig, zu ver ständig und — zu arm an kindlichem Gemüte. Aber LaS möchte ich, datz nun, da wir von Weihnachten ins neu« Jahr hinüberschreiten, uns auch die Welt einen neue» Glans gewinne. Ja, so falls sein, datz wir wie Lenchen zum Weihnachtsfeste etwas gefunden haben, das der Welt einen neuen Schein gibt: das ewig' Licht. Das letzte Jahr mit -er grotzen Geldentwertung, mit den Konferenzen, dem »affen Wetter, der geringen Ernte, Las Jahr voll Not und Armut und für viele voll Todesschatten, war so dunkel und schwer, da lag kein leuchtender Glanz darüber. Nun soll das neue leuchten. Weihnachten steht zwischen beiden Jahre« mit seinem Vicht. So mag LaS Weihnacht»licht ins Dunkel beS neuen JahreS hineinstrahlen, datz unser Weg hell werd«. Freilich müssen wir dazu baS Kind in der Krippe gefunden habe«, das Gottes Liebe un» gab. Denn von ihm geht La» Leuchten au». Ist dir die» Licht in» Her» gedrungen, so latz da» neu« Jahr «och so trüb sei«, dann gehst du im grüßten Dunkel im Licht. S'ift hell i« dir, denn du weißt: Gott hat auch mich lieb, da» Kind t« der Krippe ist Zeuge dafür. Haft du » gefunden? Dan« geh' in» neue Jahr glücklich wie unser Lenchen. Hast dann auch ei« Geschenk bekommen zu Weihnacht», da» dich selig m««t, ein Geschenk, da» Gott dir selbst gibt: seine« Sohn. Da» macht glücklich und selig. Nur ein» noch: Du wirft dann nicht den Kopf so stolz emporrecken wie Lenchen. Denn wem das WethnachtSlicht im Herzen leuchtet, der senkt -aS Haupt demütig, überwältigt vom Segen. Denecke. Seltsame Silvefterfeiern. Der Hang »um Absonderliche« und Wunderlichen, »er so tief in der Menschenseele wohnt, lebt sich auch tn den eigenartigen Formen mancher Silvefterfeiern aus. Sine englische Zeitschrift weiß davon allerlei zu berichten. So feierte ein reicher Newyorker Witwer das Ende des JahreS stets tn einem Grabgewölbe. Am letzten Tage deS ver gangenen Jahrhundert» war ihm nämlich seine Frau ge- storben, und seitdem verlebte er die Silvesternacht stet» in dem prachtvollen Mausoleum, das er ihr errichtet hatte. Am 81. Dezember wurde die Begräbnisstätte über und über mit ihren Lieblingsblumen geschmückt, und gegen Abend er schien der trauernde Witwer, um an ihrem Sarg das neue Jahr zu erwarten. Nicht minder eigenartig war die Stätte, die sich ein Kohlenarbeiter tn Lancashire zur Silvesterfeier erkoren hatte. Er lieb sich am letzten Abend des Jahres in der Grube, in der er seit mehr al» 2V Jahren arbeitete, einschlietzen und begrützte unter Tag das neue Jahr mit einem Gebet und einem Choral. Ein Silvestervergnügen eigener Art bereitete sich vor einigen Jahren ein englischer Schmimmklub, dessen Mitglieder ihrer Sportsbegeisterung einen besonderen Ausdruck verleihen wollten. Die kühnen Schwimmer versammelten sich kurz vor Mitternacht des 81. Dezember, sieben Mann hoch, am MeereSufer, und als die 12 feierlichen Schläge der nahen Turmuhr das neue Jahr verkündeten, sprangen sie unerschrocken in die eis kalten Fluten. Wie lange sie drin blieben — davon schweigt die Geschichte, aber jedenfalls war ihnen die Lust vergangen, am nächsten Silvester ihr Heldenstück zu wiederholen. Eine tollkühne Leistung vollbrachte zu Silvester ein Handwerker in Chicago. Er kletterte in der letzten Stunde des alten Jahres bis zu dem Wetterhahn eines hohen Turmes empor und pfiff dort oben, an der höchsten Spitze angeklammert, mit dem ersten Schlag der MttternachtSglocke die ameri kanische Nationalhymne. Damit hatte er eine Wette von 200 Dollars gewonnen, aber das Geld war nicht leicht ver dient, wie er selbst, sich vor Schauder schüttelnd, erzählte. Eine Silvesterfeier in luftiger Höhe begingen die Arbeiter und Bergführer, die vor einer Reihe von Jahren gerade in den letzten Dezemberwochen eine neue Schutzhütte auf dem Gipfel des Mont Blanc errichtet hatten. Sie be- grützten das Jahr auf dem höchsten Berg Europas und zündeten wenige Minuten vor Mitternacht in der Höhe von 4800 Meter ein großes Feuer ap. Während die Flammen hell emporloderten, klangen um 12 Uhr bei einer Kälte von 20 Grad unter Null die Gläser fröhlich zusammen. Die Ereignisse des Jahres. Das Jahr der Konferenzen, so kann man wohl die tn Enttäuschung verflossene Zeitspanne bezeichnen, in deren Verlaus sich eine Besprechung an die andere reihte, deren jede mit der anderen durch eine Kette von offiziellen oder nichtoffiziellen Zwischenbesprrchungen mit der anderen ver bunden war. Am 7. Januar trat in Cannes die erste große Konferenz des Jahres zusammen, auf der Minister Rathenau ein Bild der Lage entwarf. Wohl oder übel muhte ein Zahlungsaufschub an Deutschland gewährt werden. Unter brochen wurde die Konferenz durch den Rücktritt Briauds, Le» dem Kabinett PoincarS Platz machte. Die Vertreter der Mächte beschlossen, in Genua die Aussprache fortzu- setzen, auch die deutsch« ReichSregterung erhielt «ine Ein ladung. In der Zwischenpause wurde, gewissermaßen al» Beweis Les guten Willens der deutschen Regierung, da» Gtenerkampramiß durch die Parteien .der großen Koalition verabschiedet. Am 7. April trafen sich Lloyd George und Poincars in Parts zu einer die Genueser Konferenz vor bereitenden ersten Fühlungnahme. Poincars erzwang da» Zugeständnis, daß in Genua über die Kernfrage der euro päischen Gesundung, üper das Reparationsprogramm, nicht geredet werben sollte. Die Entscheidung über die deutschen Zahlungen traf die Reparationskommission. Am 10. Avril wurde in Genna die große Konferenz eröffnet, deren be- deutfamste Ueberrqschung der am 16. April zum Abschluß gelangte deutsch»russische Wirtschaftsvertrag von Rapallo war. Poincarö setzte es durch, datz die Konferenz ziemlich brüsk das Vorgehen Deutschlands mißbilligte und daß am IS. Mai die Konferenz ergebnislos abgebrochen wurde. Dafür erhielt er am 2. Juni das Vertrauensvotum seiner Kammer. Inzwischen erfolgte die traurige Uedergabe Oft» Oberfchlefiens an die Polen und die Räumung des Rest gebietes durch die alliierte Besatzung in den ersten Juli tagen. Die Beziehungen Rußlands zu den Ententeregie rungen sollten in einer Wirtschaftskonferenz im Haag ge regelt werden, die am 20. Juli ebenfalls ohne besondere Ergebnisse geschloffen wurde. Am 1. August verlangte Pot» carö die Bezahlung von zwei Millionen Pfund der soge nannten Ausgleichszahlungen. Am 18. September stellte Deutschland zehn Millionen Goldmark zu diesem Zwecke zur Verfügung. In den Londoner Besprechungen der alliierten Ministerpräsidenten verlangte Poincarö am 8. August für ein Moratorium produktive Pfänder, die Lloyd George ablehnte. England schlug darauf auf Emp- fehlung seines Vertreters Bradbury ein bedingungsloses Moratorium vor, das wiederum am 31. August durch die Neparationskommission abgclehnt wurde. Mittlerweile hatte sich infolge der türkischen Siege in Kleinasien die Lage im Orient derart zugespitzt, daß die Stellung des englischen Kabinetts stark erschüttert wurde. Am 15. September wurde die letzte griechische Armee in Kleinasien von den Türke« vernichtet, die Intervention der alliierten Mächte begann und als Opfer des englisch-französischen UebereiukommenS fiel Lloyd George am IS. Oktober. Die Reparationskom mission faßte den Beschluß, selbst nach Berlin zu reisen und verweilte dort bis 10. November, ohne endgültige Beschlüsse zu fassen. Auch die deutsche Aktion mit Hilfe der inter nationalen Sachverständigen hatte keine greifbaren Er gebnisse. Aus der deutschen Regierungskrise ging dann LaS Kabinett Cuno hervor, denen Programmrede der Reichstag am 24. November mit überwältigender Mehrheit billigte. Auf Grundlage der noch von der Regierung Wirth verfaßte» Reparationsnote entschloß sich die Reichsregierung am 6. Dezember zu Maßnahmen im Sinne einer aktiven Repa rationspolitik. Tie deutschen Vorschläge wurden bei den Londoner Beratungen der alliierten Ministerpräsidenten als nicht genügend erachtet. Tie Londoner Konferenz beschloß am 11. Dezember die Vertagung auf den 2. Januar nach Paris. Am 13. Tezember trat Poincar^ in der Frage der formalen militärischen Besetzung des Ruhrgebietes, wie sie kurz vorher im Elysee beschlossen war, einen Rückzug au. Ter 14. Dezember brachte eine Entspannung in Lausanne, wo die Türkei sich mit der Entmilitarisierung der Meer engen im wesentlichen einverstanden erklärte. Am 18. De zember tauchten die Auleihegerüchte aus Amerika auf, am 20. Tezember kehrte Clemenceau aus Amerika zurück. Am 24. und 27. Tezember erfolgte die Zurückweisung der fran zösischen Stickstoff-Forderungen bezw. der Beschluß der Re parationskommission, Deutschlands Verlagen bei den Holz lieferungen festzustellen. Anfang Tezember spielte sich eben falls die endgültig noch nicht beigelegrc Auseinandersetzung über die Zwischenfälle in Paffau und Ingolstadt ab. Gleichlaufend mit den Verwicklungen und Stürmen der Außenpolitik stellte das Jahr 1922 auch im Innern gesehen eine Kette von mehr oder weniger schmerzlichen und trüben Ereignissen dar. Mit dem ersten Januar des Jahres ver schwand von den Meeren die alte Reichsflagge, bis in -en Anfang Februar hinein zog sich der mir schweren Schädi gungen der Wirtschaft verknüpft Eisenbahne«streik. Am 31. März wurde der Reichsernährungsminifier Fehr be rufen, -er die Umlagepolitik weilerführke. Am 13. Juni wurde der Erzberger-Mordprozctz beendet, am 24. Juni Die Siegerin. Roman von HanS Schulze-Gora«. 42. Fortsetzung. In auSbrechender Entrüstung stieß Gchmettau seinen Säbel scharf auf den Fußboden. „Wir soll ich das von dir verstehen, Kurt —?" Eine lange Pause entstand. I» verbissenem Schweigen starrte Kurt vor sich ins Leere. Aus einer unteren Etage klang ein Klavier, ein Kind übte ungeschickt den Pariser Einzugsmarsch Dazwischen klingelten von Moabit die elektrischen Bahnen herüber. Dann horte man wieder nur das taktmikßig abgerissene Trommeln der Marschmeloüie, begleitet von dem gereizten, scharfen Zählen einer unmelodischen Frauenstimme. Endlich stand Kurt langsam von seinem Stuhle auf und reichte Schmettau Lottes uneröffneten Brief. „Da haft du eine Erklärung meines Schweigen»,* sagte er in schroffem Tone, „wenn du sie als eine solche annehmen willst! Ich habe Lottes Brief von vorgestern noch nicht gelesen* In maßlosem Erstaunen sah der Leutnant zu dem Freunde empor. ,Za, aber, Kurt, was soll denn das bedeuten? Bist du krank ober —* „Hast du deinen Verstand verloren?" vollendet« Kurt mit schneidender Ironie. „Das wolltest du wohl sagen, Fritz! Nicht wahr? Und damit dürstest dir auch annähernd baS Richtig« getroffen haben!" In einer plötzlichen Gereiztheit, wie in einer Ekstase, hob er die Arme, als suche er jemand, an dem er sich für all sein Leib un- Unglück rächen könnte. Seit zwei Tagen bereits harrte er auf einen Gruß, eine einzige Zeile von der Hand jene» Weibes, da» er in so ver zweifelten Worten um ein Bekenntnis ihrer Liebe angefleht hatte. Und immer wieder war der Postbote mit leeren Händen gekommen. In diesen zwei kurzen Tagen war er vergessen, beiseite geschoben worden: wo er an Liebe, an eine große Leiden schaft geglaubt, da war nur kleinliche Berechnung und kalte Selbstsucht gewesen, die der ersten Prüfung schmählich er logen war. — — „Ich bin verrückt, Fritz!" Meß er schließlich zwischen Len zusammengebiffene« Zähnen hervor. ,Lch bin wahnsinnig! Renn' e», wie du willst. Ich bi» fertig!" Und mit lautem Stöhnen wie an» einer verzweifelten Weberzeugung heraus, wiederholte er noch einmal: ^Jch bin fertig, Fritz, vollständig fertig l" — I« ehrlicher Ergriffenheit legte Schmettau seine Hände auf Len Arm -eS Freundes. „Ich sehe es, Kurt, Lu bist wirklich krank! Willst Lu dich dann aber nicht mir anvertrauen? Du weißt, ich bin dein Freund! Ich will dir ja gern helfen, wenn es irgend in meiner Macht steht!" Kurt bewegte schwer Len Kopf. „Es ist alles tot in mir, Fritz, tot un- leer! Ein förm licher Bankerott, dem ich ratlos gegenüberstehe! Mir kann niemand helfen!" „Auch Lotte nicht, Kurt?" Wie von einem Peitschenhieb getroffen, fuhr Kurt in die Höhe. „Sprich mir von allem anderen, Fritz, nur von Lotte nicht! Ich empfinde es wie ein Verbrechen, wenn ihr Name überhaupt noch im Zusammenhänge mit dem meinen ge nannt wird!" Ein jähes Zittern flog plötzlich über sein Gesicht. „Wenn ihr alle wüßtet, wie schlecht ich bin, wie ich mich manchmal selbst verachte!" i Der junge Offizier richtete sich straffer empor, ihm fehlte am letzten Ende für diese Verzweiflung des Freundes das Organ: in seiner geraden, ehrlichen Sinnesart sah er in ihr nur ein schlaffes, seelisches Sichgehenlassen, das er als einen schimpflichen Verrat an Lotte empfand. „Ich weiß nicht," sagte er in schroffem, fast feindseligem Ton, „was du auf dem Gewissen hast, Kurt, ich will eS auch nicht wissen! Ehe du dich aber in einer so haltlosen Weise deinen Stimmungen hingibft, hast Lu meinem Gefühl nach zunächst deinen Pflichten zu genügen, in erster Linie der Pflicht gegen das Mädchen, das dir bisher auf -aS engste verbunden war, das dir glaubt und vertraut und deines Trostes und Beistandes bedarf! Darüber kommst du mit Phrasen und Berzweiflungsposen nicht hinweg! Dein Verhalten gegen Lotte ist eine feige Fahnenflucht, die ich dir nie und nimmer zugetraut hätte!" „Fritz, wäge deine Worte!" In den Augen Kurts zuckte eS unheilverkündend auf, doch Schmettau achtete seiner drohenden Haltung nicht. „Ich weiß sehr wohl, was ich sage, Kurt!" fuhr er mit erhobener Stimme fort. „Und ich sage es mit voller Absicht! Ich finde dein Benehmen gegen Lotte empörend, einfach empörend. Und trotz allem hatte Lotte für dich heute mittag nur Worte der Liebe, -er Entschuldigung! Wenn du sie heut gesehen hättest, Kurt, weiß Gott, du würdest dich rasch wieder zu ihr zurückgefunden haben!" I« ratloser Unentschlossenheit senkte Kurt be» Kopf. I« der raschen Wandelbarkeit seiner komplizierten Natur war di« Erinnerung an Lotte, alle anderen Vor stellungen unterdrücken-, plötzlich wieder tn den Mittel punkt seine» Denkens gerückt worden. „WaS verlangt Lotte von mir!" fraate er endlich leise. „Rate mir, Fritz. waS ich tun soll!" „Vor allem wünscht sie dich persönlich zu sprechen!" war die Antwort. „Um mit dir über die Zukunft zu be. raten. Und wohl auch, um dich überhaupt einmal wieder zusehen. Tie hat sich für heut abend auf eine kurze Stunde freigemacht und will dich, wenn du abkömmlich bist, um acht Uhr in eurem Cafe am Magdeburger Platz erwarten!" Schmettau war bei den letzten Worten auigestanöen und ganz nahe zu Kurt herangetreteu. „Geh' zu ihr, Kurt," bat er eindringlich, „was auch zwischen euch stehen mag! Ich glaube, Lotte ist imstande, sich ein Leid anzutun, wenn du dich von ihr abwendest! Darum bezwinge dich! Versprich es mir! Und erfülle ihren Wunsch!" Einen Moment lang zauderte Kurt, dann aber besiegte« ihn die bittenden Augen. Mit festem Druck lag seine Rechte in der Hand deS Freundes. „Ich werde Lotte um die gewünschte Stunde zur Ver fügung stehen!" 19. Es regnete noch immer in Strömen, als Kurt gegen Ende der achten Stunde die Konditorei am Magdeburger Platz betrat. Ein süßlicher Geruch nach Bäckerwaren und nassen Regenschirmen hing feuchtdumps in dem kleinen, engen Lokal. Kurt nickte dem blassen Ladenfräulein mit flüchtigem Gruß zu und nahm dann sogleich den Weg nach dem alt gewohnten Hinterzimmer. Hier war es schon so finster, datz er im ersten Augen blick kaum die nächsten Gegenstände unterscheiden konnte: trotzdem lehnte er das Anerbieten der freundlichen, dicken Konditorfrau, Licht zu machen, vorläufig ab. Gerade das ungewisse Halbdunkel des kleinen Gemach» schien ihm seiner momentanen Stimmung am besten ange paßt: auf einmal fürchtete er sich fast, Lotte in Heller Be leuchtung entgegentreten zu müssen. So ließ er sich denn auf dem alten, zerrissenen Ecksofa nieder und bestellte sich eine Taffe Kaffee. Durch bas schmale hohe Fenster »eben dem Ofen gt»g der Blick auf «inen langen, engen Hof, auf dem bereit» eine einsame Laterne brannte. Ein weißlicher Lichtschein fiel schräg durch die trüben Scheiben und malte unruhige, krause Flecke auf die schmutzigen Dielen des ausgetretenen Fußboden». Jetzt wurde die Ladentür hastig aufg«stoßen und eine weibliche Gestalt erschien auf der Schwelle. Lotte! Ein paar Herzschläge lang standen sie sich stumm!, un- schlüssig gegenüber, al» sei mit de« Lagen -er Treummg eine unsichtbare Wand zwischen ihnen ausgewachsen. Dann aber neigt« sich Kurt zu dem Mädchen Hemd «e» küßte sie auf die windkühlen Lippe». Sie lieb ibn still aewäbreu in «ine» ntttten^ WGm
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)