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Beilage zam „Riesaer Tageblatt". lvaük und lSalag im, »aager t »tuterltch d, — Mk die RebaM« »«MnMUch: Herman» Schmidt >» Nias» H 1 Donnerstag, S. Januar IMS, Abend». SS. Jahrg. Beftellvugeu aus da» mit Ausnahme der Sonn« und Festtage täglich Abend» erscheinend« „Riesaer Tageblatt u. Anzeiger" für da» 1. Vlvrtoljnlu- MS werden »och von siimmtlichen Kaiserlichen Postanstalten (Zeitung?« Preisliste Nr. 630S), unserer Expedition und unseren AuSträgerv angenommen; in Strehla von Herrn Cigarrensabrikant W. Feind. Bezugspreis: SS Pf. pro Monat. — Luralgm» — finden durch da» „Riesaer Tageblatt", die im Bezirk Riese Vrrbrettetste Zeitung, weit« und vortheilhaste Verbreitung. »tef«. Die Geschäftsstelle. Neujahrsfeier am Kaiserhofe. Man berichtet uns aus Berlin: )-( Tie Neujahrsfeicr im königlichen Schloß lei teten friih um 8 Uhr die feierlichen Klänge des Chorals „Lobel den Herrn" ein, den das Tvompeterkorps des Garde-Kurassier-Regiments von der äußeren Galerie der SchloßlUPPel in das Frührvth eines milden Wintertages hineinblies. Während gleichzeitig die drei Schloß-Stan darten gehißt wurden, schritten die Spielleute der 2. Garde - Infanterie - Brigade aus Portal I heraus; ihre Querpfeifen und Trommeln mischten sich in die fromme Weise, bis die nachfolgende Kapelle des Gardc-Füsilicr- Regiments mit dem alten „Freut euch des Lebens" ein setzte. In bekanntem Schlendertempo bewegte sich das .„große Wecken" die Linden hinauf und zurück. Eine ge waltige Menschenmenge, zum Theil „noch", zum größeren .Theile „sck)on" auf den Beinen, begleitete die Musiker und vereinigte sich dann mit den Schaaren Derjenigen, die schon im Lustgarten und auf der Schloßbrücke Auf stellung genommen hatten, um die Anfahrt der Fürst lichkeiten und Hoswürdeuträger, der Minister, Bundes- -rathsbevollmächtigten und Generale zu beobachten; viel glänzende Gala- und Paradeuniformen bannte man be wundern, die Ehrenwachen der Gardes du Corps, der Leibgarde der Kaiserin, der Schloßgarde-Kompagnie in ihren alterthümlichen Trachten erregten zumal bei den zahlreichen Fremden lebhaftes Interesse. Um 91/2 Uhr trafen S. M. der Kaiser und I. M. die Kaiserin, der Kronprinz, Prinz Heinrich und die übrigen Mitglieder der kaiserlichen Familie, ivelche ein Sonderzug von Station Wildpark znm Potsdamer Bahnhof geführt hatte, im Schloß ein, auf ihrem Wege von der Menge herz lich begrüßt. Tie Allerhöchsten Herrschaften hatten für den Neujahrstag die Familientrauer abgelegt, kurz vor her war die Musik der Reveille wieder auf dem zweiter! Schloßhvf eingerückt, hatte hier den Choral „vtun danket alle Gott" gespielt und war dann mit dem „Preußen marsch" abgerückt. Im Schlosse nahmen die Majestäten zunächst die Glück wünsche der versammelten Prinzen und Prinzessinnen ent gegen und vollzogen dann im Rittersaal mit den« Kron prinzen und den anderen Prinzen und Prinzessinnen, dem Kriegsminister, der Generalität und den direkten Borge- setzten der beiden betheiligten Truppentheile den Akt der Fahnennagelung an den Fahnen des Pionier-Bataillons 21 und des Fußartilleric-Regiments 13. Um 10 Uhr begann in der Schloßkapelle der Gottes dienst. Ten Altar, neben welchem die Hofgeistlichkeit Platz genommen, umgaben hohe Blattpflauzen-Gruppen, die Ker- zenpyramiden der Kandelaber warfen ihren flimmern den» Schein auf die bunteu Mormorwände des alten Rundbaues, der sich bis in die Nischen hinein mit den zum Gottesdienst und zur Cour befohlenen Herren füllte. Rechts vom Altar nahmen der Reichskanzler, die stimmführenden Bevollmächtigten zum Bundesrath, die aktiven und inaktiven Minister, links die kommandirenden Generale und die Ritter des Schwarzen Adlerordens Platz. Ten Hauptraum besetzten die Prinzen aus souveränen und weisen fürstlichen Häusern, die Häupter der Fürst lichkeiten und ehemaligen reichsständischcn gräflichen Häu ser, die Generale, die Admirale, die Kommandeure der Leibregimcnter, die Präsidenten der Parlamente, die Wirklichen Geheimen Räthe und die Räthc 1. Kl. Tas Kaiserpaar erschien mit den Prinzen und dein Gefolge, während der Tomchor mit dem Psalm 98 einsetzte. Ter Kaiser, mit dem Marschallstabe in der Hand, führte die Kaiserin, der Kaiserin zur Seite ging die kleine Prin zessin Victoria Luise. Ter Kronprinz führte die Herzogin von Albany. Tas Kaiscrpaar nahm gegenüber dein Altar Platz. Hinter den Majestäten saßen die Prinzen des könig lichen Hauses, sowie der junge Herzog von Sachscn-Ko- burg-Gotha. Propst Faber predigte über das Wort Jo hannis': „Tas ist aber das ewige Leben, daß sie dich, der du allein der wahre Gott bist, und der du gesandt hast Jesum Christum, bekennen." Tic Gemeinde sag: „Nun danket alle Gott", dann folgte das niederländische Tankgebet und Chor- und Ge- meindegcsang, von schmetternden Pvsaunenfanfaren und Pankcnwirbcl des Kvßleckschen Bläserkvrps begleitet. An der Eingangsthür erschienen sodann die neuen Fahnen, von den Kommandeuren der beiden Truppentheile ge tragen. Sie machten zur Seite des Altars Halt, währssbd die Anwesenden sich erleben hatten. Ter evangelische Feldpropst Richter weihte die Feldzeichen: Pro gloria et patria in kürzer Weiherede. Dann schritt der Kaiser zum Altar vor und reichte sämmtlichen Geistlichen die Hand. Tas Bläserkorps ließ: „Wilhclmus von Nassau" ertönen, unter dessen Klängen der Zug der Mejestäten aus der Kapelle zum Weißen Saal hinüberschritt. Im Weißen Saal nahm das Kaiserpaar, die Prinzen und Prinzessinnen zu beiden Seiten, Aufstellung neben dem Thron. Gegen über dem Thron stand die Schlioßgardekompagnie, im Saale bildete das Pagenkorps Spalier. Als vom Lust garten der Neujahrssälut von 101 Kanonenschüssen er tönte, begann die Gratulationscvur. Hinter dem Ein führer des diplomatisck)en .Korps v. d. Knesebeck folgte der Reichskanzler, sodann die Bundesrathsbevollmäch- tigten, die Ritter des Schwarzen Adlerordens und die lange Reihe der übrigen Befohlenen. Ter Kaiser und die Kaiserin reichten dem Reichskanzler die Hand. Ter Kai ser zeichnete außerdem noch einzelne Herren durch Hand schlag aus, so v. Ballestrem, v. Manteuffel und v. Krö- cher. Mittags 12 Uhr empfing der Kaiser die Botschafter, die darauf von der Kaiserin empfangen wurden, sodann die Glückwünsche der kommandirenden Generale. Um 1 Uhr begab sich der Kaiser mit dem Kronprinzen und dem Prinzen Eitel Friedrich, gefolgt vom Haupt quartier, über den Lustgarten zur Paroleausgabe nach dein Zeughaus, von der dichtgedrängten Menschenmenge» mit lauten Hochrufen begrüßt. Ter Kaiser schritt dis Front der Ehrenkvmpagnie vom 2. Eisenbahnregiment ab und begab sich in den Lichthof, woselbst die körn«. mandirendcn Generale und die Offiziere der Garnison sich versammelt hatten. Tie Parole läutete: „Königsbergs Berlin". Ter Kaiser besichtigte im Zeughause aufgestellte chinesische Geschützrohre. Ein Vorbeimarsch der Ehrenkom« pagnie schloß die Paroleausgabe. An der folgenden Früh^ stückstafel nahmen theil der Kronprinz und die übrigen kaiserlichen Kinder, Prinz Heinrich, der Reichskanzler und die Majors v. Chelius und v. Bülow. Nachmittags fuhr der Kaiser bei den Botschaftern vor. Um 4 Uhr 5 Mim begab sich die kaiserliche Familie vom Potsdamer Bahn hof nach Wildpark. Im Neuen Palais fand Abends Fa milientafel statt. Tagesgeschichte. Mutfch- »-ich. )( Im Monat Januar werden in Berlin folgende Hof« festlich leiten stattfinden. Am 17 : Kapitel de» hohen Ordens vom Schwarzen Adler; am IS. Krönung»- und OrdenSsest; am 21.: Große Kur bei Ihren Majestäten für da» diplomatische Korp», für sämmtliche inländische Damen und für alle Herren vom Zivil; am 23.: Große Kur bei ihren Majestäten für alle Herren vom Militär; am 27.. Geburt-tagSsest Er. Majestät (Galaoper findet am letzteren Tage nicht statt). In Galizien dauert die Hetz« gegen Preußen an. I« einer der letzten Sitzungen drS galizischen Landtag» hat et» Fürst CzartorySki Namens der polnischen Abgeordneten eine Er klärung über die Vorgänge in Wreschrn abgegeben. „Diese Er« klärnng bedeutet zunächst", so schreibt dazu eine Berliner Zeitung halbamtlich, „eine unbefugte und ungehörige ausländische Ein mischung in innerdeutsche Verhältnisse. Die in der Erklärung gebrauchten maßlosen Wendungen kennzeichnen ebensosehr die völlige Unkenntlich der thatsächliche» Vorfälle wie die nationale Gehässigkeit, auS welcher jene Manifestation hervorgegangen ist. Die Bemerkungen de» Fürsten CzartorySki über die Einheit aller Pelen und die Nothwendtgkeit der Erweiterung drS national polnischen Bewußtseins weisen aus ein Ziel hin, daS ohne staat liche Umwälzung nicht zu erreichen ist. Keiner der betheiligten Regierungen wird eS angesichts solcher Kundgebungen verdacht werde» können, wenn sie die Schutzwehren ihrer Verwaltung gegen international« Agitationen so bedenklicher Art verstärkt. Wir vermögen eS uns nur au» einer Lücke in der Geschäfts ordnung des galizischen Landtags zu erklären, daß eine solche Demonstration ohne Widerspruch seitens der Regierungsorgane hat vor sich gehen können." — Dieser in möglichst wohlwollende Form gekleidete, nichtsdestoweniger aber sehr deutliche Vorwurf gegen die österreichische Regierung ist von dieser reichlich ver dient worden. So lange die Provinz Posen nicht der politische» Controle des galizischen Landtag» untersteht, kann die Duldung derartiger Demonstrationen seitens der amtlichen Stellen in Lem berg und Wien nicht gerade als eine bundeLsreundliche Haltung aufgefaßt werden. rr Die Berliner Blätter veröffentlichen anläßlich de» Jahres wechsels längere Artikel, die im Allgemeinen sehr pessimistisch geh'ä'n s'nd Neberall wOd be>Norgebnben, daß ein schwere» 1 seine weiten Besitzungen selbst und lebt wie ein Eremit; trinkt nicht einmal Sekt, auch mir setzt er nur gewöhn liches Moielblninchen vor." „Dann," erwiderte Else, „wird der nie in unsere Hei rat willigen. Ich werde ..." „So, willst Du den schönen Augenblick verderben!" grollte er. „Daß wir warten müssen, war Dir doch be kannt. Du kannst Dir doch denken, daß ich Dich gern au» Deinen Verhältnissen heran» hätte und sehnlichst den Zeit punkt erwarte. Wenn ich Dich ihm nur erst vorstelleu kalm.. die Verhältnisse gestatten dieSleiderjetztnoch nicht." „Und was, wenn er nicht einwilligt, wird au« mir?" „Ah bab! Der muß schließlich! Ich bin sein einziger Erbe, Schaden kann er mir nicht zufügen, die Güter sind Majorat. Na, und ewig kann der Eremit auch nicht leben." „Was für Reden! Wir warten doch nicht auf den Tod eine» Menschen!" „Na, da» nun wohl nicht, nur wünschen wir un» ein glückliches Leben. Und das haben wir, wenn der Alte ..." „Einil, psui!" unterbrach ihn Else. „Na, ich meine e» ja nicht so. Aber daun wirst Du Deinen Platz auSfüllen. Frau von Dorn auf Dornburg. Nicht wahr, da» macht sich I" Sie drückte seinen Arm, sagte aber nicht». Mit ihrem Geiste sog sie da» Bild, da» er ihr eben vorgezeichnet hatte, «in. Ja, hinanf! Fort au» der engen Sphäre, fort au» dem Gewimmel der Geschwister, fort au» der häus liche» Beschränktheit! Aber wann? Sie ließ seinen Arm los. „Mein Himmel, ich vergesse ja bei Dir alle»; ich muß heute abend noch im Konzert spielen. Der Vater will die Pieren noch mit mir durchgehen und eben hat e» sechs geschlagen." „Leb' wohl, mein Liebling! So sehe ich Dich heute abend noch einmal, aber wir sind un» dann fremd... schrecklich! Oder soll ich Dich da vor aller Welt küssen?" „Adieu, Gmil! Keine Unüberlegtheit und keine Unmög lichkeiten, sonst.. Ich glaube Dir auch da» mögliche nicht mehr" V1.1S Else Franke, so hieß das Mädchen, war die Tochter des Musikers Franke, der bei der Theaterkapelle seine Anstel lung hatte. Der junge MarSsohn beugte sich an einer solche» Stelle zu ihr nieder und küßte ihre frische» Lippen. „Liebes Mäd- cheu," flüsterte er. „Zwei oder gar schon drei Tage, man vergeht ja vor Sehnsucht!" Er hatte blitzende Ange», ein flottes Schnurrbärtcheu und weiche Lippen. Sein Gesicht, wohl hübsch, war doch noch mit einer gewissen Unreife behaftet, etwas Vertrauenerweckende« lag noch nicht iu seiner Erscheinung Aber so etwas wird ja auch nicht von einer Siebeuzehnjährigeu beansprucht, und ein dreiund zwanzigjähriger Leutnant kann eS nicht immer besitzen. Aber schlanke Taille, sprudelnder Witz, frohe Laune waren vorhanden. Und wenn zu diesen schönen Eigenschaften noch das Wörtchen „von" hinzuzufügen ist, so hat ein jugend- licheS Mädchenherz übergenug. „Ja, dieses heimliche Gethue," flüsterte sie, „eS ist schrecklich! Weiht Du, Emil, wenn ich Dich nicht so sehr, sehr lieb hätte, und Dir nicht so unbegrenzte» Vertrauen entgegenbrächte ..." „Keine sentimentalen Erwägungen und trüben Gedan ken," sagte er, zärtlich seinen Arm um ihre Taille legend. „Und nun gar in dieser flüchtigen Minute. Sieh, ich könnte annehmen, Du habest mich nicht so lieb al» ich Dich. Ich kann an nichts denken, al» nur an Dich." Leidenschaftlich preßte er sie an sich. „Und doch müssen wir die Vernunft zu Rate ziehen, Emil," erwiderte sie fest. „Wann willst Du mit Deinem Oheim reden?" „Ostern, gewiß!" lachte er. „Du weißt e» doch! Wenn ich Ostern meinen üblichen Besuch auf Hau» Dornburg mache, rücke ich dem Alten aus den Pelz; der muß ein willigen, thut'S auch, wenn er Dein Bild sieht, da» doch nur eine platte Lüge Deiner reizenden Wirklichkeit ist. Wenn nur der alte Junggeselle nicht so schrecklich zuge knöpft wäre. Dieser alte Monarch keimt gar keinen Le bensgenuß, nur Arbeit. Er führt die Oberleitung über Gvalöchler. Roman von Fr. Ferd. Tamboriui. (Nachdruck nicht gestattet.) Welch ein abscheuliches Wetter! Schnee mit Regen, oder Regen mit Schnee vermischt, auf den Straße» einen Morast verbreitend, nnd mm schon de» ganzen Tag. Da- bei trieb der Wind ein Wesen, als wollte er die wenigen Paffanten der Straße hinwegfegen. Es dunkelte bereits. Ein allerliebster Backfisch kämpfte gegen dieses Trei ben an. Ein wirklich schönes Gesicht blickte unter dem pelzbesetzten Hütchen hervor und das eng anliegende Jäck chen zeigte einen tadellosen Wuchs. Die Jacke war aller dings schon abgetragen und hatte eine unmoderne Fa;on, aber da» fiel gar nicht so sehr auf, da die Trägerin eine durchaus sympathische Erscheinung war. An der nächsten Ecke faßte der Wind die zierliche Ge stalt mit erneuter Gewalt; sie blieb einen Moment stehen und griff schnell nach dem Hute, der eine ganz entschiedene Absicht verriet, sich von dem Lockenkopfe zu entfernen. Da erschien auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine in einen Mantel gehüllte schlanke Männergestalt. Grauer Mantel mit blanken Knöpfen, rot geränderte Mütze. Das wurde durch da» Schneetreiben erst nach und nach sichtbar. Und jetzt stand er baff vor Ihr. „Hn, wie hast Du mich erschreckt, Emil l" sagte sie lä chelnd. „Hast Du denn hier .. „Gewiß, «nein Herz," erwiderte er warm. „Glaubtest Du denn, ich würde nicht kommen?" „Bei den» Hundewetter!" „Für einen Soldaten gar nicht»! Und so ein süße», zarte» Geschöpf, wie Du, streicht ja auch durch da» Wet- ter!" Er zog ihren Ann durch den seinen und führte sie weiter. Eine kleine Querstraße, man war auf der Prome nade; die jetzt fast menschenleeren Anlagen wurden von einigen Laternen spärlich beleuchtet, und an einzelnen dunklen Stellen hatte man nicht zu befürchten, von einem vorübergehenden erkannt zu werden.