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kommen Leute- und da Sie sowohl wie ich! in Dresden bekannt sind, könnte unsere Unterhaltung auffallen. Ich gehe vorauf.. ." Maltzahn folgte. Der Mte ging- wie er gesagt hatte, die Elbe entlang. Als man ins Freie und an die Felder kam und keinen Späher zu befürchten hatte, schritt man gemächlich nebeneinander her. Ter Alte sprach im Flüsterton, Maltzahn lauschte mit gespanntester Aufmerksamkeit. Dabei schritt man aus den schmalen Feldwegen auf und ab. In der Ferne hörte man die Kirchturmuhren schlagen. Neun Uhr! — Zehn Uhr! Die beiden Männer dachten nicht an den Abschied. Maltzahn sagte: -,Jch möchte gern Einblick in die Papiere haben, denk' Er ein wenig nach, ob das nicht zu bewerkstelligen ist. Die Sache wäre für mich von größten Wichtigkeit..." „Tas dürste allerdings unmöglich sein, Herr Baron," entgegnete Menzel. „Tie Mten sind vierwahrt und wohl verschlossen." „Und Er hat die Dokumente gesehen? Tas ist sicher?" „Sanz sicher. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen," erwiderte der Gefragte. -.Eines Tages ließ sich der Herr Minister aus dem Archiv schrank ein bestimmtes Dokument hervorsuchen. Ta ich es in dem einen Fache nicht finden konnte- suchte ich in verschiedenen anderen. Bei dieser Gelegenheit sind mir die Akten über das österreichisch-französische Bündnis, dem Seine Majestät unser gnädiger Herr beigetreten ist, in die Hände gefallen. Der Wortlaut ist mir ungefähr im Gedächtnisse geblieben, und sehen Sie, den habe ich in stillen Nachtstunden niederge schrieben, dem Papier anvertraut. Ich meinte, die Sache könnte mir einst von Vorteil sein." Damit griff Menzel in die Brusttasche, in der eine Papierrolle verborgen war. Er zog sie hervor und sagte: „Tiiese birgt mein« Notizen und steht zu ihrer Verfügung, Herr Baron." Maltzahn blickte dem Alten prüfend in die Augen. „Menzel," sagte er, „Sein Geheimnis ist mir viel, unendlich viel wert, lleberreich will ich Ihn dafür be lohnen. Selbstverständlich kann Er nicht länger im Dienste bleiben mG> in Dresden wohnen. Sorg' Er sich nicht. Ich werde Ihn mit Geldmitteln versehen, so daß Er. in der Lage ist, ein behagliches Leben zu führen. Aber — aber —", Der Gesandte suchte ver geblich nach Worten. Menzel schien auch das Unausgesprochene zu verstehen. Er blickte dem Baron fest in die Augen. „Sie sind erstaunt, weshalb ich Ihnen dies Geheim nis verrate, oder gerade heraus, weshalb ich zum Ver räter werde? Tas ist eine lange Geschichte. Wenn Sie wollen, wUl ich sie Ihnen erzählen, und dann werden Sie mich vielleicht verstehen .. ." Er Men eine Antwort von Maltzahn zu erwarten- doch als er schwieg, fuhr er fort: „Man hat mein Kind unglücklich gemack.it, hat es in die Schande getrieben und mich des einzigen Schatzes beraubt, den mein Leben besaß. Darum will ich mich »ächen. . . mich rächen " Tas sprach er hastig, atemlos, überwältigt Von seinen eigenen Gefühlen. , Wieder machte er eine Pause, ehe er sich so weit gefaßt hatte, um zähneknirschend hinzuzufügen: „Ich will mich rächen dafür, daß man mir mein Kind ge nommen hat. Begreifen Sie?" Ta entsann sich Maltzahn jenes Sommerabends in der Lößnitz, wo der Graf Brüh! seiner Tochter er zählt, ihrer Mutter sei der' Aufenthalt in Karlsbad durch eine unangenehme Episode «erleidet werden deren Kammerjungfer habe sich Plötzlich das Leben genommen. Und dann dachte er an die Begegnung mit dem Kanzleisekretär Menzel im Brühlschen Garten eine Begegnung- die die Gräfin ägriert und echauffiert hatte. Es war ihm- als blicke er hinter die Kulissen eines Familiendramas. ' Da begann Menzel selbst davon zu erzählen. Es war eine alltägliche Geschichte, allein Maltzahn berührte sie doch eigen. Menzel war ein einfacher Mann, der in seinem Aeußeren das Trocken-Bureau mäßige durchaus nicht angenehm zum Ausdruck brachte- üllein sowie er von seinem Kinde sprach, war es, als öffneten sich Quellen, die verborgenes Gold aus seinem Inneren zutage brachten. Ergreifend war es- wie er davon erzählte. Er schilderte, welch liebes, gutes und schönies Kind seine Tochter gewesen sei, seine einzige Freude. Ta sei sie,- unglücklicherweise, durch einen besonderen Zufall der Gräfin Brühl vorgestellt worden. Diese sei ganz ent zückt von ihr gewesen und habe ihn — den Kanzlei sekretär — förmlich gezwungen, ihr die Tochter, halb als Gesellschafterin- halb als Dienerin ins Schloß zu schicken. -,Jch hatte keine rechte Lust dazu, mein Annchen fortzugeben," gestand der Mte- „allein ich konnte und durfte der Gräfin nicht entgegen sein. Der Graf hätte mich ja ohne weiteres meiner Stellung entheben können. Außerdem- uni-, das war die Hauptsache bestürmte mich die Kleine mit Bitten, sie frei zu geben. Unser Leben floß füll dahin. Sie aber wollte sich ihriep Jugend freuen und besprach sich goldene Berge von dem Leben im Vornehmen Hause. Ich ließ sie also ziehen, nachdem mir die Gräfin versprochen, wie eine Mutter über mein Kind zu wachen. Schlecht hat sie ihr Versprechen gehalten- und darum- darum," das. zischte der Mte förmlich zwischen den Zähnen hervor, „will ich mich an dem Brühlscken Hause rächen, so gut ich kann. Und ich kann niW anders, als indem ich dieses Geheimnis verrate. Tjer Beitritt Sachsens zum österreichisch-französischen Bündnis ist Brühls Werk. Wenn man in Preußen erfährt, was ich weih- wird die ganze Brühlsche Herrlichkeit wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Darauf warte ich Denn dann will ich lachen und mich freuen." Und er lachte schrill und häßlich auf. Den Dod seiner Tochter berührte Menzel nur mit wenigs» Worten. -,Der Schuft von Oesterreicher hat sie im Stiche ge lassen," erzählte er und fügte hinzu- „ich meine den österreichischen Lakaien- der eine Zeitlang im Hause des Herrn Grafen weilte- und der jetzt im königlichen Dienste steht. Der hat ihr die Che Versprochen und.. - und sein Wort nicht gehalten. Da har sie sich vor mir,- ihrem alten Vater gefürchtet. Darum hat sie nicht nach Dresden zurückkommcn und mir unter die Augen treten wollen. Lieber- viel lieber Wetz sie freiwillig aus dem Leben. .Armes Kind!" (Fortsetzung folgt.) Lenk- und Etuvsprüche. Ein Kranz ist gar viel leichter zu binden, Al» rin ihm würdig Haupt zu finden. Goethe. Ueber «in Ding wird viel geplaudert Mel beraten und lange gezaudert. Und endlich gibt «in böse» „Muß" Der Sach« widrig den Beschluß. Goethe, Zum Mitleidrn gab di« Natur vielen ein Talent, zur Mitfreude wenigen. Kiedrich Hebbel. Wirf leinen Stein in da» Wasser, au» welchem du trinkst. Wer sich um Weisheit müht und nicht anwendet di« Weisheit, Gleicht dem Manne, der pflügt, aber zu sä«« vergißt. Herder. Klug zu reden ist ost schwer, Klug zu schweigen ost noch mehr. Druck und Berlaa von Lanaer t Winterlich, Riesa. — Ur Li« Redaktion verantwortlich: Arthur Hähnel, Riesa. Erzähler an der Elbe. Bellet». Gratisbeilage znm „Riesaer Tageblatt". 31. «««. X» L. «»,»« 1,tl 34. Wetterwolke«. Roman von M. v. Buch. Fortsetzung. Der Fußpfad, der zu der Höhe des Häuschens hinauf führte, lag still und verlassen da. Bon welcher Seite wür den die Herren erscheinen? Würden sie mit dem Schiffe kommen, oder hatten sie einen Wagen benutzt? Träumerisch schaute Beate den sonnenbeschienenen Fußpfad hinab. In der Ferne klang Bienengesumm. Hin und wieder rührte sich ein Lüstchen, und dann rauschten die Zweige der Buchen. Im Haselnußgesträuch klettert« ein Eichhörnchen, schwang sich dann auf eine Birke und äugte mit blanken Auge« hinab. Sie sah ihm zu. Als sie aber eine unwillkürliche Bewegung machte, bekam es einen Schreck und sprang auf einen Tannenwipfel, wo es verschwand. Run flatterte etwas Dunkles am Boden. Es war eine Amsel, die durch das Gebüsch huschte. Noch war tete Beate vergeblich auf das Geräusch von Fußtritten. Von der Enttäuschung be.^m sie schließlich blasse Wan gen. Wie hatte sie sich auf den Besuch gefreut, und nun war alles umsonst gewesen! Doch halt- da kam jemand. Sie hörte Schritte, und hinter den Baumstämmen sah sie etwas Buntes schimmern. Richtig, das war der Rock eines Kavaliers, Und nun tauchte dessen Träger auf. Das war nicht die kleine- behäbige, untersetzte Gestalt Sr. Exzellenz das war ein junger kraftvoller Mann, das war er — Baron Maltzahn. Schon von toeitem lüstete er den Hut. -,Verzeihung , meine Gnädigste, wir haben warten küssen!" rief er. Beate war ihm entgegengegangen und hatte ihm die Hand gereicht, die er für einen Moment an seiws Lippen zog. -Sa, Sie haben mich Warten lassen", lächelte sie. Und, den Fußpfad hinabschauend, fragte sie, „wo ist mein Vater? Kommt er nicht mit?" -,Exzellenz wollten sich später einfiuden, sie habe» in letzter Stunde durch Se. Majestät Abhaltung ge habt. Ich habe wohl eine Stunde auf den Herrn Grafen gewartet- dann ließ er mir durch einen Diener sagen, ich möchte vvrausreiten. Sie, Komtesse, könnten mög licherweise durch das lange Ausbleiben beunruhigt wer den. Nun, und da bin ich." -,Und herzlich willkommen!" rief die junge Gräfin. »-Mein Vater hatte ganz! recht, ich hätte mich gesorA, Mären die Herren so ohne weiteres ausgeblieben." -,Wußten Sie, daß ich kam?'' erkundigte sich WaHähn. -.Nein- eigentlich nicht- mein Vater ließ mir nur fügen- daß ein Gast ihn begleiten würde- aber ich schloß sofort auf Sie." Man begab sich ins Dechäuschen. Beate bot dem Vast «inen Imbiß an, allein, da dieser dankte, ging -mm wieder inS Freie- den schönen Sommerabend Ku genießen. Man schlenderte ein wenig umher und setzte sich schließlich auf! ein Bänkchen von Birkenholz, das in der Nähe des! Hauses angebracht war. Man plauderte auch, allein schließlich fing doch den beiden jungen Leu ten dieses Dete-a-ikte an- ein wenig fleinlich zu werden. Besonders empfand dies Maltzahn. - Er ahnte- daß Gräf Brühl dieses Beisammensein Mik Absicht herbeigeführt habe; er glaube nicht an sttn« Arithltz Abhaltung durch den König. Es war klar, daß der Herr Minister mit aller Macht den preu ßischen Gesandten durch zarte Bande an sein Hau» z» fesseln, ihn durch LiebeSgcdanken gewissermaßen von der Arbeit abzulenken suchte. Und wieder sagte sich Maltzahn, daß es in den diplomatischen Geheimarchiven etwas gab, das ihm verborgen bleiben sollte. Aus diesen Grübeleien entriß ihn die junge Gräfin. Beate fragte nämlich: „Werden Sie den ganzen Sommer in Dresden bleiben? Sich nicht ein bißchen Erholung gönnen?" Maltzahn blickte auf. Sein strenges Gesicht er hellte sich. -.Erholung, Gnädigste?" fragte er, seine kraftvolle Gestalt höher reckend, „die, glücklicherweise, brauche ich nicht Sollten es jedoch Zeit und Verhältnisse gestatten, würde ich gern um Urlaub einkommen, den ich in der Heimat zubringen würde, um Verwandte und Freunde wiederzusehen. Unsereiner ist zu sehr gebunden, und am politischen Himmel stehen Wolken, die mit allerhand Zündstoff gefüllt sind." -,Wo ist eigentlich Ihre Heimat?" erkundigte sich Beate interessiert. „Ich bin in Potsdam geboren", entgegnete Maltzahn, -,also betrachte ich die Haoelstadt als meine eigentliche Heimat. Mein Vater hatte als preußischer Kriegs- und Domänenrat seinen Wohnsitz allerdings sn Voclin, allein da der König in Potsdam residierte, kam es, daß meine Eltern für die Sommermonäte ihren Haushalt »ach Potsdam verlegten. Die schönsten Erinnerungen »»einer Kindheit knüpfen sich an die herrliche«, schattigen Gär ten dort und an die blaue Havel, in der wir Kinder nach Herzenslust schwammen oder auf kleinen Boote» ruderten. Ach und wie herrlich war eS, wenn wir später als Heranwachsende Knaben dem König, — unserem Könige, Komtesse, —> begegneten, wenn »vir den Hut schmaben und ihn begrüßen dursten! Noch jetzt ist e» mir ost) als sähe ich ihn vor mir, als fühlte ich seine große», blauen, herrliche« Auge« auf mir ruhen, und al» ver nähme ich seine Stimme, als er mir eines Lage» — es war kurz, bevor ich die Universität beziehen sollte," schaltete Maltzahn ein, — -.nach einer keinen Unter haltung allerlei goldene Ermahnungen gab und schließ lich sagte: -HSeÄe ei« tüchtiger Manu, «ein Junge, so einer, den ich gebrauchen und auf den einst sei» Vaterland mit Bewunderung blicke» kann." Ach nnd wie stolz bin ich, daß er mich gchrauche» nnd ich ihm dienen kann! Einem Manne, wie ihm, — eine« Großen, —, dienen, ist Wohltat, Komtesse, glaube» Sie mir!" Beate blickte in MaltzahnS leuchtende Auge«. -,Sie spreche« ja ganz verzückt/' meinte sie. -,DaS passiert mir inaner, sobald ich an ihn denke." -,So bitte, erzählen Sie mir «och mehr von ihm" -,Sie sollten ihm kennen lerne», ich glaube- Eie wurden sich auch für ihn begeistern," rief der junge Mann. »Ich glaube nicht," meinte sie ruhig, -Henn, NM offen zu fein, ich habe eine gewisse Abneigung gegen! ihn. Diese Abneigung ist freilich rein persönlich - nnd die Ursache ist meine Kränklichkeit." -,WaS," stotterte Maltzahn, -Ähre Kränklichkeit?" -Za," sagte sie, währeUd ei« trauriges Lächeln über ihr Gesicht huschte- r^S ist so. Da«a», e» ist stettich