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Riesaer Z Tageblatt Dienstag, 14. Januar 18W, Abends. 49. Jahr«. und Anzeiger MM« md Anzeiger). Telegramm-Adresse m 4 aL 6 4 4 Femsprrchstellr „Tageblatt", Riesa. AH, AHß, H, N L' U- A L- Nr. 20. der König!. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. 10 Da» Riesaer Tageblatt erscheint jede» Ta, Abend« mtt Ausnahme der Sonn» und Festtag«. Vierteljährlicher vez»g»pr«i» bet Abholung m den Expedittonen in Riesa und Strehla oder durch unsere Träger sret in» Hau« 1 Mark 80 Pf.» bei Abholung am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 28 Ps., durch den Briefträger frei in« Hau» 1 Mark S5 Pf. Aazetgea-Anaahme für di« Rum« er de» Ausgabetage» bi« Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Rieia. — Geschäftsstelle: Kastantenstraße 89. — Für dir Redactton verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. Die Bekanntmachung vom 8. d M., die Firma H. W. Seuria in Riesa betr., wird da hin berichtigt, daß der neue Mitinhaber Heinrich» Wilhelm Gearig heißt. Riesa, am 13. Januar 1896. Königliches Amtsgericht. Heldner. Brehm. ««zeige« für das „Riesaer Lageblatt" erbitten uns spätestens bi» Vormittags v Uhr des jeweiligen Ausgabetages. Die Geschäftsstelle. Die deutsche Flotte. Die englische Aufregung wegen des Telegramms unser- Kaisers an den Präsidenten des Transvaalstaates stellt die deutsche Nation wieder t'nmal vor die Frage, ob die mari time Wchrkrasr unserS Vaterlandes ausreicht, um die wich« tigen Interessen des deutschen Handels und der deutschen Kolonien bei einem Kriege mir einer Seemacht sicher zu stellen. Ist auch für den Augenblick an keine kriegerische Verwicklung mit England zu denken, so kann doch einmal ganz unerwartet die Nothwendigkeir einer wirksamen Vcr- thcidigung unserer überseeischen Interessen an uns heran- treten. Sind wir dazu im Stande? Wie würbe sich die Sache z. B. stellen, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika uns einmal aus irgend einem Grunde zu einer unabwrisUchen kriegerischen AuLcinaader-etzung drängten? Die Wahrscheinlichkeit, daß Deutschland in einem solchen Falle immer des Beistandes einer europäischen Seemacht sicher ist, durfte nicht über jeden Zweifel gestellt sein. Steht ober die deutsche maritime Wehrkraft wuklich auf der Hohe ihrer Ausgabe, so daß das Reich allein seine Interessen als Groß macht angemessen wahrzunehmen vermag? Dir Sünden des R-ichetags treten hier recht deutlich zu Tage. Für unsere Reichs Vertreter ist es stets ein unan- anlastbares Dog:na gcwesen, daß die deutsche Flotte nur zur Berthcidigung unserer Seestädte und Küsten dienen soll. Ihrem Range nach strbt sie daher hinter den meisten euro päischen Staaten zurück. Sie enchält ein vorzügliches Ma terial, tüchtige Offiziere und wohldisziplinirte Matrose«. Aber über ihre engste Ausgaoe der Küstenvenheidigung reicht sie in einem Seekriege nicht hinaus. Es ist einfach ausge schlossen, daß Deutschland in solchem Falle auch nur die Eu- ropa bespülenden Meere beherrschte. Der ganze deutsche überseeische Handel würbe bidingungslos dem Ruin vreiS- gegebe» jein, sobal) wir mit Staaten zu kämpfen hätten, welche das private Eigcruhun» auf hoher See nicht r^spekliren. Andere Staaten h ben sich besondere Kreuzer flotten zu gelegt, eie nur zum Scduye brs eigenen und zur Schädigung des iremden Handels b.stiwmt sind. Deutschland verfügt nur über wenige Schiffe, welche den gleichen Zwecken dienen konnten. Andere Staaten haben sich in der Handelsmarine vorzügliche Reservestreilkräfte für den Kreuzerdieust geschaffen. Rußland zum Beispiel verwendet schon «m Friede, große Summen auf die Unterhaltung einer freiwilligen Kreuzcr- flotie. Die Schiffe derselben sichren im Frieden die Handels flagge und leisten Dienste, wie gewöhnliche Handelsdampfer. Aber sie unterslcheu derselben Dienstorbnung, wie die Schiffe der Kriegsmarine, haben mindestens zwei Marineoffiziere an Bors, eine entsprechende Geschützausrüstung und können beim Ausbruch eines Krieges ohne Weitere« als Kriegsschiffe zum Kreuzerdienst benutzt werden. England, Frankreich und Nordamerika subv-nlionrren zu demselben Zweck emzelne Handelsd««pfergesellschasien. Und Deutschland? Er hat in dieser Hinsicht keine ge uügende Fürsorge getroffen. Wir bedürfen einer umfassenden Vermehrung unserer Schifft. Dazu mahnt der Zwischenfall mir England dringend. — r. Deutsche- Metch. Die „Verl. Korr." »ringt eine« Artike. über den 18. Januar, der den Höhepunkt aller der EriuaernngSseiern »arstcllcn wir», mit denen dir Kaiser, die Fürsten, das Heer und da« Volk dankbar jener Zeit der großen Siege gedenken, deren köstlichste und bleibende Frucht die Neubegründung des Deutschen Reiche» gewesen ist. „Mit einmüthiger Begeisterung", so hecht «» dann, „wird ganz Deutschland die Lrinnerung«feier am 18. Januar begehen, ihren Mittelpunkt wir» die allgemeine DolkSfeier in »em Feste finde«, daß Se. Majestät der Kaiser Wilhelm H. im Berliner Königsschlosse veranstaltet. Z» diese« Feste will der «arser vor Allem bie noch lebenden Staatsmänner um sich versammeln, die .an den. großen Werke «ltgewrrkt hab.n. Es war sein besonderer Wunsch, daß der Kürst Bismarck, als der hervorragendste unter ihnen, bei der Feier nicht ganz fehlen wöge. Leiv" gestattet dem Fürsten Bismarck sein Gesundh - »zustand nicht, der Einladung seines kaiser lichen Herrn >Vol'e zu leisten; er hat deshalb gebeten, ihn zu ntschnldig n. Wie aber Fürst Bismarck gewiß im Geiste an der Feier Am heil nehmen wird, so wird auch des ersten Kanzlers de« Reiches und seiner Verdienste um das Reich dankbar gedacht werden." Es folgt dann bas Programm der Feier am Vormittag, die mit Gottesdienst beginnt und ' dann im Weißen Saale in der Art erfolgt, wie bei Eröff- l nungcn des Reichstages. Die Kaiserin Friedrich, die Kaiserin Augusta Viktoria, sowie die Prinzessinnen und fürstlichen Damen wohnen ihr auf Tribünen bei. Der Kaiser verliest eine Thronrede. Für die Festtheilnehmcr wi o eine Denk münze ausgeprägt werden, die auf der Vorderseite da« Bild- niß des alten Kaisers/ aus der Rückseite die Kaiserkrone von einem Lorbeerkranze umgeben zeigt. In gleicher Weise war bekanntlich auch für die Theilnehmer an dem Kaisermahlr-i an der Holtcnauer Schleuse ein bleibendes Erinnerungszerchcn ! geschaffen worden. s Von Herrn Bigelows letztem Aufenthalt in Berlin will ein dortige» Lokalblatt Folgendes wissen: Die Erkaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kaiser und Herrn Bigelow datirt bereits von den Kieler Festtagen her, zu denen Herr Bigelow als geladener Gast des Kaisers g-- kommen war. Bemerkungen, welche im vertraulichen G> spräche über Personen des Hoses gefallen waren, hat Herr Bigelow spä-er journalistisch verwendet, was ihm vom Kaiser mit Recht sehr stark verübelt wurde. Als Herr Bigelow nach seiner Ankunft in Berlin um eine Audienz in Potsdam nachsuchte, wurde ihm diese in bestimmter Weise verweigert, j und es ist anzunchmen, daß der preußische Hof dem Amerikaner für alle ferneren Zeiten verschlossen bleiben wird. Räthsel- > haft aber muß es erscheinen, daß Herr Bigelow es angesichts des völligen Mißlingens seiner Mission für gut befunden hat, kurz vor seiner Abreise von Berlin die folgende Depesche an das Departement der Versicherungs-Gesellschaften vom ! Staate New-Kork zu senden: „Preußische Regierung verspricht volle und ums. ssende Wiedereröffnung des Falles, mit jeder Aussicht auf Erfolg. Kehre nächste Woche zurück!" Durch diese Depesche wollte Herr Bigelow wahrscheinlich seine i amerikanischen Freunde über seinen Mißerfolg Hinwegtäuschen. ' Der „L.-A." schreibt: Prinz und Prinzessin Friedrich Leopold rüsten sich zur Abreise nach dem Süden, um dort längeren Aufenthalt zu nehmen, nachdem jetzt dem Prinzen ein einjähriger Urlaub bewilligt worden sein soll. Prinz Friedrich Leopold ist Kommandeur der 4. Garde Jnkanrerie- Brigade. Das letzte Mal kommandirte er die Brigade auf der Herbstparade des GardckorpS auf dem Tempelhofer Felde am 2. September 1895. Bei den Festlichkeiten der Garde- regimenter anläßlich der fünfundzwanzigsten Wiederkehr der Schlachttage von 1870/71 wurde der Prinz nie bemerkt. ES utüssen die Keime der Verstimmung zwischen dem obersten Kriegsherrn, seine« Königliche» Schwager und Vetter, also wohl schon damals vorhanden gewesen sein. Der Unfall der Prinzessin auf dem Eise hat sie dann völlig zum Ausbruch kommen lassen. Daß die Verstimmung früheren Datums sein dürfte, dafür spricht auch der Umstand, daß Prinz und Prinzessin Friedrich Leopold auf der diesjährigen Hubertus jagd am 5. November 1895, au welcher das Paar sonst stets theilzunehme« Pflegte, nicht anwesend waren. Schon »amal« circulirten allerhand uncontrolirbare Gerüchte. Wie wir höre», ist eine anderweitige Besetzung des Kommandos der 4. Garde-Infanterie-Brigade in Aussicht genommen. Ob die Besetzung eine definitive sein wird, muß abgewartet «erden. Rom Reichstag. Der Reichstag setzte gestern die erste Lesung »es Margarinegesetze« fort. Abg. Weiß (freis. Bolksp.) führte au«, es handle sich bei de« Entwurf lediglich um eine Konzession der Regierung an die Agrarier, seine Partei stehe deshalb dem Gesetz im Wesentlichen ablehnend gegenüber. Man sollte es al« ein Glück erachten, daß e» der j Wissenschaft gelungen sei, »in Volksnahrung-mittel von der Güte zu schaffen, wie es die Margarine sei. Der preußische LandwirthschaftSminister Frhr. v. Hammer st ein betonte, allerdings müsse auch die Margarine al« berechtigtes Nah rungsmittel anerkannt werden, und cS sei nur nothwendig, die unreelle Konkurrenz der Margarine gegen die gute Butter zu verhindern; zu diesem Zweck müsse das Gesetz so ange- nommen werden, wie es vorlieze. Das gehe aus dem Bei spiel ,Dänemarks hervor, das ein ähnliches Gesetz habe. Dänemark habe uns in der Butterausfuhr nach England überflügelt, weil es die Gewähr übernehme, daß keine durch Margarine verfälschte Butter zur Ausfuhr komme. Unsere jetzige G. etzgebung habe deshalb keine Wirkung gehabt, weil sie keine durchgreifende Kontrolle ermögliche. Der vorlie gende Entwurf könne demnach nur dann die erhoffte Wirk sam!.« ausüben, wenn die erforderlichen Maßnahmen gelrof- fen würden, um die Durchführung des Gesetzes zu sichern. Der Redner sprach sich ferner für Erhöhung des Zolles au? Oleomargarin und sür das gänzliche Verbot des Maegirine- läses aus. Abg Höffel (Reichsp.) trat für die Vorlage ein, befürwortete jedoch noch eine Verschärfung der Kontrol« maßregeln. Abg. Harm (Soc.) bemerkre, der Entwurf sei nur deshalb eingebracht worden, weil das Gesetz von 1887 die Erwartungen der Agrarier nicht erfüllt habe. Wenn es auch schlechte Margarine gebe, so dürfe man nicht vergessen, daß auch schlechte Butter producirt weroe. Die Kontrolle zur Nachtzeit müsse als frivol beze.chi-t werden. Staats minister o. Bötticher hob hervor, da; das Gesetz höchstens bei den Butterfälschern Unzufriedenheit erregen werde, da es bestimmt sei, der fraudulösen Konkurrenz encgegenzuarveile», was mit dem Gesetz von 1887 nicht zu erreichen gewesen sei. DaS vorliegende Gesetz werde nicht auf Kosten des ar beitenden Volkes ins Leben gerufen, und die Kontrolmaßre- geln würden das Volk vor g sundheitsschädlicher Margarine sabrikation schützen. Der von dem Abg. Harms gebrauchte Ausdruck frivol sei wohl parlamentarisch unzuläffiz. Vice- Präsident Schmidt-Elberfeld verwahrte sich geg u die letz tere Bemerkung, die eine Kritik des Präsidiums enthalte. Staatsminister o Bötticher erwiderte, es läge ihm sioe Einmilchunz in die Geschäfte des Präsidium; fern, er habe nur dasselbe R.cyt der Kritik ausgeüvt, wie es jedem Mit glied des Hauses zustehe. Abg. v. Ploetz (kons.) sprach sein Bedauern darüber aus, daß das G.setz so spät einzebracht sei; vielleicht wäre es auch jetzt noch nicht da, wenn der Bund der Landwirthe nicht so entschieden dafür eingetreten wäre; leider seien aber dessen Wünsche in dem Entwurf nicht genügend berücksichtigt. Der preußische LandwirlhschaflSminister Frhr. v. Hammerstein wies dre Behauptung zurück, als ob die Regierung nur wegen der Agitation des Bundes der Landwirthe den Entwurf eingebracht hätte. Man wolle mit dieser Behauptung im Lande den Glauben erwecken, daß dir Regierung helfen rönne, aber nicht helfen wolle und es zu ihre« Vorgehen erst des Druckes einer agitatorischen Partei bedurft hätte. Die Regierung sei sich ihrer Pflicht vollkom men bewußt und thue ihre Pflicht, ohne daß e« eines Druckes durch den Bund der Landwirthe bedürfte. Vice-Präsidenc Schmidt stell:« aus dem Stenogramm fest, daß der Abg. Harms (Soc.) den Ausdruck frivol in der That auf den Re gierungsentwurf angewandt habe; dieser Ausdruck sei unzu lässig und verletze die Ordnung de« Hause«. Abg. Herbert (Soc.) bekämpfte das Gesetz, das den ärmeren Bevölkerungs klassen ein Nahrungsmittel vertheuere und nur eine Gefällig keit sür die rechte Seite des Hause« bedeute. Abg. Rettich (kons.) befürwortete eine Verschärfung der Vortage. Der preußische Landwirthschaftsminifter Frhr. v. Hammer stein bezeichnete die Behauptung, daß die Regierung den Entwurf lediglich zu Gunsten der Agrarier eingebracht habe, als un richtig und jeder thatsächlichcn Begründung entbehrend. Da rauf wurde die Vorlage einer Kommission von 14 Mitglie dern überwiesen. Es folgte die erste Lesung der Juftizno- velle. Abg. Günther (natl.) bedauerte, daß sie verbün deten Regierungen bei der neuen Feststellung des Entwur's keine entscheidenoe Rücksicht auf die Beschlüsse der vorjährige u Kommission des Reichstags genommen Härten, und beantragte die Uebcrweisung der Vorlage an eine Kommission von 2t Mitgliedern. «Staatssekretär Nieberding führte aus, daß