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TnS Kind hat am Spiele stets Lust, und sowie man eine Uebung der Sprechmuskulatur in Form eines Spieles dem Kinde bieten kann, so hat man die Aufgabe, die gestellt wurde, die Muskelgeschicklichkeit zu erhöhen, bereits erfüllt. Man soll ferner mit der Uebung der Sprechmuskulatur nicht erst warten, bis es zu spät ist, bis das Kind, wie das ost vor- kvinml, an der Fähigkeit, seine Muskeln in richtiger Weise wie andere Kinder zu bewegen oder so zu bewegen, wie die Erwachsenen es thun, die sich in seiner Umgebung befinden, für unmöglich erkannt hat, sondern man soll bereits bei den ersten Sprachübungen, die das Kind von selbst anstellt, das Kind durch Mithelfe», durch Mitüben anfeuern, seine Lust erwecken und stärken. Das kann bereits in sehr früher Zeit der Sprachentwickelung geschehen. Viele Mütter thun das ganz von selbst; sie thun es instinktiv. Au graufiger Romantik ist kaum ein anderes Kapitel neuerer Geschichte so reich wie die Chronik der letzten polnischen Erhebung und ihrer Nieder werfung. Eine besonders ivrnnuugsooUe Episode aus den letzten Tagen der Diktatur Muranjews, des „Henkers von Polens theilt Kojalcwiisck in einer Veröffentlichung über den Diktator mit Wir geben sie nach einer Uebertragurg d.r, N Fr. Pr." in Kürze wieder: Mitternacht war längst vorüber. Murawjew saß noch am Schreibtische, als ein ihm beigegevencr Garde«Offizier in wichtig, r Angelegenheit gemeldet wurde. In seiner Ver- fvlgungssucht Tag und Nacht auf der Lauer liegend, war der Prokon'ul für seine Untergebene» zu jeder Zeit zu sprechen. 'Der Offizier brachte einen cbeu vom Kriegsgericht vcrur« thciltcn vicrundzwanzigjährigcn Polen Romuald S. mit, der durch eine wichtige Entdeckung seine Begnadigung erkaufen weckte. Mil nicht geringem Erstaunen hörte Murawjew den jungen Polen an, der, sobald er sein Geheimniß entdeckt Hane, ohnmächtig zu Boden sank. So muhte der Prokonsul schließlich doch seinen Fuß in das Kloster der Visitandinen Inches gespenstisch hervorleuchtete, und diese Augen rich teten sich auf mich, so wie ich in der Bogenwendung auftau hle, folgten mir mit jedem Schritte, hefteten sich mit ch'cm entsetzlichen Leidensblick beständig auf die weinen, so das; mir ein Schauer durch die Ädern lies, obwohl ich mir sagte: das Ganze ist wahrscheinlich Ko ma.ne. Alle Qualen menschlichen Elends erfassten noch, ich mußte nmkehren, dem Weibe eine Gabe reichen, uuo daun auf dem Rückwege that ich es zum zweiten Mah — nur nm länger in dieses Gesicht blicken, dieses bei-, spiellosc Bild des Schmerzes in mich anfnehmen zu können. Der Florentiner Carlo Dolce hat solchq Physiognomien gemalt, aber was sind diese Bilder gegen über der entsetzlich ergreifenden Schauspielerei dieser Fran! Als ich auf dem Punkt angelangt war, wo der Bogengang die Wendung macht, wandte ich mich nm und bemerkte, wie sie, mit ein wenig zurückgeschobenem Tuch, ganz munter und behaglich in einen Pfirsich biß. Aber das italienische Zettlerthum hat nicht blos seine Tragöden und Tro binnen, eS hat auch ausge zeichnete Kräfte für das s ae Lustspiel und das moderne Konversationsstück. Sic i eten nicht in Lumpen, Pilger mänteln, Büßerhemden ick derlei Kostnmestücken auf, sie wirken nicht mit den Bi cteln, mit denen man Shakespeare darstellt, sie kommen in einfacher bürgerlicher Kleidung, haben nichts Aussehen erregendes, sind ganz und gar bon üoinmk oder banne komme und werden nur dem Er fahrenen durch ihre große Zuvorkommenheit, durch die liebenswürdige Art, mit der sie Einem den geringsten Wunsch, kaum daß er in der Seele aufgestiegen, aus den Augen ablesen, erkennbar. Ich habe ihre nähere Be kanntschaft nur auf meinen ersten Italien-Reisen gemacht — als ich eben selbst noch ein Unerfahrener war. So schloß sich mir in Arco — also noch auf österreichischem Bodcn — während ich durch den Olivenwald zur alten Burg cmporstieg, ein sehr netter, Zutrauen erweckender junger Italiener an, der daun oben, nachdem ich an dem Thor geklingelt hatte, um Zutritt zu dem schönen Schloß garten zu erhalten, plötzlich seinen Hut zog und „eine Kleinigkeit" für seine Begleitung erbat. Und nickst min der nett war der alte, gesprächige Herr mit den fröhlich funkelnden Aenglein und dem weißen Henri qnatre, den ich am Lago maggiore kennen lernte. Ich war damals der einzige Fremde in dem kleinen Städtchen und so ost ich in dem am Seenser gelegenen Cafö-Hän°cken saß, kam auch der alte Herr, nahm in meiner Nähe Platz nnd begann mit mir zu plaudern. Als ich daun im Begriff war, mit dem Dampfer abzufahren, tauchte er plötzlich auf dem Landungsplätze auf, näherte sich mir mit einem ebenso geheimnißvollen als liebenwürdigcm Lächeln nnd erbat sich eine kleine Unterstützung, da er ja doch bestrebt war, mich durch sein Geplauder zu amusiren. Ten interessantesten Fall — ein Mitlelstück, das vielleicht in das moderne Konversationsstück zu verweisen wäre — habe ich übrigens erst in diesem Jahre erlebt, nud zwar in Genua. Ich hatte diesmal meine Zeit Florenz gewidmet nnd befand mich auf der Rückreise. Wie gewöhnlich verträumte ich jedoch einen Tag in Rapallo, einem entzückenden kleinen Neste an der ligurischen Küste, und dann fuhr ich mit dem letzten Zuge weiter, der in Genna um '/-II Uhr Nachts ankommt. Die paar Nachtstunden wollte ich in der Stadt verbummeln nud»dann mit den um drei Uhr Morgens abgehenden Sch ellzng über Mailand nach Hause reiseu. Ich nahm zuerst bei dem guten, aber thenren Münchener Bier im Easö Jensch auf der Piazza Corvetto mein Souper ein. setzen, wo der Monate lang gesuchte russische Kapitän Potebnja versteckt sein sollte, der sich den Aufständischen augeschlossen hatte. Schon wenige Stunden später wäre er, als Nonne verkleidet, mit den Visitandinen nach Frankreich abgereist. Das war «in Fang nach de« Geschmack« des Prokonsuls von Wilna! Unter Bedeckung von Gendarmen und Kosaken eilte Murawjew in das Nonnenkloster. Es war in der dritten Morgenstunde. Zum letzten Mal waren die Visitandinen tu ihrer spärlich erleuchteten Kirche versammelt. In dieser letzten Stacht warcn die sonst üblichen Vorsichtsmaßregeln unter blieben, und unbemerkt konnten daher die Kosaken alle Aus gänge besetzen. Murawjew trat in die Kirche. Die ganz schwarz gekleideten Nonnen, schwarze Holzkreuze, worauf das weiße Bild des Gekreuzigten, auf der Brust, lauschten den Worten des greisen Visitators der Wilnaer Klöster. Plötz lich erblickten sie die unförmliche Gestalt des gefürchteten Diktators, und -ein Schrcckensruf durchhallte den heiligen Raum. Junge Nonnen sanken ohnmächtig zu Boden. Mu- rawjcw stand regungslos inmitten scincr Begleiter und rief in gcbielendcm Tone: „Kapiiän Potebnja ist hier. Alle Aus gänge sind besctzti Ich rache, der Maskerade ein Ende zu machen, ihn auszuliefern!" „Sie werden uns doch nicht durchsuchen lassen!" rief ihm verächtlich eine ältliche Nonne zu. „Sie kämpfen also selbst mit Frauen!" — „Min", cntgegnele scharf der Dlltator, „sie kämpfen gegen mich. Doch wozu unnütze Worie. Mit Ihnen bin ick witiq. Die Wagen stehen bereit, ein G u- darmeri«. Offizier und der Visitator sin' bcorceu, See zur preußischen Grenze zu bringen. Um sechs Uhr reisen Alle ab, Alle außer dein Kapitän Potebnja. . . Kapitän Pvlcbnja! kommen Sie Ye,vor, machen Sie Ihren Beschützerinnen keine Unannehmlichlerkcn." Eine hohe Gcsta't in Ronnentracht mit zurückgewotfe- ncm ScNeier trat aus dem dunklen .Hintergründe hervor. „Ich bin verra hen. Fluch dein Verräeher, Euch aber, liebe Schwestern, ewiger Ruhm und Erkenntlichkeit, daß Ihr dem durch ganz Litthauen Gehetzten Schutz gewährtet. Josepha, leb wohl!" Trine junge Frau stürzte an seine Brust. Weder Murawjew noch seine Begleiter rührten sich. Plötz lich stieß Potebnja seine Gattin von sich und mit dem lauten Rufe: „Es lebe Polen! ' feuerte er einen Revolver gegen seine Brust ab. Lautlos brach er zusammen. Die Nonnen schrien auf, wie eine Wahnsinnige warf sich die Gattin PotebnjaS über seine Leiche. Plötzlich schnellte sie empor. Das aus der Brustwunde des Tobten hervor quellende Blut hatte ihr Kleid, ihre Hände und ihre langen goldschimmernden Zöpfe befleckt, ihr Antlitz war blutlos, wie das der auf dem Boden liegenden Leiche. Sir wankte zu den Offizieren, in deren Mitte Murawjew mit finster zu sammengezogenen Brauen staud. „Laßt sie . . gebot der Diktator, und seine Begleiter wichen zu beiden Seiten zurück. Vor Murawjew sank sie nieder, mit tonloser Stimme sichre sie, ihr den Leichnam zur Bestattung zu überlassen. Seine Liebe zu ihr habe ihn vernichtet, sie habe ihn getödtet, nun müsse sie ih» auch bestatten. Nur für einige Tage solle man sie in Wilna lassen, und nie werde ein Fluch gegen Murawjew über ihre pippcn kommen. Murawjew verlangte nur die Papiere PotebnjaS. Da schleppte sie sich auf den Knien zur Leiche, zog aus dem Sammtrvck, den er unter dem Klosterkirche anhatte, ein Packet und übergab eS dem vorlretcuden Diktator. Abgerissen stieß er hervor: „Sie können bleiben . . . Bestatlcn Sie ihn, doch ohne Aufsehen zu machen . . . Dann reisen Sie, wohin Sie wollen . . ." In der siebenten Morgenstunde war das Kloster ver ödet. Zehn Tage nach dem geschilderten Vorfall verließ Murawjew den Schauplatz seiner Vlulchalen. Seine Dikta- torrolle war ausgespielt. Kirchcaffe Kastanienstratze 17. E xp e d i t i o n 4 z e i t: Borin. 10 bis Nachm. 2 Uhr. spazirte dann ein wenig zwischen den alten Palazzi der Via Garibaldi herum, die sich im Moudenscheiue gar stimmnngerweckend erwiesen, und ließ daraus eine Tasse vukö »aro folgen — auf der noch immer von Männlein und.Weiblein bunt belebten Piazza Deferrcwi. Ungefähr um ein Uhr erhob ich mich, um die alten krummen Gäß chen, die mir längst vertraut sind, hinab nach dem Hafen zu steigen und dort noch ein weuig auf's Meer hinaus- zulugen. Es war hier schon ziemlich still und umsomehr fiel es mir auf, als mir bei einer Wendung des Gäß chens zwei Gestalten entgegentratcn, an denen ich doch" eben erst — vor ein paar Sekunden — vorübergegangen war. Eilte schlanke, schön gewachsene Frau, der man chas Alter nur im Gesichte ansah — sie schien mindestens vierzig Jahre zu zählen — und ein etwa zwölfjähriger Knabe. Die Frau trug ein ganz einfaches, schwarzes Satinkleid und sah im höchsten Maaße ehrbar aus, der Knabe, lang emporgeschossen, mit einem schmalen, hageren Gesicht und blauumränderten Augen, machte einen mitleid erweckenden Eindruck. Als ich die Beiden so plötzlich wieder sah, kam mir der Gedanke, daß ich mich wohl trotz meiner OrtSkenntniß verirrt hatte, und, nachdem ich ein paar Schritte weiter gegangen war, zog ich den Bädecker auS meiner Umhängtasche, um mich mit Hilfe des Planes zu orientiren. In diesem Augenblicke hörte ich einen leisen Schrei und als ich mich umwandte, sah ich die Dame an einer Mauer lehnen, als wäre sie im Begriff znsammenznsinken, während der Knabe sie ängst lich um die Taille faßte. Mit zwei Sprüngen war ich an ihrer Seite, und nun wehrte sie auch schon dankend ab, sie schien sich erholt zu haben. Plötzlich aber flössen zwei Thränen über ihre Wangen herab und sie stammelte wie entschuldigend: „Der Kummer — die Noth — ver zeihen Sie!" — „Mein Gott," fragte ich besorgt, „was fehlt Ihnen?" — „Ich bin Sängerin," antwortete sie, „und habe seit fünf Wochen kein Engagement. Verzeihen Sie nur, daß ich Sie belästigt habe. Tausend Dank und — gute Nacht." Sie machte einen Schritt und wankte wieder. „Erlauben Sie mir Ihren Arm, Signora," sagte ich. „Und dann — niein Gott — sollte» Sie wirklich — hungern — ?" Sie hatte nicht widersprochen und meinen Arm genommen. Als ich aber die letzten Worte gesagt, nickte mir der Junge traurig zu. „Es muß hier irgendwo ein Cafe sein — darf ich Sie bitten, eine Kleinigkeit zu essen?" Nachdem sie sich noch ein wenig gewehrt hatte, führte sie mich selbst zu dem Cafe, das mir im Sinne lag, und dort aßen denn die Beiden auf meine Rechnung. Merkwürdiger Weise verschwand aber jetzt das gedrückte Wesen der Signora, sie entwickelte eine auffällige Liebenswürdigkeit nnd ihre Blicke wandten sich mir mit einer Lebhaftigkeit zu, die mir die Sache immer zweifelhafter erscheinen ließ. Ganz klar aber wurde sie mir dann, als ich ihr mitgetheilt hatte, daß ich um drei Uhr weiter führe und sie nun plötzlich zärt lich meine Hand ergriff, sich zu mir neigte, so daß ihre Schlüter die meine berührte, und halb verschämt, halb k"kettirend bat, den Zug fahren zu lassen und hier zu bleiben. Unsere Augen trafen sich und jetzt erschien mir plötzlich das kummervolle Gesicht noch mehr gealtert — abscheulich abgelebt — ein unsagbarer Ekel durchrieselte mich. Ich rief den Kellner, zahlte und wir verließen gemeinschaftlich das Lokal. Als ich jedoch draußen den Hut lüstete und mit einem „kslioe notte" davvNdwvllte, I faßte sie rasch meinen Arm und stammelte leidenschaft« I licy:'„O — nicht so, mein Herr — Sie werden doch I nicht gchcn, ohne uns eine kleine Unterstützung znzu- I wenden — wenn Sie wüßten, wie wir leiden — ich und ' ö? 0? Z kelanilselie mein Sohn, den ich mit so viel Eiübehrungen grog ge zogen habe . . Ich nahm mein Portemonnaie nnd gab ihr eine Lira. „Wir armen Künstler!" seufzte sie, während sie das Geld, offenbar nicht recht befriedigt, ver schwinden ließ, „wir armen Künstler! .... Und Sic wollen wirklich reisen?" — „Es ist höchste Zeit für mich — acklm!" rief ick nnd stürmte davon. Ich weiß nicht, ob die bedanernswerthe Signora wirklich eine Sängerin war, ob sie je eine Bühne be- . treten hat. Aber eine ausgezeichnete Schauspielerin war sie sicherlich und in den Anfangsszenen ihrer Rolle be wies auch sie das verblüffende dramatische Talent, das die italienischen Bettler charakterisirt. Was aber das Weitere betrifft, .so hätte da ja selbst die größte Meisterin . . aus der Nolle fallen müssen .... Meteorologisches. MltreH-Ut von R. Kathan, Optiker Barometerstand Mittag» 12 Uhr. Sehr trocken 770 Beständig schön Schön Wetter ^0 Veränderlich 750- Regen (Windl Biel Regen 740- Sturm 735. " »kitt'' Vovtllö^to Setzei, «ich dieser Umfimch ermöglich« eS, s«it der «eichasl»- lldNasmE in wiNhschast-. l-»i« LmHSaNikela der »«»»»no-««bLWlmk», »Is -m m ». IMe, -M qsMtMA-r-e- ». Kllcknl »-t ktKls»tLö tluthLkMK umlädMMjsk