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Riesaer K Tageblatt und Anzeiger Mrtlsltmd Ayeirch. Amt s ötatt der König!. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadrraths z« Mesa. 13t. Sonnabend, 8. Jnni I8S5, «den»». 48. Jahr,. »a» Mesner TagückM erschein srd« Ta, «md» mit «udmchme Ixr So«, und FchNge. «o»e!jShri»cher v«m>«»d»rG bet Abholung tu dm ««ndtUmnn tu Ntcha und «trchla. dm «nSWbchM». s—te « Schalt« »« «als«». P^anßalt« L ««I durch dl, rrttger frei in» Hon« 1 «art üv M, durch dm VNchNl^r frei t», Han» t ««» « Pf. «n^mGlumch», Dr d« «—« de» Ausgabetages bi« «—UMg 0 Uhr ohne Gemtchr. Dm« nu» Gerl», «m L«««r » «»«terNch M »,«,«. - GesaMSsteüe: »«»„»„»raßa b» - Für dN Mdaad» «mMmartttch: -er». GchmtdtM »lesa. ss^»sss^——W——»MW>^^—WM—I^—W—S!——SS—s Kirchliche Bekanntmachung. Die diesjährige Diözesanversammluug der Ephorie Grohenhai« findet Mittwoch, den 12. Juni, Vormittags ^/ill Uhr im Saale des kütvi <Iv 8nxv Hierselbst statt. Zur Theilnahme an derselben werden alle Herren Kirchenpatrone, Geistliche und Kirchenvorsteher der Ephorie hiermit eingeladen. Auch andere Zuhörer sind willkommen; doch können dieselben der Versammlung nur auf den Galerieen des Saales beiwohnen. Königliche Superintendentur Großenhain, den 4. Juni 1895. v. Harig, Sup. Bekanntmachung, die Berufs- und Gewerbezählung betreffend. Nach dem Reichsgesetz vom 8. April dieses Jahres hat am 14. Juni dieses Jahres im deutschen Reiche eine Berufs- und Gewerbe-Zahlung stattzufinden. Zu diesem Zwecke werden den hiesigen Haushaltungsvorständen seilen der betreffenden Zähler in den Tagen vor der Erhebung die nöthigen Formulare zur Ausfüllung zugestellt werden. Diese Zählformulare sind am 14. Juni 1895 Vormittags, nicht eher oder später, mit den erforderlichen Einträgen zu versehen, auch sind die Einträge von dem Haushaltungsvorstande oder durch eine von demselben beauftragte Person zu bewirken. Für Gäste in Gasthäusern und Herbergen, sowie für die Insassen von Anstalten aller Art hat die Ausfüllung der Haushaltungslisten rc. durch die Besitzer, Vorsteher, Verwalter oder deren Stellvertreter zu erfolgen. Nur in Behinderungsfällen der vorbezeichneten Personen können die Einträge auf Grund der gemachten Angaben von den Zählern selbst bewirkt werden, jedoch ist auch dann von den Erstgenannten die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zu bescheinigen. Die ausgefüllten Zählformulare sind Vom 14. Juni 1895 Mittags an zur Abholung bereit zu halten. Wer die Frage« wissentlich wahrhettSwidrig beantwortet oder die vorgeschriebenen Angabe« z« machen sich weigert, wird nach 8 5 des eingangsgenannten Gesetzes mit Geldstrafe bis zu SV Mark bestraft. Der unterzeichnete Stadtrath spricht hierbei die Erwartung aus, daß die Zähler bei Aus übung ihres Amtes thunlichst Entgegenkommen und Unterstützung feiten der Einwohnerschaft finden werden. Riesa, am 31. Mai 1895. * Der Stadtrath. Schwarzenberg, Stadtrath. LH. Kirsch - Nutzung - Verpachtung. Die entlang der Leipzig»Dresdner LtaatSeifenbahulinien, zwischen Signal station Zeithain und Bahnhof Dresden-N. II anstehende diesjährige Kirschnutzung soll unter den vor dem Bietungstermin bekannt zu gebenden Bedingungen gegen sofortige Baarzahlung an Ort und Stelle in einzelnen Abteilungen öffentlich zur Versteigerung gelangen und zwar: Dienstag, den 11. Juni lfd. Js. s. Vormittag 8 Uhr in der Nähe der Signalstation Zeithain, b. - »/, 10 ----- des Haltepunktes Weißig. Mittwoch, den 12. Juni lfd. Js. 6. Vormittag 8 Uhr voin Wärterhause am Wege nach Jessen und Okrilla nach den Ländereien des Oberauer Tunnels. Donnerstag, den 13. Juni lfd. Js. <1. Nachmittag r/,5 Uhr in der Nähe der Unterführung der Dresden-Meißner Chaussee bei der Restauration Waldvilla in Trachau. Das Nähere ist zu erfahren bezügl. der Nutzungen unter s und d beim Herrn Bahnmeister Enzmann in Langenberg, - o - - - Leonhardt in Niederau und - U - - - Lichtenberger in Radebeul. Drcsden-N., am 4. Juni 1895. Königliche Eisenbahn-Bauinspektion II. Kirschen - Verpachtung. Die diesjährige Kirschennutzung an den hiesigen Communicationswegen soll nächsten Sonntag, den 9. Juni d. I., Nachmittags 3 Uhr an den Meistbietenden unter den vorher bekannt zu gebenden Bedingungen versteigert werden. Poppitz, am 5. Juni 1895. Frenzel, G.-V. Wegen Chaussirung des Communicationsweges von Pahrenz nach Kobeln wird der selbe vom 10. bis 16. Juni 1895 für alles Fuhrwerk gesperrt und der Verkehr von Pahrenz über Prausitz und von Kobeln aus auch über Prausitz verwiesen. Pahrenz, den 6. Juni 1895. Der Gemeindevorftand. Kießling. Ei« Protetz, der von geradezu haarsträubenden Zuständen, die in einem katholischen Kloster, das angebliche Irre aufnimmt, Kenntniß giebt, spielt sich gegenwärtig in Aachen ab. Ein Einwohner von Iserlohn Namens Mellage hat in Verbindung mit an deren dortigen Bürgern einen englischen Geistlichen Namens Korbes, der wider seinen Willen in dem Alexianerkloster „Mariaberg" in Aachen festgehalten wurde, aus demselben befreit und über die Erleb iste desselben, sowie anderer dort Detinirter eine Broschüre veröffentlicht, durch welche sich die Klosterbrüder beleidigt fühlten und dieserhalb Klage anstreng ten. Die Staatsanwaltschaft übernahm den Proceß als im öffentlichen Interesse liegend, und seit länger al» acht Tagen spielen sich nun vor der Strafkammer in Aachen Vorgänge ab, die auf das Klofterwesen ein Streiflicht werfen, wie es schlimmer kaum gedacht werden kann. Angeklagt sind jetzt nicht mehr Mellage und Genoffen, sondern die Klosterbrüder, die mit einer Brutalität sondergleichen gegen Kranke und Nichtkranke verfuhren und von christlicher Milde und Sanft- muth nicht die leiseste Regung in sich spürten. Unter dem Zwange des gerichtlichen Eides hören wir aus dem Munde dieser „Brüder", wie in dieser unter höchster geistlicher Pro tektion stehenden Anstalt, deren Subrektor Overbeck früher Schuhmacher war, der, „der hier hereinkommt, ohne den Willen der Brüder nicht mehr herauskommt, da hier weder der Genrralvicar, noch die „Döktersch" etwas zu sagen haben; wer hier drin ist, der wird zahm gemacht, wer hier heraus kommt, der ist zahm"; wir hören von einem früheren Wärter, der das Jammerbild nicht mehr ansehen konnte und deshalb seine Entlastung nahm, daß in manchen Stationen sich jahre lang kein Arzt sehen ließ, daß Kranke mit Schlüsselbünden zu Boden geschlagen, über den Fußbvden geschleift und die Treppe hinabgestoßen wurde«, wie Andere in eine mit eis kaltem Master gefüllte Wanne gesteckt und in Ketten zur Messe geschleppt wurden, und ein anderer Zeuge erzählt, er habe gesehen, wie man einen Kranken zwischen ein Sitter und einen glühenden eisernen Ofen stellte und daß die Ge fahr vorhanden war, daß er auf den Ofen falle und jäm merlich verbrenne. Und Bruder Jrenarus, sonst Engelbert Müller, muß zugeben, daß ein Kranker mit einem Schlüssel bunde auf den Kopf geschlagen und in seiner Zelle hilflos liegen gelassen worden sei, daß man ihm keinerlei ärztliche Hilfe gewährt habe und daß er alsdann gestorben sei. Man fragt sich, wenn man die Verhandlungen liest, wie ist es möglich, daß in einem Rechtsstaate Menschen, und dazu noch Irrsinnige, den Händen von ehemaligen Bahnwärtern und Fremdenführern, die aus irgend einem Grunde das klöster liche Gewand anzogen, überlassen werden, ohne daß der Staat einen Kinger rührt? Wie ist es möglich, daß sie innerhalb der Anstaltsmauern einer Behandlung unterzogen werden, vor der es selbst den Rohesten graust? Wie rst es möglich — hier liegen die vollgiltigen Zugeständnisse der Betheiligten vor — daß Kranke, die in die Hände der unmenschlichen Alexianer fielen, ohne amtliche Entmündigung und ohne ärzt- liche Anordnung von der Welt abgeschlossen, als Tobsüchtige behandelt, mit der schmerzhaften Douche bedacht, gestoßen und geschlagen werden? Heute, das sei noch einmal betont, steht nicht Herr Mellage vor den Schranken des Gericht-, nicht der Mann, der kühn hineinfuhr in da- Wespennest und viel leicht in auflammender Empörung allzu scharfe Ausdrücke brauchte, sondern vor Gericht steht mit den Brüdern von Mariaberg unser gesammtes Jrrenwesen und das deutsche Jrrenrechr. In der That sind die gegen unser Jrrenwesen gerich teten, tief berechtigten Anklagen doppelter Art: Sie kehren sich gegen die allzu große Leichtigkeit, mit welcher Menschen, die als geisteskrank verdächtigt werden, der Anstalt über liefert, also aller Rechte beraubt und aus der Gesellschaft gedrängt werden, und sie kehren sich gegen die große Schmie- rigkeit, Gesunde oder-Genesene zu befreien und in den Krei der Gesellschaft zurückzusühren. Die Gefahren aber, die hier mit geboten sind, müssen um so größer erscheinen, al» gerade die Psychiatrie, die Jrrenheilkunde, namentlich in diagnostischer Hinsicht, auf so schwankendem Grunde ruht, daß man von einer „Wissenschaft", trotz aller Reklamationen der betroffe nen Aerzte, kaum reden darf, und daß die Forderung, bei JrrstnnSerklärungen und beim Entmündigungsverfahren über haupt das Laienelement zu betheiligen, in jeder Beziehung als berechtigt erscheinen muß. Man braucht nur daran zu erinnern, daß der berühmte Charcot in Paris sogar den Wandertrieb zu den Geisteskrankheiten rechnen will und daß Professor von Krafft-Ebing das Bestreben, die gesellschaftliche Ordnung zu bessern oder zu ändern, als ein Anzeichen „po litischen Irrsinns" betrachtet und daß er also nur noch den indifferenten satten Ordnungsphilister als einen Normal menschen ansieht; man braucht nur sich zu erinnern, daß im Jahre 1850 ein Berliner Student zum Doktor promovirte, weil er eine neue Wahnsinnsform, die demokraktische Krank heit, entdeckte, daß Dr. Jolly begutachtete, die Pariser Com- munarden hätten sämmtlich an einer besonderen Art von Geistesstörung gelitten; man braucht weiterhin zu erwägen, daß Dr. Löwenfeld den Kampf gegen übertriebene und über flüssige Vivisektionen al» Irrsinn auffaßt und daß Moreau, Lelut und der „große" Lombroso Genie und Wahnsinn für verwandt halten, ja, daß Lombroso die großen Männer für geisteskrank, ihre Söhne für Verrückte, Idioten oder Ver brecher hält — man braucht diese Thatsachen nur im Auge zu behalten, um den Stand einer Wissenschaft zu beurtheilen, deren Jünger doch befähigt sein sollten, mit einer an Selbst herrlichkeit grenzenden Machtvollkommenheit in Menschenleben und Menschenschicksal einzugreifen. Schrullen, Verstimmungen, leichte Erregbarkeit, Mangel an UrtheilSoermögen oder Kennt nissen, ja selbst Ansichten, die nur dem untersuchenden Arzte mcht einleuchten oder die der Zeit vorauseilen, können heut zutage den, der nach irgend einer Seite hin ungewöhnlich ist, zum Verrückten stempeln! Sagt doch der Irrenarzt Schüle in seinem „Handbuch der Geisteskrankheiten", daß alle die jenigen eingesperrt werden sollten, die „verstimmt" sind. Denn die Verstimmung sei das Zeichen einer beginnenden chronischen Geisteskrankheit! Die erste Forderung, die gestellt werden muß, ist eine Reform des Entmündigungsverfahrens, der Organisation des Entmündigungswesen-. Professor Finkelnburg, der Sachverständige im Aachener Proceß, be merkt gelegentlich: „Sowohl Verhängung, wie Aufhebung der Luratel sind in die Hände eine- einzelnen, dazu noch öfter wechselnden Amtsrichters gelegt, nicht selten eine- jungen, unerfahrenen Mannes, dessen willkürlicher Entscheidung die bürgerlichen Rechte des wirklich oder angeblich Kranken auf Gnade oder Ungnade preisgegeben sind. Wer bürgt für eine