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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-191712082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19171208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19171208
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-12
- Tag 1917-12-08
-
Monat
1917-12
-
Jahr
1917
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1917
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stick und unabhängig. Die Gräfin hatte seine Neigung «raten. Nut» war ihm entgegengekommen. Besser ,,pla- 'iert" tor.nts Nika gar nicht werden, als an der Seite eines vlchen Gatten. Als sie sich entschlossen hatte, ihr Haus zu bestellen, hatte sie Lansky gebeten, nach Eldcnau zu kom- ne». Nika hatte nie geahnt, daß er sich für sie interessierte. Sie hatte ibn überhaupt nicht beachtet. Wie sollte sie auch wissen, mit welcher Leidenschaft und Tiefe er iie von Tag zu Tag mehr liebte. Er kannte sie nun so gut und wußte, warum sie, was niemand begreifen konnte, ihr wunder volles Haar abgeschnitten hatte. ' Arme Kleine — dadurch also hatte sie sich Helsen wol len! Als ob ihr Knabenkopf nicht auch entzückend war. Jeden einzelne» der dicken Lockenringel hätte Lansky küs sen mögen. Er ahnte auch, loarum sie nun darauf bestand, ihre überstürzte Verlobung nicht zu lösen. Aber sie sollte nichts bereuen, die kleine, wilde, trotzige Phantastin. * * * Die ganze Nachbarschaft war voller Aufregung über die Begebenheiten in Eldenau. Es war ja Schlag auf Schlag dort niedergegangen — man mußte sich erst an all' die Veränderungen gewöhnen. Diez brachte die Neuigkeiten, die er Lurch Pastors er fahren hatte, mit heim. Er war häufig im Pfarrhaus- unter dem Vorwande, mit den, Pastor Schach zu spie len. In Wahrheit schnitt er Pastors Lenchen die Cour. Wie gewöhnlich^ kam er auch heute zu spät zum Abend brot heimgeritten — "der Vater besprach im Kontor mit dem Inspektor Wirtschaftssachen, die Mutter saß mit den beiden ältesten Söhnen in ihrem Wohnzimmer. Dort hin, auf einem gemütlichen Tischeckchyn, wurden Tiez Tee und Butterbrot nachsertnert. »verdient hast du es nicht, du Schlingel" drohte Frau- Christa — »aber weil d» doch jetzt immer in solch stram mer Zucht bist, und weil Osterferien sind . " Diez nahm sich kaum Zeit, ein paar Bissen zu essen, niid platzte sogleich mit allen Neuigkeiten, die er bei Pastors vernommen hatte, heraus. Iran Christa sOug ihre Hände zusammen „Wer Kinder, das ist ja unerhört, Monika verlobt, Md so über ihren eigene» Kopf hinweg." Sie hatte stets einen »st nur schlecht verhehlten Wider willen gegen die alte Gräfin gehegt — aber so empört wie Henle, war sie noch Nie gewesen, sensationslüstern war'Margarete Suhr ja von jeher gewesen, sonst hätte sie sich gelangweilt — diese überraschende Verlobung war natürlich auch nur ihr Werk. Sin himmelschreiendes Un recht war'S, die Siebzehnjährige in solch eine ungleiche Ehe zu setzen. Dann überwog ivieder das Mitleid mit der Kranken Frau Christas Zorn über den unglaublichen Un verstand „Und denkt euch bloß", erzählte Diez weiter, „Nika, der famose Racker, springt vom Tisch auf und läuft ihrem Bräutiaam einfach davon " Er lachte dabei, daß er sich schüttelte, ihm kam die ganze Sache wie ein unbezahlter Ulk vor, „Na, und dann fiel die alte Dame sprachlos vor Wut um. Bums, da lch» sie!" „Aber Diez", tadelte Frau Christa. ,chu vergißt ganz, daß von einer Kranken die Rede ist. Du gebrauchst über haupt immer viel zu starke Ausdrücke, mein Sohn." „Findest du wirklich? Na, nicht böse sein, Mutt chen! Aber paßt mal auf, jetzt kommt die Krone vom ganzen Trödel. Stellt euch vor: um ihce Großmutter zu ärgern, säbelt fick Nika, während die feierliche Beo- lammlung noch ziemlich stumm vor Schrecken über iyrc Flucht vom Verlobungsdiner dasitzt — ritsch, ratsch, — ihre ganzen Zöpfe ab. Di« Gräfin soll nämlich so stolz auf Nikas blonde Mähne sein, als ob es ihre eigene ge puderte Perücke wäre, sagt Pastors Lenchen. Na, das Entsetzen der Alten kann ich mir vorstellen." ^viez — Diez, die Gräfin ist vielleicht eine Ster- Sende." „AL Muttchen, noch lange nicht, nur gute Menschen sterben immer „bald", erwiderte Diez, dem, wie Klaus behauptete, nicht» heilig war, aber er brachte seine Un arten. die kleinen und dia grdßen, immer so liebenswürdig vor, daß man ihm nie lange gram sein konnte. Frau Christa seufzte: «Arme Nika — arme«, mutter lose» Sind!" Sie wollte am nächsten Tage gleich nach Eldena«. Nun hatte die Feindschaft zwischen den Gütern doch ei» Ende — wo e» zu Helsen gab, war Frau Christa immer »» haben. Am liebsten hätte sie Nika unter ihre Flügel genommen. am len immer zu hocken Am liebsten hätte sie Nika unter ihre le wortlos mit dem Rück» zu den anderen anden and in die blasse, von einem leich- verhüllte Frühlingslandschast geblickt. Nun auf die Mutter zu und Ätzte ihr die Hand. .cht in der Stube, so fiel es auch niemandem auf, wie bleich Fabia» war. «Gute Nacht, Mutter!" Es klang anders, als sonst. Frau Christa Merkte auf. Sie verstand in dell Stim men ihrer Kinder ebenso gut zu lesen, wie in deren Augen und Gedanken. Ihr Mutterherz wußte nun genau Be scheid. Sie hatte es von jeher geahnt, daß Fabian Nika gern hatte, und sich's ausgemalt, daß er sie, wenn die Zeit da >var, ihr als Tochter zuführen würde. Tie et was schrnllenhaste großmütterliche Erziehung hatte dem Kinde doch nicht viel schaden können. In Nika steckte ein guter Kern — aber sie mußte nun auch endlich in gut« Hände kommen. Noch war es ja lange nicht ausgemacht, daß sie den Mann, den die Gräfin ihr zum Gatten ausge sucht, heirate» würde. Fabi sollte sich doch nicht unnütz gräme». Frau Christa lag schlaflos in dieser Nacht und be neidete saft ihren Gatten, der ruhig den Schlaf des Ge rechten schlief. So wär es immer: er trug murrend und geduldig, je nach den äußeren Sorgen, oder den materiellen Nöten, welche die Kinder verursachten, aber sie, die Mut ter, litt alles Leid mit ihnen. Und die wußten es nicht einmal. Ihr war's ost, als wären ihre Kinder immer noch untrennbar ein Teil ihres eigenen Jchs. Freilich, auch die Freuden der Kinder genoß sie mit — das war der Lohn für das andere. Ta hatte sie etwas vor ihrem Matthias'voraus, der, wenn es sich um Erziehungsfragen handelte, immer nur schimpfte oder lachte, wie er just bei Stimmung war. Ja, ja, ihr lieber Matthias verstand sich zu wenig auf unpersönliche Gesichtspunkte. Hätte sie ihm, zum Beispiel, eben ihre Acngstc tvcgcn Fabians Herzcnskummcrs mitgetcilt, er hätte sic wohl be haglich ausgelacht: „Unsinn — du siehst Gespenster, Christel, wegen des Kückens wird der Junge nicht gleich Trübsal blasen. Es gibt auch andere nette Mädchen." Wer Frau Christa kannte ihren großen Jungen bes ser. Tas war keine Liebelei, kein Augenblicksraiisch, wie dazumal bei Regi — die Liebe zu Nika war mit Fabian zusammen groß geworden, war aus der Kindersrcundschast entstanden. Frau Christa schlummerte in dieser Nacht erst dann ein, nachdem sie Fabians Schritt im Korridor ver nommen hatte. Um in sein Zimmer zu gelangen, mußte er hier vorüber — er trat sehr leise aus, aber das Mutter- vhr war geschärft. Sie hatte ihn überhaupt nicht das Haus verlassen sehen — aber sie wußte doch ganz genau, daß er die Einsamkeit unter freiem Himmel ausgesucht hatte. So hätte sie's auch getan im gleichen Fall— »nd ihre Kinder waren in seelischer Beziehung alle mehr öder ivcnigcr nach ihr geartet, sogar der wilde Tiez, der junge, gärend« Wein. ES wunderte Fran Christa auch keines wegs, daß Fabian am nächsten Tage, als die Nachricht vom Tode der Gräfin eintraf, von seiner Wrcise sprach. Es war ja auch besser so, denn zur Beisetzung Mußten die Heidegger doch nach Eldenau. Als Fran Christa heute vormittag dort vorgesahrett Ivar, hatte man gerade die Tote im Knppelsaal unter den Ahnenbildern anfgebahrt. Nika Ivar für niemanden sicht bar: sie hatte sich von allem zurückgezogen, und Lansky» vollendete Höflichkeit vermochte,,keine Sympathie in Frau Christa zu eriveckkn. So fuhr sie, durch den Tod der alten Nachbarin doch recht bewegt und voller Sorge nur Nikas und Fabis Zukunft, in gedrückter Stimmung nach Lause. Sie küßte Fabi beim Abschied wärmer als sonst. „Immer Kopf t-och, meiu Junge!" wollte sie flüstern — aber sie schwieg. — Auch als Mutter durste sie nicht an das rühren, was Fabian mit sich.allein abzumachen hatte. Tie Bestattung der Gräfin Suhr verlief großartig mit einer Unmenge von Kränzen, mit fackeltragenden Bauern und allerhand sonstigem feierlichen Gepränge. Nika stand am offenen Grabe zwischen ihrem Verlobten und der Schwägerin Admiralin. Frau Christa hatte gedacht, daß sie sich ihr in die Arme werfen würde — nachdem alle in das Trauerhaus znrückgetehrt waren: „Tante Christa, hilf und rate du mir!" Diese Bitte hatte die Baronin erwartet. Aber nichts von alledem geschah, Nika küßte ihr nur'die Hand nach alter Gewohnheit und sagte — aber es klang wie geistesabwesend: „Wie lieb von dir, daß du gekommen bist, Tante Christa." Und dann fügte sie 'rasch hinzu: „Ich sage dir gleich Lebewohl, ich fahre heute abend mit meiner Schwägerin nach Petersburg." Frau Christa Ivar gekränkt. Hatte Nika den» versei fen, daß Laus Heidegg in früheren Zeiten Ivie ihr zweites Leim gewesen war? Wer Nika sah so vergrämt aus, — das rührte sie gleich wieder. Sie strich ihr liebkosend über das kurze Haar: „Vergiß uns nicht, Kind." Nika schüttelte stumm den Kopf. Sie wollte cs nie mand merken lassen, wie schwer ihr der Mschied von Eldc nau fiel. Tie Gräfin Suhr, tvenu sie noch am Leben gewesen wäre, hätte höchst wahrscheinlich sehr erstaunt mit dem Kopf geschüttelt über das Bild, das Haus Heidegg in dem Jahre bot, als Edelchen und Isa, die nun sechzehn und siebzehn Jahre zählten, «ingesegnet werden sollten: es spielte» sich nämlich keinerlei Romane bei den Heideggs Vie vuchdruckerrt von LmgeriMKM «icsK Goet,«strotze «r. S» hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bet saubrrer Ausführung und billigster Preis- stellung Vesten« empfohlen. «dis. Adretz- «nd Geschäfts, karten Briefköpfe, vriefleisten Bestellzettel Broschüre», Billett Deklarationen Danksagung», nutz Einladung-krirf- Einlaßkarte» Etiketten aller Art Fakturen, Flugblätter Formular« in div. Lorten Frachtbrief» GebranchSonwetsungen Fremdenzettel -aus- und Fabrik- Ordnungen GeburtSonzetg« -ochzritteinladungen «Zeitungen «nd -Gedicht« Sasteuschilder Koftenonfchläg« Kataloge, Kontrakt« K-M-düche» LoHnlistea, Mahnbrief« Mitteilungen, M«n«s Musterbücher, Nota- Plakat« Programm« PretSkurant« Postkarten, Quittungen «adattmarke» Rechunugca Gpeiseu- nv» Wckukarten Statuten, Tanzkartrn Stimm-', Theater- und Packzettel Visite»- »utz > BerlobungSkarte» Wechsel, Werk« * Zirkulare, Zengnlfs» ie.ta.re. Massenauflage» kür »totattonSbruL Iiermr IsBktt — Amtsblatt — Fernsprechstell« Nr. 20. Telegramm-Adresse r Tageblatt Nies». ab. Alles lief am alltäglichen Gelets dahin; dis Ernten wurden immer schlechter, die Kornpreise sielen und die Arbeitslöhne stiegen. Allmählich hatte man sich in der Familie auch daran gewöhnt, daß Tiez Schulden machte und seinem Vater reumütige Beicht- und Bittbriefe schrieb. Er staird in einem Linicnregiment und kam doch niemals mit der Zulage aus, die er von Hause erhielt. Fabian kostete dem Vater nichts mehr — er war nun seit einem Jahre Oberverwalter auf einem benachbarten Rittergut. „Eine Perle", sagten die Mütter Heiratsfähiger Töch ter von Fabi Heidegg. Er aber sah kein einziges junges Mädchen an, außer seine beiden kleinen Schwestern, die ihre großen Brüder vergötterten. - Ter Freiherr hatte das Opfer gebracht, Klaus für ein Jahr lang auf Reisen zu schicken. Maus vervollkomm nete in Frankreich seine Kenntnisse im Französischen, er wollte Diplomat werden, und sein Vater besann sich be reits, wenn auch innerlich widerstrebend, auf seine frühe ren Beziehungen zu einflußreichen Leuten in Petersburg, um seines zweiten "Sohnes Lausbahn ein wenig zu ebnen. Er haßte dergleichen, aber ohne Protektion würde auch Klaus schwer durchkommen. Wutzelchen war «in schlanker, hübscher, blonder Stu dent der Medizin, sehr mädchenhaft ausschend. Im Pfarrhaus« waren jetzt nur die beiden Alten, — Käte hatte einen Landdoktor geheiratet, und Lenchen, Diez' ehemalige „Flamme", war barmherzige Schwester geworden. Im Herrenhaus« zu Eldenau waren die Fensterläden geschlossen. In der Jnspektorwohnnng lebte der „Bevoll mächtigte der Baronin Lansky", so nannte sich sehr an spruchsvoll Herr Heinemann, der Eldenau verwaltete. Im Übrigen war es ein älterer, bescheidener Familienvater, der nicht so ganz zur Gesellschaft zählte, und den Takt besessen hatte, keine Besuche auf den Gütern dec Nachbar schaft zu machen. Zn Pfingsten wurden Edelchen und Isa eingesegnet und zu dem Tage wurden alle Heidegger Kinder — die 'ältesten Baronessen ausgenommen — zu Hanse erwartet. Reginald bereitete seiner Schwester eine Pfingstsreude durch die Nachricht, daß er sich mit der Tochter seines Regimentskommandeurs verlobt hatte. Tic Hochzeit sollte dem Verlöbnis schon nach ein paar Wochen folgen. Frau Christa hatte zwar einige Bedenken: diese sla wischen Frauen waren meist launisch und anspruchsvoll Warinka, Regis Brant, war einzige Tochter, ihr Baler Fürst, und sehr reich. Tie Mutter war bei WarinkaS Ge burt gestorben. Es war ja eigentlich ein unerhörter Glücks fall für Regi — aber, es war eben doch ein Aber dabei. Er sandte das Brautbild — er und Warinka gaben ein ent zückendes Paar — Regi war noch viel hübscher geworden seit jener Edithaepisode; Warinka, ein schlankes, rassiges Geschöpf, eigentlich mehr pikant als hübsch. „Diesmal war auch sie das Karnickel, das ansing", behauptete der Freiherr, nachdem er die Photographie ein gehend betrachtet hatte. „Ja, lieber Matthias, Regi wäre vielleicht sonst gar nicht so kühn gewesen — ein armer Leutnant"... „Ach was, Christel, die Stecnhusens kamen unter Albrecht von Brandenburg hierher ins Land, ein Steen husen war in der Schlacht am Melnosee dabei, und die Kornschews sind wahrscheinlich erst unter Katharina ge adelt worden. Nein, nein, Regi durste schon anklopfen, doch von selber tat er es sicherlich nicht — und seine Wa rinka liebt er ebenso wenig, wie er seinerzeit für unsere Dame Edith« geglüht hat." Zuweilen war der Freiherr, zum Erstaunen "seiner Gattin, in psychologischer Hinsicht ungewöhnlich scharfsichtig, aber nur lornn seine Sympathien und Antipathien spra chen und Warinka gefiel ihm nicht. Wie leise Wehmut, die jede laute Freuds dämpfte, lag es über HauS Heidegg. Maus saß bei Tisch neben seiner Mutter. Ihn hatte sie am längsten von ihren Söhnen entbehren müssen — erst seit drei Tagen war er wieder daheim. Er sah männ lich «nd stattlich ans, und hatte seine Reisezeit mit Ver ständnis ausgenntzt. In Deutschland hatte er seine Stief schwester getroffen. „Ihr würdet Edith« und Erika nicht wiedererkenncn", bemerkte er im Laufs der Unterhaltung bei Tisch. Ter Freiherr kragte nicht nach dein Warum. In seinem Herzen hatten seine beiden ältesten Töchter keinen rechten Platz mehr. Aber Edcltrant und Isa waren neu gierig „Wie sind sie denn?" „Gar nicht wtederzuerkcnnen", versetzte Klaus lä chelnd, „vor allen Tingen sehr schick. Editha hört philo sophische Vorträge, ist in einem Verein von Frauenrecht lerinnen, malt auf Porzellan, verkauft auf Wohltätigkeits bazaren und lebt im übrigen für — ihre Toilette. Mit einem Wort — sie bewegt sich in lauter Widersprüchen. „Und Erika!"'rief Isa. „Erika nimmt Rcitstunden und ist Mitglied eines Tcn- nisklubs; sie hat jetzt sogar, wie eS mir schien, zuweilen* eine eigene Meinung/' schloß Maus mit einer bei ihm selten sich äußernden Bosheit. Es war auch ein Glückwunsch zur Einsegnung da von den beiden Baronessen, die bald in München, bald in Ber lin in vornehmen Fremdcnpensionen lebten. Edelchen, an welch« der Brief adressiert war, hatte sich noch nicht die Zeit genommen, ihn zu lesen. Sie trat nun nach aufge hobener Tafel an ihren Gabentisch und suchte das Schrei ben unter den Einscgnungsgeschenken hervor. Der Glück wunsch, den die Stiefschwestern gesandt hatten, war schablo nenhaft, leere Worte, ohne Herzlichkeit, sür Editha «nb Erika waren die beiden Mcinchen auf Heidegg immer nur Gegenstände ihrer Abneigung gewesen. Aber von wem war denn hier am Rande des Briefbogens die Nachschrift? „Denkt Ihr noch zuweilen an mich. Traute und Isa? Wir waren doch Nachbarkinder. Ich wünsche Euch von Herzen alles Liebe und Schöne und Höffe, Euch sehr bald wieder zu sehen. Mein Mann und ich kommen in diesem Sommer, vielleicht schon in «in paar Wochen nach Eldcnau. Grüßt Euer liebes Heidegg und alle, alle dort! Tausend Grüße Euch von Eurer Nika." „Nein, Ivie lieb von Nika, an uns zu denken", rief Edel chen erfreut, „sie ist also mit Editha und Erika zusammen in München, wahrscheinlich schon auf der Reise hierher. Und wir haben die ganze Zeit so gut wie nichts von ihr gehört. Da lies doch, Fabi, Nika kommt!" Fabi bet» achtete ein Kettenarmband, daS ManS Isa mitgebracht hatte, es fiel klirrend auf den Tisch. Er wandte sich um und entfernte sich; «S war, als. habe er Edelchens Anruf gar nicht vernommen. „Was hat er nur?" dachte diese betroffen. Aber gleich darauf vergaß sie Nikas Nachschrift, denn ein paar Equipagen mit Gästen aus der Nachbarschaft, welche gratulieren wollten, fuhren in den Hof, es gab nun doch mehr geselligen Verkehr auf Heidegg, denn die Jugend ans den umliegenden Herrensitzen war herange wachsen. Fabian eilte über die Glasveranda in den Garten. Am ehemaligen.Schloßgraben war es am einsamsten. Dort setzte er sich aus eine der alten, mit ÄooS überzogenen Steinbänke und starrte, eine ti«se Falle in her junge», glatten Stirn, auf den Wegkies. Me er so sorgenvoll sin nend dasaß. trat «ine gewiss« Aehnlichkeit mit seinem Vater scharf hervor. Uralte Weiden neigten Ihre Zweig« über den ausgetrockneten Graben. Ein paar Bienen summ ten — sonst war alles feiertagsstill um Fabi Heidegg. Er sah ans, als dächte er über die Lösung irgend eines schrote-, rigen Problems nach, er wiederholte aber in schwe ren Gedanken immer nur die zwei Worte: „Nika kommt!" Ich glaubte, alle früheren Empfindungen hinter mir z»^ haben", fuhr er bei sich fort, „und sehe nun, daß ich noch' in der Vergangenheit stecke. Die Jahre haben nichts dar-' an geändert. Vielleicht habe ich auch nicht den ernsthaften Willen getrabt, um vergessen zu können. Ich habe nicht genügend versucht, nicht an Nika zu denken. Wer ich kann sie so nicht iviedersehen. Ich muß irgendwie ein Ende machen." Er saß da, die Augen mit der Hand beschattet, in mü der, hoffnungsloser Haltung. Fabian sah klar, daß es mit HauS Heidegg von Jahr zu Jahr mehr zurück ging, aber kein Vater, ließ sich ja nie mals in feine Wirtschaft drcinreden. Fabi, der durch ein« moderne landivirtfchaftliche Schule gegangen war, könnte all die Mißstände auf Heidegg nun sehr wohl beurteilen. Sollte er etwa reich heiraten, um de» Familienbefitz erhalten?... Nein — um olles in der Welt keine reiche! Frau.... überhaupt, wie kam er nur "in dieser trostloses Stimmung so plötzlich auf Heiratsgedanken. ... vielleicht! aber war ein schneller Entschluß die einzige Rettung dorl der Vergangenheit, die in keiner Weise für ihn Wieder aufleben durfte. Lachend« MSdchenstlmmen rissen Fabi auS seine« Bov- sichhinbrüten. Er sprang auf. < „Dort fitzt der Vermißte! Sitzt und träumt", ries Wirbelchen und kam mit ein paar langen Schritten auf de« Bruder zu. Hinter ihm drein flatterten weiße Kleider —; ein Mädchentrio: Edelchen, Isa, und in ihrer Mitte ein« schlanke Brünette. „Guten Tag, gnädiges Fräulein", sagte Fabian. Irma von Scksnk reichte ihm die Fingerspitzen; M sah so aus, als wöltte sic schmollen, aber ihre Augen laGP ten ihn an. „Man mutz Sie ja stets suchen, Herr von Heidegg, w« haben uns lange nicht gesehen. Ich fragte neulich OrrkL Gotthold, ob Sie krank seien, da Sie nicht zu Lisch kam«»i als wir, Mama und ick, in Bahlenhoff waren." „Arbeit, gnädiges Fräulein, Aussaat!" Irma war die Nichte seines Prinzipals, eine» alte» Junggesellen. „Ach — bei uns ist man gar nicht so — »»-, ser Inspektor läßt fick immer Zeit. Warum Hetze« Btt sich eigentlich so ab, Herr von Heidegg?"
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