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1. Beilage zum „Riesaer Tageblatt". MMMMwck Ww V«lag W« Lau»«« » Nivteeltch t« »lese. — Für A» Rede«« ww«»«ttichi ArsHvr -ätzuel in Utes«. 371 raaaer-lag, 31 Ne»r»ber 1012, «bea»» «ö Aahrg «chßscher Laabtag. vriglNal-vericht. )( Dresden, 19. November 191S. Zweite Sammer. Dl« 2. Kammer erledigte in ihrer Heuti,,« Sitzung lediglich Petitionen. Die Petition de« Berginvaliden August Beyer tu Keffel«dorf und Genoffen um Erhöhung ihr« Pension und die Petition de« pensionierten Rotten» führ«« Hermann Otto Relf in Rhüsa um wlederanstellung al« vahnwärter wurden ohne Debatte nach dem Antrag der Deputation auf sich beruhen gelassen. S» folgt« di« Schlußberatuug üb« Petitionen, die «ine Aentzerung »er gesetzlichen Bestimmungen tze« Apothekerweseu« betressen. Abg. Koch (Fortschr. Bp.) beantragte al« Be richterstatter der Deputation, dl« Regierung zu «suchen, die gesetzliche Regelung de« Apothekenwesen» sobald wie mög» ltch herbeizusühren und die vorliegenden Petitionen ihr al« Material hierzu zur K«nntni«nahme zu überweisen sowie die Beschwerde de« approbierten Apotheker« Kindrrmann in Hosterwitz, soweit sie sich auf da« vutomobilunwesen be» zieht, durch einen früher gefaßten Beschluß sür erledigt zu erklären. Die Abg. Schulze (Soz.), Bleyer (Natl.) und Fräßdorf lSoz.) sprachen sich für «ine Kommunalisierung der Apotheken au«. Ministerialdirektor Geheimrat Dr. Rumpelt: Die Regierung sei bereit, die Frage der Rege» lung de« Apothekenwesenr zu prüfen. Die Lösung dieser Frage sei jedoch angesicht« der bestehenden Schwierigkeiten kehr schwer. Die Regierung wisse noch nicht, in welch« Weise e« zu geschehe» habe. Eine Verstaatlichung oder Kommunalisierung der Apotheken könne sie allerding« nicht al« «inen empfehlenswerten Aulweg betrachten. E« könnte sich höchstens darum handeln, den Gemeinden di« Mög lichkeit zu geben, sich um die Verleihung von Apotheken konzessionen mitzubewerben. Den Landärzten würden schon jetzt in umfangreichem Maße Vergünstigungen gewährt. Gegen die Verleihung der Ehrengericht-barkeit an die Apotheker beständen gewisse Bedenken. In der weiteren Debatte betonte Abg. Schreiber (Kons.), daß seine Freunde in dieser schwierigen Frage, wo sich die Interessen diametral gegenüberständen, einer Vorlage der Regierung mit leb haftem Interesse entgegensetzen würden. ES sei nicht rat- sam, die ganze Angelegenheit im Verordnung-Wege zu regeln. Mehrere Redner sprachen sich entschieden gegen den Vorschlag einer Kommunalisierung de« Apothekenwesen» au«. Wohl ab« sei tüe Frage erwägenswert, ob den Gemeinden Gelegenheit zu bieten sei, sich um Apotheken konzessionen zu bewerben. Nach weiterer Debatte und einer Entgegnung de« RegierungSvertreter« beschloß da« Hau« gemäß dem Anträge der Deputation. Nach Erledigung der Tagesordnung fragte der Abg. Günther (Fortschr. Vp.) den Präsidenten, wann die von seinen Freunden eingebrachten Interpellationen wegen der Fletschteuerung und der Lehrermaßregelungen auf die Tages ordnung gesetzt werden würden. Präsident Dr. Vogel er widert«, d« Minister b^ Innern hab« noch kein, Antwort bezüglich d« zuerst erwähnten Interpellation und ihr« Beantwortung gerben. Der Kultu»mtutst« habe jedoch «rklür», daß er durch do« Bolklschulgesetz und da« Ersetz üb« di« Kirchen» und Schuisteuern so in Anspruch ge nommen fei, daß « zunächst dl« Interpellation«» «egen der Lehrermaßregelungen nicht beantworten könne. Rächst« Sitzung Donn«r»tog vormittag 10»/, Uhr. Kirchen- und Schuisteuergesetzentwurf. ZiteychtuMMtn ii iinW§. BD. Eine und eine halb« Petition liegen bi» heute dem am 26. November zusammrntrrtenden Reichstag« be reit« vor. Die ganze, voll «»«gewachsene geht von den Sozialdemokraten au« und behandelt di« gegenwärtig« Teuerung und die Regi«ung»maßnahmen zu ihrer Be- kämpsung. Di« halbe ist «ft im Werden. Einflußreiche Kreise im Rheinland-Westfalen möchten sie gern den Nattonalltberalen -uschieben und haben sich deshalb hinter den nattonalltberalen Arbeiter-Abgeordneten Hrckmann ge steckt, daß er sie in seiner Fraktion, durchsetzen soll. Dies, also noch unqeborene Interpellation soll die päpstliche Gewerkschafts-Enzyklika behandeln und nach den Befug, nissen de« Papste» zur Einmischung in deutsche Wirtschaft». Verhältnisse fragen, aber gleichzeitig auch'feststellen, ob e« wahr ist, daß der Wortlaut vor der Veröffentlichung der preußischen Regierung vorgelegen und ihr «Plazet- er- halten habe. E« ist allem Anschein nach gute Aussicht vorhanden, daß auch diese Interpellation schon in den ersten Tagen nach Wiederzusammentrttt de« Reichstages offiziell etngebracht wird. Zum ersten Male können dann beide Interpellationen nach den neuen Bestimmungen der Geschäftsordnung de« Reichstag« behandelt werden. Sie werden nicht mehr nur tagelang« Debatten zu zeitigen brauchen, sondern sie können mit Entschließungen de« Reichstage« enden, in denen sich Zustimmung oder Mißstimmung dr« Parlament« zur Politik de» Reichskanzler« ausspricht. Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß bei beiden Inter pellationen der Versuch einer solchen abschließenden Be- urteilung de« BerhandlungSthema« unternommen werden wirb. Da« eine Mal, bei der TeuemngSdebatte, könnten leicht die Gegner der Interpellanten auf einer Abstimmung bestehen, da« andere Mal die Interpellanten selbst. In beiden Fällen ist ja da« Urteil de» »hohen Hause«" leicht vorauSzusehen. Die Teuerungs-Interpellation wird zerlaufen wie alle seitherigen: je nach Temperament und Parteizugehörigkeit abgestuske Kritik att der Regierung«- Haltung mit gleichzeitigem Bekenntnis zur gegenwärtigen Wirtschaftspolitik oder — auf der Linken — gegen sie. Da beiden wirtschaftspolitischen Partetlagern im Grunde nur an einem Urteil über diesen entscheidenden Punkt: die Aufrechterhaltung oder den Ausbau der jetzigen Zollpolitik^ gelegen sein kann, so würde eine Abstimmung darüber ganz zweifellos mit einem Siege der Rechtsparteien samt Nationalltberalen üb« Sozialdemokraten und BolkSparteiler / enden. E» ist fraglich, ob der Reichskanzler «iü« derartig, Zustimmung zu fein« Wirtschaftspolitik »Luschen wird, denn st« brächte nur «in« neu« parteipolitische Verschärfung d« Eegeusätz« mit sich, auch w«nm st« keine neuen Tat sachen konstatiert,. Aber für dl« agrarkonservativen Segn« der neuen Interpellation««,stimmungen wär« r« «in« lockende Versuchung, nun gleich bei der ersten praktischen Handhabung ein, Zustimmung statt «in« oppositionellen Mißbilligung durchzusetzrn. Freilich, schon bet der »weiten Interpellation würde eine Abstimmung wohl da« Gegenteil «geben, ein« offen bare MißtrauenSkundgebung de» Reichstage«. Zu den Nationalltberalen, Fortschrittlern und Sozialdemokraten würden bei aller Zurückhaltung mit den christlichen Gewerk- schäften und vielleicht gerade um dieser Freundschaft willen noch zahlreiche konservative und sreikonservatioe Stimmen kommen, die eine vorherige Billigung de» päpstlichen vor gehen« durch die preußische Regierung entschieden vrr- urteilen würden. Peinlich würde die Situation sür da« Zentrum werden, da« um seine» katholischen GewerkschaftS- anhange« willen eine Verurteilung der Enzyklika, au« allgemein taktischen Erwägungen herau« dagegen still schweigend Duldung wünschen muß. Bon den Inter- pellanten selbst aber würde eine Abstimmung de« Reich«, tage« wohl umso sicherer gewünscht werden, al« sie einen bedeutsamen Auftakt zu den Jesuitendebatten bilden würden, die ja für den kommenden Winter auch noch bevorstehen. — Au« allen diesen Erwägungen heraus wird man den vor- handenen Jnterpellation«möglichkeiten im Reichstag in den nächsten Wochen mit besonderem Interesse entgegensehen dürfen. D« kcksMmiMlWMe NM Ueber Vulgaren und Türken siegt die Cholera. Wie da« letzte Ringen der Kämpfer an der Tschataldschalinie auch aurgehen möge, die über die Meerengen eingedrungen« asiatische Seuche gebietet Frieden. Wa« nach den Erfolgen de« bulgarischen Heere« bei Kirk-Kilisse und Tschorlu ziem lich sicher zu erwarten war, der vom bulgarischen Offizier- korp» geforderte Einzug in Konstantinopel, ist durch die fürchterliche Verseuchung de« ganzen Gelände» -wischen dem Marmora- und dem Schwarzen Meere unwahrscheinlich geworden. Damit ist die Besorgnis vor dem Auftauchen der Meerengenfrage unter den Großmächten in den Hinter-, gründ gerückt. Ungünstiger liegen die Dinge für eine friedliche Regelung der albanischen Frage. Hier werden die An- sprüche de« Militär« durch keine verheerende unsichtbare Macht gehemmt. Serbien besteht hartnäckig auf dem Zu- gang zur Adria, die Belgrader Presse führt eine so heraus- fordernde Sprache gegen Oesterreich-Ungarn, al« ob Serbien schon ein großmächtiger Staat geworden sei, der sich über den Einspruch der Doppelmonarchie an der Donau leicht Hinwegsetzen dürfe. Der österreichisch-ungarische Konsul in -Herzlos. Roman von Louise Cammerer. 27 FordenstieldS Tod hatte ihr die Freiheit und Selbständig keit znrückgebracht, zudem der alte Mann, der sie zwar ge liebt, aber auch mit Eifersucht gequält hatte, und dem sie sechs Jahre hindurch eine teure Lebensgefährtin gewesen, sie großmütig genug zur Universalerbin aller Liegenschaften und feine« bedeutenden Gesamtvermögens eingesetzt hatte. Ihre -Zukunft war mehr als glänzend gesichert, allein der äußere Besitz erfreute sie nicht mehr, er verlor alle Bedeu tung, seitdem auch Werner dem schnöden Gelbe sich geopfert. Scheu und verzagt hatte sie seinerzeit dem Ruf ins Vater haus Folge gegeben, scheu und verzagt war sie dem Ge fürchteten 'gegeiiüber getreten und das gespannte Verhältnis war von Anfang bis zum Ende vorherrschend geblieben. Die Blutsbande regten sich nicht, weil hüben und drüben das Ver ständnis, die Liebe und jede« Zutrauen fehlte und die kühle Sprache eine» notgedrungenen Pflichtgefühls die offene Kluft nicht auszufüllen vermochte. Dagmars Herz, ihre Gedanken waren stets bei den fernen Lieben auf Deutschlands Erde ver blieben, sie vermochte sich in dem Lande, das durch Geburt und Namen ihre Heimat war, nicht heimisch zu fühlen, zu dem sie hier alle« vermißte, was ihrem Leben seither Wert und Inhalt gegeben und der Druck, den ihr Vater auf sie auSübte, keineswegs danach angetan war, sie versöhnlicher zu stimmen. Härte verhärtet, und vor ihres VaterS Härte flüchteten sich ihre charitativen Bestrebungen, die ihre Tante angeregt und die auch im Vaterhause nach Betätigung ver langten, in die tiefsten Tiefen ihrer Seele. Sie wagte es nicht, «ine freie Meinung zu äußern, ein Buch in der verhaßten deutschen Sprache zu lesen. E» war und blieb eine geistige und seelische Knebelnng, der Schlußakkord zu dem Spiel, welches er einst mit ihrer Mutt« getrieben, dre « au« Rachsucht an seine Seite gerissen, um ihr Gefühlsleben stückweise zu ertöten und die daran zu grunde gegangen war. Ihre Verheiratung mit Fordenskirld, , eine« Gesinnungsgenossen ihre» Vater», änderte nicht» hierin. Den Namen hatte Dagmar gewechselt, du Druck war derselbe, wie zuvor! Kalitn, daß ihr hie und La Gelegenheit wurde, der Tante, die ihre Erziehung geleitet, ein paar herzliche Worte zu übermitteln. Hier wie dort Zwang. Ach, was hatte ihr verängstigtes, verschüchtertes, ihr liebendes Herz nicht alles erhofft. Nun war auch der letzte Hoffnungsschimmer erloschen. Nein, was Gott nicht freundlich gefügt, nicht friedlich ge währt, nimmer wollte sie es durch entwürdigende, erbärm liche Mittel an sich reißen, nimmer mit einer Gewissensschuld die Seele belasten. Kein Segen wäre bei solchem Tun. Da hin hatte sich Dagmar offen und endgültig mit der Tante geeinigt, beide jeden Gedanken an eine gewaltsame Lösung aufgegeben. Dennoch AnSeinandergehen, sich fernerhin allen Anrechts an Werners Geschick zu begeben, an Werner, der ein Teil ihres Lebens war, seit der Kindheit Tagen, der Gedanke wühlte in ihrer Seele fort, trieb sie ruhelos umher. Zu eng und drückend erschienen ihr die weiten, luftigen Räume, die sie bewohnte, beengend und erstickend die Luft, die sie durch wehte. Werner klopfte vergeblich an ihre Türe. Niemand öffnete ihm, niemand rührte und regte sich drinnen. Auf sein Befra gen sagte man ihm, daß die Admiralin im Garten zu fin den sei. Mit tiefer Bangigkeit blickte er in ihr verstörtes, totblei- cheS Antlitz, in die glanzlosen, matten Augen, die von schlaf losen Nächten sprachen. Nach einem kurzen Austausch nah men sie Abschied für unmer. Ueber die breite Steintreppe, die zu der Terrasse empor führte, hinabschreitend, kam ein Diener des Fordenskieldschen Hause» eilfertig auf Werner zu. „Herr Baron werden gebeten, sich sofort in» „Hotel Royal begeben zu wollen. Man hat soeben nach Ihnen suche» lassen. Pferde und Brougham, dessen sich Herr Gras Stetten zu einer Ausfahrt nach dem Äuchenholm bediente, verunglück ten auf der Heimfahrt und wurden ohne Insassen aufgefun den. Der Hotelbesitzer hat bereit» die nötigsten Anordnungen getroffen und Leute mit Tragbahren zugeschickt!- Wie ein dmnpfe« Brausen zog e» an Helldrungen» Ge« hör vorbei. Bor seinen Auge» dunkelte e». Unaufhaltsam trieb «» Werner vorwärts. « . Uns« de» Gästen und den Dienern des „Hotels Royal*. herrschte eine Bestürzung, die nahezu ans Kopflose grenzte. Einer der herrlichen Falben, der beide Fesseln gebrochen, mußte sofort getötet werden, der Brougham sah äußerst de fekt ans und auch der jämmerliche Zustand deS zweite,! Pfer des bot wenig Aussicht zu seiner Erhaltung; wie aber mochte es erst um die Menschen stehen, deren Leben dem vollen Wit ten der Tiere ausgesetzt war? An der Seite des Hoteliers bestieg Helldrnngen eine Equipage, die die Richtung nach dem Buchenholm einhielt. Die Fahrt dauerte nur eine kurze Weile, da brachte man Graf Stetten, unter Beaufsichtigung eines Arztes, bereits des Weges getragen, und eine kleine Strecke entfernter, auf einer zweiten Tragbahre, trug-man Hermine behutsam heran. „Wie steht es, Doktor?" Der Hotelbesitzer fragte eS ver stört. Der Arzt zuckte bedauernd die Achseln. „Graf Stetten ist rcttnngSloS verloren, zwar atmet er noch, wird jedoch kaum mehr znm Bewußtsein gelangen. Die Dame kam besser weg! Ein Knöchelbruch und einige Kontusionen, etwas langwierige Geschichte, doch nicht die ge ringste Lebensgefahr dabei. Wohin soll Graf Stetten gebracht werden?" „O mein Gott, mein Gott, mein HanS, mein Ruf, meine Falben," jammerte der Hotelbesitzer, nur des eigenen Mißge schickes gedenkend. „Ja, wohin mit dem Verunglückten, Herr Baron. Eirchn Sterbenden inS Hotel — unmöglich! ES fehlt an Zeit und Pflege und ich darf «reinen Gästen eine derartige Aufregung nicht zumuten!" Ratlos blickte er auf Helldrunge», an dessen Ohren seine Worte stumpf und dumpf verhallten. „Was soll geschehen, Herr Baron?" wiederholte er seine Frag« nochmals eindringlicher. Als er wiederum keine Antwort er hielt, Werner noch immer vor sich hinstarrte, hielt der Hotelier es am geratensten, eigene Maßnahmen zu treffen. „Herr Baron ist kopflo», leicht erklärlich, so muß ich den Kopf oben halten," sagte der Hotelier bedauernd. „Graf Stet ten dürfte im Hospitale erste und beste Hilfe finden, ander« zu bestimmen, geben die obwaltenden Umstände nicht zu," er verstummte, denn au» unmittelbarer Nähe hörte man Hufschlag. Dagmar kam auf schäumendem Renn« heran, geritten. «HW