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Uiesaer D Tageblatt ««d Anzetzer (Lltetlsll Lqeißtt). Donnerstag, 31. Jannar 18SS, AvendS. Ttlegramm-Utzrefl« M» Etz Semsprachstt», .»,,»!,«'. Nies». MG D V T» Ar» der König!. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des StadtrathS zu Ries«. „1- 2«. Donnerstag, 31. Jannar 18!)'», Abends. 18. Jahr- Dai« Riesaer Tageblatt erscheint jeben Lag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtag«. Bierteljührltcher Bezugspreis bet Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strchla, de« AnSgpbeGMWd sowie am Schalter der kayerl. Pojtanstalten 1 Mart 25 Ps„ durch dir Träger frei In« HauS 1 Mark 50 Pf., durch den Briefträger frei in» Hau» 1 Mart «ö Ps. A^rigeu Annah«, pr dt» Am»» de« Ausgabetage« bi« Bormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Rirsa. — Geschäftsstelle: «astaniruftrab, VS. — Für die Redacti» ««antwortlich: -ar«. Gch«ldt M »tat«. Bekanntmachung, Vie Anmeldung zur Höheren Knaben - und Höheren Mädchenschule in Riesa betr. Tie Höhere Kuabenschule in Riesa, die nach Maßgabe der Lehrordnung für die sächsischen Realschulen eingerichtet ist, bereitet ihre Schüler sowohl für den Besuch höherer Lehranstalten als auch für den Eintritt in den landwirtschaftlichen, kaufmännischen, oder einen gewerblichen Beruf vor. Französisch und Englisch sind obligatorische Unterrichtsfächer, Lateinisch ist fakultativ. In die unterste Klaffe können solche Schüler eintreten, die drei Jahre lang den Unterricht einer guten Volksschule mit Erfolg genossen haben. In der Höhere« Mädchenschule ist der französische Unterricht obligatorisch, der englische fakultativ, ersterer beginnt mit dem vierten Schuljahre. Anmeldungen für diese Schlllanstalten werden bis Milte März d. I. entgegen gekommen. Bei der Anmeldung ist ein Schulzeugnis, sowie der letzte Impfschein vor zulegen. Die persönliche Vorstellung auswärtiger Schüler bez. Schülerinnen ist erwünscht. Riesa, am 7. Januar 1895. Die Direktion der städtischen Schulen. Bach. Untergang des Schnelldampfers „Elbe". Eine Trauerbotschaft überbrachte uns heute morgen der Telegraph aus Bremen. Der dem Norddeutschen Lloyd ge hörige prächtige Schnelldampfer „Elbe", der am Dienstag von Bremerhaven nach New-Aork in See ging, ist gestern früh gesunken, wobei über 200 Menschen ertrunken sind. Das heute früh durch Extrablatt verbreitete Telegramm meldete: Bremen. Nach soeben beim Norddeutschen Lloyd cingegaiigenen Telegrammen aus Lowestoft ist der gestern (Dienstag! von Bremerhaven abgegangene Schnelldampfer „Elbe" nach heute (Mittwoch) früh 6 Uhr stattgehabter Collisswn gesunken. Ein Rettungsboot n.it 22 Personen ist gelandet. 'Nachrichten über die anderen fehlen. — Nach einer Londoner Depesche des Reuter'schen Bureaus sind über 200 Menschen ertrunken. Das schreckliche Ereigniß wird über viele Familien Trauer, Kummer und Sorge bringen. Urber das schwere Unglück sind uns i:n Laufe des Tages noch folgende Nachrichten zuge gangen : s- Lowestost, 30. Jrnua". Die von der „Elbe' ge landet n Personen sind fünf Passagiere, der erste Ingenieur, drei Offiziere, vier Kassirer, sieben Matrosen und zwei Lootsen. Dieselben sagen aus, daß ungefähr 250 Passagiere und 65 Mannschaften an Bora der „Elbe" gewesen seien. Vom Schicksal derselben ist nichts bekannt. Tie „Elbe" sank sofort nach der Kollision. Unter den Geretteten befindet sich eine Dame. -j- London, 30. Januar. Eine Depesche an den „Norddeutschen Lloyd" aus Maaslouis meldet: Der britische Kohlendampfcr „Crathin" von Rotterdam nach Aberdeen dort angekommen, berichtet: heute früh 5V, Uhr ist 30 Meilen von Hoech (Holland) der Passagierdampser „Elbe" mit einem großen Dampfer zusammengestoßen. Der „Crathin", ein kleiner Kahlcndampfcr von 470 Tons, ist vorn stark be schädigt, lcckr aber nicht und begiebt sich morgen zur Re paratur nach Rotterdam. -j- London, 31. Januar. Der Zusammenstoß beider Schiffe erfolgte 47 englische Meilen südwestlich von Haak- Lcuchlschiff. Es war sehr dunkel, aber kwrc Lust. An Bord war alles zu Bett. Der Stoß war furchtbar; er schlug tief mitten in den Maschinenraum. Sofort überfluthete das Wasser das Hintertheil der „Elbe". Kcil einziger Passagier der ersten Kajüte und nur fünf Passagiere der zweiten Kajüte wurden gereuet. Dem Stoß folgte'eine große, schreckliche Verwirrung; alles eilte nach den Booten. Der gerettete Passagier Hofmann theilk mit: Es wurden zwei Boote herab gelassen, von denen eins sofort unterging. Von den Passa gieren in diesem Boote wurde nur Fräulein Anna Böcker in das andere Boot gereitet. Nach zwanzig Minuten, während sich die Frauen und Kinder in den Booten einschifflen, ging die „Elbe" plötzlich unter. Das Rettungsboot mit den 20 Gerenkten wurde während sechs Stunden hin- und herge- tiicbcn und endlich von dem Fischerboote „Wildflower" an Land gebracht. -f Lowestoft, 31. Januar. 6 Uhr 35 Min. früh. Es heißt, daß drei Boote von dem gesunkenem Schnelldampfer „Elbe" iir's Wasser gelassen worden seien. Von dem dritten Boote ist bisher keine Nachricht cingegangen. -j- Bremen, 31. Januar. Dec untergegangene Lloyd- dampser „Elbe" hatte 47 Kajütpassagicre, darunter 29 Män ner, 14 Damen und 4 Knaben, 138 Zwischendeckspassagiere und 65 Mann Besatzung. Unter den Kajüipassagieren be fanden sich etwa 12 Deutsche, darunter Fritz Appel-München, Hugo Becker-Chemnitz, Regisseur A. Baumann-Berlin, Karl Nußbaum-Berlin, Eugen Schlegel-Fürth, Simon Schweitzer- Berlin, Auz. Sander-Essen, Frau Hauptmann Klipfel-Bran- denburg, Emma Schlegel-Fürth, Klara Weingärtner-Hechin gen, Karl und Fräulein Anna Böcker-Bremen. ch Bremen, 31. Januar. Eine an den Norddeutschen Lloyd gerichtete Depesche aus Lowestoft meldet: Um 10 Uhr Abends sind gerettet die Kajütspassagiere Karl A. Hofmann, A. Grandisland, Jan Vevera (Böhmen), Eugen Schlegel- Fürth, Anna Böcker - Bremen, der Zwischendeckspassagier Bothen, der Weserlootse Deharde, der englische Lootse Green- Ham, der dritte Offizier Stolberg, der erste Maschinist Neussal, der Zahlmeister Weser, der Zahlmeisterassistent Schlutius, ferner von der Mannschaft Linkmeyer, Sittig, Fürst, Röbe, Wenning, Finger, Sibert, Dresow, Battke und Walter Schüll- Düren. f Bremen, 31. Januar. Von dem Kaiser und der Kaiserin ist der Direktion des Norddeutschen Lloyd das nach folgende Beileidstelegramm zugegangen: „Der Kaiser und die Kaiserin sind durch das schreckliche Unglück, das die „Elbe'" betroffen, aufs tiefste erschüttert und sprechen Allerhöchster wärmstes Mitgefühl und aufrichtigstes Beileid aus. I. A. A. v. Scholl, Flügeladjutant.'" Vom Reichstag. Gestern kam der von den Abgg. Auer (Sozd.) und Genossen eingebrachte Gesetzentwurf wegen Aushebung der dem Statthalter von Elsaß-Lothringen übertragenen außerordentlichen Gewalten in Verbindung mit von den Abg. ColbuS (Els) und Genossen beantragten Gesetzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes, betr. die Verfassung und die Verwaltung Elsaß Lothringens, vom 4. Juli 1879 zur ersten Berathung. Abg. Bebel (Sozd.): Es liege auf der Hand, daß der jetzige Zustand auf den Geist der Bewohner jenes Landes äußerst deprimirend wirke. Wiewohl Elsaß-Lothringen seit 1871 zu Deutschland gehöre, seien doch mehr als neun Zehntel der dort geltenden Gesetze französischen Ursprungs. In Frankreich sei aber seit 1871 eine Menge dieser Gesetze und Verordnungen beseitigt worden, in Elsaß-Lothringen da gegen bestünden jene alten Bestimmungen nach wie vor. Andererseits werde den Reichslanden die Wohithat einer Reihe deutscher Gesetze vorenthaltcn. Dadurch werde in der Bevölkerung ein Gefühl der Rechtlosigkeit, der Vernachlässigung, der Unterdrückung erhalten. Es sei allerhöchste Zeit, diesem Zustand ein Ende zu machen. Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe: Der Herr Vorredner hat in lebendiger Weife die lyrannischen Zustände, unter denen Elsaß-Lothringen schmachtet, dargelegt, so daß ich mich wirklich fragen mußte, ob ich. der ich 9 Jahre an der Spitze der dortigen Regierung gestanden habe, ein Tyrann gewesen bin. Auf die einzelnen Thatsachen will ich nicht eingehen. Der Herr Staatssekretär von Elsaß-Lothringen wird dem Vorredner auf die Einzelheiten seiner Rede ant worten. Ich beschränke mich auf einige allgemeine Be- merkui'gcn. Das Gesetz 1>om 10. Dezember 1871, welches dem Ooerpräsidcnten dezw. dem Statthalter die ausgedehn testen Befugnisse beilegte, wurde zu einer Zeit gegeben, wo unmittelbar nach der Einverleibung Elsaß - Lothringens in Deutschland in manchen Kreisen noch eine gewisse Miß stimmung über die Abtrennung von Frankreich herrschte. Man glaubte deshalb sich zu der Annahme berechtigt, daß Ausschreitungen statlfinden könnten und hielt Sicherheits matzregeln für nölhig. Damals konnte man sagen, daß die Maßregeln gegen die Bewohner von Elsaß-Lothringen ge richtet waren, heute ist dies anders, heute hat der sogenannte Diktaturparagraph nur noch eine theoretische Bedeutung. (Heiterkeit links.) In der ganzen Zeit, in der ich in Elsaß- Lothringen war, ist er nur zweimal angewendet worden. Die Verhältnisse haben sich geändert, Elsaß-Lothringen hat sich daran gewöhnt, den durch den Frankfurter Frieden ge schaffenen Zustand für einen dauernden anzusehen. Sehr viele Elsaß-Lothringer sind von Herzen gute Deutsche, alle sind arbeitsame, ruhige Leute und, wie seinerzeit ,der Abg. Kabls sagte, eine Gesetz und Religion ehrende Bevölkerung. Trotzdem Halle ich es nicht für räthlich, den sogen. Diktatur- Paragraphen aufzuheben. Die Regierung von Elsaß-Lothringen ^bedarf einer gewissen Sicherheit, nicht gegenüber der Be völkerung, sondern gegenüber auswärtigen Agitationen. (Sehr richtig! rechts.) Ich weiß wohl und erkenne rückhaltlos au, daß die »ranzösische Oiegierurig zu allen Zeiten in ihren Be- Ziehungen zu Deutschland in der korrektesten und loyalsten Weise verfahren ist; das hindert aber nicht, daß es in Frank- reich zahlreiche Menschen giebt, die sich nicht von dem Ge danken einer Wiedergewinnung der verlorenen Provinzen trennen können, und die alles anwenden, um ihre An schauungen in Frankreich und in Elsaß-Lothringen zur Gel tung zu br ngen. Wenn Sie annehmen, daß diese franzö sischen Agitationen auch nach Elsaß-Lothringen hinübergetragen werden können, daß Bewohner des Landes von Agitatoren zu unbesonnenen Schritten verführt werden können, — gegen diese Verführung bildet das Gesetz vom 30. Dezember 1871 eine wirksame Warnungstafel. Und wenn das Gesetz auch gar keine andere Folge hätte, als Unbesonnene vor Landes verrat zu bewahren und vor der darauf stehenden Zucht hausstrafe, so wäre es gerechtfertigt. Ich gebe den Herren Antragstellern zu, daß der Diktaturparagraph für die Be- völkerung von Elsaß-Lothringen peinlich ist. Ich wünsche auch von ganzem Herzen, daß Elsaß-Lothringen den übrigen deutschen Staaten gleichgestellt werde, daß es gleiche Rechte habe, wie es gleiche Pflichten Hal. Diese Gleichstellung kann aber erst dann erfolgen, wenn die Verhältnisse sich soweit geklärt haben, daß wir vor fremden Einwirkungen sicherge stellt sind. Bis dahin müssen wir das Gesetz behalten und ich rathe deshalb, den Antrag abzulehnen. Abg. Guerber (Els.): Die Diktatur sei für Elsaß- Lothringen nicht eine Maßregel, sondern eine Institution, und wenn gesagt worden sei, daß der Diktaturparagraph nur in der Theorie besteh-, so erwidere er darauf, daß alle Theorie grau sei, wir ständen aber in der Praxis. Die Bezeichnung des Gesetzes vom 10. September 1871 al- Warnungstafel zeige, daß man den Belagerungszustand eingeführt habe nicht sür Dinge, die rorhanven seien, sondern für solche, die kom men könnren. Man brauche die Diktatur nicht, denn es fir n keine Unruhen oder Konspirationen vsrzekommen. — Staats sekretär in Elsaß-Lothringen v. Puttkamer: Die Vers ält- nisse seien keineswegs so harmlos, wie sie der Vorredner ge. schildert habe. Tue Einwirkungen von Frankreich her, und zwar sowohl durch Vereine als auch durch einzelne Personen, seien außerordentlich groß. Em geschichtlicher Prozeß, wie er sich durch die Einverleibung Elsaß-Lothringcns in das deutsche Reich vollzogen, könne in seinen Wirkungen nicht spurlos verschwinden. ES gebe in Frankreich etwa 47 Vereine, die sich diese Aufgabe stellten, dafür zu sorgen, daß die eisaß- lothringische Frage nicht einschlafe. Gegenüber diesen Ein wirkungen dürften die Waffen nicht aus den Händen gegeöen werden, Waffen, die nur in bescheidenem Maße gebrauch'! würden. Der Diktaturparagraph enthalte übrigens nur eine Bestimmung, wie sie in anderen Staaten nicht unerhört sei. wie sie in Württemberg und Hessen bestehe, und wie sie in Frankreich bis 1871 als ungeschriebenes Recht bestanden habe Der einzige Ausnahmezustand liege in der staatsrechtlichen Stellung der Reichslande innerhalb des Deutschen Reichs. Die Aushebung des in Rede stehenden Gesetzes würde de» Lage durchaus nicht entsprechen. — Abg. Lrcber (Ctr ): Er wünsche, daß von deutscher Seite Alle» geschehe, um dec