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Riesaer G Tageblatt ««d A«reigrr WeM mß Aqeigtt). Telkge-mm-Adressi «L 6 ckA S«chM«a» t v «k.so. -er Königl. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtrath- -»Riesa. 209. Sonnabend, 7. September 18SS, Abends. «8. Zahrg. DaS Riesaer Tageblatt erscheint jede» Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestellen, sowie am Schalter der laisrtt. Postanstalt«» 1 Mark 25 Pf., durch die Träger frei ins HauS 1 Mark 50 Pf., durch den Briefträger frei in» Haus 1 Mark 65 Pf. Anzrigeu-Aunahme für die Nummer des Ausgabetages bis Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastantenstraße 5S. — Für die Redaction verantwortltch: Herman« Schmidt in Riesa. Konkursverfahren. Ueber da» Vermögen des Brauerei- und Gasthofsbesitzers Aarl Schmiede» itt Heyda wird heute am 7. September 1895, Vormittags 11 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Fischer in Riesa wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursfvrderungen sind bis zum 12. Oktober 1895 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in Z 120 der Konkurs ordnung bezeichneten Gegenstände — auf den 7. October 1895, Vormittags 10 Uhr — und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 4. November 1895, Vormittags 10 Uhr — vor dem unterzeichneten Gerichte Termin anberauint. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den For derungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 5. Oktober 1895 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Riesa. Hellmer. Bekannt gemacht durch: Länger, G.-S. Montag, den 9. September 1895 Vorm. 10 Uhr kommen auf Riesaer Flur — Zusaminenkunft am Wasserwerk an der Leutewitzer-Straße — 26 Zeilen Kartoffeln zur Versteigerung. Riesa, am 3. September 1895. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts das. I. V. Audrae. Aus Bulgarien kommen noch fortgesetzt wenig anheimelnde Nachrichten. Nach den Mittheilungen eines dortigen Korrespondenten des „Ber liner Tageblattes" ist es die Meinung fast aller Politiker in Sofia, daß die Lage Bulgariens sehr düstere Farben auf. weist, trotzdem sich der Fürst mit seinem gemischten Regierungs apparat auf Lustreisen befindet und bei der Eröffnung der Telephonlinie Rustsäuk-Schumi-Maritza große Huldigungs komödien Vorspielen ließ. Nur der Minister des Aeußeren, Natschowitsch, blieb in Sofia. Inzwischen erließ Zankow sein offenes Schreib « an die Führer der verschiedenen Par teien und auch an die Regierungspartei, der er in 14 Punkten di? Leviten liest, wobei er insbesondere fordert, das 8 38 der Konstitution durch Einberufung der großen Sobranje in seinem ursprünglichen Text wiederhergestellt und Kronprinz Boris ipso zurs gezwungen werke, in den Schooß der allein-selig-machenden orthodoxen Kirche einzukehren und da durch dem Einflüsse der wajchccht-panslavistischen Popen an heim zu fallen. Ferner fordert Zankow die Rückberufung der verbannten bulgarischen Verschwörer Benderem, Gruew, Radko, Dimitrew u. A. m., um sie in die bulgarische Armee als Obersten eventuell Generale einzureihen. Diese Wünsche ZankowS — so fährt der Korrespondent des citirten Blattes fort — der in Sofia mit Karavelow die Geschäfte eines russischen diplomatischen Agenten versieht, sind der Regierung denn doch etwas zu bunt gewesen, wes halb sie es für angezeigt fand, als Gegengewicht das jüngst erschienene antirussische Militärblatt, welches sie bereits sus- pendirt hatte, wieder erscheinen zu lassen, damit cs der ver einigten Opposition mir großen Lettern zu lessen gebe: Nieder mit der Konstitution, hoch die Militärdiktatur! Wer den Dr. Stoilow in seiner Opposition gegen Stambulow gekannt hat, würde es nie glauben können, daß es Stoilow je zulassen wollte, auf so eine autokratische Art Bulgarien freiheitlicher Existenz den Garaus zu machen. Doch ist es so und nicht anders. Der Angriff auf die Verfassung in dem „Militärblatte" ist nur auf Kommando des Dr. Stoilow losgelaffen worden. Es ist eben, seit er Ministerpräsident ist, sein Lieblings thema geworden, zu behaupten, daß Bulgarien nur bei Auf hebung der Konstitution zu regieren ist. Es ist ihm nicht genügend, mit der gesammten Polizeimacht, zu der man alle Stacht', Feld- und Waldwächter, Straßenkehrer, Feuerwehr männer, Schreiber, AmtSdiener, Straßenräumer rc. rc. rechnet, d e Wahlen unter Vergewaltigung der Wähler durchzuführen, und sich einen Ccntralpolizeiapparat in jedem Kreise und Bezirke zu bilden, den er zu allem, was Gott verboten hat, verwenden kann und auch verwendet. Da Bulgarien in 23 Kreisstädten je eine solche Polizeibande besitzt, die aus Sofia ihre Befehle erhält und je von einem Präfekten geleitet wird, ist es dem Minister des Inneren leicht, das ganze Land zu terrorisiren. Um dies jedoch mit noch größerer Sicherheit durchführen zu können, will Stoilow sich der Militärdiktatur bedienen, welche gegenüber der heutigen Regierungsform allerdings noch den Bortheil auswcist, daß dann auch nicht einmal mehr der Schein eines Rechts ge wahrt zu werden braucht. Was die Bevölkerung dann zu erwarten hat, wenn sie erst unter dem Joche einer Militärdiktatur seufzt, bedarf keines Wortes. Inwieweit die Bevölkerung russisch gesinnt ist, kann man daraus entnehmen, wenn man erwägt, daß jeder Polizist als blindes Instrument der Regierung und aus Selbsterhaltungstrieb russische Gesinnung heucheln muß. Die große Masse, welche der Partei Radoslawows und StambulowS angehört und neun Zehntel d r Bevölkerung ausmacht, erinnert sich noch ganz gut der Segnungen (?) russischer Herrschaft aus der Okkupationszeit und der Droh ungen der russischen Offiziere, nachdem sie Bulgarien ver lassen hatten. Der russische Zar will Thatsachen, will greifbare Be weise vor sich haben, um dann in Erwägung zu ziehen, ob er den Prinzen Ferdinand von Koburg als Fürsten von Bulgarien anerkennen wird. Seine Agenten bemühe« sich, diesem allerhöchsten Wunse nachzukommen, Stambulow, Ruß lands größter Feind, fiel durch Meuchelmord. Am europäischen Frieden wird ja täglich in Makedonien und Thracien genug gerüttelt. 25 Tage bevor Zankow sein Schreiben in die Welt hinaussandte, schickte er seine Tochter, Krau Lutzkanow, in geheimer Mission nach Petersburg. AaS Ergebniß dieser Mission dürsten die 14 Positionen des Fankow'schen Briefes sein. Od Fürst uns Regierung diesen Bedingungen sich schließlich unterwerfen werden? Schwerlich! Man vergißt ganz und gar, daß, wenn der Fürst Ferdinand wirklich seinen Sohn Boris orthodox taufen lassen wollte, wie es die Pansla- visten fordern, die Taufe eines Minderjährige,-, dessen Eltern einem anderen Religionsbekenntniß angehören, rechtlich ganz und gar ungiltig und nicht als geschehen zu betrachten sein würde. Dieser Tage erschien hier aus Bukarest Herr Bukovianu, Redakteur des Constitutioanul, eines Blatte?, das mit der rumänischen Regierung und König Karl in intimster Beziehung steht. Derselbe richtet an die Narodni Prava eio Schreiben, worin er entschieden den Borwurf zurückweist, daß Rumänien sich zur Okkupation Bulgariens hergeben würde, wie es aus wärtige und hiesige Journale behaupten. Man glaubt, dieser Herr sei hier in einer beschwichtigende» Mission und zugleich zum Zwecke der Anbahnung einer Balkankonfederatton l Die Beleidigung des englischen «onsulargeranten Eliot gewinnt eine immer größere Tragweite und wird nicht un beglichen bleiben; ebenso der Fall mit dem türkischen Ge sandten Nebyl Bey, dem türkischen Vakuf-Kommissär, der die vom Fürsten Ferdinand dem Sultan zugesügre Beleidigung in einem geharnischten Schreiben nach Konstantinopel meldete und Instruktionen erwartet. Die Pforte hatte den Bulgaren in Macedonien zwei Metropoliten in Slaumitza und Kukusch zugesagt. Da kam der Fall von Dospat dazu, und mit einem Mal war die ganze Situation vet ändert. Täglich wurde die Lage ernster. Man ließ Malo Tyrnowo mit Dynamit sprengen, — der Fürst Ferdinand erschien am ThronvefteigungSlage des Sultans nicht zum Besuche bei Nebyl B.Y. Und so reibt man sich aneinander — bis es zum wirkttchen Bruch kommt. Ta-eSgeschichte. Deutsches Reich. Gestern Nachmittag 3 Uhr 55 Mu. ief der Sonderzag der Kaiserin in die Bahnhofshalle in Stettin ein. Fast zu gleicher Zeit traf der Kaiser an Boro der „Grille" am Landungsplätze ein, wo eine Ehren kompagnie vom Grenadierrcgimcnt „König Wilhelm lV." (1. pommersches Nr. 2) zum Empfang aufgestellt war. Nach dem der Kaiser die Front der Kompagnie abgeschritten hatte und dieselbe bei dem Monarchen vorbeimarschirt war, holte Ne Kaiserin den Kaiser im Wagen ab, den Se. Majestät bestieg. Vom Landungsplätze aus hielten die Majestäten unter begeisterten Zurufen der zahlreich versammelten Be völkerung AllerhöchstihklN Einzug. An der Ehrenpforte vor dem Rathhaus hatte der Oberbürgermeister Geh. RegierungS- rath Haken, umgeben von den städtischen Behörden, Aufstel lung genommen und begrüßte die Majestäten ehrfurchtsvoll durch eine Ansprache, für welche der Kaiser huldvollst dankte. Der Einzug erfolgte über den Marktplatz, den Paradeplatz und den Königsplatz nach dem Schlosse unter Eskorte einer Eskadron des Dragonerregiments „Freiherr v. Dörfflinger". Längs der Einzugsstraße bildeten Vereine, Schulen und Ge werke mit ihren Fahnen Spalier. Unbeschreiblicher Jubel schallte dem Kaiser und der Kaiserin auf dem ganzen Wege entgegen. Auf dem Schloßhose war als Ehrenwache eine Kompagnie des Kolbergschen Grenadierregiments „Graf Gneisenau" aufgestellt. Der Kaiser schritt die Front der Kompagnie ab und ließ die Ehrenwache defiliren. Der Ein zug erfolgte unter dem Glockengeläute aller Kirchen. Im Schlöffe sand großer Civilempfang statt, nachdem vorher die Fahnen und Standarten sämmtlicher in Stettin garnisoni- renden und kantonirenden Regimenter nach dem Schlöffe gebracht waten. Um 6 Uhr fand das von der Provinz zu Ehren der Majestäten veranstaltete Festmahl statt. Eine Prötestversammlung der Metallarbeiter Berlins war behufs Stellungnahme gegen eine Anzahl von Firmen, welche am Sedantage geschlossen hatten, ohne die Arbeiter zu entschädigen, am 4. d. nach dem Restaurant „KöÄtnger Hos" einberufen und zahlreich besucht. Sie nahm aber da durch einen unerwarteten Verlauf, daß gleich bei ihrer Er öffnung ein schriftlicher Protest der in zwei Fabriken be schäftigten Leute zur Verlesung gelangte, die sich entschieden verbaten, daß ihre Angelegenheit in die Debatte gezogen werde. Dieselben machten dann noch in der Diskussion gel tend, daß diese Protestversammlung verfrüht sei, man müsse doch erst den Lohnzahlungstag am Sonnabend abwarten, dann würde sich zeigen, ob eine Lohnentschädigung gezahlt werte. Der Referent in der Versammlung Naether erklärte, daß er ein Gegner der Scdanfeier sei und dagegen protestiren müsse. Wenn aber die Capitalisten den Sedantag feiern wollten, dann müßten sie auch den Arbeitern den 1. Mai freigeben. (?) Jedenfalls sollten die Arbeiter sich keine Abzüge machen lassen. Nach einer mehrstündigen, zeitweise lebhaften Debatte wurde mit sehr geringer Mehrheit eine Resolution in diesem Sinne gefaßt. Hinsichtlich der Anstellung jüdischer Lehrerinnen in den Berliner Gemeindeschulen hatte das königliche Provinzial- Schulkollegium unter dem 16. Juni cr. an die städtische Schuldeputation eine Verfügung erlassen, in welcher zwar die < Dotation der jüdischen Gemeindeschullehrerin Neugast pur« i bestätigt, jedoch zugleich angeordnet worden ist, daß in Zu- > kunft jüdische Gemeindelehrerinnen hauptsächlich nur für den jüdischen Religionsunterricht in den hiesigen Gemeindeschulen ! angcstellt werben sollen. Die städtische Schuldeputation, j welche sich am Mittwoch unter Vorsitz des Bürgermeisters j Kirschner mit dieser Angelegenheit beschäftigte, hat beschlossen, ' dem Magistrat zu empfehlen, gegen diese Verfügung b-nn Unter richtsminister Einspruch zu erheben.