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Sein fröhliches Gesicht umdüsterte sich- er gab ' Ihre Hand freL ,Lhr macht eS ja höllisch staatsch, wenn die Verwandte ans der Stadt kumme." „Sie sind eS halt ganz extra fein gewohnt," ent schuldigte sie sich. „Aas der Mutter Schwester is, die hat eben Glück habt und hat nach der Stadt geheiratet." „So, das nennst also Glück," schnitt er ihr das Kort ab, „na, da weiß man ja Bescheid." Etwas wie Ungeduld kam über sie, sie zuckte die Achseln. „Red doch nit so! Ich sprech von der Tant, sie hat a reiche Mann kriegt und hat sich all ihr Leben lang nicht Plage brüte. Du weßt doch, sie hat bi Berlin a nMes Gasthaus, Reschtoraschon heißen sie es; in Friedenau iS eS, und alle Sünntag solls da zum Platze voll sin. Seitdem ihr vor einem Jahre der Mann starb, führt der Julius, was ihr Sohn is, das Geschäft, und der versteht» großartig, da soll noch flotter zugehe." Ter junge Bursche zeigte wenig Interesse für ihre Erzählung, erst jetzt horchte er auf. „Nu, da wird er wohl nit mitkomme, denn da künn er doch unmöglich die Wirtschaft uf vier Lage verlasse, noch dazu wen» a Sonntag dazwische iS." Eie lachte sorglos. „Es geht allen», wennS man nur will, schriewt die Tant. Sir Mei habe eS uns in den Kopp gesetzt, euch inmal zu besuche, und da kriege wir» och fertig, so sehr der Julius hier och nötig iS. Der Oberkellner muß ihn inmal vertrete, denn er will Part» sine Kusine kenne lerne, von der iner u» eurem Dors ihm erzählen tät, sie sei recht schmuck geworde." Lathi hatte zuerst in großem Eifer gesprochen, dann aber, al» sie bemerkte, daß sein sonst so liebes Gesicht sich immer mehr verfinsterte, kam eine gewisse Scheu Lber sie, und nur zögernd sagte sie das letzte. Fast hätte sie e» verschwiegen, aber es lag doch ein Reiz darin, dem HanS zu zeigen, daß auch andere Gefallen an ihr fanden. „Bist wohl stolz daruf, daß so a Großstädter tut, al» ob er sich danach drängte, da» Dorfmädel kenne zu lerne?" warf er unwillig dazwischen. „Daß der da sich aderst nit'herauSntmmt, um Mch herum zu scher wenzeln!" Der hübsche Blondkopf an seiner Seite kannte da» krotzen gar wohl, und jetzt war der Kathi just danach »u Sinn. „Wenns ihm Vergnüge macht, wer wüll ihn daran hindern?" sagte sie in schnippischem Ton r ohne Ihn anzufehen. Da trieb ihm da» Blut in die Schläfen. ;,Und Lu wirst «och am End gar schön mit ihm tun", platzte er herack». „Werd ich auch, denn 'S ist min Kusin," erklärte sie- während auch ihr Gesicht zu glühen begann. La fetzte er den Kvrb auf die Erde. „Na, dann kann ich ja jetzt gehn," sagte er und gönnte ihr chensowenig einen Blick, wie sie ihm. „Daheim bist ja und brauchst Dich nit mehr zu schleppe, 'neingehen mag Ich aderst nit. An de blaue Strich und an de rote Blümle mag sich die reiche Verwandtschaft freue, für die e» hergertcht iS." La» Mädchen war nun doch bestück, sie murmelte St» paar Danke-Worte, die er aber nicht mehr hörte, dem» er ging mit große» Schritten den Weg zurück, den «r eben mit ihr gekommen war. Lun staub sie da mit ihrem Korbe, der lauter Herrlichkeiten au» dem Städtchen barg, die für diese Aesttage angeschafft waren, um den verwöhnten Groß städtern etwa» Gutes austischen zu können. Federleicht Hatte dem Mädchen der Korb gttülnkte, al» e» ihn pöhlicheu Herzen» bi» zum Wald« getragen hatte. Jetzt, »o sie ihn nur in den Hausflur zu setzen hatte, schien M ihr riesenhaft schwor zu sein, und sie seufzte dabet La» Klsammeusein uttt Hau», auf da» sie sich so Gefreut, hatte mit «tue» schrille» Wtßklango geendet, Md dar»» Mit« sie sich jetzt unglücklich tief unglücklich Sie starrte mit brennenden Angen auf den Jugend gefährten und wäre ihm am liebsten nachgelaufen- hätte ihm gute Worte gegeben und ihm versichert, daß es ihr schnuppe, ganz schiucppe sei, ob der Julius sie schmuck fände, oder nicht. Doch Stolz nnd Trotz hielten sie zurück; er fand es ja nicht der Mühe wert, sich auch nur noch ein einziges Mal nach ihr umzusehen. Hätte er es getan, gewiß, dann wäre sie ihm nach gesprungen und am Ende ihm auch um den Hals geflogen, und alles wäre gut gewesen. So sagte sie sich und wischte dabei zornig die Tränen aus den Augen, die ihr den Blick verdunkelten. Er aber, dem die Braunaugen so ärgerlich und doch so verlangend nachschauten, ging langsamer und langsamer, denn er wollte ihr Zett lassen, sich zu besinnen. >,Sie hält ja merkt, wie sie mich ärgern tät," sagte er sich, „und wenn sie auch mal ihre Mucken hätt, im Grund is doch a liebes, herziges Mädel, die mir nit weh tun wüll und es glich wieder gut mache tät." So wartete er — so wartete sie vergebens, und beiden wurde das Herz dabei schwer — so schwer. — II- Am andern Morgen, ein Sonnabend wär's vor dem Kirmesfeste, saßen Mutter und Tochter Amrum an dem weißgescheuerten Tische beim Frühstücke. Die letzten Tropfen aus der dickbauchigen braunen Kaffeekanne schüt tete Kathi der Mutter noch in die Tasse, dann begann sie das Geschirr abzuräumen. Frau Amrum, eine Frau in den Vierzigern, sah älter aus, als sie war; angestrengte Arbeit und Drt- behrungen mancher Art hatten ihre Spuren auf dem kleinen, faltigen Gesichte zurückgelassen und jeden Reiz fortgewischt, den es in der Äugend gehabt hatte. Mutter und Tochter gingen tagein, tagaus auf Arbeit und waren dem Inspektor auf dem GutShofe ziemlich unentbehrlich geworden. Gleichförmig spann sich ihr Leben ab, die Mutter war es nicht anders gewohnt, und Kathi mit ihrem heiteren Sinne fand auch an den all täglichsten Dingen Freude. Sie sang und trällerte bei der Arbeit, die ihr Lu stund nicht Last dünkte, und hatte, weil ihr alles flink von der Hand ging, noch im mer Zeit genug, um das kleine Haus mit Garten, das ihnen gehörte, in musterhafter Ordnung zu halten. Die dörflichen Vergnügungen zu Kirmes und beim Mai stangen- und Erntefeste und was sich sonst noch daran zu reihen Pflegte, genoß sie heiteren Sinnes und freute sich schon wochenlang darauf. Allmählich, ohne daß sie selbst hätte sagen können, seit wann, hatte alle» um sie her noch einen viel helleren Glänz gewonnen, seitdem auS Hans Ruland, dem Spielkameraden, für sie noch etwas anderes, etwas ganz anderes geworden war, ein Mensch, den sie sehr, sehr lieb hatte — weiter dachte sie noch nicht. — Mit diesem Han» Ruland und seinem gestrigen Zürnen waren auch jetzt ihre Gedanken be schäftigt, während sie da» Geschirr reinigte und auf daS Wandbrett stellte. Mutter und Tochter hatten sich für diese Tage von der Arbeit freigemacht, denn die Verwandten kamen ja heute nachmittag, und vorher gab «S noch alle Hände voll in der kleinen Häuslichkeit zu tun, um die ver wöhnten Großstädter würdig zu empfangen. Frau Amrum freute sich auf diesen Besuch, aber sie sah ihm auch mit etwas Bangen entgegen, denn diese um ein Jahr ältere Schwester Lh^ese, früher im Dorfe -,daS hübsche Röschen" genannt, hatte immer ein großes Uebergewicht gehabt, und die jüngere Schwester war gewohnt gewesen, sich ihr unterzuordnen und chren Willen, ihre Ansichten blindlings als die besseren anzuerkennsn. RöSchenS reiche Heirat, ihr Leben in der Großstadt kam jetzt noch dazu, um Frau AmrumS Respekt vor der gescheiten und verwöhnten Schwester noch zu erhöhen. Unwillkürlich teilte sich dies« Auffassung auch Kathi mit, und dazu kam noch^ daß kürzlich im Dorf «ine ihrer früheren Schulkamere- Mccheaanfla«« für Rotationsdruck. «vis, ALretz- GeschöftS- kartea Briefköpfe, vriefleistea Bestellzettel Broschüre«, Billett Deklarationen Danksagung»- and MnladuagSbriefe Einlaßkarten Etiketten aller Art Fakturen, Flugblätter Formulare in dtp. Sorten Frachtbriefe Gebrauchsanwetsnugea FrernSenzettel Haus- und Fabrik- Ordnungen Geburtsanzeigen dochzettSeinladunge« -Zeitungen und -Gedichte Kastenschilder Kostenanschläge Kataloge, Kontrakt« Koutobücher Lohnliste», Mahnbrief« Mitteilungen, MeuuS Musterbücher, Rott« Plakate Programm« PretSkorant« Postkarte«, Quittungen Rabattmarke» Rechnungen Speise«- uuö Weinkarte« Statuten, Taszkartea Stimm-, Theater» n»d Sackzettel Visiten- nnd VertobaagSkarteu Wechsel, Werk« Zirkulare, Zeugnisse re. re. re. Di« vuchdruckerei »o» LllllMMteM (L. Langer und H. Schmidt) LILSL Goetheftratz« Rr. ü» hätt sich zur Anfertigung «ach- stehender Drucksachen bri sauberer Ausführung und billigster Preis- strllung bestritt empfohlen. Mttser fsgedlsN — Amtsblatt — Fernsprechstelle Nr. 20. Telegramm-Adrefle r Tageblatt Ri«fa. radinnen gewesen war, die in Berlin einen Dienst ange nommen hatte und nun den neugierig aufhorchenden Mädchen vom Dorfe nicht genug erzählen konnte von den Herrlichkeiten der Stadt. So war es geschehen, daß Kathi Berlin und alles, was damit zusammenhing, wie eine Art Wunderland erschien, und daß sie in froher Spannung dem heutigen Besuch entgegensah. Nur schade, daß HanS ihrer erwartungsvollen Freude gestern solchen Dämpfer aufgesetzt hatte; aber heute mußte sie ihn versöhnen, ihn wieder gut machen, das stand bei ihr fest, und dlann wollte sie sich ungetrübt ihrer Fröhlichkeit überlassen. ,,ES Ä doch man gaut," meinte die Mutter, „daß wir de StaatStasse von de Eltern so sorgsam verwahrt habe, die müsse hüt vk herut ut de Schrank und das hübsche Kännche dazu. Hole mal allens her." Kathi stellte daS Gewünschte vor die Mutter hin. „DaS Kännche is noch wie neu — wie neu," wieder holte sie und strich liebevoll mit der Hand darüber. „Da tust der frische Milch von de Ziege herein. De Vater hätt das Kännche mal de Mutter vom Jahrmarkt mit gebracht, wir früten uns alle drüber, of de verstorbene Bruder, d« Rösche wicds wisse." Ihr wurden die Augen feuchte sie zog eine dec Tassen näher heran. „Die mit de schöne rote Blume bekam de Schwester zur Hoxt, sie wullte sie nit mit nehme, die füllt iw Huse bliewe, und se wullt immer darut trinkek, wenn sie bi de Eltern zu Besök wär." Seufzend fügte sie hinzu: „oft is sie nit kumme, nach ein paar Jahr starbe de Mern, und bi Baterche und mir is se nie nit gewest. Nun füll se aberst hüt darut trinke und ihre Helle Früd daran habe." Kathi hantierte in der Stube herum, sie sagte nichts; diese kleinen Heiligtümer der Mutte r waren auch für sie der Inbegriff von etwas sehr Schönem; aber sie hatte gewollt, daß die Mutter dazu auch eine ähnliche feine Kaffeekanne kaufte, die braune, etwas abgestoßene Bunzlauer, die sie täglich benutzten, störte doch ihrer Meinung nach den Eindruck des Ganzen. Doch die Mutter hatte dazu den Kopf geschüttelt und gemeint, das könne sie sich nicht leisten, der Besuch koste ihr schon ohnehin manchen Groschen. Dagegen hatte das Mädchen nichts einwenden können, denn auch zwei Arbeitstage gingen verloren, an denen der Besuch da war. Die Mutter fuhr fort, ohne ihr Schweigen zu beachten: „de Tasse mit de Vergißmeinnicht bekümmt der Julius. Mutter hätt so molen Vatern geschenkt, und dabi gesagt: siehst du, Alterchen, „Ut Liebe" steht druf, und ut rener, purer Liebe gebe ich se dir. Die Röschen weiß dat allenS ganz akkurat, und es wird ihr weich umS Herz werde, wenn sie ihre Julius darut trinke sieht." Etwas in Kathi empörte sich dagegen, dem Vetter diese Vergißmeinnichttasse hiuzustellen, und sie wandte ein, „die Obertasse hat a Sprung, schauens Mutter, da — nit Wit vom Henkel fehlt a Stückel. Es sieht fast akkurat so ut, als ob's jemand Herausgebisse hätt." Frau Amrum wehrte ihr ungeduldig ab. „Bist wohl närrsch, Kindel! DaS bissel Schaden tut nichts; ob solch a Bröckel fehlt oder nit, is egal, schön blewtS doch, und die Rösel werd mirs danke, daß ichs heraus gekramt hätt! Wißt, Kindel, a Sträuße! fehlt noch im Stübel, daS künnst noch hole; droben beim Bruch blüht die Heide, und Schöneres gibts halt nit." Kathi war einverstanden. Die rote Erika sammeln und zum Bruchs gehen, das kam ihr recht gelegen, Imd mit einem Lächeln, das die Grübchen im Kinn und Wange zeigte, meinte sie: „Mutterle, wennst wir zwei nun heute so vill Früd habe, dann Wüllen wir se allweil ok andern günne. Wann ich von uns Striezel a Stückel abschneiden und dem HanS Ruland zurtt Frühstücke bringen tät, dann hätt er sin Pläsir dran, trenn er'» aufschnabliert, und ich min Spaß, weilst Ich ihm dabi zusehen tät." - Frau Amrum nickte. „Schon recht so, aber feder Dich, daß Du balo zurück bist." Eine halbe Stunde später stand Kathi, einen dicken Busch blühender Heide in der Hand, unter dem alten Eichbaume dicht am Basaltbruche. Sie wußte, das war der Frühstücksplatz des alten Spielkameraden, denn von dort konnte er das rote Dach ihres Hauses sehen. Nun hatte sie sich so beeilt, um zur rechten Zeit hier zu sein, daß ihr die Wangen glühten vom hastigen Blumenpflücken und von der Freude, den Hans wieder zu versöhnen. Das mochte wohl noch mehr der Grund sein, daß ihr so heiß war, warme Freude leuchtete aus ihren Augen. Sie hatte es gut abgepaßt, denn in dem Augenblick, als sie den Eichbaum erreicht hatte, kam der Bursch aus dem Bruche. Mit einem Satze war er an ihrer Seite. „Ta bist ja, Mädel!" „Ja, da bin ich," sagte sie zögernd und fand nicht gleich das rechte Wort, um fortzufahren, und sah ihm, der ihre Hand gefaßt hatte, fragend in die Augen. „Bist noch grantig?" suchte sie zu ergründen. „Bist noch de Trotzkopf?" fragte er statt aller Antwort zurück. Da lachte sie ihr sorgloses Vogelgezwitscher, und er stimmte in kräftigem Tone mit ein. Jetzt war auf einmal alles Aergerliche wie fortgewischt, und vergessen, daß sie sich gestern erzürnt hatten. Sie holte ihren Strie zel heraus, und es kam, wie sie es erwartet hatte, er ver zehrte ihn voll Wohlbehagen, und sie freute sich daran. „Wozu hast de grot Strutz pflückt?" fragte er, mit vollen Backen kauend. Ta drohte die Geschichte schon wieder in ein gefährliches Fahrwasser hinüberzugleiten. Kathi erfaßte das aber zu rechter Zeit und antwortete, einer eifer süchtigen Regung vorbeugend, „die Mutter hat michs geheiße, ich füllt die Blumle uf de Tisch stelle, wenn de . . . ." „de Großstädter klimme," schnitt er ihr das Wort ab. Er sagte es nicht ärgerlich, sondern nur neckend, lber das Mädchen war doch besorgt, es könne wieder zu einem Wortwechsel kommen wie gestern. Sie zog das schönste Büschel des Heidekrauts aus ihrem Strauße, griff nach seinem Hute, den er neben sich ins Gras geworfen hatte, und steckte die Blumen daran. „Gelt, so is fein?" lachte sie ihn an und hielt ihm den Hut hin. Sein frisches Gesicht strahlte. „Mädel, kumm, rück mal heran! Ich hab Dir was zu vertelle, ich wull Dir was gebe." Gehorsam tat sie nach seinem Willen, sie war doch neugierig, zu wissen, was er vorhabe, nnd drängte: Mach zu, Hans, de Mutter zankt, wenn ,ch nit rasch wieder dahem bin." Er suchte in seiner Westentasche und holte einen Keinen in rotes Seidenpapier gewickelten Gegenstand heraus. „Gestern schon wüllt ich di das Ding hier gebe, aber hernach war mir die Lust vergange — Tu weßt schon," sagte er. „Nun ist sie mir aber wieder kumme, die unbändige Lust, Mr a Frud zu mache, und da füllst Du es auch glix uf den Fleck habe. 'S iS a silbernes Kruzel, tätst di ja mal so ins wünsche, und nu mußt Lus auch morge zur Kirmes trage und alle mal, wenn Du so recht vergnügt bist." Er drückte ihr daS Päckchen in die Hand. Sie war ganz rot geworden und ganz benommen vor Freude. Langsam, fast feierlich wickelte sie öS auf, und als sie nun das Keine silberne Kreuz hecauS- nahm, strahlte sie über und über. „Wie guat Du biA Hans/ lieber Han». Wat soll ich di nur dafür gebe!" Fortsetzung folgt.