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Vellas« zum „Riesaer Tageblatt". mck ck >t»t«I»H U Mas» — Uöe bi» RckaM« »»«MmttNch: Henaa» «chmtbt I» M,s«u v. , Freitag, IS. Jaaaar 1806, abeads. KK. Zahr-I^ StimmMgsbild aas dem Reichstag. Gtgen-Bertcht. od. Berlin, 11. Januar 1906. Der heilige Lag der Eteuerdebatte Im Reichstage gr- hörte der Regierung und der rechten Leite des Hauses. Zwar sprachen auch drei Redner von der linken Lette, der gemütliche Bayer, Herr Vordeck, von der frets. Bolkipartei, und der schneidige Herr,», Gerlach von der frets. Vereint- gung — beide so verschieden wie möglich, aber darin über» einstimmend, daß sie mit so ausschweifender Vernachlässigung der Grundregeln der Rhetorik sprachen, daß sie auf der Tribüne so gut wie gar nichtzu verstehen waren. Der dritte liberale Redner war Herr Patzig von den National- liberalen. Er faßte sich kurz, rekapitulierte den bereits be kannten Standpunkt seiner Partei zu den einzelnen Steuer- Vorschlägen, erkannte an (wie übrigens, außer den Sozial demokraten auch alle übrigen Parteien des Hauses), daß der Reichstag so oder so für das MehrbedürfniS des Reichs bi ungesährer Höhe von 200 Millionen Mark sorgen «üffe, und produzierte einen ganz hübschen neuen Gesichtspunkt: an Stelle der ungeheuer umständlichen Fahrkartensteuer solle da» Reich die einzelnen Eisenbahnverwaltungen nach ve- triebSkilometern besteuern: das würde auch als Korrektiv sür die in die Brüche gegangene BetriebSmtttelgemetnschast wirken. Der Vorschlag trägt zu sehr den Stempel einer Vergeltung gegen den EisenbahnpartikulariSmu» au sich, als daß er Aussicht hätte, durchzudringeu, aber er enthält viel leicht einen Keim, der fruchtbar aufgehen könnte, wenn eS gelingt, merkbare Verkehrserschwerungen bei seiner weiteren Ausbildung zu vermeiden. Der bisherige Gang der Debatte hat die Regierung davon überzeugt, daß sie alle Hoffnung aus ein« baldige Beendigung der ersten Lesung und aus baldige Kommissions beratung fahren lassen müßte. Da hat sie denn auch die Sprache wiedergefunden; gleich zwei Minister ergriffen heute da« Wort: Herr von Stengel und Herr von Rheinbaben. Herr von Stengel begründete sein Eingreifen in die Debatte ausdrücklich mit der langen Liste der angemeldeten Redner; er versprach kurz zu sein, sprach aber ausführlich genug. Zunächst beantwortete er die von den bisherigen Rednern an ihn gerichtete Frage nach der Bedeutung des famosen Ultimatums. Er bestätigte das von ihm gebrauchte Bild: gewiß, die ganze Reichsfinanzreform würde scheitern, wenn der Reichstag einen Stein au« dem Bau herauSntmrnt — dieser Meinung sei die Regierung noch heute. Aber eS hindere den Reichstag ja nicht, den herauSgenommenen Stein durch «tuen anderen z« ersetz«, der gleich tragfähig und der Regierung genehm ist. Wenn das einen Sinn hat, kann «« nur den haben: e« kommt un» nicht auf diese Steuern an, sondn:» aus den Gesamtbetrag der Steuern. Und demgemäß protestierte der Reichsfinanzsekretär jetzt schon gegen die Hypothese, daß der neue Zolltarif einen so großen Ertrag bringen könnte, daß die neuen Steuern gar nicht alle notwendig wären. Im Gegenteil, Herr von Stengel versprach, die Herren in der Kommission davon zu über- zeugen, daß man jetzt schon die Erträgnisse deS neuen Zoll tarifs viel zu hoch angenommen habe. Den Aenderungen an den Vorlagen, die der Reichstag in der Kommission be schließen würde, sieht Herr von Stengel mit Interesse ent gegen und verspricht, daß die Regierung sich darauf -wischen der zweit« und dritten Lesung erklären wird. Im übrigen hob der Staatssekretär nochmals die Bortreffitchkeit seiner > - Der Kefrrier. Roman von Reinhold Ortmaar«. 171 tTlechdruck verbtteu.) In dem stark gebeizten, mit Dolitermöbcln, Teppichen nnd Portieren überfüllten Gemache w»rd« es rasch unerträglich warm. Auch machten das reichliche Diner und die amen Weine ihre Wirkung namentlich auf den Kommerzienrat bald insofern geltend, daß sein Doppelkinn tiefer nnd tiefer auf die Brun niedersank nnd dak seine kielen Atemzüge allgemach in «in behagliche» Grunzen überginge,«. Willy Braud-böser sah sich nach Jule» und Frau Schmieding um, aber beide warm inzwischen unsichtbar geworden, uud er fühlte «ine neue Verstimmung über die Art, in welcher man ihm da durch ein sehr zwanglose» Bmehmen zu erkennen gab, wie vollständig «an ihn bereit« al« zur Faniklie gebörig betrachte. Aergerlich warf er den Rest seiner Zigarre in einen Asch becher und machte Miene, sich zu erhebe», als er eine leicht« Berührung an der Schulter fühlte und in Ilse« hübsche«, lächelnde« «ntli» sah. tD« ivefrrier 17. Nr. 7.) .Pst!" flüsterte sie, den Finger au die Lippen legend, .daß wir nur ja dm Papa nicht an» dem Schlummer wecken, dm er sich im Schweiße seines Ang,stcht» so rechtschaffen verdient hatl — Ick sah vom Nebenzimmer au«, daß er rtngescklafen »ar, und ich fühlte Mitleid mit Dir, obwohl Du eigentlich ! keinen Anspruch darauf hast. Komme mit hinüber tu Mama« Boudoir l — Ich will Dir etwa» Hübsche« zeigen.* Er hätte einer solchen Aufforderung natürlich unter allen , Umstünden folgen müssen, und auf den Fußspitzen schliche» ! sie au« dem Zimmer. 4» Da» kleine, lauschige Boudoir, da» ein geschmackvoller i Dekorattur mit höchstem Raffinement auSgekattet hatte, schien i gaiy geschaffen für die trauliche Zwiesprache zweier von der j gleichen Sehnsucht Müllten junge« Menschmherzen, und Ilie - Schmieding hatte wieder Ihr« träuMrtsch stauende Mene auf- Entwürfe hervor und konnte die robuste Konstitution von Bier und Labak nicht genug preisen, die noch viel mehr Lasten tragen könnten, als ihnen hier zugemutet werden, ohne im geringsten darunter zu leiden. Der Finanzminister von Rheinbaben ließ sich wesent lich durch den Gelegenheitseinfall de« Herrn Patzig aus den Plan locken, die Etsenbahnoerwaltungen einer Reichssteuer zu unterwerfe». Er nahm den Einfall zweifellos zu wich- ttg, sein wortreicher Protest hätte den Glaube« erwecken können, er sähe die hohen Eisenbahnüberschüsse im preußt- scheu Etat schon vom Reiche hinweggerafft. Den zweiten Retzpunkt boten die hohen Dividenden der norddeutschen Brauereien dem Ftnanzmtuister, die ihm Beweis genug da für zu sein scheinen, daß da« Vier „noch viel mehr" bluten könnte. Die beiden Redner der Rechten, Graf Kanitz und Herr Gamp, entwickelten den bereits hinlänglich bekannten Standpunkt der Recht«, der letztere, wie immer, mit eini gen amüsant« Eigenbrödeleien, wie -. V. die Aberkennung der Erbfähigkeit der entfernten verwandten (sonst ein radi- kel-demokratischer Standpunkt) und dem emphatisch« Ruf nach einer saftigen Jnseratensteuer. Morgen werden wir vielleicht bereit« ein Gesamtbild skizzieren können. Tagesgeschichte. Deatfch-s Reich. Tie Portvfreiheit fürstlicher Personen be schäftigte gestern die Budgetkonrmissivn de« Reichstags. Staatssekretär Krätke gab zu^ daß Mißbräuche stattgefun den hätten. Es liege jedoch nicht in der Absicht der be- treffenden fürstlich« Personen, solche Mißbräuche guHu- heißen» er glaube auch nicht, daß solche Mißbräuche jetzt noch vorkämen. UebrigenS stehe nach dem Gesetz den Für sten die volle Portvfreiheit Kl, indessen hätten sie frei willig auf die Ausdehnung auf gewerbliche Angelegen hellen verzichtet. Tie Fürstlich Thurn und Taxissche Fa milie besitze keine Portofreiheit mehr, diese sei 1880 ab- gelöst worden. Angenommen wurde folgende Resolution deS Lbg. Tr. Arendt: Der Reichstag wolle beschließen, den Reichskanzler zu ersuchen, eine Untersuchung herbeizu führen, ob und in welchem Umfange die auf Verträgen beruhende Portvfreiheit fürstlicher Person« eingeschränkt werden kann, und deut Reichstag von dem Ergebnis der Untersuchung in der nächsten Session Kenntnis zu geben. Angenommen wurden siodann noch folgende Re solutionen: 1) Tie Regierungen Kl ersuchen, Paketsen- dungen bis Kl S Kitogramm (bisher 3 Kilogramm) an und von Personen des Soldatenstandes (bisher nur an solches welche ihrer gesetzlichen Dienstpflicht genügen, so weit solche Sendungen dem eigenen Bedarf solcher Per sonen dienen, von Portogebühr freizulassen; 2) den Reichskanzler zu ersuchen, im Interesse der ländlichen Bevölkerung eine weitgehende Verbilligung der Tele phoneinrichtung und Telegraphenbenutzung in den kleinen Ortschaften herbeizuführen. Sodann eine Resolution Bebel: Ter Reichstag wolle beschließ«, die ReichSpvst- Verwaltung aufzufvrdern, zur Verbilligung des Paket- und Postanweisungsverkehrs die Abschaffung des Bestell geldes vorzubereiten. Tie „R L. Z." schreibt: Der Pariser Korrespondent der „Times" hat den versuch unternommen, das angeb liche Zeugnis eines verstorbenen gegen Se. Majestät d« gesetzt, sobald sie in den nm von Gedämpfter Helliakeit er füllten Raum eingetrcten waren. „Hier — da» ist e», wa» ick Dir zeigen wollte", sagte sie, indem sie ein Nein«», in Aanmellfarben «»»geführtes Bildnis — ihr eigene« Portrait — von einer Etagere nahm. „Errätst Du, weu e« darstellen soll?" „Ausgezeichnet getroffen", versicherte er, ohne gerade ein besondere» Entzücken an den Tag zu lege». „Und der bo» riibült« Felix Lanenbach bat e» gemalt?" „Ja! — Wir machten vor acht Tagen ans einem Diner seine Bekanntschaft — ick war sein Gegenüber bei Tische, und nachdem er mich während der ganzen Mablzeit fast unablässig angesehen hatte, erbat er sich beim Dessert die Erlaubnis, mich zu malen. ES gibt also merkwürdigerweise allem Anschein nach doch noch Leute, denen mein Gesicht gefällt." Willy BrandShöfer Hütte die Empfindung, daß sie jetzt ei« Kompliment von ihm trwatte; aber da ihm nickt» Ge- ickeidte» einfiel, schwieg tr und stellte da» in eine» schwer silbernen Rahmen gefaßt« Bild, da« er eigentlich nur reckt flüchtig betrachtet batte, auf seinen Platz zurück. „ES ist schade, daß ich bald werd« au den Aufbruch denk« müssen", meinte er nach einer etwa» peinlichen Pause, „aber ich habe leider noch eine Verabredung, der ich mich nicht wohl mtziehen kanu." „Eine Verabredung mit Fräulein Lindholm vermut lichfragte Ilse sehr harmlos. „Ick kann mir denken, mit welcher Ungeduld Du Dick unter solch« vmstände» darnach sehnst, von hier fortzukommm." vo Willy Brandshöfer batte sie ganz verblüfft angesehen. „Wie gerätst Du auf solche Vermutung? — Woher weißt Du überhaupt, baß ich mit Astrid Lindholm bekannt bin?" ' „Aber, liebster Willy —, Du wirst doch nicht etwa ge glaubt haben, dech sich rin Geheimnis daraus «nach« ließe! Alle Welt spricht-ja sch« von Deine» Beziehungen zu ihr, uud vor attr bräuckst Du Dich am Ende nickt zn genirren. — Ist st« bau» Mrkllch so hübsch, wie die Leiste sagen? — Kaiser und gegen den Reichskanzler Fürsten Bülow auS- zuspielen. Er will nämlich Kenntnis von Aeußerungen des einstigen Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe haben, nach denen ein Gegensatz zwischen dem Kaiser und seinem damaligen ersten Berater bet der B> 'e '»ng von Kiautschou bestanden habe. Tie Times sch i wen dabet dem verstor benen Fürsten Mitteilungen über Eroberungspläne deS Kaisers unter, die sich ohne weiteres als Erfindungen bezeichnen lassen. Wie sich aus den Akten ergibt und auch sonst in maßgebendster Weise bezeugt ist, hat ge rade in der Behandlung der chinesischen Frage zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Hohenbohe rückhaltlose Ein mütigkeit bestanden. Ebensowenig Glaubwürdigkeit darf der Times - Korrespondent für die Bemerkungen bean spruchen, die er dem Fürsten Hohenlohe über seinen Nachfolger in den Mund legt. Ter günstige Verlauf des Arbeitsnmrktes hat im letz ten Monat des vergangenen Jahres nicht nur angehal ten, es ist sogar noch eine beachtenswerte Besserung ein getreten. An den öffentlichen Arbeitsnachweisen kamen auf je 100 offene Stellen im Tezember 1904 166,7, dagegen 1905 nur 134,9 Arbeitsuchende. Tie Zahl der Arbeit suchenden betrug im vorletzten Tezember 83035, im letz ten nur 79349. Nur einmal seit dem Jahre 1896, nämlich im Jahre 1899, war das Te-embergepräge des Arbeits marktes mit 131,2 Arbeitsuchenden auf 100 offene Stellen noch günstiger als im! Jahre 1905. Die christlichen Gewerkschaften habe» in letzter Z it wieder mehrere schöne Fortschritte zu verzeichnen. Wie „Tas Reich" meldet, zählt der Zentralverband christlicher Textilarbeiter jetzt 27 000 Mitglieder, 7000 mehr wie im Vorjahre; noch stärker ist das Wachstum beim Zentral verband christlicher Bauhandwerker und Bauhilfsarbeiter; derselbe zählte vor Jahresfrist 14021 und jetzt 23500 Mitglieder. Ter Gewerkverein christlicher Bergarbeiter stieg bekanntlich von 42000 auf 82000 Mitglieder. End lich hat der noch 1000 Mitglieder zählende deutschnationale Gärtnerverband durch seine Vertretung einstimmig den Anschluß an den Gesamtverband christlicher Gewerkschaf ten beschlossen. In Braunschweig wurde gestern der 28. ordent liche Braunschweigische Landtag im Auftrage des Regenten durch Staatsminister Tr. von Otto eröffnet. In der Er öffnungsrede führte dieser aus, daß seit dein vorigen Landtage die unglückliche Gestaltung des Staatshaus haltes sich wesentlich verschärft habe. Tie Ausgaben seien gestiegen und die Einnahmen hätten sich verringert. Es werde deshalb eine Erhöhung der Svaatseinvomm«- und ErgänAungssteuer, sowie eine Erhöhung der Stempelsteuer vorgeschlagen. Tie 2. Strafkammer des Breslauer Landgerichts ver- unteilte am Mittwoch den verantwortlichen Redakteur der dortigen sozialdemokratischen „Volksmacht", Stadt verordneten Paul Löbe, wegen Vergehens gegen Z 130 des Reichsstrafgesetzbuches (Aufreizung verschiedener Klas sen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegen einander) zu einem Jahr Gefängnis bei sofortiger Verhaftung und zur Tragung der Kosten. Außerdem ivüvde auf Unbrauch barmachung der Platten erkannt. Ter Haftbefehl wurde jedoch gegen Stellung einer Kaution von 10000 Mark vorläufig aufgehoben. Tie Verurteilung erfolgte wegen eines in der „Volksmacht" ab gedruckten „Aufrufs an die Melanie Berger, die sie gauz geuau kennt, behauptet, sie färbe ihr Haar." Aeraeelick fubr Brandlböfer auf. „Melanie Berger ist eine —", aber er unterdrückte da» batte Woch da» er schon auf der Zunge gehabt hatte, als er da» gut gespielte Erstaunen in Ilses Zügen sah. „Ick hätte wirklich uickt geglaubt, daß auck unter Euch jungen Dau,en schon so unverantwortlich geklatlckt wird." „Du bist nickt sehr liebenswürdig; aber e» ist wohl zu begreifen, daß Du in diesen, Punkte ein besonders feine» Euwfiuven hast. Sie ist also sehr schön?" „Ich bitte Dich herzlich, Ilse; verschone mich mit solchen Frag« Ick wüßte wahrhaftig nicht, wa» ich Dir darauf avtwort« sollte." öl „ES ist sehr häßlich, daß Du gar kein verwandtschaft liche» Vertraiwn zu mir hast. Wer weiß, ob ich dasselbe nicht vielleicht durch «ine sehr interessante Mitteilung zu «widern vermöchte. Hier oben im dritte» Stock wohnt ein gewisser Leutnant von Kainach, von welchem meine Freundin Thekla von Langhorn wisse» will, daß er der schönen Astrid ebenfalls den Hof macht. Heut« morgen erst war sie bei mir; um mir zu erzähl«, daß sich gestern auf dem Feste tei Siegbert» ganz besonder« Dinge zwischen den beiden »»getragen haben müssen. Al» sie einmal dickt hinter ihnen vorübergina, glaubt sie ganz deutlich gehört zu haben, daß sie einander mit Du «„redeten." Willy Brandshöfer verfärbte sich uud drehte ingrimmig an den Ende» seines Schnurrbarts. „Wenn es Dir einerlei ist, so laß un» «blick aufhörm, von Fräulein Lindholm zn reocn!" kam er ziemlich polternd heran». „Ob der Leutnant von Kainach sie mit Du oder niit Sie anredet, ist mir sehr gleichgültig — ganz außerordentlich glttLaültig, ich wüßte nicht, wie mich da» irgendwie interessier« könnte." ^Fortsetzung folgt.)