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eilage znm Riesaer Tageblatt". Rotationsdruck and Varlag »o» Laag«« » St»t«,ttch t» Ri«Ia. — Mr dl« Redaltton oerantsorütch: Hermann Schmidt di Rtrja. Dienstag, IS. Oktober IVOS, abeudS. 62. Jahrg. Vermischtes. Der abgerissene Finger als SerrLter. Luk eigenartige Leise ist es der englischen Polizei gelungen, eL»en ihr schon seit langem bekannten Verbrecher eines Einbruchsversuchs zu überführen. Ter „Lok.-Anz." be richtet darüber aus London wie folgt: Vor einiger Zeit sand ein Polizist auf dem Gitter eines Gartens des vor nehmen Viertels von Tt. John Clerkenwell aufgespießt einen Finger mit einem goldenen Ringe geschmückt. Ter Polizist brachte den seltsamen Fund nach Scotland Dard, wo sich die Sherlock Holmes lange vergeben» die Köpfe darüber zerbrachen. Gestern nun nahm man eine Anzahl Taschendiebe fest, und unter ihnen war ein alter Gauner namens William Mitchell, der laut seine Unschuld beteuerte, und diese durch seine verbundene Hand zu beweisen suchte, mit der er doch keine fremden Laschen leeren könne. Es stellte sich nun heraus, daß Mitchell den von dem Polizisten gefundenen Finger verloren hatte, als er den Versuch machte, ein Garten gitter in St. Johns zu übersteigen, um in die dahinter gelegene Villa einzubrechen. Entlarvte Spiritistin. Das in Spiritisten- kreisen sehr angesehene Medium, die Ehefrau des Mag netiseurs Abend, wurde, wie wir bereits gestern berich teten, Sonntag abend gemeinsam mit ihrem Gatten wegen fortgesetzter gemeinschaftlicher Betrügereien wäh rend einer spiritistischen Sitzung verhaftet. Hierzu teilt das „Berl. Tagebl." noch folgende Einzelheiten mit: Auf 7 Uhr war die Sitzung anberaumt, gegen 8 Uhr begann sie. Von den 15 bis 20 Teilnehmern, die sich zusammen gefunden hatten, waren fünf in die Verschwörung ein- geweiht; das GroS gaben offenbar begeisterte und über zeugte Spiritisten ab. Trotzdem ging Paul Abend, der das äußere Arrangement bei den Sitzungen zu überneh men Pflegt, mißtrauischer denn sonst ans Werk. Tie Anordnung wurde immer von neuem revidiert und die Schwierigkeit gerade dieser Sitzung besonders hervorge- hoben. Sollte der Abend ereignislos verlaufen? Fast hatte es den Anschein. TaS Medium langweilt uns mit einer verworrenen, saftlosen Predigt — Pardon, Wil helm Hauff war es, der den Unsinn durch die Vermitte lung „seines Werkzeugs" auf uns niederregnen ließ. Und als endlich ein mit ersterbendem Ton herausgekeuchtes „Gott zum Gruß" die Litanei schloß, dachte das Me dium immer noch nicht daran, die von uns allen sehn lich erwarteten Materialisationen zu bringen. Es trat von neuem vor und wandte sich an einzelne der an wesenden „Erdenkindsr", verhieß einen Bräutigam, pro phezeite ven Tod einer alten kranken Frau, die Ankunft eines lieben Freunde» oder Verwandten — ganz nach Wunsch, mit bemerkenswerter Routine und ließ sich bis zur Bewußtlosigkeit die Hände schütteln. Endlich zog eS sich auf seinen Stuhl zurück, und nun wurden die Vorhänge des Kabinetts geschlossen. Das Zimmer wurde noch mehr verdunkelt wie vorher, und erwartungs volle Stille lag über dem Raum. Im Kabinett hörte man Flüstertöne, einzelne Worte, Sätze, dann ein Scharren und Rauschen! Und nun war'S wieder still. Ganz fachte öffnete sich der Vorhang, man sah durch einen Schlitz einen leichten weißen Schein. ., der erste Tieist war im Anzug. Tie Szene hätte noch drastischer werden kön nen, aber der Kriminalkommissar (Leonhardt) hielt den Moment für günjng, ihr ein Ende zu machen. „Halt!" — rief er. — „Tie Kriminalpolizei! Machen Sie Licht!" Ter Kommissar hatte einen der hintersten Plätze zuge- teilt bekommen, aber er war im Augenblick vorn und hatte das Medium ergriffen. Ein Entrüstungsschrei aus dem Pubnkum war die erste Wirkung. „Ich habe ge- wiß nichts Böses getan", jammerte das Medium, und Paul Abend, von dessen Seite man auf Widerstand ge faßt war, blieb, nachdem er einen verunglückten Versuch zum Rückzug unternommen, ratlos und sprachlos. Das Medium ritz sich zum Zeichen seiner Unschuld vor allen Besuchern die Kleider vom Leib und suchte dabei die Schleier, die es im Marmel versteckt hielt, einer Freun din zuzustellen. Aber sie war an die falsche Schmiede gelangt: die Freundin entpuppte sich als Agentin der Kriminalpolizei Tamit war die Entlarvung abgeschlossen. — Das ist das Ende eines Schwindels, der über zehn Jahre long Berlin unterhalten, amüsiert und geschä digt hat Der Musterehemann von Ontario Eng lische und amerikanische Blätter berichten: In Hamil- ton in Ontario wurde ein Deutscher namens Artur Zimmermann, der sich für einen deutschen Baron aus gab, in dem Augenblick verhaftet, als er mit seiner achten Frau getraut werden sollte. Zwei Frauen, die er vor verhältnismäßig kurzer Zeit in Brooklyn geheiratet ßatte, netzen ihn festnehmen. Tie beiden Frauen aus Brooklyn kamen v,r einigen Tagen zufällig in einer Gesellschaft zusammen und sprachen von ihren Män nern, die sie als Muster von Ehemännern beschrieben, wenigstens solange sie zu Hause feien, aber der große Fehler sei nur, daß sie so viel reisten. Im Laufe der Unterhaltung entdeckten sie, daß sie beide denselben Mann haken mußten, und weitere Nachforschungen er gaben bald "die Richtigkeit dieses Verdachtes'. Das Ende war, daß die Sache der Polizei übergeben wurde, die die Verhaftung des Musterehemannes von den kana ¬ discher, Behörden erbat. Im ganzen sind bisher, von I der „Braut" ganz abgesehen, sieben Frauen Zimmer manns sestgestellt worden, und alle sind des LobeS über ihn voll. Ganz besonders erklären sie, daß er ihnen niemals irgendwelches Geld abgenommen habe, im Gegenteil, er gab ihnen ausgezeichnete Ratschläge, wie sie ihr Vermögen sicher anlegen sollten. Wenn der gnte Rat befolgt wurde, war nachher auch niemals Ur sache zur Reue vorhanden. «chlachtvtehprelse auf dem vted-afe zu TreSden am 18. Oktober 1909 nach amtlicher Feststellung. (Marktpreise für SO »e In Mark.) Ttrrgattung und Bezeichnung. Ochse« (Austrieb 313 Stück): 1. o. Vollfleischige, auSgemästete höchsten Schlacht ¬ werte« bi« zu 6 Jahren b. Österreicher desgleichen 2. Junge fleischige, nicht auSgemästete — ältere auSgemästete 3. Mäßig genährte sunge — gut genährte älter« 4. Gering genährte jeden Alter« Kalbe« «nd Kühe (Auftrieb 179 Stück): 1. Bollfleischige, auSgemästete Kalben höchsten Schlachtwertek 2. Bollfleischige. auSgemästete Kühe höchsten Schlachtwerte« bi« zu 7 Jahren .... 3. Altere auSgemästete Kühe und wenig gut ent ¬ wickelte jüngere Kühe und Kalben . . . 4. Mäßig genährt« Kühe und Kalben 5. Gering genährte Kühe und Kalben .... Bulle« (Auftrieb 191 Stück): 1. Bollfleischige höchsten Schlachtwertes .... 2. Mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 3. Gering genährte Külve« (Auftrieb 256 Stück): 1. Feinste Mast-(Bollmilchmast) u. beste Saugkälber 2. Mittlere Mast- und gute Saugkälber .... 3. Geringe Saugkälber 4. Altere gering genährt« (Fresser) Schafe (Auftrieb 807 Stück): 1. Mastlämmer . 2. Jüngere Masthammel 3. Altere Masthammel 4. Mäßig genährt« Hammel u. Schafe (Merzschafc) Schweine (Auftrieb 1939 Stück): 1. ». Bollfleischige der feineren Rassen und deren Kreuzungen im Alter bi« zu IV. Jahr . . d. Fettschweine 2. Fleischige 3. Gering entwickelte, sowie Sauen 4. Ausländische M. Gewicht M. 40-43 76-79 42-46 78 83 37-40 73-76 33-36 69-72 27-32 58-65 38-42 35-38 31-34 27-30 38-41 34-37 30-33 70-75 66-70 61-65 56-60 48-53 68-72 64-67 60-63 49-52 79-82 45-48 75-78 40-44 70-74 42-45 37-41 34-36 30-32 83-86 78-82 72-76 67-70 59-61 61-62 56-58 52-55 76-78 78-79 73-75 68-72 Geschäftsgang: Bei allen Tiergattungen langsam. ^IIv Mtsedivävn liberale» VVLblvr vereinigen am 21. Oktober ihre Stimmen auf den Kandidaten der FreifiMti-ev Volkspartei im 8. städtischen Wahlkreis (Dahlen, Mutzschen, Oschatz, Riesa, Strehla, Wurzen) KgMM kl«8tsv »Me In I-chrig Dornenwege. 3) Roman von C. Tressel. Marion errötete vor Unwillen wie immer, wenn der Tante als einer Art Vorsehung oder gar richterlicher Justiz der Nar- deck Erwähnung geschah. In aufbegehrendem Trotz erwiderte sie kurz: »Wie sollte sie. Das geht sie gar nichts an. Daß wir nicht reich sind, weißt Du." Allerdings kannte er die prekären Verhältnisse ihres VaterS. Ebenso gewißlich war, daß er, von Marions großem Liebreiz bezaubert, dem Herzen mehr Rechte zugestanden, als es im Grunde mit seiner sonstigen bedachtsamen Lebensanschauung vereinbar war. Andererseits aber hatte er das schöne Mädchen im Hause ihrer vermögenden Tante kennen gelernt. Er wußte, welchen entscheidenden Einfluß Oberst Nardeck der reichen Cousine in seinen Familienangelegenheiten gestattete, und schließlich hatte die hochmögende Dame nicht nur seine Annäherung an die Nichte begünstigt, sondern ihm auch anläßlich der dann erfolgten Verlobung unter vier Augen das Zugeständnis ge geben, Marion standesgemäß auszustatten, sobald ihm ein auskömmliches Amt die Heirat ermögliche. Westerot wußte zu wohl, daß keine höhere Beamtcnposttion sich mit dem damit verbundenen Gehalt allein behaupten ließ. Und wenn er bis dahin kein kaltherziger Streber und Mitgiftjäger g«. wesen, wünschte er doch wie jeder gescheite und hochstrebende Mann eine möglichst schnelle und gute Karriere zn machen. In ihm, dem Alleinstehenden, hatte sich zudem ein starker Selbst erhaltungstrieb, dem sich naturgemäß ein selbstherrlicher Egois mus beigesellte, entwickelt. Eiserner Fleiß sowohl als große Begabung hatten ihn jene Stufe erreichen lassen, von der auS er mit kluger Be nutzung aller Kräfte und Chancen rasch emporzusteigen hoffte. Diese nicht leicht errungene Position aber durch eine Torheit zu gefährden, kam ihm gar nicht in den Sinn. Marion war ihm teuer, aber um ihrer schönen Augen willen würde er sie nicht begehrt haben. Der Umstand, daß sie die Tochter eines Offizier- war, der weitreichende Verbin dungen besaß, und die Nichte einer vermögenden, den Nardeck eng attachierten Dame, hatte erst seine Werbung ermöglicht. Daher mußte ibr unvermutete» Geständnis des Geld erwerbs, das ihn an ihre eigentliche Mittellosigkeit erinnerte, ihn überaus peinlich berühren. Natürlich hatte sie in einem törichten falschen Stolz diese Hilfsquelle gesucht, anstatt offen ihre kleinen Verlegenheiten der Tante zu gestehen, deren Freigebigkeit ja auch Eberhard ohne weiteres in viel ernsteren Schwierigkeiten in Anspruch nahm. Westerot sah in Marions eigenmächtigem Vorgehen wirk lich eine Unbesonnenheit und in dieser Empfindung sagte er gehallen: .Liebste Marion, ich will annehmen. Du habest diesen unpassenden AuSweg aus Unkenntnis gewählt. Ver sprich mir, die Verbindung mit dem Geschäft abzubrechen. Ueberlasse derartigen Erwerb denen, die eben durchaus darauf angewiesen sind.* Sie hing den Kops. Auch ihr war der kleine Verdienst schwer entbehrlich, da sie sich schlechterdings nicht verstehen mochte, die Tante selbst um dre kleinste Aushilfe zu bitten, obschon Eberhard sich mit der größten Harmlosigkeit von ihr aus der Klemme helfen ließ, wie er si> scherzhaft bekannte. ,Man kennt dort Deinen Namen?" fragte Westerot unruhig m ihr Schweigen hinein. .Selbstverständlich!" entgegnete sie da in stolzer Offenheit. «Die Leute können wertvolles Material nur an «ne bestimmte Adresse geben. Ich finde unseren Namen auch keineswegs da durch beschimpft. Sonst aber — als Deine Braut kennt man mich nicht, fall- Dir das eine Beruhigung ist. Derartige Privatangelegenheiten interessieren den Chef wenig." .Du bist bitter, Marion. Ich will Dich ja nicht ver letzen, nur belehren. Du glaubst nicht, wie verfehlt die löb lichste Absicht unter Umständen sein kann. Eines eben schickt sich nicht für alle. Uno nun ist die häßliche Sache abgetan, nicht, Schatz?" Er hob ihr gesenktes Gesicht empor und sah ihr zärtlich in die Augen. Meine süße Marion, ich möchte Dir ja alle- fernhalten, was Deine zarte weiche Seele trüben könnte, Wesen wie Du, sollen sich nur lieben und verwöhnen lassen. Neid« Deinem Weib den Kampf. Und wenn sie auch mit Hatter Hand prahlend an den Schild schlagen — er deckt nur zu ost em zages blutendes Herz. .Höre, MauS, wen» Du noch ein kleines Weilchen artig stillsitzest, darfst Du Dir die schönen Apfelsinen da mit nach Hans nehmen." Das Schwarzköpfchen lachte so vergnügt, daß seine sämt lichen blitzblanken Perlzähncheu zu sehen waren. Dann schickte es einen besitzsicheren Blick zu den goldgelben Früchten hinüber und gab sich alle Mühe, den Preis zu verdienen, das heißt die von dem Malfräulein gewünschte Stellung inne zu halten. Jawohl, die kleine Sechsjährige kannte recht gut ihre Schuldigkeit, hatte sie doch schon als Baby die Modell-Lauf bahn begonnen und so ihrer Mutter, einer Witwe, die eine große Kmderschaar zn sättigen hatte, manchen ernstlich mit rechnenden Groschen ins Haus gebracht. Da es aber Frida Urban gewesen, die eigentlich Roses Schönheit entdeckt und die Kleine durch Geschenke, Zärtlich keiten und auch gelegentliche Erziehungsklapse zum brauchbaren Modell herangebildet, so behauptete sie auch den Löwenanteil an dem dunkellockigen Kinde, das ihr in den verschiedensten Stellungen und Kostümen als reizendes und dankbares Vor bild diente und ihr erst kürzlich noch einen schönen Erfolg ins Haus gebracht hatte. In der diesjährigen großen Berliner Kunstausstellung hing nämlich, noch dazu an cincin bemerkens werten Platz, Roses entzückendes Schwarzköpschcn, von einem großen weißen Hut umrahmt, als sehr gelungenes Pastellbild, das seiner Schöpferin nicht allein die Anerkennung der Kritik, sondern auch ein paar Aufträge an Kiuderbildnisse eingetragen. Daß unter diesen Umständen das Verhältnis zwischen Malerin und Modell ein auf gegenseitiger Würdigung beruhendes war, lag auf der Hand. Fridas schlanke Künstlerfinger streckten sich immer seltener zu handgreiflicher Vermahnung, um so häufiger aber zu Lieb kosungen und Belohnungen aus, während das kindliche Modell keinem so geduldig stand hielt als dem Malfräulcin, daß ihm so aufrichtig gut war. Geraume Weile herrschte wieder Stille im Atelier, die nichts durchbrach als Fridas tiefes Atmen und das leise Geräusch ihrer festen schnellen Pinselstriche. Die Blässe geistiger Anspannung lag auf ihrem jugend lichen Gesicht. In den dunklen Augen glühte die Freude begeisterten Schassens, die Kraft des Könnens. Sie hatte entschiedene Begabung für das Genre, das Porträt, und ihre frappant lebensvolle Auffassung wurde von einer brillanten Technik untersrügt. Fortsetzung folgt